OLG Oldenburg: Entscheidung über die Religionszugehörigkeit bei glaubensverschiedenen Eltern

OLG Oldenburg: Entscheidung über die Religionszugehörigkeit bei glaubensverschiedenen Eltern

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Meppen vom 15. Dezember 2009 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten der Beschwerde.

Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für die Beschwerde wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die Eltern des Kindes J…, das nach ihrer Trennung im April 2009 bei der Kindesmutter lebt. Die Kindeseltern sind gemeinsam sorgeberechtigt. Der Antragsteller ist tunesischer Staatsangehöriger und moslemischen Glaubens. Die Antragsgegnerin ist deutsche Staatsangehörigkeit und Katholikin. Nach der Trennung ließ sie J… katholisch taufen. Der Antragsteller behauptet, dass J… ohne seine Einwilligung getauft worden sei. Er akzeptiere, dass die Taufe aus kirchlicher Sicht nicht rückgängig zu machen sei, könne aber verlangen, dass gegenüber dem Standesamt der Austritt J… aus der katholischen Kirche erklärt werde. Nur so könne nämlich erreicht werden, dass sich das Kind in religiöser Hinsicht frei entwickeln und später, wenn es alt genug dafür sei, sich selbst entscheiden könne, zu welcher Religionsgemeinschaft es gehören wolle. Bliebe es hingegen Mitglied der katholischen Kirche, würde die Antragsgegnerin den Empfang der weiteren Sakramente (Erstkommunion, Beichte und Firmung) ebenfalls veranlassen, ohne dass das Kind eine Wahl habe. Der Antragsteller hat beantragt, ihm die alleinige Entscheidungsbefugnis über den Kirchenaustritt des Kindes zu übertragen. Die Antragsgegnerin hat die Zurückweisung des Antrags beantragt. Sie behauptet, der Antragsteller habe zugestimmt, das Kind katholisch taufen zu lassen, nachdem sie eingewilligt habe, dass das Kind den Namen des Vaters trage. Das Kind wachse in dem Haushalt der katholischen Mutter in einer katholisch geprägten Gegend auf. er besuche einen katholischen Kindergarten und solle später eine ebenfalls katholische Schule besuchen.

Das Amtsgericht hat die Beteiligten zu 1. bis 3. persönlich angehört und den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen. Die Mutter sei die Hauptbezugsperson des Kindes. Durch den dauernden Aufenthalt bei der Mutter werde diese dem Kind Werte ihres katholischen Glaubens vermitteln.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der sein Vorbringen vertieft. Gehörten Eltern verschiedenen Glaubensrichtungen an und könnten sich nicht darüber verständigen, ob ihr gemeinsames Kind der einen oder anderen Glaubensgemeinschaft angehören solle, entspreche es dem Kindeswohl am besten, wenn es zunächst keiner Glaubensrichtung angehören, sondern erst nach dem Erreichen des entsprechenden Alters selbst entscheiden könne.

II.

Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zum Grundrecht der Erziehung (Art. 6 GG) gehört auch die religiöse Erziehung, d.h. das Recht der Eltern, die Kinder in der von ihnen für richtig gehaltenen Religion zu erziehen. Das Elternrecht steht beiden Eltern gemeinsam zu. Können sich die Eltern nicht einigen, kann einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis nach § 1628 BGB übertragen werden, wenn der Streit eine Einzelfrage wie im vorliegenden Fall die Erklärung des Austritts aus der katholischen Kirche betrifft. Ob es nach den Vorstellungen des Antragstellers dem Kindeswohl besser dient, wenn das Kind J… aus der katholischen Kirche wieder austritt und damit seine religiöse Orientierung offen gehalten wird, bis es aus Altersgründen in der Lage ist, selbst zu entscheiden, welcher Religionsgemeinschaft es angehören will, ist fraglich. Die Frage kann aber letztlich im Rahmen der nach § 1628 BGB zu treffenden Entscheidung offen bleiben, weil der weltanschaulich neutrale Staat die Entscheidung über die religiöse Kindererziehung nicht treffen kann, und zwar auch nicht, indem einem Elternteil die alleinige Entscheidungsbefugnis mit der Begründung übertragen würde, die konkreten Vorhaben des einen Elternteils über Art und Umfang der Integration des Kindes in eine Religionsgemeinschaft entsprächen dem Kindeswohl besser als die religiöse Erziehung durch den anderen Elternteil. Die von dem Antragsteller in Aussicht gestellte Entwicklung, das Kind solle zwar getauft bleiben, aber von weiteren Ausübungen der christlichkatholischen Religion (Kommunion, Beichte etc.) ferngehalten werden bis es mit Erreichen der Religionsmündigkeit eine eigene Entscheidung treffen könne, stellt genauso ein Konzept für die religiöse Erziehung des Kindes dar wie eine vollständige Integration in die eine oder andere Religionsgemeinschaft bereits im Kindesalter. Welches Erziehungskonzept für ihr Kind vorzuziehen ist, kann nicht durch das Gericht entschieden werden. Diese Entscheidungsbefugnis haben nur die Eltern. Maßgeblich für die Entscheidung, wem die Befugnis zur Regelung der streitigen Einzelfrage zu übertragen ist, sind vielmehr andere Aspekte des elterlichen Sorgerechts. Die religiöse Erziehung ist lediglich ein Teilbereich von mehreren der Erziehungsaufgabe der Eltern. Maßgeblich ist dabei der Kontinuitätsgrundsatz (vgl. Streitwieser, Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe 2006, 141 ff.). Insoweit hat das Amtsgericht mit zutreffenden Erwägungen darauf abgestellt, dass das Kind bei der Mutter lebt und in einer katholischen Umgebung eingebettet ist. Es spricht jedenfalls nichts überwiegend dafür, die Entscheidung über den Kirchenaustritt dem Vater zuzuweisen. Eine Integration des Kindes in seine soziale Umwelt wie Kindergarten, Schule etc. würde dadurch zumindest nicht erleichtert.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 84 FamFG, die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 45, 40 FamGKG.

Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe war gemäß §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 1 S. 1 ZPO wegen fehlender Erfolgsaussichten zurückzuweisen.

OLG Oldenburg, Beschluss vom 09.02.2010
13 UF 8/10

AG Meppen, Beschluss vom 15.12.2009
16 F 296/09 SO

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