OLG Rostock: Beschleunigungsbeschwerde in Kindschaftssachen – Monatsfrist des § 155 Abs. 2 FamFG

OLG Rostock: Beschleunigungsbeschwerde in Kindschaftssachen – Monatsfrist des § 155 Abs. 2 FamFG

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die bisherige Dauer des Verfahrens nicht dem Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG entspricht.

II. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist eine Beschleunigungsbeschwerde im Rahmen einer Kindschaftssache, welche eine Regelung des Umgangs zum Gegenstand hat.

Der Kindesvater hat einen entsprechenden Antrag mit Datum vom 27.01.2025 eingereicht, der elektronisch am 11.02.2025 eingegangen ist; soweit er auf eine Übermittlung per Fax am Tag des Antragsdatums verweist, befindet sich ein solches jedenfalls nicht bei der Akte.

Nachdem eine Sachstandsanfrage des Kindesvaters vom 11.02.2025 nicht beantwortet worden war, hat er am 28.02.2025 Beschleunigungsrüge erhoben mit der Begründung, dass bis zum Ablauf der so genannten Monatsfrist keine Förderung des Verfahrens erfolgt sei.

Das Amtsgericht hat die Beschleunigungsrüge zurückgewiesen und dazu unter anderem ausgeführt, es handele sich bei § 115 Abs. 2 Satz 2 FamFG um eine Soll-Vorschrift, von der in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden könne. Der Kindesvater habe in einer Vielzahl von ihm betriebener Verfahren Anträge auf Regelung des Umgangs mit seinem Sohn gestellt. Das Gericht bemühe sich, diese Verfahren soweit möglich miteinander zu verbinden, um eine einheitliche, nachhaltige Entscheidung zum Wohle des Kindes herbeizuführen. Dies sei dem Kindesvater mit einem Schreiben vom 27.02.2025 zu dem Verfahren mit dem Aktenzeichen 204 F 12/21 des Amtsgerichts XY mitgeteilt worden einschließlich einer Anregung zur Zurücknahme in einigen Verfahren angebrachter Ablehnungsgesuche, weil diese ansonsten bis zu ihrer rechtskräftigen Bescheidung einer Verbindung entgegenstünden; Anhörungstermine sollten danach im Rahmen der verbundenen Verfahren stattfinden sowie Entscheidungen dort getroffen werden. Der Kindesvater habe außerdem in sämtlichen anhängigen Kindschaftssachen Akteneinsicht beantragt, welche ihm nach den bestehenden Möglichkeiten gewährt werden solle; er habe einerseits behauptet, ein Gericht nicht betreten zu können, andererseits an der vom Gericht veranlassten Begutachtung jedoch nicht mitgewirkt. Ein Termin zur Erörterung des Umgangsrechts innerhalb der Monatsfrist sei daher ausnahmsweise nicht angezeigt. Es solle insbesondere auch vermieden werden, dass das betroffene Kind mehrfach angehört werden müsse.

Gegen den am 13.03.2025 ergangenen Beschluss wendet sich der Kindesvater mit seiner am 17.03.2025 erhobenen Beschleunigungsbeschwerde. Er macht geltend, bei § 155 FamFG handele es sich um eine zwingende europarechtliche Vorgabe; könne von ihr in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden, zählten dazu weder eine etwaige Arbeitsüberlastung eines Gerichts noch eine Vielzahl weiterer sachgleicher oder ähnlicher Verfahren der Beteiligten. Das im Hinblick auf eine Verfahrensverbindung geäußerte Ziel des zuständigen Richters, eine einheitliche und nachhaltige Entscheidung zum Wohle des Kindes herbeizuführen, sei komplett konträr zu seinem Verhalten gegenüber dem Kindesvater. Insoweit aus Sicht des Kindesvaters entscheidungsreife Verfahren seien unverzüglich zu fördern bzw. zu entscheiden. Könne er ein Gericht auch nicht zum Zwecke einer Akteneinsicht betreten, die er für die Entscheidung über eine Verfahrensverbindung benötige, verhindere das Gericht zudem eine digitale Akteneinsicht, indem entsprechende Zugangsdaten nicht übersandt würden. Auf der einen Seite verhindere das Gericht so durch die Verweigerung der Akteneinsicht die Verbindung der Verfahren und gleichzeitig erkläre man, dass es der Kindesvater sei, welcher ihre Förderung durch sein Verhalten angeblich verhindere; deutlicher könne ein Richter seine Befangenheit nicht zeigen.

II. Die zulässige Beschleunigungsbeschwerde ist begründet; die bisherige Dauer des Verfahrens entspricht nicht dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG, soweit im Zeitpunkt ihrer Einlegung die – seitens des Kindesvaters auch angemahnte – Monatsfrist des § 155 Abs. 2 Satz 2 FamFG überschritten war.

1. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass es sich bei dem Gebot, den Erörterungstermin spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden zu lassen, um eine „Soll“-Vorschrift handelt. Der Gesetzgeber hat eine grundsätzlich verpflichtende Zeitvorgabe für das Gericht gemacht, die nur in Ausnahmefällen überschritten werden darf. Ein Ausnahmefall kann sowohl in der Sphäre des Gerichts (z. B. öffentliche Zustellung der Antragsschrift, keine Vertretung in Krankheitsfällen) als auch in der Sache selbst begründet sein (z. B. der Hauptsache ist ein Verfahren auf einstweilige Anordnung in derselben Sache mit mündlicher Verhandlung unmittelbar vorausgegangen). Das Vorliegen eines Ausnahmefalls ist vom Gericht jeweils im Einzelfall zu prüfen. Im Zweifel gilt das Beschleunigungsgebot. Geht es um die Einhaltung des § 155 Abs. 2 Satz 2 FamFG, liegt es nahe, dass ein Verstoß nicht erst dann gegeben ist, wenn das Verfahren schon viele Monate anhängig ist. Denn schon dann, wenn nach Ablauf der gesetzlich vorgegebenen Frist von einem Monat ein Termin ohne sachlichen Grund nicht stattgefunden hat, ist der besonderen Ausprägung des Beschleunigungsgrundsatzes nicht Rechnung getragen worden (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.07.2018, Az.: 10 WF 71/18, – zitiert nach juris -, Rn. 20 ff. m. w. N.).

2. Das Vorliegen eines diesbezüglichen Ausnahmefalles ist nicht ersichtlich.

a. Zunächst besteht kein Tätigkeitsverbot nach §§ 6 Abs. 1 Satz 1 FamFG, 47 Abs. 1 ZPO. Es tritt nur ein, wenn ein Ablehnungsgesuch einschließlich Begründung im anhängigen Verfahren gestellt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 06.06.2012, Az.: IX ZB 25/12, – zitiert nach juris -, Rn. 2 m. w. N.), und jedenfalls in der vorliegenden Sache fehlt es an einem Befangenheitsantrag des Kindesvaters gegen den zuständigen Dezernenten. Zwar führt er in seiner Beschwerdebegründung aus, dass jener eine Befangenheit aufgrund seines Vorgehens im Hinblick auf die beantragte Akteneinsicht zum Ausdruck bringe. Ist das Vorliegen eines Ablehnungsgesuches im Wege der Auslegung zu bestimmen, gehen dabei Zweifel allerdings zu Lasten des Beteiligten (vgl. Rauscher/Krüger-Stackmann, MüKo ZPO, 7. Aufl., 2025, § 44 Rn. 5 m. w. N.). Hat der Kindesvater in anderen Verfahren offenbar bereits konkrete Befangenheitsanträge gestellt, ist insofern anzunehmen, dass er solche gegebenenfalls durchaus ausdrücklich formuliert; hier hat er demgegenüber ein Vorgehen im Wege einer Beschleunigungsrüge und anschließenden Beschleunigungsbeschwerde gewählt, sodass davon ausgegangen werden muss, dass er eine Förderung des Verfahrens (gerade) nicht durch ein Zwischenverfahren über eine Richterablehnung zu erschweren beabsichtigt.

b. Weiterhin genügen dann bloße Ankündigungen beabsichtigter Maßnahmen zur Förderung des Verfahrens – hier in Abhängigkeit von einer Stellungnahme des Kindesvaters zu einer Zurücknahme von anderweitigen Ablehnungsgesuchen als Voraussetzung einer in Aussicht genommenen Verbindung mehrerer Verfahren – nicht, um dem Beschleunigungsgrundsatz zu entsprechen.

c. Schließlich kann auch die Überlegung, dem Kind vermehrte Anhörungen zu ersparen und damit einhergehende Belastungen zu verringern oder zu vermeiden, zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn die Durchführung einer Kindesanhörung muss nicht zwingend schon mit derjenigen eines frühen Termins nach § 155 Abs. 2 Satz 2 FamFG verbunden werden; vielmehr kann dieser insofern auch erst der Erörterung der weiteren Verfahrensgestaltung unter anderem zu diesem Punkt dienen (vgl. Rauscher-Heilmann, MüKo FamFG, 4. Aufl., 2025, § 155 Rn. 67 m. w. N.).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.

IV. Die Festsetzung eines Verfahrenswertes für das Beschwerdeverfahren ist nicht veranlasst, weil für dieses eine Festgebühr nach Ziffer 1912 KV-FamGKG anfällt.

OLG Rostock, Beschluss vom 14.04.2025
11 WF 37/25

AG Pasewalk, 13. März 2025
204 F 15/25

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