Die Berufung des Klägers gegen das am 19.08.2008 verkündete Urteil des – Amtsgerichts – Familiengericht – Marl (in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluss des Amtsgerichts vom 6.10.2008) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die gegen ihn gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen
Gründe:
A.
Die Parteien streiten um die Abänderung der durch Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Marl vom 21.8.2007 (20 F 167/07) titulierten Verpflichtung des Klägers, an die Beklagte einen monatlichen Nachscheidungsunterhalt von 607,00 € zu zahlen.
Der am 15.2.1957 geborene Kläger und die am 9.11.1956 geborene Beklagte schlossen die Ehe am 26.03.1975. Die Ehe blieb kinderlos.
Die Beklagte hatte die Sonderschule mit einem entsprechenden Abschluss besucht. Sie begann anschließend eine Berufsausbildung zur Einzelhandelskauffrau. Zwischen den Parteien ist streitig, ob sie die Berufsausbildung beendete. Zum Zeitpunkt der Eheschließung arbeitete die Beklagte als Hilfsarbeiterin. Sie übte eine Erwerbstätigkeit mit Unterbrechungen bis August 1978 aus. Anschließend bezog die Beklagte bis Januar 1979 Arbeitslosengeld. Danach ging sie während des ehelichen Zusammenlebens einer Erwerbstätigkeit nicht nach. Von 1995 bis 1997 pflegte die Beklagte ihren Vater, wofür sie Pflegegeld erhielt.
Der Kläger erlernte zunächst den Beruf des Vulkaniseurmeisters. Während des ehelichen Zusammenlebens bildete er sich zum Chemieingenieur fort. Er arbeitet in diesem Beruf bei der Firma E2.
Die Parteien trennten sich im Juli 2002. Der Scheidungsantrag wurde am 14.2.2003 rechtshängig. Am 21.10.2003 trat die Rechtskraft der Ehescheidung ein.
Nach der Trennung nahm die Beklagte im November 2002 eine teilschichtige Erwerbstätigkeit als Reinigungskraft bei der Firma D GmbH und Co KG auf, für die sie nach wie vor tätig ist. Sie erhält einen Stundenlohn von 8,15 € und hat im Jahr 2008, bis November 2008, monatsdurchschnittlich 894 € brutto, entsprechend 708,92 € netto, bezogen.
Der Kläger heiratete erneut am 8.5.2004. Seine Ehefrau, mit der der Kläger zusammenlebt, ging und geht einer Erwerbstätigkeit nicht nach. In dem ehelichen Haushalt lebt das Kind der Ehefrau L, geboren am 21.1.1997, das der Kläger im Jahr 2006 adoptierte (rechtswirksam seit dem 21.4.2006), und das gemeinsame Kind der Eheleute M, geboren am 15.2.2005.
In dem Rechtsstreit Amtsgericht Marl 20 F 439/03 schlossen die Parteien unter dem 12.04.2005 einen gerichtlichen Vergleich, wonach sich der Kläger verpflichtete, an die Beklagte einen monatlichen Nachscheidungsunterhalt von 618,00 € zu zahlen.
Gemäß den Grundlagen des Vergleichs wurde das Erwerbseinkommen des Klägers nach der Steuerklasse I berechnet, seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Ehefrau nicht berücksichtigt und der Beklagten ein – teilweise fiktives – vollschichtiges Nettoeinkommen von bereinigt 936,00 € monatlich zugerechnet.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Vergleichs (Bl. 209, 209 R. der Beiakten) verwiesen.
In dem weiteren Rechtsstreit Amtsgericht Marl 20 F 167/07 erstrebte der Kläger mit seiner am 12.04.2007 beim Amtsgericht eingegangenen Klage die Abänderung des o.a. gerichtlichen Vergleichs auf einen monatlichen Unterhalt von 354,00 € ab dem 19.04.2006, wobei er zur Begründung in erster Linie auf die Unterhaltsverpflichtung gegenüber den beiden v.g. Kindern abstellte und nach der Klageschrift die Befristung und Begrenzung des Unterhaltsanspruchs geltend machte (Beiakten, Bl. 4).
Mit dem am 21.08.2007 verkündeten Urteil änderte das Familiengericht unter Klageabweisung im Übrigen zuletzt für den Zeitraum ab Januar 2008 den Vergleich auf eine monatliche Unterhaltsverpflichtung von 607 € ab, wobei es beim Kläger den Kindesunterhalt mindernd berücksichtigte und der Beklagten nach wie vor ein bereinigtes Nettoeinkommen von 936 € monatlich zurechnete. Ausführungen zur Befristung und Begrenzung des Unterhalts enthält das Urteil nicht. Die Entscheidung ist seit dem 19.10.2007 rechtskräftig.
Wegen der weiteren das Urteil betreffenden Einzelheiten wird auf Bl. 71 bis 74 der Beiakten Bezug genommen.
Mit der gegenständlichen, am 16.04.2008 rechtshängig gewordenen Klage hat der Kläger die Abänderung des v.g. Urteils mit Wirkung ab Januar 2008
begehrt.
Zur Begründung hat er auf das ab Januar 2008 geänderte Unterhaltsrecht abgestellt und ausgeführt, seine Unterhaltspflicht gegenüber seiner jetzigen Ehefrau sei nunmehr zu berücksichtigen. Der Unterhalt sei zudem zeitlich zu begrenzen, weil die Beklagte keine ehebedingten Nachteile erlitten habe.
Der Kläger hat beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Marl vom 21.08.2007 (20 F 167/07) dahin abzuändern, dass er der Beklagten ab dem 1.1.2008 keinen Ehegattenunterhalt mehr schuldet,
hilfsweise,
das vorgenannte Urteil dahin abzuändern, dass er ihr mit Wirkung ab dem 1.1.2008 nur noch 295 € monatlich Nachscheidungsunterhalt zu zahlen hat.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die lange Ehezeit und die Rollenverteilung während der Ehe verwiesen, die zu ehebedingten Nachteilen geführt habe, und behauptet, sie könne krankheitsbedingt nicht mehr als 20 Wochenstunden arbeiten.
Das Familiengericht hat der Klage teilweise stattgegeben und den Unterhaltsanspruch auf 290 € monatlich für die Zeit ab dem 16.04.2008 reduziert.
Eine zeitliche Begrenzung und Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs hat es abgelehnt.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Ausführung des Familiengerichts wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils (Bl. 46-49 d.A.) verwiesen.
Mit seinem Rechtsmittel wendet sich der Kläger gegen die Abweisung seiner Abänderungsklage für die Zeit ab dem 16.04.2008 unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens erster Instanz. Er trägt vor, dass das Familiengericht sein bereinigtes Nettoeinkommen zu hoch angesetzt habe. Zudem sei der Unterhalt zeitlich zu begrenzen, weil die Beklagte keine ehebedingten Nachteile erlitten habe. Die Beklagte habe eine Lehre als Einzelhandelskauffrau durchlaufen.
Seine, des Klägers, Ehefrau könne und müsse nicht arbeiten. Leon sei ein hyperaktives Kind und müsse deshalb des öfteren vom Kindergarten abgeholt werden.
Wegen der weiteren das klägerische Vorbringen betreffenden Einzelheiten und der Einkommensverhältnisse des Klägers wird auf den Inhalt der Schriftsätze des Klägers vom 24.11.2008 (Bl. 75 ff. d.A.), 22.12.2008 (Bl. 98 ff. d.A.), 6.01.2009 (Bl. 135 ff. d.A.), 5.2.2009 (Bl. 139 ff. d.A.) und 13.2.2009 (Bl. 154, 155 d.A.) nebst Anlagen verwiesen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Marl vom 21.08.2007 – 20 F 167/07 – dahingehend abzuändern, dass er an die Beklagte beginnend mit Wirkung ab dem 16.04.2008 nur noch Ehegattenunterhalt in Höhe von 214,00 € monatlich zu zahlen hat; den Unterhaltsanspruch der Beklagten bis zum 30.06.2009 zu befristen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das Urteil des Familiengerichts. Sie habe ehebedingte Nachteile erlitten. Ihre Berufsausbildung habe sie nach einem Jahr abgebrochen, weil der Ausbildungsbetrieb geschlossen worden sei. Das Familiengericht habe das Einkommen des Klägers zu niedrig bemessen, weil berufsbedingte Aufwendungen nicht in der angeführten Höhe angefallen seien.
Auf eine zeitliche Begrenzung und Herabsetzung des Unterhalts könne sich der Kläger im Übrigen nicht mehr berufen, weil er diese bereits im Vorverfahren hätte geltend machen müssen. Der Vortrag des Klägers zur fehlenden Erwerbsobliegenheit seiner Ehefrau werde mit Nichtwissen bestritten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 29.12.2008 (Bl. 116 ff. d.A.) und 10.02.2009 (Bl. 151, 152 d.A.) nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat die Parteien persönlich im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.02.2009 angehört.
Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf den Berichterstattervermerk vom 19.02.2009 verwiesen.
Wegen der vom Senat erteilten rechtlichen Hinweise wird auf die prozessleitende Verfügung vom 4.12.2008 (Bl. 85 ff. d.A.) und auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 19.02.2009 (Bl. 156 ff. d.A.) Bezug genommen.
Im Übrigen wird wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und der von ihnen überreichten Belege auf die in dem Rechtsstreit gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
B.
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Der im Vortitel ausgeurteilte Aufstockungsunterhaltsanspruch der Beklagten gegen den Kläger gem. § 1573 Abs. 2 BGB ist für den streitgegenständlichen Zeitraum ab Rechtshängigkeit der Abänderungsklage (16.04.2008) nicht auf einen Betrag unterhalb der im angefochtenen Urteil zugesprochenen 290,00 € monatlich zu ermäßigen. Zudem ist der Unterhaltsanspruch entgegen der Auffassung des Klägers weder zeitlich zu begrenzen noch herabzusetzen.
I.
Die erhobene Abänderungsklage (§ 323 ZPO) ist statthaft.
Der Kläger kann sich gem. § 36 Abs. 1 Nr. 1, 2 EGZPO als Abänderungsgrund auf die nach der Unterhaltsreform (Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21.12.2007, BGBl I, S. 3189) geänderte Rangfolge (§ 1609 Nr. 2 BGB) der Unterhaltsansprüche der Ehegatten und auf die in der Folge geänderte höchstrichterliche Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 30.07.2008 – XII ZR 177/06 – in FamRZ 2008, 1911; Urteil v. 1.10.2008 – XII ZR 62/07 – FamRZ 2009, 23) berufen, wonach der Unterhaltsanspruch des neuen Ehegatten bereits auf der Bedarfsebene (“Dreiteilung”) zu berücksichtigen ist und sein Betreuungsunterhaltsanspruch gegenüber dem Aufstockungsunterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten selbst bei einer langen Ehedauer vorrangig sein kann, wenn ehebedingte Nachteile bei diesem nicht zu verzeichnen sind.
II.
Dem Kläger steht jedoch gegen die Beklagte kein Anspruch auf Abänderung des Vortitels über das im angefochtenen Urteil ausgesprochene Maß hinaus zu.
1.
Auf Seiten der Beklagten ist durchgehend für den streitgegenständlichen Zeitraum ab dem 16.04.2008 in Übereinstimmung mit dem Familiengericht ein teilweise fiktives bereinigtes Nettoeinkommen aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit von 936,00 € monatlich in die Unterhaltsberechnung einzustellen.
Das bereinigte Nettoeinkommen von 936,00 € ist in dieser Höhe bereits im abzuändernden Vortitel angesetzt worden.
An dem festgestellten Einkommen ist das Gericht im Abänderungsverfahren gebunden, soweit nicht zeitlich nach dem Vortitel eine diesbezügliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist, weil die Abänderungsklage keine freie, von der bisherigen Höhe unabhängige Neufestsetzung des Unterhalts ermöglicht (vgl. etwa BGH, Urteil vom 16.5.1979 – IV ZR 57/78 – NJW 1979, 1656; Urteil vom 23.04.1986 – IV b ZR 30/85 – NJW 1986, 2054).
a)
Der Kläger hat keine Gründe dargetan, die zeitlich nach der letzten mündlichen Verhandlung des Vorverfahrens (am 31.07.2007) eingetreten sind und eine Erhöhung des fiktiven Einkommens begründen könnten. Dementsprechend setzt er bei seiner eigenen Unterhaltsberechnung in der Berufungsinstanz auf Seiten der Beklagten ein anrechenbares Einkommen von 936,00 € ein.
b)
Die Beklagte ihrerseits hat keine Gründe dargetan, die in Abweichung vom Vortitel eine Ermäßigung ihres anrechenbaren Einkommens zu begründen vermögen.
aa)
Soweit die Beklagte pauschal geltend macht, sie sei aufgrund ihrer Erkrankung nicht zu einer vollschichtigen Tätigkeit in der Lage, ist sie mit diesem Einwand aufgrund der Bindungswirkung des Vortitels ausgeschlossen. Denn im Urteil vom 21.08.2007 ist ihr in Fortschreibung des gerichtlichen Vergleichs vom 12.04.2005 (AG Marl 20 F 439/03) ein Einkommen aus einer vollschichtigen Tätigkeit zugerechnet worden; in dem letztgenannten Verfahren war die Beklagte nach den eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten gesundheitlich in der Lage, einer vollschichtigen Tätigkeit nachzugehen.
bb)
Die Beklagte hat zudem nicht schlüssig dargetan, dass sie aufgrund einer nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Vorverfahren eingetretenen Erkrankung oder wesentlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes jetzt nicht mehr in der Lage ist, vollschichtig zu arbeiten.
cc)
Überdies bestünde ein Unterhaltsanspruch, teilweise auch wegen Krankheit gem. § 1572 BGB nicht (vgl. hierzu BGH, Urteil v. 26.11.2008 – XII ZR 131/07 – unter juris.de), selbst wenn die Beklagte eine nachträgliche Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes schlüssig dargetan hätte. Denn eine Krankheit mit auf die Erwerbsausübung relevanten Auswirkungen kann aufgrund der Bindungswirkungen des Vortitels erst von Belang sein, soweit sie zeitlich nach dem 31.07.2007 aufgetreten ist. Zu diesem Zeitpunkt kommt als Anschlusstatbestand nur der Aufstockungsunterhaltsanspruch gem. § 1573 Abs. 2 BGB in Betracht (§ 1572 Nr. 4 BGB). Dieser scheidet aber als Anschlusstatbestand aus, wenn und soweit die Erkrankung zu einem Zeitpunkt auftritt, zu dem bereits eine nachhaltige Sicherung des Unterhalts i.S. des § 1573 Abs. 4 BGB eingetreten ist (vgl. etwa Palandt-Brudermüller, BGB, 67. A., Rnr. 10 zu § 1572 BGB), weil in diesem Fall die Erkrankung allein der Risikosphäre des Unterhaltsberechtigten zuzuordnen ist. Die Beklagte hat zu dem v.g. Zeitpunkt bereits (fiktiv) länger als 2 Jahre eine vollschichtige Arbeit ausgeübt. Bei dieser Zeitdauer ist spätestens von einer nachhaltigen Sicherung des Unterhalts auszugehen (vgl. z.B. Palandt-Brudermüller a.a.O., Rnr. 28 zu § 1573 BGB). Die Beklagte trägt damit das volle Risiko eines Arbeitsplatzverlustes, unabhängig von den Gründen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
2.
Auf Seiten des Klägers stellt der Senat unter Einbeziehung des Unterhaltsanspruchs der neuen Ehefrau bereits auf der Bedarfsebene entsprechend der Berechnungsweise des Bundesgerichtshofs in den v.g. Entscheidungen vom 30.7. und 1.10.2008 folgendes anrechenbares Nettoeinkommen in die Unterhaltsberechnung ein:
Jahr 2008: 2.925,96 €
Ab Januar 2009: 2.810,96 €
a)
Jahr 2008:
aa)
Das tatsächliche Jahresnettoeinkommen des Klägers (Steuerklasse III, 2,0 Kinderfreibeträge) beläuft sich nach den Jahresssummen des Verdienstnachweises für den Monat Dezember 2008 auf 44.539,72 €, was einem monatsdurchschnittlichen Nettoeinkommen von 3.711,64 € entspricht:
Jahr:Monat:
Brutto 70.518,00 €
Lohnsteuer -13.072,00 €
Solidaritätszuschlag -517,33 €
Rentenversicherung -6.288,71 €
Arbeitslosenversicherung -1.042,84 €
Pensionskasse E2 -1.272,00 €
AG-Zuschuss Krankenversicherung 3.002,40 €
AG-Zuschuss Pflegeversicherung 394,20 €
Krankenversicherung -6.393,60 €
Pflegeversicherung -788,40 €
Somit Nettoeinkommen 44.539,72 € 3.711,64 €
bb)
Dem Einkommen hinzuzurechnen ist die Steuererstattung gemäß Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2007 im Jahr 2008 von 2.323,67 €, entsprechend monatsanteilig 193,64 €, woraus ein monatliches Nettoeinkommen von 3.905,28 € resultiert.
cc)
Von dem Einkommen sind die folgenden Positionen in Abzug zu bringen:
Sterbekasse E 25,32 €
Berufsverbandsbeiträge 79,00 €
Berufsbedingte Fahrtkosten 242,00 €
Nachteilsausgleich an die Beklagte wegen begrenzten Realsplittings 85,00 €
Zwischen den Parteien stehen lediglich die Berufsverbandsbeiträge im Streit. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die Berufsverbandsbeiträge mit monatlich 79,00 € anzusetzen, weil diese bereits im Vortitel in dieser Höhe festgestellt und bei der Berechnung des Unterhalts zugrundegelegt worden sind und nicht dargetan ist, dass insoweit eine Änderung zeitlich nach der letzten mündlichen Verhandlung des Vortitels eingetreten ist. Es errechnet sich nach alledem vor Abzug des Kindesunterhalts ein monatliches bereinigtes Nettoeinkommen von 3.493,96 €.
dd)
Von dem Einkommen ist der monatliche Kindesunterhalt für L mit dem Zahlbetrag in Höhe von 310,00 € und für M mit 258,00 € abzusetzen.
Der Bedarf der Kinder, die über kein eigenes Einkommen und Vermögen verfügen, bestimmt sich nach der 5. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1.1.2008). Der Senat hat dabei im Rahmen der Angemessenheitskontrolle entsprechend der Vorgehensweise des Familiengerichts eine Herabstufung um eine Einkommensgruppe (also von der 6. auf die 5. Einkommensgruppe) vorgenommen, weil der Kläger nicht nur drei, sondern vier Personen gegenüber zum Unterhalt verpflichtet ist. Der Kindesunterhalt ist entsprechend der Vorgehensweise des Familiengerichts und der insoweit übereinstimmenden Berechnungsweise der Parteien mit dem Zahlbetrag und nicht mit dem Tabellenbetrag vom anrechenbaren Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen in Abzug zu bringen. Diese Berechnungsweise entspricht den Vorgaben des § 1612 b Abs. 1 Nr. 1 BGB und dem der Norm zugrundeliegenden gesetzgeberischen Willen. Verfassungsrechtliche Gründe stehen dem Abzug des Zahl- statt Tabellenbetrages nicht entgegen (vgl. zum Vorstehenden: Senat, Urteil vom 24.01.2008 – 2 UF 166/07 – FamRZ 2008, 893; Urteil vom 6.3.2008 – 2 UF 117/07 – NJW 2008, 2049 mit zust. Anm. von Born; a.A.: OLG Düsseldorf – II-7UF 33/08 – FamRZ 2009, 338).
ee)
Das in die Unterhaltsberechnung einzustellende Einkommen vor Abzug des Erwerbstätigenbonus von 1/7 beläuft sich nach alledem auf 2.925,96 €.
b)
Ab Januar 2009:
Das bereinigte monatliche Nettoeinkommen des Klägers ab Januar 2009 reduziert sich gegenüber dem Vorjahr auf 2.810,96 €.
aa)
Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte hat der Senat für den Prognosezeitraum ab dem Jahr 2009 das Nettoerwerbseinkommen von monatsdurchschnittlich 3.711,64 € fortgeschrieben.
bb)
Die zu erwartende Steuererstattung für das Jahr 2008 in 2009 schätzt (§ 287 Abs. 2 ZPO) der Senat auf insgesamt 1.275,60 €, monatsdurchschnittlich also auf 106,30 €. Die Steuererstattung wird gegenüber dem Vorzeitraum niedriger ausfallen, weil der Kläger nur noch einen geringeren Unterhalt von monatlich 607,00 € bis zum 16.4.2008 und danach nicht angefochtenen 214,00 €, insgesamt also 3.943,50 € unterhaltsrechtlich geboten im Wege des begrenzten Realsplittings steuerlich geltend machen muss (vgl. hierzu BGH, Urteil v. 28.2.2007 – XII ZR 37/05 – NRW 2007, 1961 FamRZ 2007, 793). Der Senat hat zur Berechnung des Steuervorteils diesen Betrag und im übrigen die Abzugsbeträge gemäß dem Einkommensteuerbescheid für 2007 von dem zu versteuernden Bruttoeinkommen in 2008 in Abzug gebracht und aus dem hieraus sich errechnenden zu versteuernden Einkommen die Steuerbelastung nach der Splittingtabelle abgegriffen (Lohnsteuer: 11.902,00 €, Solidaritätszuschlag: 411,73 €). Der Steuervorteil errechnet sich aus der Differenz zwischen den nach den Verdienstabrechnungen für das Jahr 2008 vom Kläger tatsächlich geleisteten Steuern (13.589,33 €) und den v.g. Beträgen.
cc)
Bei den Abzügen ergibt sich gegenüber dem Vorjahr eine Veränderung dadurch, dass infolge der geringeren Unterhaltszahlungen der Nachteilsausgleich ebenfalls niedriger ausfallen wird. Der Senat schätzt den Nachteilsausgleich auf monatsanteilig 53,66 €. Dabei ist er von einem tatsächlichen monatsdurchschnittlichen Bruttoeinkommen der Beklagten von 894 € ausgegangen und hat mit Hilfe eines Lohnsteuerprogramms die aus der zusätzlichen Versteuerung der Unterhaltszahlungen resultierende Steuerlast berechnet. Insgesamt sind somit folgende Abzugsbeträge einzustellen:
Sterbekasse E 25,32 €
Berufsverbandsbeiträge 79,00 €
Berufsbedingte Fahrtkosten 242,00 €
Monatsanteiliger Nachteilsausgleich 53,66 €
Es verbleiben also: 3.437,96 €
dd)
Von dem bereinigten Einkommen in Höhe von 3.437,96 € ist der Kindesunterhalt für L von (Zahlbetrag) 371,00 € und M von 256,00 € gemäß der 5. Einkommensgruppe (wiederum unter Herabstufung um eine Einkommensgruppe) nach der seit dem 1.1.2009 gültigen Düsseldorfer Tabelle abzusetzen. Da der am 21.1.1997 geborene Kevin im Januar 2009 das 12. Lebensjahr vollendet hat, richtet sich sein Bedarf nunmehr nach der 3. Altersstufe des Tabellenwerkes.
ee)
Nach alledem beläuft sich das in die Ehegattenunterhaltsberechnung einzustellende Einkommen auf 2.810,96 €.
3.
Unterhaltsberechnung:
a)
Zeitraum 16.04.2008 bis 31.12.2008
Auf der Grundlage der oben dargelegten Einkommen der Parteien übersteigt der Unterhaltsanspruch der Beklagten rechnerisch die in der angefochtenen Entscheidung ausgeurteilten 290,00 €.
aa)
Nach den o.a. Urteilen des Bundesgerichtshofs ist der Unterhaltsanspruch des neuen Ehegatten bereits bei der Bedarfsberechnung zu berücksichtigen. Das Einkommen des Klägers ist unter Einbeziehung des Splittingvorteils einzustellen, weil durch die Zusammenrechnung der Einkünfte und die Dreiteilung der Splittingvorteil im Ergebnis lediglich die Kürzung des Unterhaltsanspruchs des geschiedenen Ehegatten teilweise zurücknimmt.
Wenn für den neuen Ehegatten entsprechend seinen tatsächlichen Einkommensverhältnissen kein Eigeneinkommen eingestellt wird, beläuft sich das anrechenbare Einkommen der aus den Parteien und dem neuen Ehegatten bestehenden Unterhaltsgemeinschaft auf 3.310,25 €:
Bereinigtes Einkommen des Klägers: 2.925,96 €
Abzüglich Erwerbstätigenbonus von 1/7: 417,99 €
Zuzüglich Einkommen der Beklagten: 936,00 €
Abzüglich Erwerbstätigenbonus von 1/7: 133,71 €
Gesamteinkommen: 3.310,25 €
Der Bedarf der Beklagten nach dem Dreiteilungsgrundsatz (3.310,25 €/3) beläuft sich dann auf 1.103,42 €. Nach Abzug des Eigeneinkommens der Beklagten von (936 € – 133,71 € Erwerbstätigenbonus) 802,29 € verbleibt ein ungedeckter Bedarf von 301,13 €, der die vom Familiengericht austitulierten 290,00 € übersteigt.
bb)
Da dem geschiedenen Ehegatten kein höherer Unterhaltsanspruch zugesprochen werden darf, als er ohne die neue Ehe des Unterhaltspflichtigen hätte, hat der Senat eine überschlägige Kontrollberechnung durchgeführt, indem er den Unterhaltsanspruch der Beklagten ohne den Ehegattensplittingvorteil und den Unterhaltsanspruch des neuen Ehegatten berechnet hat.
Der Abzug des Splittingvorteils beim Einkommen des Klägers führt zu einer monatlichen Steuermehrbelastung von 587,79 €, die allerdings durch eine höhere Steuererstattung (315,22 € monatsanteilig) und einen geringeren abzusetzenden Kindesunterhalt nach der vierten Einkommensgruppe (294 € und 244 € monatlich) teilweise kompensiert wird, weshalb sich das anzurechnende Einkommen des Klägers auf 2.489,75 € beläuft, woraus ein Unterhaltsanspruch der Beklagten von [(2.489,75 € – 936,00 €)*3/7] 665,89 € resultiert, der den v.g. Unterhalt nach der Dreiteilung übersteigt, weshalb zu einer Kürzung des Unterhaltsanspruchs von (nur) 290,00 € kein Anlass besteht.
cc)
Dem Kläger verbleibt nach Abzug der Unterhaltsansprüche der Beklagten und des neuen Ehegatten ein Selbstbehalt deutlich oberhalb des billigen Selbstbehalts von 1.000,00 € monatlich, weshalb er ausreichend leistungsfähig ist:
Anrechenbares Einkommen des Klägers: 2.925,96 €
Abzüglich Unterhaltsanspruch der Beklagten: 290,00 €
Abzüglich Unterhaltsanspruch des neuen Ehegatten: 1.103,42 €
Somit verbleiben dem Kläger: 1.532,54 €
b)
Unterhaltszeitraum ab Januar 2009:
aa)
Aufgrund des reduzierten anrechenbaren Einkommens des Klägers von monatlich 2.810,96 € führt die Unterhaltsberechnung nach der Dreiteilung zu einem Unterhaltsanspruch der Beklagten von nur 268,27 €, wenn beim neuen Ehegatten kein Eigeneinkommen eingestellt wird:
Bedarfsprägendes Einkommen der Unterhaltsgemeinschaft:
Bereinigtes Einkommen des Klägers: 2.810,96 €
Abzüglich Erwerbstätigenbonus von 1/7: 401,57 €
Zuzüglich Einkommen der Beklagten: 936,00 €
Abzüglich Erwerbstätigenbonus von 1/7: 133,71 €
Gesamteinkommen: 3.211,68 €
Der Bedarf der Beklagten nach dem Dreiteilungsgrundsatz (3.211,68 €/3) beläuft sich dann auf 1.070,56 €. Nach Abzug des Eigeneinkommens von 802,29 € verbleibt ein ungedeckter Bedarf von 268,27 €.
bb)
Nach Auffassung des Senats ist jedoch der neue Ehegatte bei der Unterhaltsberechnung im Rahmen der Angemessenheitsprüfung unterhaltsrechtlich bezüglich seiner Erwerbsobliegenheiten nicht anders zu behandeln als ein geschiedener Ehegatte, für den der Grundsatz der Eigenverantwortung (§ 1569 BGB) gilt. Das hat im vorliegenden Fall zur Konsequenz, dass dem neuen Ehegatten des Klägers ein fiktives Einkommen im Geringverdienerbereich zuzurechnen ist, welches im Ergebnis zu einem Unterhaltsanspruch der Beklagten gegen den Kläger jedenfalls in der austitulierten Höhe von 290,00 € führt.
(1)
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen mit der Folge, dass sogar Unterhaltsansprüche des neuen Ehegatten als bedarfsprägend angesehen und die Unterhaltsansprüche des vormaligen und neuen Ehegatten im Wege der Dreiteilung berechnet werden, ist auf Bedenken gestoßen (vgl. hierzu etwa Born NJW 2008, 3089; Maurer, FamRZ 2008, 1985; Graba FF 2008, 437, 445; Norpoth, FamRZ 2009, 26). Auch nach Auffassung des Senats hebt sie die Unterscheidung zwischen dem Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen einerseits und der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen andererseits weitgehend auf und lässt sich deshalb nicht nur mit den gesetzlichen Vorgaben der §§ 1578
Abs. 1, 1581 BGB schwerlich in Übereinstimmung bringen, sondern entfernt sich auch von dem Verständnis der Ehe in der Gesellschaft, nach dem die Ehe von den Eheschließenden in Übereinstimmung mit der Gesetzeslage (§ 1353 Abs. 1 BGB) als lebenslange Gemeinschaft und damit gerade nicht als eine Lebensabschnittsgemeinschaft geschlossen wird, in der bereits wegen der ihr innewohnenden zeitlichen Begrenzung die Unterhaltsansprüche zukünftiger Partner angelegt sind.
(2)
Bei der Bemessung der Unterhaltsansprüche des geschiedenen und des neuen Ehegatten ist verfassungsrechtlich zu beachten, dass das eheliche Pflichtenverhältnis durch die Trennung und Scheidung der Ehe zwar verändert, aber nicht beendet wird. Daraus ergibt sich, dass nicht nur die bestehende Ehe, sondern auch die Folgewirkungen einer geschiedenen Ehe, zu denen die Unterhaltsregelung gehört, durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt wird. Die geschiedene Ehe ist mit der neuen Ehe gleichwertig und gleichrangig. Es ist daher von zwei auf dieser Gewährleistung beruhenden Grundrechtspositionen auszugehen, die unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) zur Entfaltung zu bringen sind (vgl. zum Vorstehenden: BVerfG, Beschluss v. 10.01.1984 – 1 BvL 5/93 – FamRZ 1984, 346; Beschluss v. 7.10.2003 – 1 BvR/246/93 – in FamRZ 2003, 1821).
Die Berechnung des Unterhaltsanspruchs nach der Dreiteilungsmethode kann in Abhängigkeit von dem Einkommengefälle zwischen dem geschiedenen und dem neuen Ehegatten zu einer übermäßigen und unverhältnismäßigen Entwertung des Unterhaltsanspruchs des geschiedenen Ehegatten gem. § 1573 Abs. 2 BGB führen, wie das folgende Rechenbeispiel deutlich vor Augen führt:
Einkommensverhältnisse:
Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen: 3.000,00 €
Nettoeinkommen des geschiedenen Ehegatten: 1.500,00 €
Nettoeinkommen des neuen Ehegatten: 0,00 €
Unterhaltsberechnung:
Bedarfsprägendes Einkommen der Unterhaltsgemeinschaft nach Abzug des Erwerbstätigenbonus von 1/7: 3.857,14 €
Davon 1/3 Bedarf des geschiedenen Ehegatten: 1.285,71 €
Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
(1.285,71 € – 1.500 €*6/7): 0,00 €
Unterhaltsanspruch des neuen Ehegatten: 1.285,71 €
Ohne die Dreiteilung stünden dem geschiedenen und dem neuen Ehegatten folgende Unterhaltsansprüche zu:
Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten bei einem wegen des Ehegattensplittingvorteils um 500,00 € monatlich reduzierten Einkommens des Unterhaltspflichtigen [(2.500 € – 1.500 €)*3/7]: 428,57 €
Unterhaltsanspruch des neuen Ehegatten
(3.000,00 €*3/7): 1.285,71 €
Der geschiedene Ehegatte muss danach eine völlige Entwertung seines Unterhaltsanspruch hinnehmen, während der neue Ehegatte das erhält, was
ihm auch dann zustünde, wenn Unterhaltsschuldner keinen weiteren Ehegattenunterhaltsansprüchen ausgesetzt wäre.
(3)
Nach alledem ist es auf Grundlage der v.g. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat aus Gründen der Rechtssicherheit folgt, geboten, das durch die Einbeziehung des Unterhaltsanspruchs des neuen Ehegatten bereits auf der Bedarfsebene und die Dreiteilungsmethode gewonnene Ergebnis auf eine angemessene und ausgewogene Verteilung der Unterhaltsansprüche der berechtigten Ehegatten untereinander unter Berücksichtigung der mit den Unterhaltsansprüchen verbundenen Belastungen für den Unterhaltsschuldner zu überprüfen und ggf. wertend zu korrigieren.Ein geeignetes Mittel zur Herbeiführung angemessener und ausgewogener Ergebnisse ist bei vergleichender Betrachtung, ob und ggf. in welcher Höhe dem neuen Ehegatten, der tatsächlich über kein Erwerbseinkommen verfügt, nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Eigenverantwortung ein Erwerbseinkommen zuzurechnen ist (so auch Wendl/Staudigl-Gutdeutsch, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis*, 7. A., § 4, Rnr. 399).
(4)
Dem neuen Ehegatten des Klägers ist unter Zugrundelegung der unterhaltsrechtlichen Maßstäbe für den geschiedenen Ehegatten zumindest ein fiktives bereinigtes Nettoerwerbseinkommen von 76,00 € monatlich zuzurechnen. Die von der Ehefrau betreuten beiden Kinder L und M sind vollendet vier und zwölf Jahre alt, weshalb einem geschiedenen betreuenden Ehegatten nach Maßgabe § 1570 BGB ein Betreuungsunterhaltsanspruch nur zusteht, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht.
Obwohl der Senat bereits in seiner Terminsverfügung dem Kläger den rechtlichen Hinweis erteilt hat, dass es für die Berechnung des Unterhalts von Belang sein kann, inwieweit der neue Ehegatte unerhaltsrechtlich zur Erwerbsausübung gehalten ist, hat der Kläger nicht substantiiert dargetan, welche konkreten Umstände der Ausübung einer Erwerbstätigkeit im geringfügigen Umgang entgegenstehen.
Der Kläger hat erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 19.02.2009 darauf hingewiesen, dass das jüngste Kind hyperaktiv sei und deshalb des
öfteren von seiner Ehefrau aus dem Kindergarten abgeholt werden müsse.
Abgesehen davon, dass die Beklagte diesen nicht unter Beweis gestellten Sachvortrag zulässig mit Nichtwissen bestritten hat, genügt das Vorbringen nicht, um eine Erwerbsobliegenheit im Geringverdienerbereich, die nicht mehr als 4 Wochenstunden umfasst, zu verneinen.
Da der Kläger außerhalb seiner Arbeitszeiten zur Kinderbetreuung zur Verfügung steht, kann seine Ehefrau in diesen Zeiten einer geringfügigen Erwerbstätigkeit, z.B. im Dienstleistungsbereich, nachgehen. Der Kläger hat keine Umstände dargetan, die einer derartigen Ausgestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit entgegenstehen oder die dafür sprechen könnten, dass seine Ehefrau nicht in der Lage ist oder keine realen Aussichten dafür hat, eine ihr zumutbare Arbeitsstelle im weiten Bereich der an- und ungelernten Tätigkeiten zu erhalten.
Selbst bei Ansatz eines geringen Stundenlohns von nur 7,00 € für eine Aushilfstätigkeit ist lediglich ein monatlicher Arbeitsumfang von rund 14 Stunden erforderlich, um ein Einkommen von monatlich 100,00 € netto zu erwirtschaften.
Der Ehefrau des Klägers ist nach alledem jedenfalls ein monatliches bereinigtes Nettoeinkommen von 76,00 € zuzurechnen, das zu einem Unterhaltsanspruch der Beklagten gegen den Kläger in Höhe von 290,00 € monatlich führt, wie die nachfolgende Berechnung zeigt:
Bereinigtes Einkommen des Klägers: 2.810,96 €
Abzüglich Erwerbstätigenbonus von 1/7: 401,57 €
Zuzüglich Einkommen der Beklagten: 936,00 €
Abzüglich Erwerbstätigenbonus von 1/7: 133,71 €
Zuzüglich Einkommen des Ehegatten: 76,00 €
Abzüglich Erwerbstätigenbonus von 1/7: 10,86 €
Gesamteinkommen: 3.276,82 €
Bedarf der Beklagten nach dem Dreiteilungsgrundsatz (3.276,55 €/3): 1.092,27 €
Abzüglich Eigeneinkommen der Beklagten: 802,29 €
Somit ungedeckter Bedarf: (rund) 290,00 €
(5)
Dieser Anspruch nach den bedarfsprägenden Einkommen des Unterhaltspflichtigen und der Unterhaltsberechtigten ist nicht weiter zu begrenzen.
Wie sich aus den obigen Ausführungen [vgl. zu 3.a)bb)] ergibt, liegt der Einzelunterhaltsanspruch der Beklagten gegen den Kläger unter Außerachtlassung des Ehegattensplittingvorteils erheblich oberhalb von 290,00 € monatlich.
Dem Kläger verbleibt zudem nach Abzug der Unterhaltsansprüche der Beklagten und seines Ehegatten ein Einkommen oberhalb des billigen Selbstbehalts von 1.000,00 €:
Anrechenbares Einkommen des Klägers: 2.810,96 €
Abzüglich Unterhaltsanspruch der Beklagten: 290,00 €
Abzüglich Unterhaltsanspruch des neuen Ehegatten
(1.092,27 € – 76 €*6/7): 1.027,13 €
Somit verbleiben dem Kläger: 1.493,60 €
4.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Unterhaltsanspruch der Beklagten nicht gem. § 1578 b Abs. 1, 2 BGB herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen.
Die Bindungswirkungen des Vortitels vom 21.08.2007 stehen der zeitlichen Begrenzung und Herabsetzung des Unterhalts entgegen.
Nach § 323 Abs. 2 ZPO ist eine Abänderungsklage nur insoweit zulässig, als behauptet wird, dass die Gründe, auf die sie gestützt wird, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der eine Erweiterung des Klagantrags oder die Geltendmachung von Einwendungen spätestens hätte erfolgen müssen, entstanden seien. Konnte deswegen eine zeitliche Begrenzung des Ehegattenunterhalts bzw. seiner Bemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen bereits zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Ausgangsverfahrens vorgetragen und geltend gemacht werden, ist eine Abänderungsklage mit dem Ziel einer zeitlichen Unterhaltsbegrenzung bei gleichgebliebenen Verhältnissen wegen § 323 Abs. 2 ZPO unzulässig (BGH, Urteil v. 9.6.2004 – XII ZR 308/01 – NJW 2004, 3106 – FamRZ 2004, 1357).
a)
Der Kläger hätte die die zeitliche Begrenzung oder Herabsetzung des Unterhalts begründenden Tatsachen bereits in dem Abänderungsverfahren 20 F 167/07 Amtsgericht Marl geltend machen können und müssen:
aa)
Der Unterhaltsanspruch hätte bereits nach der vor dem 1.1.2008 geltenden Rechtslage trotz der langen Ehedauer von annähernd 28 Jahren zeitlich begrenzt (§ 1573 Abs. 5 BGB a.F.) und herabgesetzt werden können (§ 1578 Abs. 1 S. 2 BGB a.F.). Gegenstand des Abänderungsverfahrens 20 F 167/07 Amtsgericht Marl war ein Aufstockungsunterhaltsanspruch gem. § 1573 Abs. 2 BGB. Der Bundesgerichtshof hat bereits mit seiner Entscheidung vom 12.04.2006 XII ZR 240/03 – NJW 2006, 2401 seine Rechtsprechung zur zeitlichen Begrenzung des Unterhalts gem. § 1573 Abs. 5 BGB a.F. grundlegend geändert, indem er nicht mehr auf die Ehedauer als zentrales Wertungskriterium (so noch in seinem Urteil vom 9.6.2004 a.a.O.), sondern ausschlaggebend auf das Vorliegen ehebedingter Nachteile abgestellt hat. In der Folgezeit hat der Bundesgerichtshof diese geänderte Rechtsprechung in den Entscheidungen vom 25.10.2006 – XII ZR 190/03 – (FamRZ 2007, 200), 28.01.2007 – XII ZR 190/03 – (FamRZ 2007, 793, 800), 23.05.2007 – XII ZR 245/04 – (FamRZ 2007, 1232) und vom 27.09.2007 – XII ZR 11/05 und 15/05 – (FamRZ 2007, 2049 und 2052) fortgeführt, wobei aus den zitierten Entscheidungen hervorgeht, dass sich die Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung gleichermaßen auf die Frage der Herabsetzung des Unterhalts gem. § 1578 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. erstreckt.
bb)
Der Kläger konnte die den gerichtlichen Vergleich vom 12.04.2005 betreffende Abänderungsklage nicht nur auf die durch die Adoption ausgelöste zusätzliche Kindesunterhaltsverpflichtung stützen, sondern auch auf die o.a. Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, weil eine Veränderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sowohl die Abänderung eines gerichtlichen Vergleichs als auch die eines Urteils ermöglicht (vgl. BGH, Urteil v. 5.9.2001 – XII ZR 108/00 – FamRZ 2001, 1687; Urteil v. 5.2.2003 – XII ZR 29/00 – FamRZ 2003, 848).
cc)
Es war dem – anwaltlich vertretenen – Kläger auch ohne weiteres möglich und zumutbar, die geänderte höchstrichterliche Rechtsprechung in das Abänderungsverfahren einzuführen. Zum Zeitpunkt der Erhebung der Abänderungsklage im April 2007 waren bereits drei der o.a. Entscheidungen des Bundesgerichtshofs verkündet worden. Im Verlaufe des Rechtsstreits erging das weitere Urteil vom 23.05.2007. Die Änderung der Rechtsprechung des BGH, die bereits etwa ein Jahr vor der Erhebung der Abänderungsklage eingetreten war, war in den Fachzeitschriften publiziert worden und hatte einen entsprechenden Widerhall in der Literatur gefunden. Der Kläger hat zwar in der Klageschrift die Befristung und Herabsetzung des Unterhalts angeführt, nicht jedoch entsprechende Konsequenzen beim Klageantrag gezogen, mit dem er lediglich die Herabsetzung des Unterhalts ohne eine zeitliche Begrenzung verfolgte, weshalb für das Familiengericht kein Anlass bestand, auf die zeitliche Begrenzung des Unterhalts einzugehen.
b)
Die Abänderung kann nicht auf eine Veränderung der tatsächlichen Umstände (vgl. hierzu etwa BGH, Urteil v. 28.2.2007 a.a.O.; OLG Brandenburg, Urteil v. 29.4.2008 – 10 UF 124/07 – BeckRS 2008, 14222) gestützt werden.
Denn nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung des Vorverfahrens am 31.7.2007 haben sich die für eine zeitliche Begrenzung und Herabsetzung des Unterhalts maßgeblichen Umstände nicht verändert.
Die Ehescheidung ist seit dem 21.10.2003 rechtskräftig. Die Parteien waren bereits im Jahr 2007 in jeder Hinsicht wirtschaftlich entflochten. Kinder hatte die Beklagte nicht zu betreuen. Die Beklagte ließ sich schon seit dem Ersttitel vom 12.04.2005 ein Erwerbseinkommen aus einer vollschichtigen Tätigkeit zurechnen und stützte ihren Unterhaltsanspruch seitdem auf § 1573 Abs. 2 BGB. Es sind keine Tatsachen dargetan, die für eine nach Juli 2007 eingetretene größere wirtschaftliche Selbständigkeit der Beklagten sprechen könnten. Die wirtschaftliche Lage des Klägers hat sich seit dem Vortitel ebenfalls nicht zu seinen Lasten verändert.
c)
Schließlich eröffnet auch nicht die Reform der Unterhaltsrechts mit der Schaffung des § 1578 b BGB die erneute sachlich-inhaltliche Überprüfung der zeitlichen Begrenzung oder Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs.
Maßgebend für die Abänderung von vor dem 1.1.2008 errichteten Unterhaltstiteln ist insoweit § 36 Abs. 1 Nr. 1, 2 EGZPO.
Nach dieser Vorschrift eröffnet das geänderte Unterhaltsrecht die Möglichkeit der Titelanpassung nur, wenn und soweit sich der Abänderungskläger auf Umstände berufen kann, die zwar vor der Gesetzesänderung entstanden waren, jedoch im jeweiligen Einzelfall erst auf Grund der Gesetzesänderung erheblich geworden sind und zu einer wesentlichen Änderung der Unterhaltsverpflichtung führen.
Im Übrigen verbleibt es bei dem durch den Vortitel geschaffenen Bindungen, weshalb Alttatsachen, die bereits im vorherigen Rechtsstreit hätten vorgebracht werden können und denen nach dem veränderten Unterhaltsrecht keine andere Bedeutung zukommt, nicht erneut geltend gemacht werden können (vgl. Wendl/Staudigl-Schmitz, § 10, Rnr. 176 b; Palandt-Brudermüller a.a.O., Rnr. 16 zu Einf II v. § 1569 BGB).
Infolgedessen beseitigt, soweit sich die maßgeblichen tatsächlichen Grundlagen nicht verändert haben und der Vortitel aus einer Zeit stammt, in der die v.g. geänderte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur zeitlichen Begrenzung und Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs gem. § 1573 BGB wirksam geworden und publiziert worden ist, § 36 Abs. 1 Nr. 1, 2 EGZPO nicht die Bindungswirkungen des Vortitels (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 4.12.2008 – 6 UF 40/08 – unter juris.de; OLG Bremen, Beschluss v. 24.6.2008 – 4 WF 68/08 – NJW 2008, 3074; OLG Dresden, Beschluss v. 4.7.2008 – 20 WF 574/08 – NJW 2008, 3073; Palandt-Brudermüller a.a.O; Borth, FamRZ 2006, 813.; a.A.: z.B. Heumann, FamRZ 2007, 178).
Wie vorangehend dargelegt, hätte der Kläger bereits im Rechtsstreit des Vortitels die zeitliche Begrenzung oder Herabsetzung des Unterhalts geltend machen können und müssen. Die für das Begehren maßgeblichen tatsächlichen Umstände haben sich seitdem nicht verändert. Der neu geschaffene § 1578 b BGB enthält zur Begrenzung und Befristung keine über die v.g. Rechtsprechung hinausgehenden Kriterien, die im Sinne des klägerischen Begehrens wirken könnten. Vielmehr ließe sich im Gegenteil zu Lasten des Klägers im Rahmen der gem. § 1578 b BGB gebotenen umfassenden Billigkeitsabwägung anführen, dass nach der Rechtslage ab dem 1.1.2008 der Unterhaltsanspruch des neuen Ehegatten im vollen Umfang erücksichtigung findet mit der Konsequenz im vorliegenden Fall, dass sich die aus dem streitgegenständlichen Unterhaltsanspruch resultierende finanzielle Belastung deutlich (um mehr als die Hälfte der ursprünglichen Anspruchshöhe) vermindert hat.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV.
Der Senat hat die Revision zur Fortbildung des Rechts zugelassen, weil die im Zusammenhang mit der Berechnung des Unterhalts und der zeitlichen Begrenzung und Herabsetzung des Unterhalts stehenden Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung haben und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO).
OLG Hamm, Urteil vom 12.03.2009
2 UF 179/08