OLG Schleswig: Darlegungs- und Beweislast der Leistungsunfähigkeit

OLG Schleswig: Darlegungs- und Beweislast der Leistungsunfähigkeit

1. Die den Unterhaltsverpflichteten treffende Darlegungs- und Beweislast für seine fehlende Leistungsfähigkeit, bezieht sich zunächst auf seine Behauptung, er verfüge nicht über ausreichende tatsächliche Einkünfte. Kommt er dieser Darlegungs- und Beweislast nicht nach, erfolgt eine Verpflichtung zur Zahlung des Mindestunterhalts.

2. Erst, wenn der Unterhaltsverpflichtete der Darlegungs- und Beweislast für seine nicht ausreichenden tatsächlichen Einkünfte nachgekommen ist, stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang ihm fiktive Einkünfte zugerechnet werden können.

Der Unterhaltsverpflichtete trägt die Darlegungs- und Beweislast für seine fehlende Leistungsfähigkeit. Diese bezieht sich zunächst auf seine Behauptung, er erziele keine ausreichenden tatsächlichen Einkünfte. Erst, wenn der Unterhaltsverpflichtete der Darlegungs- und Beweislast seine tatsächlichen nicht ausreichenden Einkünfte nachgekommen ist, stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang die Zurechnung von fiktiven Einkünften erfolgen kann.

Besonderheiten: Die gegen die Entscheidung des Senats erhobene Verfassungsbeschwerde ist mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30.04.2022 nicht zur Entscheidung angenommen worden (1 BvR 342/22).

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Oldenburg in Holstein vom 03.09.2021, Az. 42 F 188/20, wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.102,84 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller verlangt die Abänderung eines Unterhaltstitels.

Die minderjährigen Antragsgegner sind die Kinder des Antragstellers aus dessen inzwischen geschiedener Ehe mit der Mutter der Antragsgegner. Die Antragsgegner leben bei der Mutter und werden von dieser betreut.

Durch den Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des AG Oldenburg/H. (Az.:) vom 5.12.2011 (Bl. 5 ff.) ist der Antragsteller seit dem 1.9.2011 verpflichtet, den Antragsgegnerin zu 1) und 2) jeweils monatlich 131,00 € und an den Antragsgegner zu 3) monatlich 107,00 € Kindesunterhalt zu zahlen.

Er ist zwischenzeitlich zwei weiteren Kindern, geboren am 12.9.2015 und 15.10.2017, zum Unterhalt verpflichtet.

Der Antragsteller begehrt die Abänderung des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses dahingehend, dass er den Antragsgegnern lediglich noch zur Zahlung von 27,71 % des Mindestunterhalts verpflichtet ist.

Der Antragsteller macht geltend, es komme gar nicht darauf an, ob sich seine Einkommensverhältnisse geändert hätten. Allein das Hinzutreten weiterer Unterhaltsberechtigter führe selbst bei Ermittlung eines fiktiv durch Nebentätigkeit gesteigerten Einkommens dazu, dass er nicht in der bisherigen Höhe leistungsfähig sei. Zur Darlegung seiner tatsächlichen Einkünfte hat der Antragsteller seine Entgeltabrechnungen für den Zeitraum August 2019 bis einschließlich Juni 2020 vorgelegt. Rechtshängigkeit des Antrages ist am 07.05.2021 eingetreten.

Der Antragsteller hat beantragt,

den am 5.12.2011 vor dem Amtsgericht Oldenburg in Holstein zum Aktenzeichen – 5 FH 12/11 – erlassenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass er ab Rechtshängigkeit nur noch verpflichtet sei, 27,71 % des Mindestunterhaltes gemäß § 1612 a BGB zu zahlen.

Die Antragsgegner haben beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, dass der Antragsteller seine Leistungsunfähigkeit nicht hinreichend dargelegt habe.

Das Familiengericht hat dem Antragsteller die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe durch Beschluss vom 10.02.2021 versagt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat der Senat durch Beschluss vom 10.03.2021 (10 WF 41/21) zurückgewiesen. In dem Beschluss hat der Senat darauf hingewiesen, dass der Antragsteller seiner Darlegungslast schon im Hinblick auf seine tatsächlichen Einkünfte nicht nachgekommen sei.

Wegen der Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen und die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 19.8.2021 Bezug genommen.

Das Familiengericht hat den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Ausführungen in der Entscheidung vom 03.09.2021 Bezug genommen.

Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Entscheidung des Familiengerichts.

Er ist der Auffassung, dass er selbst unter Berücksichtigung eines fiktiven Einkommens nicht in der Lage sei, die Unterhaltsansprüche zu befriedigen. Insbesondere habe das Familiengericht nicht im Einzelnen festgestellt, welches Einkommen er erzielen müsste, um den Unterhalt zu zahlen. Ergänzend nimmt der Senat auf die Ausführungen in der Beschwerdebegründung vom 13.10.2021 und im Schriftsatz vom 30.11.2021 Bezug.

Der Antragsteller beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses vom 19.08.2021 den Beschluss des Amtsgerichts Oldenburg in Holstein zum Az. 5 FH 12/11 dahingehend abzuändern, dass der Antragsteller abwechselnd teilt nur noch verpflichtet ist, 27,71 % des Mindestunterhaltes gemäß § 1612 a BGB zu zahlen

sowie

die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Die Antragsgegner beantragen,

die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oldenburg vom 19.08.2021 zurückzuweisen.

Die Antragsgegner sind der Auffassung, dass der Antragsteller seine Leistungsunfähigkeit nicht hinreichend dargelegt hat. Ergänzend nimmt der Senat auf die Ausführungen in der Beschwerdeerwiderung vom 17.11.2021 Bezug.

Der Senat hat durch Hinweisbeschluss vom 18.11.2021 darauf hingewiesen, dass die Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte und beabsichtigt ist, über die Beschwerde ohne erneute mündliche Verhandlung gemäß §§ 117, 68 Abs. 3 S. 2 FamFG zu entscheiden.

II.

Die nach den §§ 117, 58 ff. FamFG statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg.

Zutreffend hat das Familiengericht darauf hingewiesen, dass sich die Abänderung hier nach § 240 FamFG und nicht nach § 238 FamFG richtet. An der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für die Leistungsunfähigkeit ändert dies nichts.

Der Antragsteller hat im Rahmen der ihm für seine Leistungsunfähigkeit obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht hinreichend dargetan, dass er tatsächlich nicht leistungsfähig ist, um den titulierten Unterhalt zu leisten.

Der Antragsteller verkennt hierbei, dass es auf die Frage, ob und in welchem Umfang er fiktive Einkünfte erzielen kann, aufgrund der fehlenden Darlegung seiner tatsächlichen Einkünfte nicht ankommt. Grundsätzlich liegt die Darlegungs- und Beweislast für seine mangelnde Leistungsfähigkeit und damit für seine erzielten Einkünfte beim Unterhaltspflichtigen (Lüder, FamFR 2012, 409, 410; Soyka, FuR 2012, 537). Dies bezieht sich bereits auf die Behauptung, er erziele kein ausreichendes tatsächliches Einkommen. Denn bei der Unterhaltsberechnung ist in erster Linie auf die tatsächlich erzielten Einkünfte abzustellen (Viefhues, FF 2012, 481 ff.).

Es steht für den Senat nicht fest, dass der Antragsteller über nicht ausreichende tatsächliche Einkünfte verfügt (vgl. Büte, FuR 2016, 550, 552). Der Unterhaltspflichtige muss zur Erfüllung der ihn treffenden Darlegungslast substantiierte Ausführungen zu seinem vorhandenen Einkommen, seinem Vermögen und ggf. sonstigen für seine Leistungsfähigkeit maßgeblichen Umständen machen (KG NZFam 2015, 562; Viefhues in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 1603 BGB Rn. 752; Palandt/Brudermüller, 80. Aufl. 2021, § 1603 Rn. 47). In diesem Zusammenhang sind umfangreich Einkommensunterlagen (sämtliche Lohnbescheinigungen, Steuerbescheide usw.) vorzulegen (vgl. Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, 10. Aufl. 2019, § 6 Rn. 721). Auch hat der Unterhaltspflichtige sich substantiiert zu etwaigen vom Unterhaltsberechtigten behaupteten Einkommensquellen zu erklären. Geschieht dies nicht, ist die Behauptung mangelnder tatsächlicher Leistungsfähigkeit unsubstantiiert und daher unbeachtlich (vgl. Viefhues in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 1603 BGB Rn. 752; OLG Hamm NZFam 2018, 573; OLG Brandenburg FamRZ 2011, 733). Es erfolgt dann nach den Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast eine Verpflichtung des Unterhaltsschuldners zur Zahlung des Mindestunterhalts.

Der Antragsteller hat trotz eines entsprechenden Hinweises des Senats im Beschluss vom 10.03.2021 seine tatsächlichen Einkünfte im Unterhaltszeitraum nicht dargelegt. Im Beschluss vom 18.11.2021 hat der Senat diesen Hinweis nochmals wiederholt, ohne dass der Antragsteller seine tatsächlichen Einkünfte im Unterhaltszeitraum dargelegt hat.

Der Antragsteller begehrt die Abänderung ab dem 07.05.2021. Die aktuellste Gehaltsbescheinigung stammt von Juni 2020. Es ist somit für den Senat nicht erkennbar, über welche Einkünfte der Antragsteller im Unterhaltszeitraum ab Mai 2021 verfügt. Insbesondere gibt es keinen Erfahrungssatz dahingehend, dass über einen Zeitraum von fast einem Jahr die Einkünfte des Antragstellers unverändert bleiben. Auch Steuerbescheide hat der Antragsteller nicht eingereicht. Das Einkommen des Antragstellers war auch nicht unstreitig, da die Antragsgegner wiederholt die vom Antragsteller behauptete fehlende ausreichende Leistungsfähigkeit bestritten haben. Eine Verpflichtung des Senats trotz entsprechender Hinweise die tatsächlichen Einkünfte von Amts wegen zu ermitteln existiert nicht (vgl. Viefhues, FF 2012, 481 ff.).

Somit kann der Senat nicht feststellen, dass der Antragsteller über keine ausreichenden Einkünfte verfügt, die ihn in die Lage versetzen würden, den bisher titulierten Unterhalt zu zahlen. Der Antragsteller ist seiner Darlegungslast nicht nachgekommen.

Auf die umfangreichen Ausführungen des Antragstellers über die Zulässigkeit der Zurechnung von fiktiven Einkünften kommt es demnach nicht an.

Ergänzend nimmt der Senat auf die Entscheidung des Familiengerichts Bezug.

2.

Der Senat hat hier gemäß §§ 117, 68 Abs. 3 S. 2 FamFG ohne erneute mündliche Verhandlung entschieden, da eine solche erstinstanzlich durchgeführt wurde und von einer Wiederholung keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten sind. Der Senat stützt seine Entscheidung allein auf rechtliche Bewertungsfragen zu denen der Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme hatte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 243 FamFG. Da die Beschwerde des Antragstellers in der Sache vollumfänglich keinen Erfolg hat, entspricht es der Billigkeit, dem Antragsteller auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Die Festsetzung des Verfahrenswertes folgt aus § 51 FamGKG.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 1 FamFG liegen nicht vor. Das Verfahren hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Auf die vom Antragsteller thematisierten Fragen der Zurechnung von fiktiven Einkünften kommt es für die Entscheidung des Verfahrens nicht an. Die vom Senat ausgeführten Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast für die Leistungsunfähigkeit sind in Literatur und Rechtsprechung nicht umstritten.

OLG Schleswig, Beschluss vom 08.12.2021
10 UF 175/21

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