OLG Saarbrücken:  Vaterschaftsfeststellung nur für den rechtlichen Vater verpflichtend

OLG Saarbrücken: Vaterschaftsfeststellung nur für den rechtlichen Vater verpflichtend

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1000,00 € festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

Die gemäß § 58 FamFG statthafte Beschwerde der Antragstellerin ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei.

In der Sache muss der Beschwerde der Erfolg versagt bleiben.

Das Familiengericht hat in der angefochtenen Entscheidung vom 11. Mai 2022 zutreffend festgestellt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1598 a Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht vorliegen, weil nur der rechtliche Vater gemäß § 1592 BGB, nicht aber der (mutmaßliche) biologische Vater durch diese Vorschrift zur Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung verpflichtet werden kann. Neben den bereits vom Familiengericht zitierten Entscheidungen des OLG Karlsruhe vom 17. Juli 2009, 2 UF 49/09 und des OLG Nürnberg vom 17. Juni 2013, 11 UF 551/13 kann insoweit auch auf die Entscheidung des OLG Frankfurt vom 12. August 2016, 6 UF 143/16 verwiesen werden. Diese einhellige obergerichtliche Rechtsprechung genügt auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen. So hat das Bundesverfassungsgericht eine über die gerichtliche Vaterschaftsfeststellung nach § 1600d BGB hinausgehende Möglichkeit der isolierten Abstammungsklärung nicht gefordert (BVerfG, Urteil vom 19. April 2016 – 1 BvR 3309/13 -, BVerfGE 141, 186-220, juris Rn. 43).

Soweit die Antragstellerin ihr Begehren nun hilfsweise auf § 178 FamFG stützt, vermag ihr dies nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die Antragstellerin verkennt, dass es sich bei § 178 FamFG um eine Verfahrensvorschrift handelt, die keinen eigenen Rechtsanspruch gewährt, sondern lediglich im Rahmen eines Abstammungsverfahrens die Duldungspflicht dort zu untersuchender Personen regelt. Die Vorschrift, die inhaltlich § 372 a ZPO entspricht, schafft eine Grundlage, unter welchen Voraussetzungen eine Person zur Feststellung der Abstammung eine Untersuchung, durch die am zuverlässigsten die Abstammungsverhältnisse geklärt werden können, zu dulden hat. Die Bestimmung deckt daher einen in der Anordnung der Blutentnahme möglicherweise liegenden Eingriff in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit, das nach Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG unter Gesetzesvorbehalt steht, d.h. durch einfaches Gesetz beschränkt werden kann (Keidel/Engelhardt, 20. Aufl. 2020, FamFG § 178 Rn. 1).

Auch im Hinblick auf die oben zitierte obergerichtliche Rechtsprechung besteht keine Veranlassung davon auszugehen, dass durch eine solche Verfahrensvorschrift die materiellrechtliche Regelung des 1598 a BGB erweitert oder ausgehebelt werden soll. Soweit die Antragstellerin auf einen Hinweisbeschluss des OLG Oldenburg vom 15. August 2017, 4 UF 106/17 verweist, dem eine andere Rechtsauffassung entnommen werden könnte, ist festzustellen, dass dieser sich mit der materiellrechtlichen Regelung des § 1598 a BGB bzw. deren tatbestandlichen Voraussetzungen überhaupt nicht auseinandersetzt, sondern lediglich eine Prüfung anhand der verfahrensrechtlichen Vorgaben des § 178 FamFG erfolgt. Der Senat vermag daher dieser – soweit ersichtlich vereinzelt gebliebenen Entscheidung – nicht zu folgen.

Auch unter Berücksichtigung der Regelung des § 175 FamFG konnte das Familiengericht – entgegen der Ansicht der Antragstellerin – von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen. Auch bedurfte es keiner persönlichen Anhörung der am Verfahren Beteiligten. Gemäß § 175 Abs. 1 FamFG soll vor einer Beweisaufnahme über die Abstammung die Angelegenheit in einem Termin erörtert werden. Vorliegend kam eine Beweisaufnahme aus den dargelegten rechtlichen Gründen nicht in Betracht, mithin bestand auch kein Anlass für eine solche Erörterung. Durch die persönliche Anhörung gemäß § 175 Abs. 2 FamFG soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich durch die Ersetzung der Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und die Anordnung der Duldung einer Probeentnahme erhebliche Auswirkungen auf die bestehenden persönlichen Verhältnisse und familiären Beziehungen ergeben. Darüber hinaus soll sich das Gericht einen unmittelbaren Eindruck von dem Betroffenen verschaffen und die Möglichkeit erhalten, auf eine einvernehmliche Lösung hinzuwirken (BeckOK FamFG/Weber, 43. Ed. 1.7.2022, FamFG § 175 Rn. 9). In der gegebenen Konstellation ist eine Ersetzung der Einwilligung nicht in Betracht gekommen. Eine gütliche Einigung erschien nach den vehement ablehnenden Stellungnahmen des Antragsgegners in erster Instanz ausgeschlossen, zumal auch keine rechtliche Verpflichtung des Antragsgegners zu der von der Antragstellerin begehrten Zustimmung zu einer genetischen Abstammungsuntersuchung bestanden hat. Angesichts dessen hat das Familiengericht auch zu Recht von einer persönlichen Anhörung der Beteiligten abgesehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Entscheidung bezüglich des Gegenstandswertes gründet sich auf § 47 Abs. 1 FamGKG.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind, § 70 Abs. 2 FamFG.

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 02.08.2022
6 UF 70/22

AG Speyer, Beschluss vom 11.05.2022
42 F 84/21

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