Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2023 durch den Vorsitzenden Richter Guhling, die Richter Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger und die Richterinnen Dr. Pernice und Dr. Recknagel für Recht erkannt:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 15. Zivilsenats – Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Celle vom 14. Dezember 2022 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
A.
Die Beteiligten streiten im Rahmen des Scheidungsverbunds in der Folgesache Güterrecht auf der Auskunftsstufe über die Wirksamkeit eines Ehevertrags und hierbei insbesondere der Vereinbarung von Gütertrennung.
Der Antragsteller, ein libanesischer Staatsangehöriger, und die Antragsgegnerin, deutsche Staatsangehörige, schlossen im September 1996 in Deutschland die Ehe. Zuvor hatten sie in Anwesenheit zweier muslimischer Zeugen einen notariellen Ehevertrag geschlossen, der weitgehend einem damals vom Bundesverwaltungsamt veröffentlichten Mustertext entspricht. Der Vertragstext enthält unter anderem eine Klausel, wonach die Beteiligten nach der Eheschließung ihren Wohnsitz in Deutschland beibehalten würden. Als Güterstand vereinbarten die Beteiligten Gütertrennung (Ziffer II. b des Vertrags). Weiter sahen sie eine Verpflichtung des Antragstellers zur Zahlung einer – teilweise bei Eheschließung und im Übrigen bei Auflösung der Ehe fälligen – Morgengabe in Höhe von insgesamt 5.000 DM sowie einer bei Auflösung der Ehe fälligen „Abstandssumme“ von 1.000 DM vor. Zu den Voraussetzungen der Ehescheidung trafen die Beteiligten unter Ziffer II. d folgende Regelung:
„Ich, der Erschienene zu 1., ermächtige und bevollmächtige hiermit die Erschienene zu 2. als zukünftige Ehefrau, sich durch Scheidung aus dem ehelichen Band zu befreien, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, insbesondere in Fällen des Gesetzes, falls
aa) der Ehemann eine andere Frau nimmt,
bb) der Ehemann länger als drei Monate abwesend ist,
cc) der Ehemann den Unterhalt für die Ehefrau nicht zahlt,
dd) der Ehemann die Ehefrau in einem Grade mißhandelt, daß das eheliche Zusammenleben unerträglich wird,
ff) der Ehemann die Ehefrau an der Ausübung eines standesgemäßen Berufs hindert.“
Zum nachehelichen Unterhalt enthält der Vertrag unter Ziffer II. f folgende Regelung:
„Ich, der Erschienene zu 1., verpflichte mich hierdurch für den Fall einer Scheidung meiner Ehe mit der Erschienenen zu 2. aus meinem Verschulden der Erschienenen zu 2. einen standesgemäßen Unterhalt zu gewähren. Diese Verpflichtung soll eintreten, wenn der Ehemann die Scheidung veranlaßt oder die Ehefrau die Ehescheidung aus einem der gesetzlichen und vorstehend vereinbarten in der Person des Ehemannes liegenden Gründe verlangt.“
Zum Sorgerecht für gemeinsame Kinder regelten die Beteiligten unter Ziffer II. g des Vertrags, dass die Antragsgegnerin im Falle der Auflösung der Ehe dieses weiterhin innehaben sollte, und zwar für Söhne mindestens sieben Jahre und für Töchter mindestens neun Jahre nach der Geburt. Weiter heißt es dort:
„Die Kosten werden durch den Richter oder im Einvernehmen der Parteien festgesetzt.“
Unter Ziffer III. des Ehevertrags ist abschließend geregelt:
„1. Sollten einzelne Bestimmungen dieses Ehevertrages unwirksam sein oder werden, so wird davon die Wirksamkeit des übrigen Vertragsinhalts nicht berührt.
2. Wir, die Erschienenen zu 1. und 2., entbinden hierdurch den amtierenden Notar von jeder Haftung aus Nicht- oder Falschanwendung anderen als Deutschen Rechts“.
Die Beteiligten leben seit dem 30. August 2018 getrennt. Der Scheidungsantrag des Antragstellers ist der Antragsgegnerin am 25. Juli 2019 zugestellt worden. Die Antragsgegnerin hat einen Stufenantrag zur Folgesache Güterrecht gestellt, mit dem sie zunächst die Verpflichtung des Antragstellers begehrt, ihr Auskunft über sein Anfangs-, sein Trennungs- und sein Endvermögen zu erteilen und die Auskunft zu belegen. Dem ist der Antragsteller unter Hinweis auf die im Ehevertrag vereinbarte Gütertrennung entgegengetreten.
Das Amtsgericht hat den Auskunftsantrag durch Teilbeschluss abgewiesen. Hiergegen hat die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt und ihre Anträge auf entsprechenden Hinweis des Oberlandesgerichts auf erster Stufe um einen Zwischenfeststellungsantrag erweitert, mit dem sie die Feststellung begehrt, dass der Ehevertrag unwirksam sei. Hierauf hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass der von den Beteiligten geschlossene Ehevertrag (insgesamt) unwirksam ist. Zudem hat es den Teilbeschluss des Amtsgerichts abgeändert und den Antragsteller auf erster Stufe zur Erteilung der begehrten Auskünfte und Vorlage von Belegen verpflichtet. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Antragsteller die Abweisung des Zwischenfeststellungsantrags und die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses.
B.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
I.
Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung, die in FamRZ 2023, 927 veröffentlicht ist, wie folgt begründet:
Der von der Antragsgegnerin gestellte Feststellungsantrag sei gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Bei dem Ehevertrag handele es sich um ein der Entscheidung über den Auskunftsanspruch vorgreifliches Rechtsverhältnis, über das zur Vermeidung einer unzulässigen Teilentscheidung auf der ersten Stufe des Stufenverfahrens eine Zwischenfeststellung möglich und geboten sei. Der Ehevertrag sei insgesamt unwirksam. Grund hierfür sei allerdings nicht ein Verstoß gegen den ordre public, weil auf den Ehevertrag mangels ausdrücklicher oder stillschweigender Wahl ausländischen Rechts wegen des gewöhnlichen Aufenthalts beider Beteiligter in Deutschland deutsches Recht anwendbar sei. Insbesondere sei dem Vertrag, auch wenn dessen Inhalt im Wesentlichen den Vorstellungen des islamischen Kulturkreises von Ehe und Familie entspreche und mit der Beteiligung zweier volljähriger männlicher Zeugen auch islamischen Formerfordernissen Rechnung getragen worden sei, eine stillschweigende Wahl des libanesischen Rechts nicht eindeutig zu entnehmen.
Nichts anderes gelte wegen des Umstands, dass die Beteiligten den Notar von jeglicher Haftung aus „Nicht- oder Falschanwendung anderen als des Deutschen Rechts“ freigestellt hätten, sie mithin möglicherweise von einer Anwendbarkeit ausländischen Rechts ausgegangen seien oder dies zumindest für möglich gehalten hätten. Denn eine eindeutige Bezugnahme auf die Rechtsordnung eines bestimmten Staates fehle. Damit werde nicht deutlich, dass die Beteiligten die Geltung des libanesischen Familienrechts insgesamt hätten vereinbaren wollen.
Zu berücksichtigen sei insoweit auch, dass der Mustertext des Bundesverwaltungsamts, dem der vorliegende Vertrag weitestgehend entspreche, für eine Eheschließung mit einem ägyptischen, syrischen oder jordanischen Mann und für den Fall entworfen worden sei, dass das eheliche Zusammenleben zumindest auch im Heimatland des Mannes stattfinden solle.
Der danach gemäß § 138 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Wirksamkeitskontrolle halte der Ehevertrag in der Gesamtschau nicht stand. Bereits die Regelung über die Scheidungsvoraussetzungen unter Ziffer II. d des Ehevertrags sei aufgrund der damit verbundenen Einschränkung der unabdingbaren negativen Eheschließungsfreiheit wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 GG, §§ 1364 ff. BGB gemäß § 138 Abs. 1 und § 134 BGB unwirksam. Die Regelung ziele, auch wenn darin auf die gesetzlichen Voraussetzungen einer Ehescheidung Bezug genommen werde, wegen der im Einzelnen genannten Fallkonstellationen als Scheidungsvoraussetzung auf einen teilweisen Ausschluss des Scheidungsrechts der Ehefrau und damit eine Benachteiligung der Antragsgegnerin ab.
Auch die Unterhaltsregelung unter Ziffer II. f des Ehevertrags sei nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, weil sie eine einseitige und unzumutbare Lastenverteilung zwischen den Beteiligten bewirke. Denn die Antragsgegnerin werde durch sie gegenüber der gesetzlichen Lage in §§ 1569 ff. BGB erheblich schlechter gestellt, weil ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt von einem Verschulden des Antragstellers an der Ehescheidung oder vom Vorliegen eines der in Ziffer II. d des Vertrags angeführten Gründe abhängig gemacht werde. Durch die vereinbarte Morgengabe von 2.500 DM und die vom Antragsteller zu zahlende Abstandssumme von 1.000 DM werde dies nicht kompensiert. Die Regelung zum Sorgerecht widerspreche ebenfalls zum Nachteil der Antragsgegnerin der Gesetzeslage. Dieser sei schon nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit zu entnehmen, dass der Antragsteller während der Mindestdauer der elterlichen Sorge Betreuungsunterhalt für die Antragsgegnerin und Kindesunterhalt zu leisten habe.
Auch in anderen Regelungen, die allerdings nicht den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts beträfen, komme die mit Art. 3 Abs. 2 GG unvereinbare Grundkonzeption zum Ausdruck, dass die Ehefrau ihre Rechte vom Ehemann ableite, was die Einseitigkeit der vertraglichen Bestimmungen bestätige.
Die Nichtigkeit der Regelungen über die Voraussetzungen der Ehescheidung, den nachehelichen Unterhalt und die elterliche Sorge führe trotz der im Ehevertrag enthaltenen salvatorischen Klausel zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags, weil die Gesamtwürdigung ergebe, dass dieser für die Antragsgegnerin ausnahmslos nachteilig sei. Damit sei auch die darin getroffene Regelung über die Gütertrennung unwirksam. Die Antragsgegnerin könne daher Auskunft vom Antragsteller über sein Anfangs-, Trennungs- und Endvermögen verlangen.
II.
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Der Zwischenfeststellungsantrag ist nach § 113 Abs. 1 FamFG iVm § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Dies gilt unabhängig davon, ob die vom Oberlandesgericht mit Blick auf das Gebot der Widerspruchsfreiheit angestellten Erwägungen zur Erforderlichkeit eines solchen Antrags zutreffen (vgl. dazu etwa BGHZ 189, 79 = NJW 2011, 1815 Rn. 17 f.).
a) Bei dem mit dem Zwischenfeststellungsantrag zur Überprüfung gestellten Ehevertrag handelt es sich, wovon auch das Oberlandesgericht zutreffend ausgegangen ist, um ein für die Entscheidungen über den geltend gemachten Auskunftsanspruch und einen Anspruch der Antragsgegnerin auf Zugewinnausgleich vorgreifliches Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 2 ZPO (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 221, 308 = FamRZ 2019, 953 Rn. 18 mwN).
Denn die geltend gemachten güterrechtlichen Ansprüche wären nach der vereinbarten Gütertrennung ausgeschlossen, wenn diese Vereinbarung wirksam wäre.
Demgegenüber könnten die Ansprüche bestehen, wenn – wie die Antragsgegnerin festzustellen begehrt – der von den Beteiligten geschlossene Ehevertrag und damit die darin vereinbarte Gütertrennung nichtig wäre. Dass die Entscheidung zum Güterrecht die Rechtsbeziehungen der Beteiligten im Hinblick auf den Ehevertrag nicht erschöpfend regelt, weil dessen Wirksamkeit auch für andere Scheidungsfolgen und nacheheliche Rechtsbeziehungen der Beteiligten relevant ist, hindert die Zulässigkeit des Zwischenfeststellungsantrags der Antragsgegnerin nicht, weil nur durch die Überprüfung des Ehevertrags auf seine Gesamtnichtigkeit eine abschließende und einheitliche Klärung dieser Streitfrage erreicht werden kann (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 221, 308 = FamRZ 2019, 953 Rn. 18 mwN).
b) Der Zulässigkeit des Antrags steht – anders als die Rechtsbeschwerde meint – auch nicht entgegen, dass er erstmals im Beschwerdeverfahren gestellt wurde. Insbesondere wird dem Antragsteller hierdurch nicht etwa unzulässigerweise eine Tatsacheninstanz genommen (vgl. BGHZ 169, 153 = NJW 2007, 82 Rn. 10). Zudem hatte das Oberlandesgericht, das im Beschwerdeverfahren als volle zweite Tatsacheninstanz entscheidet (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 225; Sternal/Weber FamFG 21. Aufl. § 117 Rn. 1 mwN), den Vortrag der Beteiligten – auch zu den subjektiven Voraussetzungen einer Gesamtnichtigkeit des Ehevertrags nach § 138 Abs. 1 BGB und den Umständen des Vertragsschlusses – nach Maßgabe von § 115 FamFG zu berücksichtigen.
2. Die Würdigung des Ehevertrags und damit auch der darin getroffenen Vereinbarung über die Gütertrennung als sittenwidrig iSd § 138 Abs. 1 BGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Oberlandesgericht allerdings zunächst davon ausgegangen, dass auf den vorliegenden Sachverhalt mangels eindeutiger und damit wirksamer Rechtswahl zu Gunsten ausländischen Rechts deutsches Sachrecht Anwendung findet. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen und wird auch von den Beteiligten im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr in Frage gestellt.
b) Ebenfalls richtig ist die Annahme des Oberlandesgerichts, dass die von den Beteiligten getroffene Vereinbarung der Gütertrennung bei isolierter Betrachtung keinen Wirksamkeitsbedenken unterliegt, weil das Güterrecht nicht dem Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts zuzuordnen ist und der Zugewinnausgleich daher – auch wegen der gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen verschiedenen Güterstände – ehevertraglicher Gestaltung am weitesten zugänglich ist (grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 602 ff.; vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 20. Juni 2018 – XII ZB 84/17 – FamRZ 2018, 1415 Rn. 18 und vom 17. Januar 2018 – XII ZB 20/17 – FamRZ 2018, 577 Rn. 14 mwN).
c) Bedenkenfrei und im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats ist das Oberlandesgericht überdies davon ausgegangen, dass sich die Unwirksamkeit einer Vereinbarung über die Gütertrennung, auch wenn sie bei isolierter Betrachtung den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht zu rechtfertigen vermag, trotz einer im Vertrag (hier unter Ziffer III.1. des Ehevertrags) enthaltenen salvatorischen Klausel gemäß § 139 BGB daraus ergeben kann, dass sich der Ehevertrag im Rahmen der nach § 138 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Gesamtwürdigung als insgesamt sittenwidrig erweist (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 27. Mai 2020 – XII ZB 447/19 – FamRZ 2020, 1347 Rn. 28, 38 mwN und vom 17. Januar 2018 – XII ZB 20/17 – FamRZ 2018, 577 Rn. 23 mwN).
d) Die Würdigung des Vertrags als sittenwidrig hält indes auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
aa) Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle hat der Tatrichter zunächst zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr – und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse – wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB). Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse beim Vertragsschluss abstellt, insbesondere also auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und etwaige Kinder. Subjektiv sind sodann die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die
sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die die Ehegatten dazu bewogen haben, den Ehevertrag zu schließen. Das Verdikt der Sittenwidrigkeit wird dabei regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt wird (vgl. Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 606; Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 – XII ZB 303/13 – FamRZ 2014, 629 Rn. 17 mwN; vgl. auch Senatsbeschluss vom 27. Mai 2020 – XII ZB 447/19 – FamRZ 2020, 1347 Rn. 19 mwN).
Das Gesetz kennt keinen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten, so dass auch aus dem objektiven Zusammenspiel einseitig belastender Regelungen nur dann auf die weiter erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten geschlossen werden dann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten und damit eine Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt. Eine lediglich auf die Einseitigkeit der Lastenverteilung gegründete tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit lässt sich bei familienrechtlichen Verträgen indes nicht aufstellen. Ein unausgewogener Vertragsinhalt mag zwar ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten sein. Gleichwohl wird das Verdikt der Sittenwidrigkeit in der Regel nicht gerechtfertigt sein, wenn außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität, insbesondere infolge der Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit, hindeuten könnten (Senatsbeschluss vom 27. Mai 2020 – XII ZB 447/19 – FamRZ 2020, 1347 Rn. 29 mwN).
Bei Vorliegen derartiger Umstände würde indes auch die hier in den Vertrag aufgenommene salvatorische Klausel bei Nichtigkeit einzelner Vertragsklauseln nichts an der Gesamtnichtigkeit des Ehevertrags und der damit einhergehenden Unwirksamkeit der Vereinbarung über die Gütertrennung ändern. Zwar ist eine salvatorische Klausel für die Beurteilung der Frage, ob ein Ehevertrag auch ohne einzelne sittenwidrige und daher nichtige Vertragsbestandteile geschlossen worden wäre, nicht von vornherein ohne Bedeutung. Wenn sich das Verdikt der Sittenwidrigkeit aus der Gesamtwürdigung eines einseitig belastenden Ehevertrages ergibt, erfasst die Nichtigkeitsfolge aber notwendig den gesamten Vertrag, ohne dass eine Erhaltungsklausel hieran etwas ändern könnte.
Denn in diesem Falle spiegelt sich auch in der Vereinbarung der Erhaltungsklausel selbst eine etwa auf ungleichen Verhandlungspositionen beruhende Störung
der Vertragsparität zwischen den Ehegatten wider (Senatsbeschlüsse vom 27. Mai 2020 – XII ZB 447/19 – FamRZ 2020, 1347 Rn. 38 mwN und vom 17. Januar 2018 – XII ZB 20/17 – FamRZ 2018, 577 Rn. 23 mwN). Nichts anderes gilt, wenn sich die Nichtigkeit von Einzelregelungen aus § 134 BGB ergibt und der Vertragsschluss Ausdruck einer Störung der Vertragsparität ist.
bb) Die Würdigung des Ehevertrags durch das Oberlandesgericht als insgesamt sittenwidrig und damit nichtig iSd § 138 Abs. 1 BGB kann danach auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen keinen Bestand haben. Denn es fehlt, wie die Rechtsbeschwerde zu Recht beanstandet, an jeglichen Feststellungen zu den Voraussetzungen einer subjektiven Imparität, etwa aufgrund ungleicher Verhandlungspositionen der Beteiligten und sonstiger Randumstände bei Vertragsschluss, sowie an einer diesbezüglichen rechtlichen Würdigung.
3. Die Entscheidung ist auch nicht aus anderen Gründen richtig (§ 74 Abs. 2 FamFG), etwa weil – wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint – sich die Gesamtnichtigkeit des Ehevertrags bei Nichtigkeit einzelner Regelungen nach § 134 BGB bereits aus § 139 BGB und der bei Aufnahme mehrerer Regelungen in eine einheitliche Vertragsurkunde grundsätzlich geltenden Vermutung für einen Einheitlichkeitswillen der Vertragsschließenden (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 – XII ZB 303/13 – FamRZ 2014, 629 Rn. 50 mwN) ergäbe. Denn diese Vermutung greift vorliegend nicht ein, weil die Beteiligten durch Aufnahme der salvatorischen Klausel in den Vertrag eindeutig zu verstehen gegeben haben, dass im Zweifel keine Gesamtnichtigkeit des Vertrags gewollt ist. Die Gesamtnichtigkeit des Ehevertrags folgt insbesondere auch nicht allein aus einem etwaigen Anliegen der Beteiligten, der gelebten Ehe einen von islamischen Rechtsgrundsätzen geprägten, mit deutschen Rechtsvorstellungen unvereinbaren Rahmen zu geben. Auch ein solches Motiv der Beteiligten würde nämlich der Wirksamkeit und isolierten Geltung einer mit deutschem Recht vereinbaren und in § 1414 BGB vom deutschen Recht gerade als Alternative zum gesetzlichen Güterstand vorgesehenen Gütertrennung aufgrund der salvatorischen Klausel grundsätzlich nicht entgegenstehen.
III.
Die angefochtene Entscheidung ist daher gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG aufzuheben und die Sache ist an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Die Zurückverweisung der Sache gibt dem Oberlandesgericht Gelegenheit, bei der Auslegung des Vertrags zu überprüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit die ehevertraglichen Vereinbarungen nach den Vorstellungen der Beteiligten neben das deutsche Gesetzesrecht treten sollten, etwa für den Fall, dass ein mit der Ehescheidung der Beteiligten oder einer sonstigen Auslegung des Ehevertrags befasstes Gericht libanesisches Recht anwendet (vgl. hierzu Aiwanger FamRZ 2023, 931; Finger FamRB 2023, 352, 354). Daneben wird es gegebenenfalls auch genauer in den Blick zu nehmen haben, inwieweit beiderseitige Unterhaltsansprüche ausgeschlossen sind und wie die Sorgerechtsregelung zu verstehen ist.
Falls das Oberlandesgericht bei der Auslegung der Vereinbarung zu den Scheidungsvoraussetzungen zu dem gleichen Auslegungsergebnis wie in der angefochtenen Entscheidung kommt, ist zutreffend, dass die Regelung mit den zwingenden Scheidungsvoraussetzungen nach §§ 1564 ff. BGB unvereinbar wäre. Wegen des damit verbundenen Eingriffs in die in Art. 6 Abs. 1 GG verankerte negative Eheschließungsfreiheit verstieße sie dann gegen ein gesetzliches Verbot iSd § 134 BGB und wäre nicht nur mit einer einseitigen Benachteiligung der Antragsgegnerin verbunden, sondern nach deutschem Recht unwirksam. Mit Blick auf die Sorgeregelung unter Ziffer II. g des Ehevertrags wird zudem zu berücksichtigen sein, dass eine Vereinbarung der Eltern über die elterliche Sorge, die ohne Rücksicht auf das Wohl der gemeinsamen Kinder getroffen wird, gegen die guten Sitten verstoßen kann (vgl. Senatsurteil BGH Urteil vom 15. Januar 1986 – IVb ZR 6/85 – FamRZ 1986, 444, 445 mwN). Hinsichtlich der Vereinbarung der Gütertrennung wird sich das Oberlandesgericht schließlich die Frage vorzulegen haben, ob diese für die Antragsgegnerin vor dem Hintergrund der seinerzeit erwarteten beidseitigen Vermögensentwicklung der Beteiligten überhaupt nachteilig war.
BGH, Beschluss vom 29.11.2023
XII ZB 531/22
AG Hildesheim, Entscheidung vom 06.10.2021
62 F 47/19
OLG Celle, Entscheidung vom 14.12.2022
15 UF 137/21