BGH: Ehebedingter Erwerbsnachteil des unterhaltsberechtigten Ehegatten

Der ehebedingte Erwerbsnachteil des unterhaltsberechtigten Ehegatten begrenzt regelmäßig die Herabsetzung seines nachehelichen Unterhaltsanspruchs gemäß § 1578 b Abs. 1 BGB. Dieser Nachteil ist nicht hälftig auf beide geschiedenen Ehegatten zu verteilen, sondern in voller Höhe zugunsten des Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen.

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 9. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 29. Januar 2015 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Abänderung eines gerichtlichen Vergleichs über nachehelichen Unterhalt.

Die Beteiligten schlossen im März 1993 die Ehe und trennten sich im August 2006. Auf den im September 2007 zugestellten Scheidungsantrag wurde die Ehe durch seit 21. Dezember 2010 rechtskräftigen Beschluss geschieden. Aus der Ehe sind drei 1994, 1996 und 1998 geborene Kinder hervorgegangen, von denen das mittlere beim Antragsteller und das jüngste bei der Antragsgegnerin leben.

Mit gerichtlichem Vergleich vom 16. Mai 2012 verpflichtete sich der Antragsteller, ab dem 1. Juli 2012 an die Antragsgegnerin monatlichen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 610 € zu zahlen. Nach dem Vergleich war eine Abänderung des Unterhaltsbetrags erst ab dem 1. Juli 2013 möglich, ohne dass sich einer der Beteiligten auf eine Präklusion berufen durfte. Zudem war geregelt, dass der Vergleich weder eine abschließende Regelung noch eine Befristung enthalte und bei einem Abänderungsantrag die dann geltenden Einkommensverhältnisse der Beteiligten zugrunde zu legen seien.

Der Antragsteller hat die Abänderung des Vergleichs dahingehend beantragt, dass er ab dem 1. Februar 2014 keinen nachehelichen Unterhalt mehr schulde. Er verfügt über ein unterhaltsrelevantes monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 3.127 €. Die Antragsgegnerin ist gelernte Bürokauffrau, hat Fortbildungen absolviert und könnte in diesem Beruf aktuell ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von 1.292,58 € erzielen. Hätte sie nicht nach der Geburt des ersten Kindes ihre berufliche Tätigkeit aufgegeben, könnte sie als Bürokauffrau hingegen bereinigt 1.775,02 € monatlich verdienen.

Das Amtsgericht hat dem Abänderungsantrag teilweise entsprochen und den ab dem 1. Februar 2014 zu zahlenden monatlichen Unterhalt auf 200 € herabgesetzt. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht den Unterhaltsbetrag für diese Zeit auf monatlich 482 € bestimmt.

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Antragsteller die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Der Antragsgegnerin könne angesichts der allgemein bekannten Kapitalmarktlage entgegen der Annahme des Amtsgerichts, das unter Zugrundelegung eines Zinssatzes von 1,5 % zu monatlich erzielbaren Kapitalerträgen von 84 € gelangt war, kein unterhaltsrelevantes Zinseinkommen zugerechnet werden. Die vorzunehmende Unterhaltsberechnung führe zu einem nach den ehelichen Lebensverhältnissen bestimmten monatlichen Unterhaltsbedarf der Antragsgegnerin von 786 €. Maßgeblich sei aber der angemessene Lebensbedarf. Die Ehe habe bis zur Stellung des Scheidungsantrags 14,5 Jahre gedauert und die Antragsgegnerin habe in dieser Zeit die drei gemeinsamen Kinder großgezogen. Der Antragsteller habe jedoch von der Trennung bis zur Stellung des Abänderungsantrags Trennungs- und nachehelichen Unterhalt gezahlt. Mit Blick auf ihre berufliche Vorbildung sei die Antragsgegnerin nun auf den Grundsatz verwiesen, selbst für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen.

Es entspreche aber nicht der Billigkeit, den Unterhaltsanspruch trotz des Fortbestehens ehebedingter Nachteile entfallen zu lassen. Ein solcher Nachteil liege darin, dass die Antragsgegnerin aufgrund des beruflichen Aussetzens während der Ehe nun nur ein um 482 € niedrigeres Monatseinkommen erzielen könne als bei Hinwegdenken der Ehe. Dieser Nachteil werde nicht durch ehebedingte Vorteile kompensiert. Für eine hälftige Teilung des ehebedingten Nachteils im Wege des Halbteilungsgrundsatzes sei kein Raum. Der Anspruch des Unterhaltsberechtigten auf den angemessenen Lebensbedarf stelle keinen ehebedingten Nachteil des Unterhaltspflichtigen dar. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des § 1578 b Satz 2 und 3 BGB sowie der systematischen Auslegung dieser Vorschrift, bei der es um den verbleibenden Teil eines ursprünglich am Halbteilungsgrundsatz orientierten Unterhaltsanspruchs gehe. Der Nachteilsausgleich erschöpfe sich in einem Minus zu dem grundsätzlich nach der Scheidung geschuldeten Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Rechtlich zutreffend hat das Oberlandesgericht das grundsätzliche Vorliegen eines Anspruchs der Antragsgegnerin auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB bejaht. Ohne Belang ist insoweit, ob sich dieser wie vom Oberlandesgericht ermittelt auf monatlich 786 € beläuft oder – wie die Rechtsbeschwerde geltend macht – auf Seiten der Antragsgegnerin fiktive Zinseinkünfte von monatlich bis zu 84 € aus dem für den Verkauf der gemeinsamen Immobilie der Ehegatten erzielten Erlös zu berücksichtigen sind. Denn selbst wenn Letzteres der Fall sein und es sich zusätzlich bei diesen Kapitaleinkünften um nicht eheprägendes Einkommen handeln sollte, läge der nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessene Unterhaltsanspruch noch deutlich über dem vom Oberlandesgericht zuerkannten Betrag von monatlich 482 €.

b) Aus Rechtsgründen ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass das Oberlandesgericht diesen Unterhaltsanspruch gemäß § 1578 b Abs. 1 BGB auf 482 € monatlich herabgesetzt hat.

aa) Nach § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB ist ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung sind § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB zu entnehmen. Danach ist neben der Dauer der Ehe vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes und aus der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben. Ein ehebedingter Nachteil äußert sich in der Regel darin, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte nachehelich nicht die Einkünfte erzielt, die er ohne Ehe und Kinderbetreuung erzielen würde (st. Rspr. des Senats, vgl. Beschluss vom 14. Mai 2014 – XII ZB 301/12FamRZ 2014, 1276 Rn. 27 mwN).

§ 1578 b BGB beschränkt sich allerdings nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern berücksichtigt auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität. Auch wenn keine ehebedingten Nachteile feststellbar sind, ist eine Herabsetzung oder Befristung des nachehelichen Unterhalts nur bei Unbilligkeit eines fortdauernden Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen Lebensverhältnissen vorzunehmen. Bei der insoweit gebotenen umfassenden Billigkeitsabwägung ist das im Einzelfall gebotene Maß der nachehelichen Solidarität festzulegen. Wesentliche Aspekte hierbei sind neben der Dauer der Ehe insbesondere die in der Ehe gelebte Rollenverteilung wie auch die vom Unterhaltsberechtigten während der Ehe erbrachte Lebensleistung. Bei der Beurteilung der Unbilligkeit einer fortwährenden Unterhaltszahlung sind ferner die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien von Bedeutung, so dass der Tatrichter in seine Abwägung auch einzubeziehen hat, wie dringend der Unterhaltsberechtigte neben seinen eigenen Einkünften auf den Unterhalt angewiesen ist und in welchem Maße der Unterhaltspflichtige – unter Berücksichtigung weiterer Unterhaltspflichten – durch diese Unterhaltszahlungen belastet wird. In diesem Zusammenhang kann auch eine lange Dauer von Trennungsunterhaltszahlungen bedeutsam sein (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2014 – XII ZB 235/12FamRZ 2014, 823 Rn. 21 f. mwN und vom 19. Juni 2013 – XII ZB 309/11FamRZ 2013, 1291 Rn. 23 f. mwN).

Als Rechtsfolge sieht § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB die Herabsetzung bis auf den angemessenen Lebensbedarf vor. Dieser Maßstab bildet regelmäßig die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts und bemisst sich nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte (st. Rspr., vgl. etwa Senatsbeschluss vom 26. März 2014 – XII ZB 214/13FamRZ 2014, 1007 Rn. 18 und Senatsurteil vom 26. Juni 2013 – XII ZR 133/11FamRZ 2013, 1366 Rn. 75 mwN). Aus dem Begriff der Angemessenheit folgt aber zugleich, dass der nach § 1578 b Abs. 1 BGB herabgesetzte Unterhaltsbedarf jedenfalls das Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten erreichen muss (Senatsurteil vom 16. Januar 2013 – XII ZR 39/10FamRZ 2013, 534 Rn. 26 mwN).

Die Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung nach § 1578 b BGB in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie ist vom Rechtsbeschwerdegericht aber daraufhin zu überprüfen, ob der Tatrichter die im Rahmen der Billigkeitsprüfung maßgebenden Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat. Der rechtlichen Überprüfung unterliegt insbesondere, ob der Tatrichter sich mit dem Verfahrensstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2014 – XII ZB 235/12FamRZ 2014, 823 Rn. 15 mwN).

bb) Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist die tatrichterliche Entscheidung, den Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin gemäß § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB auf monatlich 482 € herabzusetzen, rechtlich nicht zu beanstanden.

(1) Das Oberlandesgericht hat den ehebedingten Nachteil der Antragsgegnerin zutreffend ermittelt. Dieser ergibt sich aus der Differenz zwischen dem angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten im Sinne des § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB und dem Einkommen, das der Unterhaltsberechtigte tatsächlich erzielt bzw. gemäß §§ 1574, 1577 BGB erzielen könnte (vgl. Senatsbeschluss vom 26. März 2014 – XII ZB 214/13FamRZ 2014, 1007 Rn. 18 mwN). Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, dieser Nachteil müsse hälf-tig auf beide geschiedenen Ehegatten verteilt und daher betragsmäßig halbiert werden.

(a) Allerdings wird diese Auffassung vereinzelt in der Literatur vertreten (Schausten FF 2011, 243 ff. sowie diesem folgend Kieninger FamRZ 2013, 1355 f. und Schürmann in Eschenbruch/Schürmann/Menne Der Unterhaltsprozess 6. Aufl. Kap. 1 Rn. 1331). Durch den vollständigen Nachteilsausgleich werde der ehebedingte Nachteil des Unterhaltsberechtigten auf den Unterhaltspflichtigen verschoben. Die ohne die Herabsetzung (noch) höhere Unterhaltsverpflichtung könne hierfür nicht als Rechtfertigung dienen, weil sie auf den ehelichen Lebensverhältnissen beruhe; § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB setze aber gerade voraus, dass die Orientierung an diesen unbillig sei. Die Aufteilung des ehebedingten Nachteils zwischen den geschiedenen Ehegatten entspreche zudem sowohl dem Grundgedanken des Zugewinnausgleichs als auch der Senatsrechtsprechung dazu, dass ehebedingt geringere Rentenanwartschaften keinen ehebedingten Nachteil darstellten, wenn der Versorgungsausgleich erfolgt sei.

(b) Dieser Argumentation ist das Oberlandesgericht zu Recht nicht gefolgt.

(aa) Bei § 1578 b BGB handelt es sich um eine unterhaltsbegrenzende Norm. Sie setzt das Bestehen eines Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt voraus und ermöglicht neben einer Befristung dessen Herabsetzung, indem die Bedarfsbemessung von den ehelichen Lebensverhältnissen gelöst und stattdessen auf den angemessenen Lebensbedarf abgestellt wird. An der Rechtsnatur des Unterhaltsanspruchs selbst ändert dies nichts (vgl. auch Borth FamRZ 2013, 1356). Der vollständige ehebedingte Nachteil entspricht dem – durch die eigenen Einkünfte des Unterhaltsberechtigten nicht gedeckten – Teil des Bedarfs, der nach dem Willen des Gesetzgebers auch dann durch Unterhaltszahlungen gedeckt werden soll, wenn sich die wirtschaftliche Stellung des Unterhaltsberechtigten nicht mehr nach den ehelichen Lebensverhältnissen, sondern nach der eigenen Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten bestimmt. Dementsprechend sieht die gesetzliche Bestimmung des § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB für die Bedarfsbemessung eine Berücksichtigung ehebedingter Nachteile des Unterhaltspflichtigen nicht vor, sondern stellt allein darauf ab, wie der Unterhaltsberechtigte ohne Ehe und Kindererziehung stünde, so dass dessen ehebedingte Erwerbsnachteile den Umfang der Herabsetzung begrenzen (vgl. BT-Drucks. 16/1830 S. 18). Die von der Rechtsbeschwerde vertretene Rechtsauffassung würde hingegen dazu führen, dass dem Unterhaltsberechtigten entgegen dem gesetzgeberischen Willen aus eigenem Einkommen und nachehelichem Unterhalt gerade nicht die finanziellen Mittel zur Verfügung stünden, um seinen eigenen angemessenen Lebensbedarf zu decken.

(bb) Die eine Halbierung des ehebedingten Nachteils fordernde Meinung verkennt zudem, dass es sich bei der Pflicht zur Zahlung nachehelichen Unterhalts gerade nicht um eine durch die eheliche Rollenverteilung bedingte Einbuße in der Möglichkeit handelt, Einkünfte zu erzielen, sondern um eine von Gesetzes wegen an die Scheidung geknüpfte Rechtsfolge (vgl. auch Senatsurteil vom 23. November 2011 – XII ZR 47/10FamRZ 2012, 197 Rn. 28), die nicht die Einkunftserzielung, sondern die Verteilung des Einkommens betrifft. Der Gedanke der Nachteilshalbierung stützt sich auf den Zirkelschluss, bei der Ermittlung des Unterhaltsanspruchs eben diesen Anspruch als Bemessungsfaktor zu berücksichtigen. Darüber hinaus würde dieser Ansatz ohnedies immer dann versagen, wenn der Unterhaltsberechtigte als Folge der in der Ehe praktizierten Rollenverteilung nach der Scheidung nicht mehr in der Lage ist, ein sein Existenzminimum sicherndes Einkommen zu erzielen. Umgekehrt kann die Berücksichtigung eines ehebedingten Erwerbsnachteils des Unterhaltsberechtigten nie dazu führen, dass diesem ein höherer Unterhaltsanspruch als nach den ehelichen Lebensverhältnissen zuzuerkennen ist (so aber Kieninger FamRZ 2013, 1355), weil § 1578 b Abs. 1 BGB ausschließlich eine Herabsetzung ermöglicht (vgl. Wendl/Wönne Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis* 9. Aufl. § 4 Rn. 1020).

(cc) Die vollständige Berücksichtigung des ehebedingten Nachteils steht nicht im Widerspruch zum Zugewinnausgleich. Denn bei diesem geht es um die Verteilung von ehezeitlich erworbenem Vermögen, während sich § 1578 b BGB mit der Abdeckung eines nachehelichen Unterhaltsbedarfs befasst. Nichts anderes folgt auch aus der Senatsrechtsprechung, wonach ehebedingte Nachteile im Sinne von § 1578 b Abs. 1 Satz 2 BGB regelmäßig nicht mit den durch die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe verursachten geringeren Rentenanwartschaften begründet werden können, wenn für diese Zeit ein Versorgungsausgleich stattgefunden hat, und Nachteile in der Versorgungsbilanz dann in gleichem Umfang von beiden Ehegatten zu tragen und somit als vollständig ausgeglichen anzusehen sind (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2014 – XII ZB 235/12FamRZ 2014, 823 Rn. 17 mwN). Denn die Regelungen zum Versorgungsausgleich stellen insoweit das speziellere Ausgleichssystem dar. Mit ihnen wird erreicht, dass das ehezeitlich erworbene Vorsorgevermögen grundsätzlich hälftig unter den Ehegatten aufgeteilt wird und dadurch beiderseitige Alterseinkünfte gesichert werden, die die ehezeitliche Vorsorgelage und damit insoweit die ehelichen Lebensverhältnisse abbilden. Mehr als einen Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen gewährt das Gesetz dem Unterhaltsberechtigten aber ohnedies nicht.

(dd) Hinzu kommt, dass § 1578 b BGB nicht nur die Herabsetzung, sondern in seinem Absatz 2 auch die zeitliche Begrenzung sowie in Absatz 3 eine Kombination aus Herabsetzung und zeitlicher Begrenzung ermöglicht. Der Tatrichter kann bei der im Einzelfall zu treffenden Billigkeitsentscheidung, in die auch ehebedingte Erwerbsnachteile des Unterhaltspflichtigen einfließen können, daher im Wege einer teilweisen zeitlichen Begrenzung auch zu dem Ergebnis gelangen, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch ein Unterhalt zu zahlen ist, der den angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten nicht vollständig abdeckt (vgl. etwa Botur in Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht 3. Aufl. § 1578 b BGB Rn. 29; vgl. auch BT-Drucks. 16/1830 S. 18).

(2) Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist auch, dass das Oberlandesgericht der Antragsgegnerin keine aus ihrem Geldvermögen erzielbaren Zinseinkünfte auf den nach dem Maßstab des Nachteilsausgleichs bemessenen Unterhaltsanspruch angerechnet hat. Der Antragsteller macht bereits nicht geltend, dass es sich bei diesem Vermögen bzw. den hieraus erzielbaren Zinseinkünften um einen aus der Ehe herrührenden Vorteil handeln würde. Nur wenn es sich aber um (fiktive) Einkünfte handelte, die der Antragsgegnerin ohne die Ehe nicht zur Verfügung stehen würden, könnten diese ggf. als ein den ehebedingten Nachteil teilweise kompensierender Vorteil anzusehen sein; dies hängt von der Beurteilung der Frage ab, ob die Antragsgegnerin auch allein eine private Vermögensbildung in dieser Höhe hätte betreiben können (vgl. Senatsurteil vom 31. Oktober 2012 – XII ZR 129/10FamRZ 2013, 195 Rn. 55 ff.; vgl. auch Senatsurteil vom 11. August 2010 – XII ZR 102/09FamRZ 2010, 1637 Rn. 33). Dafür, dass dies nicht der Fall ist, ist nichts ersichtlich.

Unabhängig davon ist die tatrichterliche Beurteilung, dass die Antragsgegnerin im derzeitigen Zinsumfeld keine relevanten Zinseinkünfte erzielen könne, im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens hinzunehmen. Selbst unterstellt, die Möglichkeit der Vermögensnutzung stellte einen ehebedingten Vorteil dar, müsste die Antragsgegnerin sich nur auf eine sichere Geldanlage verweisen lassen (vgl. Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis* 9. Aufl. § 1 Rn. 637 mwN). Die Würdigung des Oberlandesgerichts, aus einer solchen sei bei dem allenfalls in Rede stehenden Kapitalbetrag von rund 67.000 € derzeit kein unterhaltsrelevantes Zinseinkommen zu erzielen, verstößt weder gegen Denk- noch gegen Erfahrungssätze. Die Rechtsbeschwerde beschränkt sich auf die Behauptung des Gegenteils und setzt damit ihre Würdigung an die Stelle derjenigen durch das Oberlandesgericht. Dies ist ihr im Rechtsbeschwerdeverfahren verwehrt.

Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, die Antragsgegnerin habe monatliche Zinseinkünfte von 40 € zugestanden. Die Rechtsbeschwerdeerwiderung verweist zu Recht darauf, dass in dem von der Rechtsbeschwerde zitierten Schriftsatz aus dem Beschwerdeverfahren weder bestimmte Einkünfte noch ein erzielbarer Zinssatz unstreitig gestellt, sondern lediglich unter Berücksichtigung der vom Amtsgericht vertretenen Auffassung eine rechnerische Obergrenze mitgeteilt worden ist.

(3) Dass das Oberlandesgericht die Antragsgegnerin im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nicht nach § 1577 Abs. 3 BGB auf die Verwertung des aus dem Verkauf des gemeinsamen Hausanwesens erlangten Vermögensstamms verwiesen hat, wird weder von der Rechtsbeschwerde gerügt noch lässt es Rechtsfehler erkennen (vgl. dazu Senatsurteil vom 31. Oktober 2012 – XII ZR 129/10FamRZ 2013, 195 Rn. 54).

BGH, Beschluss vom 08.06.2016
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