BGH: Voraussetzungen einer Trennung des Kindes von den Eltern wegen erzieherischer Defizite der Eltern

a) Zu den Voraussetzungen einer Trennung des Kindes von den Eltern wegen erzieherischer Defizite der Eltern.

b) Das Umgangsbestimmungsrecht ist selbstständiger Teil der Personensorge, der im Fall der Kindeswohlgefährdung gesondert entzogen werden kann. Bei einem Konflikt unter den Eltern sind eine gerichtliche Umgangsregelung und die Bestimmung eines Umgangspflegers als mildere Mittel stets vorrangig.

c) Das Verbot der reformatio in peius gilt in Beschwerdeverfahren über eine (teilweise) Sorgerechtsentziehung nur eingeschränkt und schließt nach entsprechendem Hinweis an die Beteiligten eine im Sinne des Kindeswohls gebotene Entziehung weiterer elterlicher Sorgebefugnisse auch dann nicht aus, wenn nur die Eltern Beschwerde eingelegt haben (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 17. Oktober 2007 XII ZB 42/07 FamRZ 2008, 45).

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Juli 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger und Guhling und die Richterin Dr. Krüger beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 und 2 gegen den Beschluss des 4. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Wert: 3.000 €

Gründe

A.

Das Verfahren betrifft die teilweise Entziehung der elterlichen Sorge. Die Rechtsbeschwerdeführer sind die Eltern des betroffenen Kindes, ihres 2008 geborenen Sohnes David, und seiner 2004 geborenen Schwester.

Den Eltern wurde wegen bei ihnen bestehender intellektueller Minderbegabungen und daraus resultierender kognitiver und sozialer Defizite seit 2007 Hilfe zur Erziehung in Form sozialpädagogischer Familienhilfe gewährt. Nach einer im März 2011 erfolgten Gefahrenmeldung des Jugendamts entzog ihnen das Amtsgericht Frankfurt a.M. das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre Kinder, die bereits aufgrund vorläufiger Maßnahmen in einem Kinderheim untergebracht waren. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Eltern wurde nach zwischenzeitlicher Rückführung der Kinder in den elterlichen Haushalt durch Beschluss des Oberlandesgerichts vom 26. April 2013 zurückgewiesen.

Die Tochter wurde nach einem von der Ergänzungspflegerin (Beteiligte zu 5) eingeleiteten Herausgabeverfahren an diese herausgegeben und lebt seit Oktober 2013 in einer Wohngruppe. Der betroffene Sohn, der zunächst vom Oberlandesgericht im Beschluss vom 26. April 2013 gebilligt bei den Eltern verbleiben sollte, wurde im Dezember 2013 mit Zustimmung der Ergänzungspflegerin vom Jugendamt in Obhut genommen und lebt seit Januar 2014 ebenfalls in einer Wohngruppe.

Im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht Alsfeld den Eltern das “Recht auf Antragstellung und Mitwirkung zur Hilfeplanung” sowie die Gesundheitssorge entzogen und ihren Antrag auf Abänderung der bereits getroffenen Maßnahmen (Aufenthaltsbestimmungsrecht) zurückgewiesen. Dagegen haben die Eltern Beschwerde eingelegt.

Der Berichterstatter des Oberlandesgerichts hat die Beteiligten angehört und darauf hingewiesen, dass eine zusätzliche Entziehung des Rechts zur Regelung des Umgangs in Betracht komme. Das Oberlandesgericht hat diese Maßnahme in der Beschwerdeentscheidung ausgesprochen und auch insoweit die Ergänzungspflegerin bestellt. Die Beschwerde der Eltern hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstreben die Eltern die Aufhebung sämtlicher getroffenen sorgerechtlichen Maßnahmen.

B.

Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.

I.

Das Oberlandesgericht hat mit seiner in ZKJ 2015, 154 veröffentlichten Entscheidung die Abänderung der Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach § 1696 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 1666 Abs. 1, 1666 a BGB abgelehnt.

Es hat die Voraussetzungen für eine Trennung des Kindes von den Eltern wegen schwerwiegender Gefährdung der weiteren Entwicklung des Sohnes für gegeben erachtet. Die der Familie gewährten hochfrequenten ambulanten Hilfen hätten nicht ausgereicht, die bereits im Vorverfahren festgestellte Gefährdung abzuwenden. Der Sohn leide an einer globalen Entwicklungs- und einer Sprachentwicklungsverzögerung, woraus ein weit über das normale Maß hinausgehender psychosozialer Förderbedarf resultiere. Er leide an einer frühen tiefgreifenden Bindungsstörung mit der Folge aggressiven und entgrenzten Verhaltens und benötige eine Einzelbetreuung sowie ergotherapeutische Behandlung. Den Entwicklungsstörungen stünden auf Seiten der Mutter eine unterdurchschnittliche intellektuelle Begabung und Defizite im kognitiven, sprachlichen und sozialen Bereich sowie auf Seiten des Vaters eine weit unterdurchschnittliche intellektuelle Begabung mit daraus resultierenden kognitiven und sozialen Defiziten und zeitweise impulsivem Verhalten gegenüber. Die Eltern seien im Sachverständigengutachten, das im Vorverfahren eingeholt worden ist, als emotional stark belastet und in ihrer Erziehungsfähigkeit stark beeinträchtigt beschrieben. Ihre Fähigkeit, die Bedürfnisse ihrer Kinder zu erkennen, sei stark eingeschränkt.

Die vom Sachverständigen im vorausgegangenen Verfahren noch als vertretbar erachtete und zunächst auch praktizierte “Minimalvariante” einer mit intensiver Elternarbeit einhergehenden Unterbringung der Kinder in einer Tages- oder Wochengruppe müsse mittlerweile als gescheitert angesehen werden.

Die Eltern sperrten sich spätestens seit dem Jahreswechsel 2012/2013 zunehmend gegen die ihnen gewährten Hilfen und gefährdeten die ohnehin nur verhalten positiv eingeschätzte Entwicklung der Kinder nachhaltig. Die Entwicklung des Sohnes habe sich bedenklich gestaltet. Die Eltern hätten dessen Wohl noch weniger im Auge gehabt. Sie seien mit der Regelung ihrer finanziellen Angelegenheiten überfordert, was zu einer erheblichen emotionalen Belastung und wiederholt zu aggressiven Impulsdurchbrüchen des Vaters in Gegenwart der Kinder geführt habe. Fortschritte seien bei den Eltern nicht zu erkennen, vielmehr hätten sie die Absicht gehabt, David von der heilpädagogischen Tagesgruppe ab- und im Kindergarten anzumelden. Die von ihnen vor den Kindern offen zur Schau gestellte und durch die Großeltern bestärkte Ablehnung des Helfersystems habe bei den Kindern zu einem Loyalitätskonflikt geführt. David weise verschiedene Stresssymptome auf, eine geringe Konzentrationsfähigkeit, fehlende Akzeptanz von Regeln und geringe Frustrationstoleranz. Daraus resultierten Konflikte mit anderen Kindern sowie ein unruhiges, lautes und rücksichtsloses Verhalten, welches immer wieder in Gefährdungen anderer Kinder oder seiner selbst münde.

Die gescheiterte Hilfemaßnahme zeige, dass eine erneute ambulante Hilfegewährung im Haushalt der Eltern nicht geeignet wäre, eine nachhaltige Störung der weiteren Entwicklung des Sohnes zu verhindern. Die Herausnahme der Schwester habe nicht zu einer Entspannung der Situation des Sohnes geführt. Beide Eltern akzeptierten diese nicht. Die damit verbundene emotionale Belastung führe zu einer zunehmenden Vernachlässigung des Sohnes. Auch bei der Beaufsichtigung des Kindes im Rahmen von Umgangskontakten bedürften die Eltern weiterhin der Anleitung durch einen Umgangsbegleiter. Die erneute Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Erziehungsfähigkeit der Eltern sei daher nicht erforderlich.

Das Recht zur Beantragung öffentlicher Hilfen und Mitwirkung bei der Hilfeplanung sowie die Gesundheitssorge seien beiden Eltern zu entziehen, weil sie derzeit jegliche Mitwirkung verweigerten.

Daneben sei das Recht zur Regelung des Umgangs mit dem betroffenen Kind zu entziehen. Die hiermit gegenüber der angefochtenen Entscheidung verbundene Schlechterstellung stehe der Beschwerdeentscheidung insoweit nicht entgegen. Das Schlechterstellungsverbot gelte in von Amts wegen zu betreibenden Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht, soweit sich die Schlechterstellung auf den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens beziehe. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sei in Kindschaftssachen stets die am Kindeswohl zu messende Regelung der elterlichen Sorge insgesamt. Daher sei das Beschwerdegericht auch zur Entziehung weiterer Teilbereiche der elterlichen Sorge befugt.

Der in Literatur und Rechtsprechung teilweise vertretenen Auffassung, wonach die elterliche Sorge nicht das Recht beinhalte, den Umgang des Kindes mit nicht betreuenden Eltern zu regeln, sei jedenfalls für die hier vorliegende Konstellation einer Fremdunterbringung des Kindes nicht zu folgen. Dem Sorgeberechtigten stehe als Teil der Personensorge das Recht zu, über den Umgang des Kindes mit seinen Eltern zu bestimmen (Umgangsbestimmungsrecht). Anderenfalls wären die Eltern nicht befugt, eine einvernehmliche Umgangsregelung zu treffen, was jedoch außer Frage stehe.

Daraus folge, dass die personensorgeberechtigten Eltern auch im Fall der Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts zur Bestimmung des Umgangs mit ihrem Kind befugt blieben. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht sei auf die Festlegung von Wohnort und Wohnung und gegebenenfalls auf den Ausspruch von Freiheitsbeschränkungen wie Hausarrest oder das Verbot, sich an bestimmte Orte zu begeben, beschränkt. Anderenfalls bedürfte es auch nicht des Nebeneinanders von § 1631 Abs. 1 BGB und § 1632 Abs. 2 BGB, die zwischen Aufenthaltsbestimmungsrecht und Umgangsbestimmungsrecht unterschieden.

Eine Entziehung des Umgangsbestimmungsrechts komme nur in Betracht, wenn die Gefahr bestehe, dass die Eltern eine Umgangsbestimmung träfen, die mit einer Gefährdung des Kindeswohls verbunden sei. Im vorliegenden Fall sei eine solche Gefährdung gegeben. Es sei nämlich zu befürchten, dass die Eltern sich über eine vom Amtsgericht getroffene Umgangsregelung hinwegsetzten und einen ungehinderten Umgang mit dem Kind durchsetzten. Sie akzeptierten die Fremdunterbringung des Sohnes nicht. Hierdurch würde dieser erneut in einen Loyalitätskonflikt zwischen Eltern und Pflegemutter gestürzt, was seiner weiteren Persönlichkeitsentwicklung im Hinblick auf die bereits eingetretenen Störungen unzweifelhaft abträglich wäre.

II.

Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts ist aufgrund der vom Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen aufrechtzuerhalten. Diese Maßnahme ist gemäß §§ 1666, 1666 a BGB zum Schutz des Kindes weiterhin erforderlich und verhältnismäßig.

Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich nicht nur die erstmalige Entziehung elterlicher Sorgebefugnisse nach §§ 1666, 1666 a BGB richtet, sondern gemäß § 1696 Abs. 2 BGB auch die Aufrechterhaltung der Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts anhand dieses Maßstabs zu überprüfen ist. Insbesondere die fortwährende Trennung des Kindes von seinen Eltern bedarf der Legitimation durch eine aktuelle, mit der Rückführung des Kindes in den elterlichen Haushalt verbundene Kindeswohlgefährdung (vgl. BVerfG FamRZ 2016, 439 Rn. 15; BVerfG FamRZ 2015, 112 Rn. 23 mwN; Britz FamRZ 2015, 793, 795, 797).

a) Nach § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes gefährdet wird und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Als derartige Maßnahme kommt auch die Entziehung einzelner Teile des Personensorgerechts, insbesondere des Aufenthaltsbestimmungsrechts, in Betracht (Senatsbeschluss BGHZ 200, 86 = FamRZ 2014, 543 Rn. 18).

aa) Bei der Auslegung und Anwendung des § 1666 BGB ist der besondere Schutz zu beachten, unter dem die Familie nach Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG steht. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung. Die Erziehung des Kindes ist damit primär in die Verantwortung der Eltern gelegt, wobei dieses “natürliche Recht” den Eltern nicht vom Staat verliehen worden ist, sondern von diesem als vorgegebenes Recht anerkannt wird. Die Eltern können grundsätzlich frei von staatlichen Einflüssen und Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen. In der Beziehung zum Kind muss aber das Kindeswohl die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung sein (BVerfG FamRZ 1982, 567, 569 und FamRZ 1989, 145, 146 mwN; Senatsbeschluss BGHZ 200, 86 = FamRZ 2014, 543 Rn. 19; Senatsbeschluss vom 15. Juni 2016 XII ZB 419/15 zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).

Soweit den Eltern das Sorgerecht für ihr Kind entzogen und damit zugleich die Aufrechterhaltung der Trennung des Kindes von ihnen verfestigt wird, darf dies nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen (BVerfG FamRZ 1982, 567, 569; Senatsbeschlüsse BGHZ 200, 86 = FamRZ 2014, 543 Rn. 20 und vom 26. September 2007 XII ZB 229/06 FamRZ 2007, 1969 Rn. 32). Dieser gebietet, dass Art und Ausmaß des staatlichen Eingriffs sich nach dem Grund des Versagens der Eltern und danach bestimmen müssen, was im Interesse des Kindes geboten ist (BVerfG FamRZ 1968, 578, 584 und FamRZ 1989, 145, 146). Die anzuordnende Maßnahme muss zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung effektiv geeignet, erforderlich und auch im engeren Sinne verhältnismäßig sein. Die Erforderlichkeit beinhaltet dabei das Gebot, aus den zur Erreichung des Zweckes gleich gut geeigneten Mitteln das mildeste, die geschützte Rechtsposition am wenigsten beeinträchtigende Mittel zu wählen (Senatsbeschluss BGHZ 200, 86 = FamRZ 2014, 543 Rn. 20 f.; BVerfG FamRZ 2012, 1127, 1129). Der Staat muss daher vorrangig versuchen, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der leiblichen Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen (vgl. BVerfG FamRZ 1968, 578, 584 und FamRZ 1982, 567, 570). Mit § 1666 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1666 a BGB hat der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen, die es ermöglicht, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für besonders einschneidende Eingriffe in das Elternrecht, nämlich die Trennung des Kindes von den Eltern und den Entzug der Personensorge, Rechnung zu tragen (BVerfG FamRZ 1982, 567, 569).

Auch das mildeste Mittel kann sich zudem als ungeeignet erweisen, wenn es mit anderweitigen Beeinträchtigungen des Kindeswohls einhergeht und bei einer Gesamtbetrachtung zu keiner Verbesserung der Situation des gefährdeten Kindes führt (Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011 XII ZB 247/11 FamRZ 2012, 99 Rn. 29).

bb) An die tatrichterliche Sachaufklärung sind insbesondere in Verfahren betreffend die Entziehung der elterlichen Sorge gemäß § 1666 BGB besondere Anforderungen zu stellen (Senatsbeschlüsse BGHZ 184, 269 = FamRZ 2010, 720 Rn. 29 und vom 26. Oktober 2011 XII ZB 247/11 FamRZ 2012, 99 Rn. 30 mwN). Denn die verfassungsrechtliche Dimension von Art. 6 Abs. 2 und 3 GG beeinflusst auch das Verfahrensrecht und seine Handhabung im Kindschaftsverfahren. Das gerichtliche Verfahren muss in seiner Ausgestaltung dem Gebot effektiven Grundrechtsschutzes entsprechen, weshalb insbesondere die zur Verfügung stehenden Aufklärungs- und Prüfungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden müssen (BVerfG FamRZ 2009, 399, 400; FamRZ 2002, 1021, 1023). Das bedeutet nicht nur, dass die Verfahrensgestaltung den Elternrechten Rechnung tragen muss. Vielmehr steht das Verfahrensrecht auch unter dem Primat des Kindeswohls, zu dessen Schutz der Staat im Rahmen seines Wächteramtes gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG verpflichtet ist. Die Gerichte müssen ihr Verfahren so gestalten, dass sie möglichst zuverlässig die Grundlage einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkennen können (BVerfG FamRZ 2009, 399, 400).

b) Die angefochtene Entscheidung entspricht diesen Anforderungen. Die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen sind verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden und tragen die fortdauernde Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts.

aa) Das Oberlandesgericht ist zu Recht von einer schwerwiegenden Gefährdung des Kindeswohls ausgegangen, so dass die Aufrechterhaltung der Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und die damit verbundene Trennung des Kindes von der elterlichen Familie erforderlich sind.

Aufgrund der festgestellten stark beeinträchtigten Erziehungseignung beider Eltern und einer damit einhergehenden fehlenden Kompensationsmöglichkeit innerhalb des Elternpaares sind diese nicht in der Lage, den Sohn im Hinblick auf dessen erhebliche Entwicklungsrückstände und Verhaltensauffälligkeiten eigenständig zu betreuen und zu fördern. Ein Verbleib des Sohnes in der Obhut der Eltern setzt voraus, dass diesen umfangreiche Hilfestellungen und Unterstützung bei der Betreuung und Erziehung des Kindes zur Verfügung gestellt werden. Eine Hilfe von außen kann indessen nur greifen, wenn die Eltern diese akzeptieren und an dem Erwerb und der Verbesserung von Erziehungskompetenzen mitarbeiten. Dementsprechend ist aufgrund sachverständiger Empfehlung nach Abschluss des Vorverfahrens der Versuch unternommen worden, trotz erheblicher persönlicher Defizite der Eltern einen weiteren Aufenthalt des Sohnes in deren Haushalt zu ermöglichen. Die Vorinstanzen haben den Versuch indessen zutreffend als gescheitert angesehen, nachdem die im Zeitraum vom 10. Mai 2012 bis zum 11. Dezember 2013 gewährten hochfrequenten ambulanten Hilfen (Besuch einer Tagesgruppe, sozialpädagogische Familienhilfe mit 26 Wochenstunden) nicht ausgereicht haben, um die im Vorverfahren festgestellte nachhaltige Gefährdung der weiteren Entwicklung des betroffenen Kindes abzuwenden.

Das Oberlandesgericht hat ferner hinreichend in Rechnung gestellt, dass es nicht zur Ausübung des in §§ 1666, 1666 a BGB geregelten staatlichen Wächteramts gehört, gegen den Willen der Eltern für eine bestmögliche Förderung der Fähigkeiten des Kindes zu sorgen. Um eine Trennung des Kindes von den Eltern zu rechtfertigen, muss das elterliche Fehlverhalten ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei den Eltern in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet wäre. Die Annahme einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes setzt voraus, dass bereits ein Schaden des Kindes eingetreten ist oder sich eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (BVerfG FamRZ 2015, 112 Rn. 23 mwN).

Im vorliegenden Fall ist ein Schaden in diesem Sinne nach den verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen der Vorinstanzen bereits eingetreten. Der Sohn leidet danach an einer globalen Entwicklungs- und einer Sprachentwicklungsverzögerung, woraus ein weit über das normale Maß hinausgehender psychosozialer Förderbedarf resultiert. Er leidet an einer frühen tiefgreifenden Bindungsstörung mit der Folge aggressiven und entgrenzten Verhaltens und benötigt eine Einzelbetreuung sowie ergotherapeutische Behandlung. David weist verschiedene Stresssymptome (Einnässen, Nasenbluten, zunehmende motorische Unruhe, wieder undeutlicher gewordene Aussprache, häufiges Weinen und Suche nach Körperkontakt) auf, eine geringe Konzentrationsfähigkeit, fehlende Akzeptanz von Regeln und geringe Frustrationstoleranz. Daraus resultieren Konflikte mit anderen Kindern sowie ein unruhiges, lautes und rücksichtsloses Verhalten, welches immer wieder in Gefährdungen anderer Kinder oder seiner selbst mündet.

Die Betreuung und Erziehung des Kindes kann den Eltern mangels Erziehungsfähigkeit, insbesondere auch wegen ihres mangelnden Einfühlungsvermögens in die Situation und Bedürfnisse des Kindes, nicht überlassen werden. Das Oberlandesgericht ist von einer stark eingeschränkten Erziehungseignung beider Eltern ausgegangen. Es hat dafür insbesondere auf die bei der Mutter bestehende unterdurchschnittliche intellektuelle Begabung und deren Defizite im kognitiven, sprachlichen und sozialen Bereich verwiesen. Auf Seiten des Vaters bestehe eine weit unterdurchschnittliche intellektuelle Begabung mit daraus resultierenden kognitiven und sozialen Defiziten und zeitweise impulsivem Verhalten. Die Eltern seien emotional stark belastet und in ihrer Erziehungsfähigkeit stark beeinträchtigt. Ihre Fähigkeit, die Bedürfnisse ihrer Kinder zu erkennen, sei stark eingeschränkt, was das Oberlandesgericht anhand beispielhafter Situationen näher veranschaulicht hat.

Das Oberlandesgericht hat die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit der mit einer Trennung des Kindes von den Eltern verbundenen teilweisen Sorgerechtsentziehung beachtet. Da aufgrund der persönlichen Disposition der Eltern insbesondere im Hinblick auf die beim Kind bereits eingetretenen erheblichen Entwicklungsstörungen eine eigenständige Erziehung ohne intensive Hilfeleistung nicht verantwortet werden kann, ist die Akzeptanz dieser Hilfe seitens der Eltern unerlässlich. Sie ist hier indessen nicht mehr gegeben.

Die Vorgehensweise des Oberlandesgerichts belegt, dass Möglichkeiten im Sinne von § 1666 a Abs. 1 Satz 1 BGB, der Kindeswohlgefährdung auf andere Weise als durch Trennung von den Eltern zu begegnen, ausgeschöpft worden sind. Bereits seit 2007 und somit vor der Geburt des betroffenen Kindes wurde den Eltern Hilfe zur Erziehung in Form sozialpädagogischer Familienhilfe gewährt. Noch nach der erstmaligen Herausnahme des Sohnes aus der Familie sind anfänglich noch für beide Kinder zuletzt über einen Zeitraum von etwa anderthalb Jahren intensive ambulante Hilfen an die Eltern, verbunden mit einer Tagespflege für die Kinder, gewährt worden, um eine Herausnahme des Sohnes aus dem elterlichen Haushalt nach Möglichkeit zu vermeiden.

Nachdem eine Mitarbeit der Eltern nicht mehr gewährleistet ist, lässt sich eine Aufarbeitung der bereits eingetretenen erheblichen Defizite des Kindes, dessen Betreuung und Erziehung seit seiner Geburt und zuletzt über längere Zeit intensiv unterstützt worden ist, in der elterlichen Obhut nicht erreichen. Bei Ausübung des staatlichen Wächteramts sind demnach zwar die Rechte von Eltern und Kind zu wahren und ein familiäres Zusammenleben nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten. Können aber selbst intensive Förder- und Unterstützungsleistungen ihr Ziel nicht erreichen, so muss das staatliche Wächteramt auch effizient ausgeübt werden, um seinem Schutzauftrag gerecht zu werden.

bb) Die von der Rechtsbeschwerde im Rahmen von § 74 Abs. 3 Satz 3 FamFG erhobenen Rügen stellen die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen und die daraus gezogenen Folgerungen nicht in Frage.

(1) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde bestand keine Verpflichtung der Instanzgerichte weiter abzuwarten, ob die Eltern nach Herausnahme der Tochter mit der Erziehung nur des Sohnes nicht mehr überfordert sein würden. Diese hatten fast zwei Monate Gelegenheit, sich allein um ihren Sohn zu kümmern, ohne dass sich eine Verbesserung gezeigt hätte. Das Oberlandesgericht hat sogar eine zunehmende Vernachlässigung des Sohnes in dieser Zeit festgestellt. Soweit die bestehenden Defizite von den Eltern situationsbezogen relativiert und mit jeweiligen besonderen Belastungen (Wohnungswechsel, “Schock” durch Herausnahme der Tochter) zu erklären versucht worden sind, hat das Oberlandesgericht darin zu Recht keine Veranlassung für eine weitere Verlängerung der Hilfemaßnahmen gesehen. Vielmehr konnte und musste es in Rechnung stellen, dass die intensiven und umfangreichen Hilfsmaßnahmen gescheitert sind und ein weiteres Abwarten das Kind weiter schädigen würde. Die von der Rechtsbeschwerde hiergegen erhobene Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs stellt nicht in Frage, dass das Oberlandesgericht das Vorbringen der Eltern, sie hätten die Therapien des Sohnes unterstützt und dabei gut mitgearbeitet, berücksichtigt hat. Sie beruft sich nur darauf, das Oberlandesgericht habe den Vortrag “offensichtlich nicht, jedenfalls nicht umfassend gewürdigt”. Die Rechtsbeschwerde wendet sich damit in der Sache gegen die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts, die sie durch eine eigene ersetzen will. Ein in der Rechtsbeschwerdeinstanz relevanter Verfahrensverstoß wird damit aber nicht aufgezeigt.

(2) Zu der vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellung bedurfte es keiner erneuten sachverständigen Begutachtung. Aufgrund des im Vorverfahren eingeholten Gutachtens steht fest, dass die Eltern zur Erziehung von Kindern aufgrund ihrer persönlichen Eigenschaften nur mit starken Einschränkungen in der Lage sind und hierzu unterstützende Hilfe benötigen. Dass sich in der persönlichen Disposition der Eltern eine Veränderung ergeben haben sollte, die das Oberlandesgericht insoweit zur weiteren Aufklärung verpflichtet haben könnte, wird von der Rechtsbeschwerde nicht dargetan und ist auch sonst nicht ersichtlich. Im vorliegenden Verfahren lautet die entscheidende Fragestellung dementsprechend, ob die Eltern gegenwärtig mit Hilfestellung in der Lage sind, das Kind zu betreuen und zu erziehen. Hierbei handelt es sich um eine vorwiegend pädagogische Frage, die zuverlässig durch die Berichte der damit befassten professionellen Helfer sowie die Anhörung des Kindes und der Eltern aufzuklären war. Hinzu kommen die Stellungnahmen des vom Oberlandesgericht bestellten Verfahrensbeistands und der Ergänzungspflegerin. Die weiteren für die Gefahreneinschätzung maßgeblichen Feststellungen erforderten keine besondere psychiatrische oder familienpsychologische Sachkunde, sondern ließen sich aufgrund der Erfahrungen des pädagogischen Fachpersonals und aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung treffen.

cc) Im Ergebnis ist daher nach §§ 1696 Abs. 2, 1666, 1666 a BGB eine fortwährende Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts geboten.

2. Die Aufhebung der zusätzlichen Befugnisse zur Antragstellung bezüglich der Jugendhilfeleistungen war gemäß §§ 1666, 1666 a BGB ebenfalls geboten. Sie steht im Zusammenhang mit der unzureichenden Kooperation der Eltern und der von ihnen abgelehnten Fremdunterbringung des Kindes. Die Rechtsbeschwerde hat darauf bezogen auch keine gesonderten Beanstandungen erhoben.

3. Die Entziehung des Umgangsbestimmungsrechts war zulässig und unter den vom Oberlandesgericht festgestellten Umständen auch nach §§ 1666, 1666 a BGB geboten.

a) Ob die Befugnis zur Umgangsbestimmung Bestandteil der elterlichen Sorge ist und ob dieser gegenüber der Umgangsregelung und der Bestimmung eines Umgangspflegers nach § 1684 Abs. 3 BGB ein eigenständiger Anwendungsbereich zukommt, ist umstritten.

aa) In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur wird zum Teil die Auffassung vertreten, auf der Grundlage von § 1666 BGB könne eine Entziehung des Rechts zur Regelung des Umgangs des Kindes mit seinen Eltern schon deshalb nicht angeordnet werden, weil die elterliche Sorge eine entsprechende Befugnis nicht umfasse. Zwar komme es durchaus zu Überschneidungen von Sorgerecht und Umgangsrecht. Das Sorgerecht ermächtige dessen Inhaber aber nicht, den Umgang mit dem nicht betreuenden Elternteil näher zu bestimmen, auszugestalten oder gar zu verweigern (OLG Karlsruhe FamRZ 2014, 1378; Jokisch FuR 2016, 145, 148; vgl. Staudinger/Rauscher BGB [2014] § 1684 Rn. 110 ff.).

Zum Teil wird angenommen, für die Anordnung einer Umgangsbestimmungspflegschaft gemäß §§ 1666, 1909 BGB bestehe nach Einführung der Umgangspflegschaft gemäß § 1684 Abs. 3 BGB kein Raum mehr. Eine Entziehung dieses Teils des Sorgerechts sei nie erforderlich, weil die Regelung des Umgangs dem Familiengericht selbst obliege und von diesem vollständig zu treffen sei (OLG München FamRZ 2011, 823, 824; OLG Stuttgart FamRZ 2014, 1794, 1795). Zum Teil wird das Umgangsbestimmungsrecht dabei als Teil des Aufenthaltsbestimmungsrechts angesehen (OLG Stuttgart FamRZ 2014, 1794, 1795 mwN).

Dagegen wird das Umgangsbestimmungsrecht von Teilen der Rechtsprechung und Literatur übereinstimmend mit dem Oberlandesgericht als Teil der Personensorge eingestuft, der von der Umgangspflegschaft zu trennen sei und in bestimmten Fällen gesondert nach §§ 1666, 1666 a BGB entzogen werden könne (OLG Frankfurt FamRZ 2016, 246, 247 mwN; OLG Frankfurt FamRZ 2016, 68; Heilmann FamRZ 2014, 1753 mwN).

bb) Nach zutreffender Auffassung ist die Befugnis, über den Umgang eines minderjährigen Kindes zu bestimmen, Teil der elterlichen (Personen-)Sorge nach § 1626 Abs. 1 BGB. Als Träger der elterlichen Sorge bestimmen die Eltern darüber, mit wem das Kind Umgang haben kann und soll. Die Befugnis zur Umgangsbestimmung ist unabhängig vom Aufenthaltsbestimmungsrecht. Die Eltern können also insbesondere auch bestimmen, mit wem das Kind zu Hause oder in einer von ihm besuchten Schule oder sonstigen Einrichtung Kontakt hat, ohne dass sie damit zugleich eine Bestimmung über den Aufenthalt des Kindes treffen. Dass die elterliche Sorge die Befugnis zur Umgangsbestimmung enthält, wird zudem an der Regelung in § 1632 Abs. 2 BGB deutlich. Danach umfasst die Personensorge das Recht, den Umgang des Kindes auch mit Wirkung für und gegen Dritte zu bestimmen (vgl. Senatsbeschluss vom 29. September 2010 XII ZB 161/09 FamRZ 2010, 1975 Rn. 9).

Auch die Bestimmung des Umgangs mit den Eltern fällt unter die Personensorge. Steht die Personensorge den Eltern zu, so treffen sie die Umgangsbestimmung gemeinsam (BeckOK BGB/Veit [Stand: 1. Mai 2016] § 1632 Rn. 26; Staudinger/Salgo BGB [2015] § 1632 Rn. 20). Im Fall, dass die Eltern sich nicht einigen können, kann bei Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung nach § 1628 BGB die Entscheidung vom Familiengericht auf Antrag einem Elternteil übertragen werden. Steht die elterliche Sorge einem Elternteil allein zu, ist dieser auch befugt, den Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil zu regeln. Der andere Elternteil hat nach § 1684 Abs. 1 BGB ein vom Sorgerecht unabhängiges Umgangsrecht, das insbesondere im Fall einer entsprechenden gerichtlichen Umgangsregelung das Sorgerecht des anderen Elternteils entsprechend einschränkt (BeckOK BGB/Veit [Stand: 1. Mai 2016] § 1632 Rn. 32; a.A. Staudinger/Rauscher BGB [2014] § 1684 Rn. 117).

Die Befugnis zur Umgangsbestimmung kann als Teil der Personensorge nach §§ 1666, 1666 a BGB den Eltern entzogen werden. Ob eine solche Maßnahme angezeigt ist, ist anhand der strengen Eingriffsvoraussetzungen der Sorgerechtsentziehung zu beurteilen. Dabei sind insbesondere die Geeignetheit und die Erforderlichkeit der Maßnahme zu beachten. So wird als milderes Mittel je nach den Umständen des Falles eine von Amts wegen zu treffende Umgangsregelung nach § 1684 BGB zu erwägen sein, die gegenüber der Entziehung des Umgangsbestimmungsrechts vorrangig ist. Ebenfalls ist ein Umgangsausschluss möglich, der dann allerdings unter der Voraussetzung der Kindeswohlgefährdung steht, anders als Maßnahmen nach §§ 1666, 1666 a BGB aber nur befristet möglich ist (§ 1684 Abs. 4 Satz 1 und 2 BGB). Auch die Einrichtung einer Umgangspflegschaft nach § 1684 Abs. 3 BGB ist als gegenüber der Entziehung des Umgangsbestimmungsrechts milderes Mittel vorrangig zu erwägen (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011 XII ZB 247/11 FamRZ 2012, 99 Rn. 28; OLG Hamm FamRZ 2010, 1926). Das Gericht muss dabei eine konkrete und vollständige Regelung treffen und darf diese nicht dem Umgangspfleger als Drittem übertragen (vgl. BVerfG FamRZ 2009, 1472 Rn. 34 mwN). Dagegen wird mit der vollständigen Entziehung der elterlichen Sorge zugleich das Umgangsbestimmungsrecht entzogen und steht sodann dem bestellten Vormund zu (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Februar 2014 XII ZB 165/13 FamRZ 2014, 732 Rn. 23 ff.). Dieser regelt mithin auch den Umgang des Kindes mit den Eltern. Wäre hingegen das Umgangsbestimmungsrecht schon nicht Bestandteil der elterlichen Sorge, so würde sich daraus die sachwidrige Folge ergeben, dass in diesen Fällen der Umgang stets gerichtlich geregelt werden müsste, worauf das Oberlandesgericht zutreffend hingewiesen hat.

Das Umgangsbestimmungsrecht ist mithin ein vom Aufenthaltsbestimmungsrecht verschiedener Bestandteil der Personensorge und kann folglich gemäß § 1666 BGB gesondert entzogen werden. Die Entziehung dieser Befugnis bedarf indessen einer strengen Prüfung der Eignung und Erforderlichkeit und wird in Fällen des Elternkonflikts in der Regel durch vorrangig nach § 1684 BGB von Amts wegen zu treffende Anordnungen als speziellere und zugleich weniger eingreifende Maßnahmen ausgeschlossen.

cc) Der angefochtene Beschluss entspricht den genannten Maßstäben.

Das Oberlandesgericht hat die gesonderte Entziehung des Umgangsbestimmungsrechts damit begründet, anderenfalls wäre zu befürchten, dass die Eltern sich über die vom Amtsgericht im Parallelverfahren getroffene Umgangsregelung hinwegsetzten und einen uneingeschränkten Umgang mit dem betroffenen Kind durchsetzten. Durch einen uneingeschränkten Umgang würde der Sohn erneut in den von den Familienhelfern bereits beschriebenen Loyalitätskonflikt gestürzt, was seiner weiteren Persönlichkeitsentwicklung unzweifelhaft abträglich wäre. In welchem Umfang den Eltern Umgang zu gewähren sei, sei im Rahmen des Umgangsverfahrens zu klären.

Das genügt hinsichtlich der zu befürchtenden weiteren Kindeswohlgefährdung den Anforderungen nach §§ 1666, 1666 a BGB. Die im Parallelverfahren zu treffende Umgangsregelung würde nur bei einem vollständigen Umgangsausschluss die im vorliegenden Verfahren getroffene Regelung überflüssig machen. Wird dagegen der Umgang auf einen bestimmten Rhythmus festgelegt, so beinhaltet dies nicht zugleich auch den Ausschluss des Kontakts für weitere Zeiten. Diesen zu bestimmen ist vielmehr weiterhin die Aufgabe des insoweit Sorgeberechtigten, was ohne die vom Oberlandesgericht getroffene Regelung die Eltern blieben.

Die Regelung ist auch verhältnismäßig. Die Rechtsbeschwerde bringt insoweit keine Rügen vor.

b) Die erstmalige Entziehung des Umgangsbestimmungsrechts im Beschwerdeverfahren ist verfahrensrechtlich zulässig. Ein Verbot der reformatio in peius besteht insoweit nicht, da im Verfahren nach §§ 1666, 1666 a BGB die Dispositionsmaxime nicht gilt und deshalb vom Rechtsmittelführer im Interesse des Kindeswohls auch eine Schlechterstellung hinzunehmen ist (Senatsbeschluss vom 17. Oktober 2007 XII ZB 42/07 FamRZ 2008, 45 Rn. 24). Diese vor dem Inkrafttreten der FGG-Reform ergangene Rechtsprechung ist für das seit 1. September 2009 geltende Verfahrensrecht aufrechtzuerhalten, zumal für eine diesbezügliche Änderungsabsicht des Gesetzgebers nichts ersichtlich ist. Die zum Betreuungsrecht ergangene Rechtsprechung des Senats (Senatsbeschlüsse vom 11. Dezember 2013 XII ZB 280/11 FamRZ 2014, 378 Rn. 10 und vom 3. Dezember 2014 XII ZB 355/14 FamRZ 2015, 486 Rn. 24) steht wegen der Verschiedenartigkeit von Sorgerechtsentziehung und Betreuerbestellung nicht entgegen. Der Senat hat darin bereits auf seine in Kindschaftssachen anderslautende Rechtsprechung hingewiesen (Senatsbeschluss vom 3. Dezember 2014 XII ZB 355/14 FamRZ 2015, 486 Rn. 27). Diese Differenzierung entspricht auch der Praxis zum früheren Verfahrensrecht (vgl. Keidel/Kahl FGG 15. Aufl. § 19 Rn. 117 f. mwN).

BGH, Beschluss vom 06.07.2016
XII ZB 47/15

AG Alsfeld, Entscheidung vom 22.07.2014
21 F 220/14

OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 16.01.2015
4 UF 255/14

Schreibe einen Kommentar