OLG Braunschweig: Trennung des Kindes von seiner Familie gegen den Willen der Sorgeberechtigten

OLG Braunschweig: Trennung des Kindes von seiner Familie gegen den Willen der Sorgeberechtigten

1. Eine Trennung des Kindes von seiner Familie gegen den Willen der Sorgeberechtigten ist erst dann zulässig, wenn das elterliche Fehlverhalten ein solches Ausmaß erreicht, dass das Kind bei einem Verbleiben in oder einer Rückkehr in die Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist. Dies ist der Fall, wenn bereits ein Schaden eingetreten ist, oder wenn eine Gefahr gegenwärtig und in einem solchen Maß vorhanden ist, dass sich bei seiner weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt.

2. Werden Kinder im Haushalt der Eltern hochgradig vernachlässigt und sind unzweifelhaft vorhandene Schädigungen auf physische Entbehrungen und fehlende emotionale Zuwendung zurückzuführen, ist von mangelnder Erziehungseignung auszugehen.

3. Eine Kindeswohlgefährdung, die Anlass zu einem familiengerichtlichen Eingriff in das elter-liche Sorgerecht gibt, kann sich auch aus der Summe einer Vielzahl von Einzelaspekten ergeben.

1. Unter Zurückweisung der Beschwerde der Beteiligten zu 7. gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Northeim vom 04.03.2021 wird dieser über die bereits mit der angefochtenen Entscheidung entzogenen Sorgerechtsbereiche hinaus ferner der Sorgerechtsbereich der schulischen Angelegenheiten für K1, geboren am ….2009, K2, geboren am ……2010, K3, geboren am …..2011, K4, geboren am …..2013, und K5, geboren am …20216, entzogen.

2. Mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 8., die dieser selbst zu tragen hat, trägt die Beteiligte zu 7. die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Beteiligte zu 7. gegen den Entzug von Teilen der elterlichen Sorge für ihre fünf Kinder.

Aus der Beziehung der Beteiligten zu 7. (im Folgenden Mutter genannt) und des Beteiligten zu 8. (im Folgenden Vater genannt) sind die gemeinsamen Kinder K1 (11 Jahre), K2 (10 Jahre), K3 (9 Jahre), K4 (8 Jahre) und K5 (5 Jahre) hervorgegangen. Bis zu ihrer Fremdunterbringung am 18.02.2020 lebten die Kinder im elterlichen Haushalt.
3
Die Eltern lernten einander im Jahr 2006 anlässlich der Jugendweihe der Mutter näher kennen, zu deren Feier der Vater als Freund der Familie mit seiner damaligen Ehefrau eingeladen war. Die Mutter war bei Aufnahme der zunächst heimlich geführten Beziehung 14 Jahre alt, der Vater war 42 Jahre alt.

Die Mutter hatte zuvor im Alter von 12 Jahren bereits für die Dauer von etwa einem Jahr eine Beziehung zu einem anderen über vierzigjährigen Mann unterhalten. Der Vater war zuvor mit seiner ersten Ehefrau, die drei Jahre jünger ist als er selbst, für die Dauer von fast 25 Jahren verheiratet. Aus deren Ehe sind vier Kinder hervorgegangen. Der Vater trennte sich anlässlich der Aufnahme der Beziehung mit der Mutter. Darüber hinaus ist er Vater eines weiteren außerehelichen Kindes. Zu diesen fünf Kindern besteht seit der Aufnahme der Beziehung der Beteiligten zu 7. und 8. kein Kontakt mehr.

Als die Großmutter mütterlicherseits die Beziehung ihrer minderjährigen Tochter zu dem 28 Jahre älteren Mann bemerkte, zog sie mit ihrer Familie von W. nach H., um eine räumliche Distanz zu schaffen. Gleichwohl blieb der Kontakt der Familien bestehen. Kurz nach dem 17. Geburtstag der Mutter holte der Vater diese heimlich aus H. ab. Sie gingen sodann gemeinsam nach B. und begründeten dort einen gemeinsamen Haushalt. Die Mutter, die bis dahin die 10. Klasse einer allgemeinbildenden Regelschule besuchte, brach daraufhin ihre Schulausbildung ab und absolvierte auch keine Berufsausbildung.

Seit ihrer Jugend leidet die Mutter unter einer Angststörung, die sie daran hindert, allein die Wohnung zu verlassen, etwa um einkaufen zu gehen. Darüber hinaus beeinträchtigten mehrere depressive Episoden der Mutter den familiären Alltag erheblich. Der Vater ging daher seit der Geburt von K1, die etwa ein Jahr nach dem Umzug nach B. geboren wurde, keiner Erwerbstätigkeit mehr nach, um die Mutter bei der Betreuung und Versorgung von K1 und später aller Kinder sowie der Haushaltsführung zu unterstützen.

Nach der Geburt des dritten Kindes, K3, zog die Familie in die Nähe von C. und im weiteren Verlauf nach H. in eine andere Wohnung in demselben Haus, in dem auch die Großmutter mütterlicherseits lebte. Es erfolgten mehrere Kindeswohlgefährdungsmitteilungen der Großmutter an das Jugendamt, denen zufolge die Eltern die Kinder vernachlässigen und diese nicht ausreichend mit Nahrung versorgen sollen. Die Familie bewohnte daraufhin zunächst lediglich noch einen einzigen Raum ihrer Fünfzimmerwohnung, von dem aus die Großmutter etwa nächtliches Schreien der Kinder nicht mehr hören konnte. Ende 2013 zog die Familie den Schilderungen der Mutter zufolge auf Rat des Jugendamts aus H. weg zunächst nach S. bei U., um die regelmäßig wiederkehrenden Konflikte mit der Großmutter mütterlicherseits durch die räumliche Distanz zu minimieren. Zwei Jahre später zog die Familie erneut um in das jetzt noch immer von den Eltern bewohnte Haus in U.-S..

Während der Aufenthaltszeit in der Nähe von C. nahm die Familie auf Anraten des dortigen Jugendamts einmal Familienhilfe in Anspruch. Die Hilfe wurde nach kurzer Zeit wieder beendet, weil die Familie diese nicht als zielführend wahrnahm. Die weiteren mehrfachen Angebote ambulanter Unterstützung der Jugendämter lehnte die Familie ab aus Misstrauen der Mutter und ihrer Sorge, ihre Kinder zu verlieren.

Die Familie ist dem Jugendamt N. seit 2016 durch mehrere Meldungen wegen häuslicher Gewalt, erheblicher Fehlzeiten der Kinder in der Schule sowie wiederkehrender meldepflichtiger Erkrankungen nach § 8a SGB VIII bekannt. Die anlassbezogenen Überprüfungen durch das Jugendamt haben jeweils zu keiner Veränderung in der Familie geführt.

Anlass für die Mitteilung einer möglichen Kindeswohlgefährdung durch Bericht des Jugendamts N. vom 07.02.2020 an das Familiengericht war die im Dezember 2019 erfolgte Trennung der Eltern sowie der Umstand, dass die Mutter sich mit den drei Töchtern bei ihrem neuen Lebensgefährten aufhalte, von dem wegen einer Drogen-/Alkoholabhängigkeit, einer psychischen Erkrankung sowie desolater hygienischer Verhältnisse eine Gefährdung für die Kinder ausgehe.

Des Weiteren bestanden bei K1, K2 und K3 erhebliche, teilweise unentschuldigte Fehlzeiten in der Schule. Im ersten Halbjahr 2019/2020 war es bei K2 zu 70 Fehltagen gekommen, von denen mehrere unentschuldigt blieben. K1 fehlte in diesem Zeitraum an 41 Tagen überwiegend unentschuldigt. Auch im vorangegangenen Schuljahr gab es bei K1, K2 und K3 erhebliche Fehlzeiten, weshalb K2 das Schuljahr wiederholen musste.

Mit Bericht vom 19.02.2020 teilte das Jugendamt N. mit, dass im Rahmen eines Polizeieinsatzes wegen häuslicher Gewalt alle fünf Kinder mit vorläufigem Einverständnis der Eltern stationär untergebracht wurden, nachdem einerseits der Vater von Tätlichkeiten der Mutter sowohl ihm als auch den Kindern gegenüber berichtet und andererseits die Mutter den Vorwurf geäußert hatte, der Vater sei gegenüber den Töchtern sexuell übergriffig gewesen. Im Zeitpunkt der Unterbringung waren alle fünf Kinder bereits über einen längeren Zeitraum mit Scabies („Krätze“) infiziert.

K1, K2 und K3 wurden zunächst gemeinsam in einer Wohngruppe untergebracht. Alle drei Kinder zeigten ein auffallend sehr angepasstes Verhalten und hielten sich eng an jede Regel. Anfangs rückversicherten sie sich viel durch Fragen. Sie waren zudem immer unsicher, ob sie etwas von dem nehmen durften, was ihnen zum Essen angeboten wurde. K1 und K2 verweigerten anfangs den Kontakt zum Vater vollständig. Alle drei Kinder kannten auffallend wenige Obst- und Gemüsesorten. Die Kinder erlitten den kinderärztlichen Unterlagen zufolge im elterlichen Haushalt vor ihrer Fremdunterbringung auffällig viele Verletzungen und waren mehrfach und teilweise langanhaltend mit Scabies („Krätze“), Kopfläusen und Augengrippe infiziert. Allen drei Kindern fiel es schwer, ihre Bedürfnisse oder Gefühle zu äußern. Alle drei konnten sich vorstellen, länger von den Eltern getrennt zu sein, auch wenn sie die Einrichtung nochmals wechseln müssten.

K1 (11 Jahre) leidet an Bluthochdruck, der medikamentös behandelt wird. Sie wurde wegen ihrer erheblichen Fehlzeiten zunächst in der 5. Klasse einer Hauptschule eingeschult. Aufgrund ihrer zwischenzeitlich nach der Fremdunterbringung gezeigten guten Leistungen konnte sie im Sommer 2021 in die 6. Klasse einer Realschule wechseln. Sie ist inzwischen therapeutisch angebunden, um zu lernen, Wünsche zu formulieren sowie Gefühle wahrzunehmen und zu äußern. Sie äußerte in der ersten Wohngruppe, dass es zu Hause eher unregelmäßig Mahlzeiten gegeben habe. Sie hätten nach Essen immer fragen müssen. Bei Anwesenheit der Mutter habe diese gekocht, sonst der Vater. Bei längerer Abwesenheit beider Eltern habe sie auf alle Geschwister aufgepasst und auch Essen gemacht. Sie habe auch K5s Windeln gewechselt. K1 tauschte vor ihrer Fremdunterbringung sexuell geprägte Messengernachrichten mit einem erwachsenen Mann aus. Der Vater äußerte gegenüber dem Hausarzt, ein Freund der Großmutter mütterlicherseits habe sich K1 mit Billigung der Großmutter genähert und diese im Intimbereich gestreichelt. In ihrer Anhörung durch das Amtsgericht schloss sie sich auf Frage nach Veränderungswünschen dem geäußerten Wunsch K2s an, gerne auch einmal über Nacht ihre Eltern besuchen fahren zu wollen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Anhörungsvermerk Bl. 206 f. Bd. II d. A. Bezug genommen.

K2 (10 Jahre) ist wegen eines Herzfehlers (Endokarditis) in regelmäßiger kardiologischer Behandlung. Er vertraute sich in der Wohngruppe einer Erzieherin unter Tränen an, dass seine Platzwunde am Kopf entstanden sei, als seine Mutter ihn gegen eine Tischkante geschubst habe, weil er nicht gehört habe. In dem anschließenden Strafverfahren vom Amtsgericht Northeim wurde die Mutter freigesprochen, nachdem Frau K.-H. ausweislich des vom Jugendamt vorgelegten Schreibens als bestellte Ergänzungspflegerin für K2 zur Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts im Strafverfahren gegen seine Mutter erklärt hatte, von dem Zeugnisverweigerungsrecht in dem Strafverfahren zum Schutz von K2 Gebrauch zu machen. K2 wiederholte die zweite Klasse wegen seiner erheblichen Fehlzeiten und kommt seit seiner Fremdunterbringung gut im Unterricht mit. Er ist immer in „Hab-Acht-Stellung“ und traurig, wenn andere Kinder seiner Gruppe am Wochenende ihre Familien besuchen fahren. Er scheint wenig Vertrauen in Erwachsene zu haben und lässt kaum Körperkontakt zu. In seinem Anhörungstermin beim Amtsgericht äußerte er auf Frage nach Veränderungswünschen, seine Eltern gerne auch einmal über Nacht besuchen zu wollen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Anhörungsvermerk Bl. 206 f. Bd. II d. A. Bezug genommen.

K3 (9 Jahre) wiederholte ebenfalls wegen seiner erheblichen Fehlzeiten eine Klassenstufe. Auch er kommt seit seiner Fremdunterbringung in der Schule gut mit. Für ihn soll ein Fördergutachten erstellt werden, um den sozial-emotionalen Förderbedarf zu prüfen. In der Inobhutnahmegruppe zeigte er oft Heimweh durch abendliches Weinen im Bett. Den Pädagogen gegenüber verhielt er sich distanzlos und suchte Körperkontakt etwa durch das Versperren des Weges oder Festhalten. In seiner Anhörung durch das Amtsgericht gab K3 auf Nachfrage an, dass er sich wünsche, zum Umgang mal nach Hause zu dürfen. Ansonsten sei es gut in der Gruppe. Er könne sich vorstellen, dort weiterhin zu wohnen, wobei er aber am liebsten in K2s Gruppe wäre. Auf die Frage der Richterin nach weiteren Wünschen erklärte K3, dass die Eltern sich nicht trennen sollen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Anhörungsvermerk Bl. 212 Bd. II d. A. Bezug genommen.

K4 (noch 7 Jahre) hatte bis zu ihrer Fremdunterbringung mit sechs Jahren noch keinen Kindergarten besucht, weil nach Angaben der Eltern die Eingewöhnung nicht geklappt habe. Sie hat einen selektiven Mutismus entwickelt und zunächst fast überhaupt nicht gesprochen. Nach Angaben der Pflegemutter gegenüber der Verfahrensbeiständin sei sie mit zu kleinen und kaputten Schuhen sowie zu dünner Kleidung für die Witterung in der Bereitschaftspflegefamilie angekommen. Ihre Muskulatur war anfangs so schwach entwickelt, dass sie beispielsweise keine Autotür und kein Schraubglas öffnen konnte. Sie schlich durchs Haus und vermied Aufmerksamkeit. Sie war weder im Umgang mit der Zahnbürste noch mit Besteck vertraut, kannte wenig Obst und Gemüse, konnte lediglich bis fünf zählen und Farben nicht sicher benennen. Sie war insgesamt nicht schulfähig. Sie sprach nicht und äußerte insbesondere keine eigenen Bedürfnisse. Anfangs hortete sie Essen. Im Rahmen der Unterbringung in der Pflegefamilie und seit dem regelmäßigen Besuch des Sprachheilkindergartens machte sie erhebliche Fortschritte in der Sprachentwicklung. K4 bearbeitete die von der Pflegemutter, die früher in der Frühförderung tätig war, vorbereiteten Aufgaben mit schneller Auffassungsgabe und viel Freude und erzielte hierdurch erhebliche Entwicklungsfortschritte. Seit ihrem Wechsel in ihre jetzige Erziehungsstelle macht sie weiter erhebliche Entwicklungsfortschritte. Sie benötigt jedoch weiterhin viel Sicherheit und Klarheit. Sie spricht gern und viel, wenn sie sich sicher fühlt, ansonsten verstummt sie immer noch. Sie telefoniert mit den Eltern, ist aber vorher sehr angespannt und hört mehr zu als selbst zu erzählen. Insbesondere in Gegenwart des Vaters ist K4 sehr angespannt. Sie äußerte in der Erziehungsstelle, sie wolle nicht zurück. In der Familie habe es sehr viel Streit gegeben. Das sei auch der Grund, weshalb sie ein neues Zuhause habe. Das Amtsgericht hatte einen Termin zur Anhörung von K4 anberaumt, in dem sie sich allerdings auf ein Gespräch mit der Richterin nicht einlassen konnte.

K5 (5 Jahre) hatte bis zu ihrer Fremdunterbringung ebenfalls noch keinen Kindergarten besucht. Die Mutter begründete dies mit einer Asthmaerkrankung von K5, die seit K5s Fremdunterbringung aber zu keinem Zeitpunkt aufgetreten ist, sowie dem Umstand, dass es sich um ihre jüngste Tochter handele, die sie lieber noch länger um sich habe. K5 trug noch Windeln und teilte anfangs auch auf Nachfrage nicht mit, wenn sie Kot abgesetzt hatte. Bis zu ihrer Fremdunterbringung litt sie infolgedessen ausweislich der kinderärztlichen Behandlungsunterlagen regelmäßig an Harnwegsinfekten, die sich auch durch Gabe von Antibiotika nicht mehr therapieren ließen. In der Wickelsituation und beim Duschen verkrampfte sie sich in der Bereitschaftspflege zunächst völlig, so dass es kaum möglich war, sie zu säubern. Anfangs hielt sie zur Pflegemutter im Gegensatz zu deren Ehemann und zur großen Tochter eine große Distanz. Bei Verletzungen lässt sie sich nicht trösten, sondern bleibt stehen und versucht, die Tränen zu unterdrücken. Sie verfügt über ein reduziertes Schmerzgefühl. K5s Aussprache war anfangs sehr verwaschen, was sich langsam bessert. Sie ist sehr vorsichtig, als habe sie Angst, Fehler zu machen, und auffällig regelangepasst. Die U8 am 06.02.2020 ergab eine Farb-, Zahlen- und Sprachschwäche sowie den Verdacht auf eine Sehschwäche. K5 fragt weder nach ihren Eltern noch nach ihren Geschwistern. Im Elternkontakt ist sie ruhiger und angespannter. Bei Ankunft in der jetzigen Erziehungsstelle war sie motorisch sehr ungeschickt (ist beispielsweise Treppen auf allen Vieren hochgekrabbelt). Inzwischen bewegt sie sich viel sicherer. Sie war kognitiv entwicklungsverzögert (konnte keine Farben benennen, nicht puzzeln, die Begriffe wie oben/unten, hinten/vorne nicht sachgerecht verwenden). Insoweit und in ihrer sprachlichen Entwicklung machte sie zwischenzeitlich große Fortschritte. Es gelingt ihr zunehmend auch besser, eigene Bedürfnisse zu äußern. Männern gegenüber verhält sie sich häufig distanzlos, rekelt sich vor ihnen auf dem Boden, provoziert und macht sexuelle Angebote. Im Kontakt mit der Mutter tat sich K5 einmal weh, weinte allerdings nicht, sondern beschwichtigte ihre Mutter, dass nichts passiert sei. Im Kontakt mit dem Vater ist K5 sehr angepasst und will gefallen. Insbesondere bei Umarmungen wirkt sie deutlich angespannter.

Die zunächst von beiden Eltern eingegangenen neuen Beziehungen sind inzwischen jeweils beendet, und die Eltern leben erneut beide in der ehelichen Wohnung, allerdings in verschiedenen Wohnbereichen des Hauses getrennt voneinander.

Mit Beschluss vom 13.02.2020 hat das Amtsgericht Frau Dipl. Sozialpädagogin U. P. zur Verfahrensbeiständin für alle fünf Kinder bestellt. Diese hat im Termin am 05.11.2020 mündlich berichtet, dass keines der Kinder die Idee gehabt habe, Weihnachten zu Hause verbringen zu wollen. Es habe auch kein Kind ihr gegenüber den Wunsch geäußert, zurück zu Mama und Papa zu wollen.

Im Anhörungstermin am 05.03.2020 haben sich die Eltern für die Dauer der in Aussicht genommenen Begutachtung mit der Fortdauer der Fremdunterbringung ihrer Kinder, der Anmeldung von K4 und K5 im Kindergarten sowie der jeweils erforderlichen medizinischen Behandlungen und therapeutischen Anbindungen aller Kinder einverstanden erklärt.

Mit Beschluss vom 06.03.2020 hat das Amtsgericht ein Sachverständigengutachten zur Erziehungsfähigkeit der Eltern unter Berücksichtigung etwaiger psychiatrischer Erkrankungen in Auftrag gegeben und mit der Erstattung des Gutachtens den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie P. beauftragt.

Unter dem 06.04.2020 legte der Sachverständige Herr P. sein „vorläufiges Gutachten“ vor, für das zum damaligen Zeitpunkt Interaktionsbeobachtungen zwischen den Kindern und den Eltern wegen der Kontaktbeschränkungen im Zusammenhang mit der Coronapandemie nicht stattfinden konnten. Der Sachverständige attestiert dem Vater darin eine narzisstische Persönlichkeitsstruktur und stützt dies im Wesentlichen darauf, dass er die Beziehung zu der 28 Jahre jüngeren Mutter einging, als diese nach seiner eigenen Schilderung 14 Jahre alt gewesen sei. Auf Seiten der Mutter stellt der Sachverständige statt der von ihr selbst angegebenen Angsterkrankung eine Persönlichkeitsstörung mit emotional-instabilen und abhängigen Anteilen fest. Beide Eltern stellen den Ausführungen des Sachverständigen zufolge die Befriedigung eigener Bedürfnisse über die Bedürfnisse ihrer Kinder. Der Sachverständige kommt daher zu einer eingeschränkten Erziehungsfähigkeit beider Eltern, weshalb wegen der deutlich erhöhten Erziehungsanforderungen durch ihre fünf Kinder ambulante Unterstützungs- und Kontrollmaßnahmen nicht ausreichend seien, um eine chronische Kindeswohlgefährdung abzuwehren. Auch die Aufnahme in einer stationären Eltern-Kind-Einrichtung scheide wegen des Alters jedenfalls von Maya und der Anzahl der Kinder aus. Die wechselseitigen erhobenen Vorwürfe der körperlichen Gewalt beziehungsweise sexuellen Übergriffe ließen sich für seine Begutachtung nicht verlässlich aufklären. Die insbesondere von den beiden jüngsten Kindern gezeigten „typischen“ Verhaltensauffälligkeiten wie etwa Einkoten, Abwehr bei der Intimpflege/Wickelsituation seien unspezifisch und fänden sich bei fast jedem kinderpsychologischen Störungsbild, so dass ein sicherer Rückschluss auf einen sexuellen Übergriff niemals zulässig sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf das vorläufige Sachverständigengutachten vom 06.04.2020, Bl. 63 ff. Bd. I d. A., Bezug genommen.

Unter dem 13.07.2020 erstellte der Sachverständige seine „Ergänzung“ zum Sachverständigengutachten, in der er zu dem Ergebnis kommt, dass in den nunmehr durchgeführten Interaktionsbeobachtungen diverse Auffälligkeiten wahrnehmbar waren. Beispielsweise zeigte keines der Kinder in einer der Situationen Trennungsschmerz beim Verabschieden. Die Bindungen der Kinder zu ihren Eltern beschreibt der Sachverständige durchgängig als unsicher. Deutlich seien ebenso die bei den Kindern teilweise bestehenden erheblichen Entwicklungsdefizite geworden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf das ergänzende Sachverständigengutachten vom 13.07.2020, Bl. 113 ff. Bd. I d. A., Bezug genommen.

Aus dem Kurzbericht der Fachstelle für Familiäre Einzelbetreuung vom 06.09.2020 ergibt sich, dass K4 erheblich an Selbstbewusstsein gewonnen und Sprachfreude entwickelt hat. Sie hat sich gut in den Sprachheilkindergarten eingelebt, seit vier Wochen nicht eingenässt und sucht selbständig die Toilette auf.

Aus dem Sachstandsbericht der Jugendhilfe S. e. V. vom 10.09.2020 ergibt sich, dass K5 sich nicht äußere, wenn sie sich verletze. Als sie in eine Biene getreten sei, habe sie lediglich den Kopf gesenkt und erst auf ausdrückliche Nachfrage der Pflegemutter berichtet, dass sie gestochen worden sei. Auch Bedürfnisse wie Hunger oder Durst teile sie erst auf ausdrückliche Nachfrage mit. Etwa zwei Monate zuvor habe K5 im Garten mit einem 5,5 Jahre alten Jungen aus der Bereitschaftspflege gespielt, als dieser zur Pflegemutter gekommen sei und ihr berichtet habe, dass K5 gesagt habe, er solle sie „da unten“ lecken, wobei die Pflegemutter sich sicher sei, dass der Junge nicht von selbst auf eine solche Idee gekommen sei. K5 habe weiter in einer Situation, als sie mit der Pflegemutter auf dem Sofa gesessen und der Pflegevater sich dazugesetzt habe, diesem einen „Luftkuss“ zugeworfen. Bei einer Einschulungsfeier habe K5 nicht mit den anderen Kindern spielen wollen, sondern sich die ganze Zeit bei den männlichen Erwachsenen aufgehalten. Als ein Baby auf der Feier geweint habe, habe K5 geäußert, dass man Babys den Mund zuhalten müsse, wenn sie weinen. Als sie einen Menschen mit langem Strich als Körper gemalt habe, habe sie geäußert, der lange Strich sei der „Pullermann“. Nach den Besuchskontakten mit den Eltern habe K5 Schwierigkeiten mit dem Toilettengang und sei eher ruhig. Während der Besuchskontakte sei sie deutlich ruhiger und zurückhaltender als sonst, ihr Lachen wirke nicht authentisch. Weder bei der Begrüßung noch beim Abschied sei weder bei den Eltern noch bei K5 eine große Emotionalität zu erkennen gewesen.

Im Termin am 05.11.2020 vor dem Amtsgericht Northeim erläuterte der Sachverständige sein Gutachten. Er führte dabei aus, dass neben den bereits beschriebenen Verhaltensauffälligkeiten auch wenig erkennbare Solidarität der Geschwister untereinander herrsche. Es sei zu erwarten gewesen, dass K1 versuche, die Verantwortung für die jüngeren Geschwister zu übernehmen, was nicht geschehen sei. Da die Geschwister das Fehlen der Eltern untereinander nicht kompensierten, sei am ehesten von einer unsicher-vermeidenden Bindung auszugehen. Dem stünden auch nicht die Äußerungen von Heimweh entgegen, denn auch bei einer unsicheren Bindung sei ein Kontaktabbruch eine Belastung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf das Protokoll des gerichtlichen Erörterungstermins vom 05.11.2020 Bezug genommen.

Im Anschluss daran erklärte der Vater sich mit einer Fortdauer der Fremdunterbringung seiner Kinder zunächst einverstanden, während die Mutter einer solchen widersprach, weshalb eine abgestimmte, einvernehmliche Regelung scheiterte.

Daraufhin hat das Amtsgericht Northeim mit der angefochtenen Entscheidung vom 04.03.2021 beiden Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge sowie das Recht zur Antragstellung nach SGB VIII für alle fünf Kinder entzogen und dem Jugendamt des Landkreises N. als Pfleger übertragen.

Seine Entscheidung stützt das Amtsgericht auf §§ 1666, 1666a BGB und begründet diese damit, dass die weitere Unterbringung der Kinder außerhalb des elterlichen Haushalts wegen der Defizite der Eltern in ihrer Persönlichkeitsstruktur und ihrem Erziehungsverhalten unvermeidbar sei, weil diese bei den Kindern bereits zu nachhaltigen Störungen in der geistigen, körperlichen und seelischen Entwicklung geführt hätten und bei einer Rückkehr in den elterlichen Haushalt zu weiteren Schäden in der kindlichen Entwicklung führen würden.

Gegen diese Entscheidung des Familiengerichts richten die Eltern ihre jeweiligen Beschwerden.

Die Mutter beantragt in der Beschwerdeinstanz,

1. den Beschluss des Amtsgerichts N. – Familiengericht – vom 04.03.2021, zugestellt am 10.03.2021, aufzuheben

2. und die Rückführung der Kinder zu ihr, begleitet durch staatliche Hilfsmittel, zum Beispiel eine Familienhilfe, herbeizuführen, mithin das entzogene Aufenthaltsbestimmungsrecht etc. wieder auf sie (rück) zu übertragen.

Die Mutter begründet ihre Beschwerde damit, dass die angefochtene Entscheidung bereits wegen der langen Verfahrensdauer von mehr als einem Jahr nicht mehr verhältnismäßig sei. Eine Kindeswohlgefährdung liege aktuell jedenfalls aufgrund der Fortschritte der Kinder, die diese während der Fremdunterbringung erzielt hätten, nicht mehr vor. Sie sei in ihrer Erziehungsfähigkeit nicht eingeschränkt. Die Diagnose im eingeholten Sachverständigengutachten könne nicht verwertet werden, weil dieses nicht auf wissenschaftlichen Grundlagen beruhe und der zeitliche Umfang der Gespräche mit ihr etwa eine Stunde nicht überschritten habe. Sie habe in der Vergangenheit sowohl die Sprachdefizite als auch die Hauterkrankungen ihrer Kinder adäquat behandeln lassen. Etwaige Defizite ihrer Erziehungsfähigkeit ließen sich durch ambulante Maßnahmen, beispielsweise eine Familienhilfe, ausgleichen. Das Amtsgericht habe auch häusliche Gewalt unterstellt, ohne hierzu konkrete Feststellungen zu treffen. Insbesondere sei nicht berücksichtigt worden, dass sie wegen des Vorfalls mit K2s Platzwunde am Kopf freigesprochen worden sei. Es gebe auch keine Auffälligkeiten bei der Geschwisterbindung. Solche entstünden allenfalls nunmehr durch die getrennte Unterbringung der Geschwister. Eine Kindeswohlgefährdung ergebe sich auch nicht aufgrund ihrer außerehelichen Beziehungen oder dem Umstand, dass ihre neue Partnerschaft bereits wieder beendet sei. Es sei auch unzutreffend, dass die Kinder nicht zu den Eltern zurück wollten. Hierzu seien sie schlicht nicht gefragt worden.

Das Jugendamt N. sowie die Verfahrensbeiständin verteidigen die angefochtene Entscheidung.

Die Verfahrensbeiständin hat unter dem 14.05.2021 berichtet. Als Voraussetzungen für die von den Eltern angestrebte Rückführung der Kinder benennt die Verfahrensbeiständin die Klärung des Beziehungsstatus´ der Eltern sowie die Arbeit der Eltern über einen längeren Zeitraum an ihrer Erziehungskompetenz, etwa durch Beratung in einer Familienberatungsstelle und/oder das Absolvieren einer Therapie.

Das Jugendamt N. setzt sich mit Schreiben vom 14.05.2021 mit der Beschwerdebegründung der Mutter auseinander. Die Kooperation mit den Eltern sei trotz der stationären Unterbringung der Kinder wiederkehrend erschwert, zuletzt etwa bei der Beantragung einer notwendigen Förderschuluntersuchung für K4. Das Jugendamt stellt in Aussicht, erneut einen Antrag auf vollständigen Entzug der elterlichen Sorge zu stellen, sofern die Eltern künftig weiterhin ihre eigenen Bedürfnisse über die ihrer Kinder stellen und dadurch deren Versorgung und Förderung maßgeblich beeinträchtigen.

Der Vater hat seine Beschwerde nach erfolgtem Hinweis des Senats über die fehlende Erfolgsaussicht des Rechtsmittels mit Schriftsatz vom 16.08.2021 zurückgenommen.

Der Senat hat K1, K2, K3, K4 und K5 jeweils am 06.09.2021 im Beisein der Verfahrensbeiständin persönlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Anhörungsvermerke vom 06.09.2021 verwiesen, die den Beteiligten mit Gelegenheit zur Stellungnahme übersandt wurden.

Der Senat hat die übrigen Beteiligten im Termin am 21.09.2021 persönlich angehört und bereits in der Terminsverfügung darauf hingewiesen, dass der Entzug weiterer Sorgerechtsbereiche in Betracht komme. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 21.09.2021 Bezug genommen. Das Jugendamt N. und die Verfahrensbeiständin regen an, der Mutter über die bereits entzogenen Sorgerechtsteile hinaus für die Kinder K5 und K4 die elterliche Sorge vollständig zu entziehen.

II.

Die gem. §§ 58 Abs. 1, 63 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Mutter war von Anfang an unbegründet und führt von Amts wegen, weil in Sorgerechtsverfahren das Verschlechterungsverbot nicht gilt, zu dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Entzug des weiteren Sorgerechtsteils der schulischen Angelegenheiten.

1.

Das Amtsgericht hat den Eltern zutreffend das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge und das Antragsrecht nach SGB VIII gemäß §§ 1666, 1666a BGB für alle fünf gemeinsamen Kinder entzogen und auf das Jugendamt des Landkreises N. als Ergänzungspfleger übertragen. Die Voraussetzungen für den Entzug der genannten Sorgerechtsteile liegen auch weiterhin vor.

Nach § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht in Fällen, in denen das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet wird, und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

Da der Sorgerechtsentzug als Eingriff in das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts strenger Überprüfung unterliegt, ist ein Sorgerechtsentzug nur bei einer gegenwärtigen, in einem solchen Maß vorhandenen Gefahr, dass sich bei weiterer Entwicklung ohne Intervention eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt, gerechtfertigt (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 19.11.2014, 1 BvR 1178/14, FamRZ 2015, 112 Rn. 23; Stattgebender Kammerbeschluss vom 28.02.2012, 1 BvR 3116/11, FamRZ 2012, 1127, Rn.15; BGH, Beschluss vom 06.07.2016, XII ZB 47/15, FamRZ 2016, 1752, Rn. 28).

Dabei dient der staatliche Eingriff nach § 1666 BGB nicht dazu, dem Kind optimale Entwicklungsbedingungen zu verschaffen (BVerfG Stattgebender Kammerbeschluss vom 19.11.2014, 1 BvR 1178/14, FamRZ 2015, 112 Rn. 29). Ob die Voraussetzungen des § 1666 BGB vorliegen, entscheidet sich in Fällen der Vernachlässigung vielmehr nach deren Ausmaß, der Schutzbedürftigkeit des Kindes und inwieweit bereits schädigende Folgen für das Kind eingetreten sind (Kindler, NZFam 2020, 376; Splitt, FF 2021, 92, 93). Die bloße Besorgnis künftiger Gefährdungen genügt nicht (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 28.02.2012, 1 BvR 3116/11, FamRZ 2012, 1127 Rn. 15). Um eine Trennung des Kindes von den Eltern zu rechtfertigen, muss das elterliche Fehlverhalten ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei den Eltern in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet wäre, das ist unter anderem bei einer wiederholten körperlichen Misshandlung der Fall, da Kindesmisshandlungen grundsätzlich einen schwerwiegenden Eingriff in das körperliche und seelische Wohlbefinden eines Kindes darstellen (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 31.03.2010, 1 BvR 2910/09, FamRZ 2010, S. 865; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 03.03.2017, 18 UF 159/16, – juris -).

Zudem gebietet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die anzuordnende Maßnahme zur Gefahrenabwehr effektiv geeignet ist (BVerfG, Teilweise stattgebender Kammerbeschluss vom 27.08.2014, 1 BvR 1822/14, FamRZ 2014, 1772 ff.) Eine Maßnahme, die mit einer Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, ist nach § 1666a BGB darüber hinaus nur zulässig, wenn der Gefahr für das Kindeswohl nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen begegnet werden kann.

Bei der Bewertung der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme ist auch der Grad der Wahrscheinlichkeit der Gefährdung zu überprüfen. Eine auch teilweise Entziehung der elterlichen Sorge ist nur bei einer erhöhten Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, nämlich mit ziemlicher Sicherheit, verhältnismäßig (BGH, Beschluss vom 7.2.2019, XII ZB 408/18, – juris -).

Auch sind die negativen Folgen einer Trennung des Kindes von den Eltern und einer Fremdunterbringung zu berücksichtigen, sie müssen durch die hinreichende Aussicht auf Beseitigung der festgestellten Gefahr aufgewogen werden, so dass sich die Situation des Kindes in der Gesamtbetrachtung bessert (BGH a.a.O.).

2.

Die amtsgerichtliche Entscheidung hält einer Überprüfung anhand dieser Maßstäbe stand. Eine für den Eingriff in die Rechte der Mutter erforderliche Kindeswohlgefährdung liegt weiterhin vor, denn es steht zweifelsfrei fest, dass die fünf Kinder in der Obhut ihrer Mutter in der Entwicklung sowohl körperlich, emotional als auch seelisch schwerwiegende Schäden erlitten haben (dazu unter a) und ihnen bei Rückkehr in die Obhut der Mutter gleichgerichtete Schäden drohen, weil die Mutter nichts zur Veränderung der häuslichen Situation unternommen hat und dazu auch nicht willens ist (dazu unter b).

a)

Dass die fünf Kinder in der Obhut ihrer Mutter in der Entwicklung sowohl körperlich, emotional als auch seelisch schwerwiegende Schäden erlitten haben, ergibt sich aufgrund der Zusammenschau und des Zusammenhangs insbesondere folgender Aspekte.

aa)

Aufgrund des unstreitigen Befundberichts betreffend alle fünf Kinder bei Herausnahme aus dem elterlichen Haushalt steht zunächst zweifelsfrei fest, dass die Kinder dort durchgehend nicht ausreichend mit Essen versorgt wurden. Dies ergibt sich aus dem festgestellten Ernährungszustand sowie den von allen Kindern gezeigten Verhaltensauffälligkeiten bei ihrer Herausnahme aus dem elterlichen Haushalt.

Unstreitig gab es im Laufe der Jahre wiederholt Meldungen an die jeweils örtlich zuständigen Jugendämter, dass die Kinder im elterlichen Haushalt nicht ausreichend mit Nahrung versorgt seien. Soweit die Mutter pauschal bestreitet, dass die Kinder in der Vergangenheit in ihrem Haushalt nur unzureichend mit Nahrung versorgt worden seien, ist dieses prozesstaktische Verhalten unbeachtlich, denn nach dem unstreitigen Bericht der Verfahrensbeiständin kannten alle Kinder bei Herausnahme aus dem elterlichen Haushalt auffallend wenige Nahrungsmittel, insbesondere kannten sie keine Obst- und Gemüsesorten. K4 konnte darüber hinaus mit fünf Jahren noch nicht mit Besteck umgehen. Sie war auch auffallend zart und kraftlos, K5 war leicht untergewichtig. K2 und K3 waren für ihr Alter ebenfalls auffallend klein und zierlich. Alle Kinder zeigten sich in den Erziehungsstellen und Wohngruppen, in denen sie untergebracht wurden, verunsichert und rückversicherten sich zunächst stets, ob sie es annehmen dürfen, wenn ihnen Essen angeboten wurde. K4 hortete nach Herausnahme aus dem elterlichen Haushalt anfangs Essen in der Erziehungsstelle, K1 gab gegenüber der Verfahrensbeiständin an, es habe zu Hause eher unregelmäßige Mahlzeiten gegeben.

In einer Gesamtschau lassen diese geschilderten unstreitigen Umstände nur den Rückschluss zu, dass die Kinder im elterlichen Haushalt nur unzureichend mit Nahrung versorgt wurden.

bb)

Darüber hinaus steht aufgrund der Behandlungsunterlagen des Hausarztes Dr. R. zweifelsfrei fest, dass es der Mutter in der Vergangenheit nicht gelang, ihre Kinder ausreichend vor Krankheiten zu schützen und sie im Fall einer Erkrankung nicht hinreichend schnell und konsequent einer Behandlung zuzuführen. Alle Kinder waren mehrfach und teilweise längere Zeit andauernd mit Scabies („Krätze“) sowie mit Augengrippe infiziert und von Kopfläusen befallen. Der Umstand, dass dieser Befall mit Scabies und Läusen sowie die Infektion mit Augengrippe über einen längeren Zeitraum mehrfach in den ärztlichen Behandlungsunterlagen vermerkt wurde, lässt auf eine nicht hinreichend gründliche und konsequente medizinische Behandlung aus dem elterlichen Haushalt heraus schließen. Dieser Rückschluss wird auch dadurch gestützt, dass der bei allen Kindern bereits länger andauernde Scabiesbefall nach ihrer Herausnahme aus dem elterlichen Haushalt in der Wohngruppe beziehungsweise den Erziehungsstellen bei allen Kindern binnen weniger Tage erfolgreich behandelt werden konnte.

Auch die Harnwegsinfekte, die K5 vor ihrer Herausnahme aus dem elterlichen Haushalt derart häufig erlitt, dass diese nicht mehr mit Antibiotika kuriert werden konnten, sind darauf zurückzuführen, dass es den Eltern nicht gelang, Rahmenbedingungen für ein gesundes Aufwachsen der Kinder in ihrem Haushalt zu schaffen. Denn die wiederholten Harnwegsinfekte K5s hatten ihre Ursache darin, dass diese bis zu ihrer Herausnahme aus dem elterlichen Haushalt mit vier Jahren dauerhaft eine Windel trug, ohne dass sie mitteilen konnte, wenn sie Kot abgesetzt hatte. Dieser für K5 gesundheitsgefährdende Zustand ist ebenfalls auf ein unzureichendes Erziehungsverhalten der Eltern zurückzuführen und liegt nicht in organischen Ursachen begründet, denn in der Erziehungsstelle erzielte K5 beim Toilettentraining sehr schnell solche Fortschritte, dass sie bereits nach kurzer Zeit keine Windel mehr benötigte und danach auch keine Harnwegsinfekte mehr erlitt.

cc)

Weiterhin steht aufgrund der unstreitigen massiven schulischen Fehlzeiten der Kinder vor ihrer Herausnahme aus dem elterlichen Haushalt fest, dass es der Mutter nicht gelang, einen regelmäßigen Schulbesuch ihrer Kinder sicherzustellen. Die massiven Fehlzeiten der zum damaligen Zeitpunkt schulpflichtigen Kinder K1, K2 und K3 führten zu erheblichen Lernrückständen bei allen drei Kindern. Diese Lernrückstände hatten zur Folge, dass K2 und K3 jeweils ein Schuljahr wiederholen mussten und K1 nach der Grundschule zur Vermeidung einer Überforderung zunächst in der 5. Klasse der Hauptschule angemeldet wurde, sie aber im Sommer 2021 wegen sehr guter Lernfortschritte nach ihrer Herausnahme aus dem Haushalt der Eltern in die 6. Klasse des Realschulzweigs ihrer Schule wechseln konnte.

dd)

Darüber hinaus steht aufgrund des unstreitigen Berichts der Verfahrensbeiständin sowie der ärztlichen Behandlungsunterlagen fest, dass die Kinder im elterlichen Haushalt auch sonst nicht ausreichend gefördert wurden.

In Bezug auf K4 ergibt sich die unzureichende Förderung daraus, dass sie im Zeitpunkt ihrer Herausnahme aus dem elterlichen Haushalt unstreitig erheblich entwicklungsverzögert war und als im Sommer 2020 schulpflichtiges Kind vom Schulbesuch zurückgestellt werden musste, weil sie etwa lediglich bis fünf zählen und Farben nicht zuverlässig benennen konnte. Da sich bei der Bearbeitung von Frühförderungsunterlagen in der Erziehungsstelle zeigte, dass K4 über eine schnelle Auffassungsgabe verfügt und sie innerhalb kurzer Zeit große Entwicklungsfortschritte machte, steht fest, dass die Entwicklungsverzögerungen auf eine unzureichende Förderung im elterlichen Haushalt sowie den Umstand, dass sie aus dem elterlichen Haushalt heraus keinen Kindergarten besuchte, zurückzuführen sind.

Auch K5 wurde im elterlichen Haushalt nicht ausreichend gefördert und war daher im Zeitpunkt ihrer Herausnahme ebenfalls erheblich entwicklungsverzögert. So wurde bei der U8 am 06.02.2020 eine Farb-, Zahlen und Sprachschwäche festgestellt. Nach dem unstreitigen Bericht der Verfahrensbeiständin war sie motorisch, kognitiv und sprachlich nicht altersgerecht entwickelt: sie kletterte Treppen zunächst auf allen vieren hoch, konnte nicht puzzeln und lernte erst in der Erziehungsstelle die Zuordnung gegensätzlicher Begriffe wie „oben – unten“, „hinten – vorne“, groß – klein“. Da auch K5 in ihrer Erziehungsstelle durch gezielte Förderung schnell erhebliche Entwicklungsfortschritte erzielte, steht fest, dass auch K5s Entwicklungsverzögerungen auf eine unzureichende Förderung im elterlichen Haushalt sowie den Umstand, dass sie aus dem elterlichen Haushalt heraus keinen Kindergarten besuchte, zurückzuführen sind.

Alle Kinder haben einen erhöhten Förderbedarf, dem die Eltern in der Vergangenheit bereits gemeinsam nicht gerecht wurden. Entgegen dem Bekunden der Eltern, den Empfehlungen zur logopädischen Behandlung der Kinder stets nachgekommen zu sein, berichtete die Logopädin von K4, dass mehrere Termine durch die Eltern abgesagt worden seien (S. 26 des Sachverständigengutachtens vom 06.04.2020). Ähnliches ergibt sich aus dem Schreiben der Logopädischen Praxis K. vom 16.08.2018 an den Hausarzt im Hinblick auf die Logopädietermine von K2. Bei der Beantragung der Überprüfung des Förderbedarfs von K4 wirkten die Eltern erst nach erneuter Anrufung des Familiengerichts durch das Jugendamt mit.

Auch der Umstand, dass K1, K2 und K3 ihre schulischen Rückstände seit ihrer Unterbringung außerhalb des elterlichen Haushalts aufholen konnten und auch K4 durch die Bearbeitung der Frühförderungsunterlagen mit der Bereitschaftspflegemutter und den Besuch des Sprachheilkindergartens ihre erheblichen Entwicklungsdefizite in der Zwischenzeit zu einem großen Teil kompensieren konnte, spricht dafür, dass die Förderung der Kinder zuvor im elterlichen Haushalt unzureichend erfolgte.

ee)

Schließlich steht aufgrund des unstreitigen Berichts der Verfahrensbeiständin betreffend alle fünf Kinder bei Herausnahme aus dem elterlichen Haushalt zweifelsfrei fest, dass die Kinder dort auch emotional vernachlässigt worden sind und massiver Verängstigung durch Vorfälle häuslicher Gewalt ausgesetzt waren.

Dass es in der Vergangenheit wiederholt zu Vorfällen häuslicher Gewalt der Eltern untereinander kam, ergibt sich aus dem polizeilichen Einsatz am 18.02.2020, der zur Inobhutnahme der Kinder führte, sowie aus den übereinstimmenden Schilderungen beider Eltern gegenüber dem Sachverständigen (Bl. 70 f., 78 f. Bd. I d. A.) und auch im Erörterungstermin vor dem Senat. Die Mutter hatte auch zunächst gegenüber der Verfahrensbeiständin und dem Sachverständigen selbst eingeräumt, dass es in der Vergangenheit auch wiederholt körperliche Übergriffe ihrerseits auf die Kinder in Form von „Klapsen“ und Ohrfeigen gab, sie hat dies im Erörterungstermin vor dem Senat dann allerdings pauschal bestritten. Wiederholte körperliche Auseinandersetzungen der Eltern untereinander, auch in Gegenwart der Kinder, sind hingegen unstreitig.

Eine emotionale Vernachlässigung und massive Verängstigung der Kinder ergibt sich aus den diversen Verhaltensauffälligkeiten, die alle fünf Kinder nach Herausnahme aus dem elterlichen Haushalt in der Wohngruppe beziehungsweise Erziehungsstelle ausweislich der unstreitigen Berichte des Jugendamts N. und der Verfahrensbeiständin zeigten.

Die Einrichtungen beschreiben alle fünf Kinder durchgängig als überangepasst und kontrollierend.

K1, K2 und K3 waren anfangs sehr unsicher, rückversicherten sich etwa auch, ob sie ihnen angebotenes Essen nehmen dürfen.

K4 entwickelte im elterlichen Haushalt einen Mutismus und sprach bei Ankunft in der Bereitschaftspflege überhaupt nicht. Sie äußerte keine eigenen Bedürfnisse, schlich durchs Haus und vermied Aufmerksamkeit.

K5 versuchte zunächst, sich unsichtbar zu machen und vermied Kontakt mit den Pflegeeltern, insbesondere der Pflegemutter, vollständig. Sie war anfangs sehr verkrampft, und zeigte wenig Emotionen. Gegenüber Männern und Jungen verhält sie sich distanzlos und macht sexuelle Angebote. Sie hat ein reduziertes Schmerzempfinden und lässt sich bei Verletzungen nicht trösten, sondern versucht, die Tränen zu unterdrücken.

Keines der Kinder zeigte direkt nach der Herausnahme aus dem elterlichen Haushalt Anzeichen von Trennungsschmerz. Die Umgangskontakte der Kinder mit den Eltern waren jeweils von auffallend wenig Emotionen begleitet, und zwar sowohl auf Seiten der Kinder als auch der Eltern. Es war sowohl zu Beginn kaum Freude, als auch zum Ende des Umgangs kein Trennungsschmerz zu beobachten.

Die Verhaltensauffälligkeiten der Kinder können nur auf eine emotionale Vernachlässigung im elterlichen Haushalt zurückzuführen sein, weil zum einen alle fünf Kinder die beschriebenen Verhaltensauffälligkeiten zeigen und zum anderen jedenfalls K4 und K5 bis zu ihrer Herausnahme aus dem elterlichen Haushalt ausschließlich von ihren Eltern betreut und versorgt wurden und beide noch keinen Kindergarten oder ähnliches besuchten.

ee)

Damit besteht ein Zustand, der ohne Handeln des Jugendamts dazu geführt hätte, dass die beschriebenen bereits entstandenen Schäden sich weiter vertieft hätten und insbesondere die von den Kindern im Rahmen ihrer außerhäuslichen Unterbringung erzielten erheblichen Entwicklungsfortschritte mangels gezielter Förderung ausgeblieben wären.

Den festgestellten Schädigungen des Kindeswohls steht auch nicht entgegen, dass diese im Rahmen ihrer Unterbringung außerhalb des elterlichen Haushalts teilweise beseitigt werden konnten. Vielmehr liegen die erheblichen Fortschritte, die die Kinder seit ihrer Herausnahme aus dem elterlichen Haushalt erzielen konnten, in ihrer gezielten Förderung begründet, die sie im Rahmen ihrer Fremdunterbringung erhalten. Aus dem Umstand, dass die Kinder die vorhandenen Defizite seit ihrer Herausnahme aus dem elterlichen Haushalt so gut kompensieren konnten, ergibt sich erst recht, dass sie dort zuvor keine ausreichende Pflege, Förderung und Fürsorge erhielten.

b)

Es besteht auch kein Zweifel, dass die Schäden sich weiter vertiefen, wenn die Kinder jetzt in den Haushalt der Mutter zurückkehren, denn die Defizite der Mutter in ihrer Erziehungsfähigkeit bestehen fort. Diese ist unstreitig psychisch krank und nicht bereit, die erforderliche Diagnose stellen und sich helfen zu lassen.

Die psychische Erkrankung der Mutter wirkt sich dahingehend aus, dass sie keine Orte aufsuchen kann, an denen sich viele fremde Menschen befinden, wie beispielsweise in einem Einzelhandelsgeschäft. Aus diesem Grund benötigt sie Unterstützung in vielen Alltagssituationen, etwa beim Erledigen von Einkäufen. In der Vergangenheit haben diese Aufgaben häufig der Vater oder K1 übernommen. Darüber hinaus kann die Mutter nicht allein bleiben, weshalb die beiden noch nicht schulpflichtigen Kinder, K4 und K5, bis zu ihrer Inobhutnahme noch keinen Kindergarten besuchten, damit die Mutter auch tagsüber, wenn die älteren Kinder die Schule besuchten, in Gesellschaft war. Die Mutter verließ den eigenen Haushalt in der Vergangenheit nie ohne Begleitung durch jedenfalls eines ihrer Kinder. Der Vater, der bis zu K1s Geburt durchgängig berufstätig war, gab seine Erwerbstätigkeit anlässlich der Geburt K1s auf, um die Mutter im Haushalt und bei der Kinderbetreuung zu unterstützen. Durch diese krankheitsbedingten Einschränkungen ist die Mutter außerstande, den Alltag für ihre fünf Kinder entsprechend deren Bedürfnissen eigenverantwortlich zu organisieren. Sie selbst hat gegenüber dem Senat im Termin eingeräumt, mit ihren fünf Kindern manchmal überfordert gewesen zu sein. Die Eltern leben innerhalb der Ehewohnung getrennt voneinander, das Ehescheidungsverfahren ist anhängig, der Vater befindet sich auf Wohnungssuche. Er steht daher künftig nicht verlässlich für eine Unterstützung der Mutter im Alltag zur Verfügung.

Die Einschränkungen der Erziehungsfähigkeit der Mutter bestehen auch mangels fachärztlicher Behandlung ihrer psychischen Erkrankung fort. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Mutter in der mündlichen Erörterung angab, seit etwa einem Jahr von ihrem Hausarzt ein Antidepressivum verordnet zu bekommen und für eine Psychotherapie auf einer Warteliste zu stehen. Denn sie selbst hat gegenüber dem Senat eingeräumt, dass zu keinem Zeitpunkt eine fachärztliche Diagnose erstellt wurde, obwohl sie unstreitig mindestens seit ihrer Jugend durchgehend im Alltag durch die Auswirkungen ihrer psychischen Erkrankung erheblich eingeschränkt ist. Die erfolgreiche Behandlung einer bereits über einen so langen Zeitraum andauernden psychischen Erkrankung, die sich dauerhaft so massiv auf den Alltag des Betroffenen auswirkt, kann jedoch nicht ohne die Erstellung einer fachärztlichen Diagnose erfolgen, weil erst auf der Grundlage einer solchen Diagnose die richtige Form der Behandlung bestimmt werden kann. Die alleinige Verordnung von Psychopharmaka ohne Begleittherapie kann den gesundheitlichen Zustand der Mutter nicht nachhaltig verbessern, erst recht nicht, wenn die Verordnung nicht von einem entsprechenden Facharzt, sondern – wie hier – ausschließlich von einem Allgemeinmediziner ohne spezifische Kenntnisse in Bezug auf psychische Erkrankungen erfolgt.

Gleiches gilt für den Umstand, dass die Mutter nach eigenen Angaben nunmehr auf einer Warteliste für eine ambulante psychotherapeutische Behandlung steht, nachdem sie einen Platz für eine psychologische Verhaltenstherapie nach wenigen Terminen wegen angeblicher sexueller Übergriffe des Therapeuten auf sich abgesagt hat. Denn zum einen ist Voraussetzung für die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Behandlungserfolgs, dass die Art der Psychotherapie auf der Grundlage einer richtigen psychiatrischen Diagnose vom Therapeuten gestaltet wird. Zum anderen ist für die Überprüfung der Option der Rückführung der Kinder in den mütterlichen Haushalt nicht maßgeblich, ob diese an der bislang fehlenden erfolgreichen psychotherapeutischen Behandlung ein Verschulden trifft. Vielmehr kommt es ausschließlich darauf an, ob die Defizite in der Erziehungsfähigkeit der Mutter zum jetzigen Zeitpunkt fortbestehen. Dies ist der Fall, soweit diese sich aus ihrer psychischen Erkrankung ergeben, da die Erkrankung noch nicht fachärztlich und psychotherapeutisch behandelt wurde.

Darüber hinaus bestehen die Defizite der Mutter in ihrer Erziehungsfähigkeit auch fort, weil diese bislang weder Beratungsangebote, beispielsweise in einer Erziehungsbe3ratungsstelle, noch sonstige ambulante Hilfen des Jugendamts angenommen hat. Zwar hat die Mutter im Erörterungstermin vor dem Senat erklärt, dass sie nunmehr zur Zusammenarbeit beispielsweise mit einer sozialpädagogischen Familienhilfe bereit sei, um die Fremdunterbringung ihrer Kinder zu beenden. Bei dieser Erklärung handelt es sich jedoch erkennbar lediglich um ein prozesstaktisches Verhalten. Aus dem Verhalten und den Äußerungen der Mutter insgesamt ergibt sich vielmehr, dass diese nach wie vor nicht ernsthaft zur Zusammenarbeit mit dem Jugendamt und mit in ihrem Haushalt installierten Hilfen bereit ist. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass die Mutter die ihr im Laufe der Jahre wiederholt angebotene Unterstützung durch ambulante Hilfen mehrfach abgelehnt hat und auch in der mündlichen Verhandlung ihr fortbestehendes Misstrauen gegenüber dem Jugendamt erneut deutlich zum Ausdruck gebracht hat, indem sie erklärte, mit dem Jugendamt am liebsten nichts zu tun haben zu wollen aus Angst, ihre Kinder zu verlieren. Die Installation einer sozialpädagogischen Familienhilfe und sonstige Zusammenarbeit scheiterte in der Vergangenheit unstreitig daran, dass die Mutter mehr noch als der Vater eine Zusammenarbeit verweigerte. Auf dieser Grundlage ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Jugendamt, installierten Hilfen und Elternhaus auch künftig nicht möglich.

Die Mutter stellt daher ihre Befindlichkeiten über das Wohl der Kinder.

3.

Die getroffenen Maßnahmen sind auch verhältnismäßig.

Eine Maßnahme, die mit einer Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, ist nach § 1666a BGB darüber hinaus nur zulässig, wenn der Gefahr für das Kindeswohl nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen begegnet werden kann. Um eine Trennung des Kindes von den Eltern zu rechtfertigen, muss das elterliche Fehlverhalten ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei den Eltern in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet wäre. Die Annahme einer solchen Gefährdung setzt voraus, dass bereits ein Schaden eingetreten ist oder sich eine erhebliche Schädigung mit erheblicher Sicherheit voraussehen lässt (BGH, Beschluss vom 06.07.2016, XII ZB 47/15, FamRZ 2016, 1752 Rn.28).

a)

Der vorgenommene Sorgerechtsentzug mit dem Ziel der Fremdunterbringung der Kinder ist zur Abwendung der bestehenden Kindeswohlschädigungen geeignet. Die Entziehung und Übertragung des Sorgerechts ist zur Beseitigung einer Gefahr für ein Kind grundsätzlich nur dann geeignet, wenn der Ergänzungspfleger oder Vormund mithilfe der übertragenen Teilbereiche des Sorgerechts konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation des Kindes einleiten, das heißt den als gefährlich definierten Zustand beenden oder wenigstens zu dessen Beendigung beitragen kann (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 17.03.2014, 1 BvR 2695/13, FamRZ 2014, 1177 Rn. 33). Diese Voraussetzung ist erfüllt: mit Hilfe der entzogenen Teilbereiche der elterlichen Sorge konnten die bereits eingetretenen Schädigungen des Kindeswohls seit der Fremdunterbringung der Kinder durch gezielte Fördermaßnahmen jedenfalls teilweise kompensiert werden, alle Kinder haben seit ihrer Herausnahme aus dem elterlichen Haushalt erhebliche Entwicklungsfortschritte erzielt.

Dabei dürfen die Folgen der Fremdunterbringung für die Kinder nicht gravierender sein als ein Verbleib im elterlichen Haushalt (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 24.03.2014, 1 BvR 160/14, Rn. 38, – juris -). Die negativen Folgen der Trennung des Kindes von seinen Eltern und der Fremdunterbringung müssen durch die Beseitigung der festgestellten Gefahr aufgewogen werden, so dass sich die Situation des Kindes in der Gesamtbetrachtung verbessern würde (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 22.09.2014, 1 BvR 2108/14, FamRZ 2015, 208). Angenommen werden kann das, wenn sich der Zustand des Kindes während der Fremdunterbringung im Vergleich zum Aufenthalt im Haushalt der Eltern verbessert (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 23.04.2018, 1 BvR 383/18, FamRZ 2018, 1084, Rn. 25).

Dies ist der Fall. Bemerkenswert ist insoweit, dass zu Beginn der Fremdunterbringung keines der Kinder Anzeichen von Trennungsschmerz zeigte. Auch anlässlich der Umgangskontakte waren sowohl auf Seiten der Eltern als auch der Kinder auffallend wenig Emotionen erkennbar, weder Freude zu Beginn, noch Trennungsschmerz zum Ende der Umgänge. In den Kindesanhörungen durch den Senat wurde deutlich, dass alle fünf Kinder sich in der jeweiligen Wohngruppe beziehungsweise Erziehungsstelle, in der sie gerade leben, gut eingelebt haben und wohlfühlen. K1 hat als einziges Kind den Wunsch geäußert, in den mütterlichen Haushalt zurückzukehren. Diesen Wunsch äußerte sie allerdings auch erst auf gezielte Nachfrage. Zunächst hatte sie auf Vorhalt der Trennung ihrer Eltern lediglich ihre Vorstellung zum Ausdruck gebracht, die Eltern dann an den Wochenenden abwechselnd aus der Einrichtung heraus besuchen zu wollen. Insgesamt gewann der Senat in der Anhörung den Eindruck, dass K1 sich in der Wohngruppe gut eingelebt hat und wohlfühlt. Darüber hinaus wurde deutlich, dass K1 als ältestes Kind die familiäre Situation vor ihrer Inobhutnahme bewusst positiv darzustellen versuchte und angab, sich an früher von ihr gemachte Angaben, wonach sie erheblich in die Versorgung der kleinen Geschwister einbezogen war, nicht mehr erinnern zu können. Alle anderen Kinder haben keinen Rückkehrwunsch zu den Eltern formuliert, K3 hat sich sogar ausdrücklich gewünscht, dass alles so bleibe, wie es ist. Aus der Anhörung aller fünf Kinder hat der Senat jeweils den Eindruck gewonnen, dass sie sich jeweils sehr wohl fühlen, wo sie inzwischen leben, und dass sie die Rahmenbedingungen der Fremdunterbringungen mit den festen Tagesstrukturen, Mahlzeiten und dem gebotenen Freizeitangebot sehr zu schätzen wissen.

b)

Der vorgenommene Sorgerechtsentzug mit dem Ziel der Fortführung der Fremdunterbringung der Kinder ist zur Abwendung der bestehenden Kindeswohlschädigungen auch erforderlich, denn mildere, gleich geeignete Mittel stehen nicht zur Verfügung.

Als milderes, gleich geeignetes Mittel kommt grundsätzlich die Zustimmung der sorgeberechtigten Eltern zur Fortdauer der Fremdunterbringung der Kinder in Betracht, eine solche verweigerte die Mutter jedoch mehrfach und nachdrücklich.

Ein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung ist insbesondere nicht die Installation ambulanter Hilfen. Die bloße verbale Bereitschaft der Mutter unter dem Druck des laufenden Verfahrens, öffentliche Hilfen anzunehmen, ist nicht ausreichend. Wenn von Seiten der Eltern keine Bereitschaft oder auch keine Fähigkeit zur aktiven Mitarbeit beim Hilfeprozess besteht, um ihre Erziehungskompetenz zu verbessern, sind entsprechende Jugendhilfemaßnahmen zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung nicht mehr geeignet (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27.04.2017, 1 BvR 563/17, FamRZ 2017, 1055, Rn. 27). So liegt der Fall hier, denn die Mutter hat noch im Erörterungstermin vor dem Senat mehrfach ihr Misstrauen gegenüber dem Jugendamt und einer sozialpädagogischen Familienhilfe deutlich zum Ausdruck gebracht.

Die erneute Gefährdung des körperlichen und seelischen Kindeswohls durch weitere Vorfälle häuslicher Gewalt kann im Fall einer Rückführung der Kinder in den mütterlichen Haushalt auch nicht durch ambulante Hilfen allein abgewendet werden, da jede ambulante Hilfe, selbst wenn sie engmaschig installiert wird, lediglich einen Zeitraum von wenigen Stunden pro Woche abdeckt und Eskalationen von Konflikten außerhalb dieser Zeitfenster hierdurch nicht verhindert werden können.

Der Sachverständige hat darüber hinaus nachvollziehbar ausgeführt, dass wegen der Einschränkungen in der Erziehungsfähigkeit bei beiden Elternteilen und deutlich erhöhten Erziehungsanforderungen durch ihre fünf Kinder, die jeweils einen erhöhten Förderbedarf aufweisen, ambulante Unterstützungs- und Kontrollmaßnahmen nicht ausreichend seien, um die elterlichen Defizite zu kompensieren und eine chronische Kindeswohlgefährdung abzuwenden (Bl. 94 Bd. I d. A.). Weder Vater noch Mutter seien derzeit für sich allein geeignet, wesentliche Prinzipien der Erziehungsfähigkeit (Förderprinzip und Kontinuitätsprinzip) zu gewährleisten (Bl. 95 Bd. I d. A.). Das Gericht schließt sich insoweit den plausiblen Ausführungen des Sachverständigen nach eigener kritischer Prüfung an. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass die Mutter in ihrem Alltag durch ihre nicht fachärztlich behandelte psychische Erkrankung nach wie vor erheblich eingeschränkt ist.

c)

Der Sorgerechtsentzug ist schließlich auch angemessen, die Schwere des Eingriffs steht dabei in einem ausgewogenen Verhältnis zu dem erstrebten Schutz der Rechtsgüter auf Seiten der Kinder, nämlich deren körperlicher, geistiger und seelischer Unversehrtheit. Die Angemessenheit des Eingriffs in das Erziehungsrecht der Eltern ergibt sich aus der Intensität der Kindeswohlgefährdung, denn es sind – wie bereits ausgeführt – schon Schädigungen des Kindeswohls bei allen fünf Kindern eingetreten, und zwar in körperlicher, seelischer und geistiger Hinsicht, die durch die getroffenen sorgerechtlichen Maßnahmen teilweise beseitigt, jedenfalls aber deren Vertiefung abgewendet werden konnten.

4.

Über die bereits durch das Amtsgericht entzogenen Sorgerechtsteile Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitssorge und Antragsrecht nach SGB VIII hinaus war der Mutter für K1, K2, K3, K4 und K5 jeweils auch der Sorgerechtsteil der schulischen Angelegenheiten gemäß §§ 1666, 1666a BGB zu entziehen.

Auch im Bereich der schulischen Angelegenheiten liegt eine Kindeswohlgefährdung vor, die den Entzug des Sorgerechtsteils der Mutter erfordert. K1, K2 und K3 wiesen im Haushalt der Eltern massive Fehlzeiten in der Schule auf, die ganz überwiegend jeweils durch nachträglich ausgestellte ärztliche Atteste des Hausarztes der Familie entschuldigt wurden. Der Hausarzt meldete dem Jugendamt anschließend telefonisch, besorgt zu sein. Seit der Herausnahme der Kinder aus dem elterlichen Haushalt am 19.02.2019 versäumten sie nur noch an wenigen Tagen krankheitsbedingt den Unterricht und konnten ihre Lernrückstände inzwischen weitestgehend aufholen. Auch die für die Ermittlung des Förderbedarfs von K4 erforderlichen Anträge stellten die Eltern erst nach erneuter Anrufung des Familiengerichts durch das Jugendamt.

Auch insoweit besteht die unzureichende Erziehungsfähigkeit der Mutter fort und es ist mit einer weiteren Vertiefung der bereits entstandenen Schäden zu rechnen, sofern sie den Sorgerechtsteil der schulischen Angelegenheiten für ihre Kinder weiterhin ausübt. Die schulische Fürsorge für den einzelnen Schüler erstreckt sich gemäß § 55 NSchG unter anderem darauf, entwicklungsspezifische Problemstellungen frühzeitig zu erkennen, um diese gemeinsam mit den Erziehungsberechtigten zu bewältigen. Dafür ist neben den aus der unmittelbaren Wahrnehmung des Kindes gewonnenen Erkenntnissen gemäß § 55 Abs. 2 NSchG der schulische Dialog mit den Erziehungsberechtigten zentrale Grundlage. Ob im Bedarfsfall eine rechtzeitige, angemessene und wirksame Intervention gelingt, ist dabei nicht nur von schulischen Aktivitäten, sondern zugleich stets und wesentlich von der Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit sowie von der Erziehungsfähigkeit der Erziehungsberechtigten abhängig. Nehmen die Erziehungsberechtigten ihre Pflichten im Zusammenhang mit dem Schulbesuch ihres Kindes nicht oder nur unzureichend wahr, kann dies bereits in der Primarstufe zu erheblichen Beeinträchtigungen der weiteren kindlichen Entwicklung führen, insbesondere dann, wenn bereits Entwicklungsverzögerungen oder -störungen mit nur bedingt reversiblen Manifestationen vorliegen, deren Behebung nur in intensiver Kooperation mit den Erziehungsberechtigten und unter Hinzuziehung professioneller Hilfen möglich ist.

Die Mutter verneinte die Frage des Senats nach einem Kontakt ihrerseits mit den Schulen ihrer Kinder und führte zur Begründung aus, dass sie die Weiterleitung von Informationen an sich über die Einrichtungen erwarte. Daraus ergibt sich, dass die Mutter bislang keinerlei Kontakt zu den Schulen ihrer Kinder unterhielt, was den von § 55 Abs. 2 NSchG vorausgesetzten Austausch zwischen Schule und Erziehungsberechtigtem als Grundlage für eine konstruktive Zusammenarbeit und damit die Ausübung des Sorgerechtsteils der schulischen Angelegenheiten dem Kindeswohl entsprechend durch die Mutter ausschließt.

Der Vater ist nach dem erfolgten Sorgerechtsentzug der Mutter für den Sorgerechtsteil schulische Angelegenheiten gemäß § 1680 Abs. 3, Abs. 1 BGB nunmehr alleiniger Sorgerechtsinhaber. Der Senat geht dabei davon aus, dass dieser sich auch weiterhin gegenüber dem Jugendamt und den Erziehungsstellen von K5 und K4 sowie der Einrichtung von K1, K2 und K3 mitwirkungsbereit zeigen und insbesondere gegebenenfalls benötigte Vollmachten zeitnah erteilen wird.

5.

Angesichts der oppositionellen Haltung der Mutter der Fremdunterbringung ihrer Kinder gegenüber und der fehlenden Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Jugendamt sowie den Erziehungsstellen, in denen K5 und K4 untergebracht sind, sowie der Einrichtung, in der K1, K2 und K3 untergebracht sind, bestehen erhebliche Bedenken, inwieweit eine am Kindeswohl orientierte Zusammenarbeit der Mutter mit der Einrichtung, den Erziehungsstellen und dem Jugendamt in den ihr nicht entzogenen Sorgerechtsbereichen möglich sein soll. Allerdings darf das Sorgerecht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur so weit entzogen werden, wie es zur Abwehr einer Kindeswohlgefährdung erforderlich ist. Über die der Mutter entzogenen Sorgerechtsbereiche hinaus ist bei keinem der Kinder ein sorgerechtlicher Handlungsbedarf konkret abzusehen, weshalb ein weitergehender Entzug der elterlichen Sorge zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung zum jetzigen Zeitpunkt nicht angezeigt ist. Dass der Mutter für ihre Kinder ihre sorgerechtliche Verantwortung nicht vollständig entzogen wird, ist für die Kinder zudem ein wichtiges Signal, dass ihre Mutter auch weiterhin Verantwortung für sie trägt.

6.

Schließlich sind nach der erneuten persönlichen Anhörung aller Beteiligten durch den Senat auch keine weiteren Aufklärungsmaßnahmen nach § 26 FamFG veranlasst. Insbesondere ist die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nicht erforderlich. Es kann dabei dahinstehen, ob die vom Sachverständigen bei der Mutter festgestellte Persönlichkeitsstörung mit emotional-instabilen und abhängigen Anteilen die zutreffende psychiatrische Diagnose ist. Der Teilsorgerechtsentzug stützt sich nicht auf eine konkrete psychiatrische Diagnose, sondern auf die konkret festgestellten und fortbestehenden Einschränkungen in der Erziehungsfähigkeit der Mutter, die sie überwiegend auch selbst beschreibt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG, wonach das Gericht die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen soll, der das Rechtsmittel eingelegt hat. Vorliegend entspricht es der Billigkeit, der Mutter die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen und anzuordnen, dass der Vater seine außergerichtlichen Kosten zu tragen hat, nachdem er seine ursprünglich ebenfalls eingelegte Beschwerde bereits vor Durchführung der Kindesanhörungen sowie des Erörterungstermins im Beschwerdeverfahren zurückgenommen hatte.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern, § 70 Abs. 2 FamFG.

OLG Braunschweig, Beschluss vom 13.10.2021
2 UF 74/21

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