Die unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts dienen nur als Hilfsmittel zur Bestimmung des angemessenen Unterhalts. Sie beruhen auf Erfahrungswerten, gewonnen aus typischen Sachverhalten, und sollen zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts beitragen. Sie haben keine bindende Wirkung und können eine auf den Einzelfall bezogene Gesamtschau nicht ersetzen.
Unterhaltsrechtlich maßgebendes Einkommen
Bei der Ermittlung und Zurechnung von Einkommen ist stets zu unterscheiden, ob es um Verwandten- oder Ehegattenunterhalt sowie ob es um Bedarfsbemessung einerseits oder Feststellung der Leistungsfähigkeit andererseits geht. Das unterhaltsrechtliche Einkommen ist nicht immer identisch mit dem steuerrechtlichen Einkommen.
Einkommen können auch aufgrund einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit erzielbare Einkünfte sein (fiktives Einkommen).
1. Geldeinnahmen
1.1 Auszugehen ist vom Bruttoeinkommen als Summe aller Einkünfte einschließlich Weihnachts- und Urlaubsgeld, Tantiemen und Gewinnbeteiligungen sowie anderer Zulagen.
1.2 Leistungen, die nicht monatlich anfallen, werden auf ein Jahr umgelegt. Einmalige Zahlungen sind auf einen angemessenen Zeitraum (in der Regel mehrere Jahre) zu verteilen. Grundsätzlich sind Abfindungen bei der Aufnahme einer neuen Arbeitsstelle mit dauerhaft geringerem Einkommen bis zur Höchstgrenze des Bedarfs aufgrund des früheren Einkommens sowohl beim Kindes- als auch beim Ehegattenunterhalt für den Unterhalt zu verwenden; ob eine Aufstockung bis zum bisherigen Einkommen unter vollständiger Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards geboten ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der beim Pflichtigen zu erwartenden weiteren Einkommensentwicklung.
1.3 Überstundenvergütungen werden dem Einkommen voll zugerechnet, soweit sie berufstypisch sind und das in diesem Beruf übliche Maß nicht überschreiten.
1.4 Ersatz für Spesen, Reisekosten und Auslösungen gelten in der Regel als Einkommen. Damit zusammenhängende Aufwendungen, vermindert um häusliche Ersparnis, sind jedoch abzuziehen. Die Ersparnis wird in der Regel mit einem Drittel bewertet und (außer Fahrtkostenersatz) insoweit dem Einkommen hinzugerechnet.
1.5 Bei Selbständigen (insbesondere Unternehmer, freiberuflich Tätige) wird das Einkommen nach Wirtschaftsjahren ermittelt. Steuerliche Belastungen werden grundsätzlich nur in dem tatsächlich entrichteten Umfange abgezogen, und zwar unabhängig davon, für welches Veranlagungsjahr sie angefallen sind. Für die Bemessung von zukünftigem Unterhalt ist grundsätzlich auf das Durchschnittseinkommen von drei Wirtschaftsjahren abzustellen, wobei dieser Zeitraum von dem letzten Jahr an zurück gerechnet wird, für welches ausreichende Einkommensunterlagen vorliegen; für in der Vergangenheit liegende Unterhaltszeiträume ist auf das in dieser Zeit erzielte Einkommen abzustellen (Jahresdurchschnitt). Bei erheblich schwankenden Einkünften kann auch ein anderer Zeitraum zugrunde gelegt werden. Abschreibungen auf betriebliche Wirtschaftsgüter (Absetzung für Abnutzung: AfA) stehen in der Regel entsprechende Ausgaben für Betriebsmittel gegenüber; sie sind deshalb grundsätzlich gewinnmindernd abzusetzen. Soweit die zulässigen steuerlichen Absetzungsbeträge erheblich über das tatsächliche Ausmaß der Wertminderung hinausgehen (etwa bei Gebäuden), können sie in diesem Umfang unterhaltsrechtlich nicht berücksichtigt werden. Für das Einkommen eines Selbständigen ist grundsätzlich sein Gewinn maßgebend. Ausnahmsweise kann auf seine Privatentnahmen abgestellt werden, soweit sie Ausdruck eines nicht durch Verschuldung finanzierten Lebensstandards sind.
1.6 Zum Einkommen zählen auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen, wobei die Einkünfte grundsätzlich auf das Jahr umgelegt werden.
1.7 Steuererstattungen und Steuernachzahlungen sind in der Regel in dem Jahr, in dem sie anfallen, zu berücksichtigen und auf die einzelnen Monate umzulegen. Soweit Erstattungen auf Aufwendungen beruhen, die unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigen sind, bleiben auch die Steuererstattungen außer Betracht.
1.8 Zum Einkommen zählen auch sonstige Einnahmen (z. B. Trinkgelder).
2. Sozialleistungen gehören wie folgt zum Einkommen:
2.1 Arbeitslosengeld (§ 136 SGB III) und Krankengeld.
2.2 Bürgergeld (§§ 19 – 30 SGB II) beim Verpflichteten; beim Unterhaltsberechtigten ist das Bürgergeld subsidiär (§ 33 SGB II).
2.3 Wohngeld, soweit es nicht erhöhte Wohnkosten deckt.
2.4 BAföG-Leistungen, auch soweit sie als Darlehen gewährt werden, mit Ausnahme von Vorausleistungen nach §§ 36, 37 BAföG.
2.5 Elterngeld ist Einkommen, soweit es über den Sockelbetrag von 300,00 € bzw. 150,00 € bei verlängertem Bezug hinausgeht. Der Sockelbetrag des Elterngeldes ist nur dann Einkommen, wenn einer der Ausnahmefälle des § 11 Satz 4 BEEG vorliegt.
2.6 Leistungen aus Unfall- und Versorgungsrenten nach Abzug eines Betrages für tatsächliche Mehraufwendungen; §§ 1610a, 1578a BGB sind zu beachten.
2.7 Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindengeld, Schwerbeschädigten- und Pflegezulagen nach Abzug eines Betrages für tatsächliche Mehraufwendungen; §§ 1610a, 1578a BGB sind zu beachten.
2.8 Der Anteil des Pflegegelds bei der Pflegeperson, durch den ihre Bemühungen abgegolten werden. Bei Pflegegeld aus der Pflegeversicherung gilt dies nach
Maßgabe des § 13 Abs. 6 SGB XI.
2.9 Beim Verwandtenunterhalt in der Regel Leistungen zur Grundsicherung (§§ 41 – 43 SGB XII).
2.10 Sonstige Sozialhilfe nach SGB XII zählt nicht zum Einkommen.
2.11 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zählen nicht zum Einkommen.
3. Kindergeld
Kindergeld mindert den Unterhaltsbedarf der Kinder nach Maßgabe des § 1612b BGB und unterstützt den betreuenden Elternteil bei der Erbringung der Betreuungsleistungen. Es stellt kein Einkommen des Bezugsberechtigten dar.
4. Geldwerte Zuwendungen des Arbeitgebers
Geldwerte Zuwendungen aller Art des Arbeitgebers, z. B. Firmenwagen oder freie Kost und Logis, sind Einkommen, soweit sie entsprechende Eigenaufwendungen ersparen. Die für Firmenwagen steuerlich in Ansatz gebrachten, am Neuwert orientierten Beträge (1-% – Regelung) bieten einen Anhaltspunkt für die Bewertung des geldwerten Vorteils.
5. Wohnvorteil
5.1 Der Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen im eigenen Heim ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens unterhaltsrechtlich wie Einkommen zu behandeln. Neben dem Wohnvorteil sind auch Zahlungen nach dem Eigenheimzulagengesetz anzusetzen. Zur Ermittlung des Wohnvorteils sind dem Wohnwert der berücksichtigungsfähige Schuldendienst, erforderliche Instandhaltungskosten und jene Kosten, mit denen ein Mieter üblicherweise nicht belastet wird, als Abzugsposten gegenüberzustellen.
5.2 Beim Ehegattenunterhalt und beim Kindesunterhalt ist grundsätzlich auf den objektiven Mietwert abzustellen (BGH FamRZ 2014, 923; FamRZ 2021, 186). Während des Getrenntlebens der Ehegatten ist für das Wohnen eines Ehegatten in der bisherigen Ehewohnung jedoch zunächst regelmäßig die ersparte Miete anzusetzen, die angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse angemessen wäre. Ist eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr zu erwarten, ist regelmäßig der objektive Mietwert anzusetzen; Ausnahmen hiervon sind nur gerechtfertigt, wenn eine Verwertung durch Vermietung nicht möglich (z. B. mangelnde Einigung bei Miteigentum) oder nicht zumutbar (z. B. bei zeitlich begrenztem Aufstockungsunterhalt) ist.
5.3 Zinsen und Tilgungsleistungen sind absetzbar. Dienen die Tilgungsleistungen ausschließlich der eigenen Vermögensbildung, sind die Tilgungsleistungen nach Vorabzug der Zinsen nur bis zur Höhe des Wohnwerts zu berücksichtigen; darüberhinausgehende Tilgungsleistungen können im Rahmen der zusätzlichen Altersvorsorge (Nr. 10.1.2.) berücksichtigt werden (BGH FamRZ 2017, 519; FamRZ 2018, 1506). Auch beim Kindesunterhalt können Zinsen und Tilgungsleistungen grundsätzlich bis zur Höhe des Wohnwerts berücksichtigt werden. Ist jedoch der Mindestunterhalt minderjähriger Kinder gefährdet, kann ausnahmsweise eine Obliegenheit zur Tilgungsstreckung bestehen (vgl. BGH FamRZ 2022, 781). Im Rahmen des § 1603 Abs. 1 BGB gilt ein großzügigerer, im Anwendungsbereich des § 1603 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB hingegen ein strengerer Maßstab für die Berücksichtigung von Tilgungsleistungen.
6. Haushaltsführung
Führt jemand unentgeltlich für einen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Partner den Haushalt, so ist hierbei ein Einkommen anzusetzen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Partner hinreichend leistungsfähig ist.
7. Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit
Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit kann nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben (vgl. BGH FamRZ 2006, 846).
8. Freiwillige Zuwendungen Dritter
Freiwillige Zuwendungen Dritter (z. B. Geldleistungen, Wohnungsgewährung) sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen, es sei denn, die Berücksichtigung entspricht dem Willen des zuwendenden Dritten. Zur Sicherstellung des Mindestkindesunterhalts hat der Unterhaltspflichtige jedoch auch ihm gewährte freiwillige Leistungen Dritter einzusetzen (BGH FamRZ 2019, 1415).
9. Erwerbsobliegenheit und Einkommensfiktion
Wer unter leichtfertigem Verstoß gegen eine unterhaltsrechtliche Verpflichtung bzw. Obliegenheit eine Erwerbsquelle nicht in zumutbarem Umfang nutzt, muss sich das erzielbare Einkommen zurechnen lassen. Begibt sich jemand einer Einkommensquelle, insbesondere seines Arbeitsplatzes, aus unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Gründen, so ist ihm das bisherige Einkommen bis zu dem Zeitpunkt fiktiv zuzurechnen, zu dem er aus anderem, nicht vorwerfbarem Grund die Arbeitsstelle verloren hätte (BGH FamRZ 2008, 872). Bei der Zurechnung von fiktiven Einkünften können fiktive berufsbedingte Aufwendungen (z. B. Fahrtkosten) in der Regel in Höhe von 5 % des fiktiven Nettoerwerbseinkommens berücksichtigt werden. Im Rahmen der gesteigerten Unterhaltspflicht ist vom Unterhaltsschuldner im Hinblick auf den nicht gesicherten Mindestunterhalt seines Kindes auch zu verlangen, dass er neben einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit eine ihm mögliche und zumutbare Nebentätigkeit ausübt. Dies gilt auch bei der Zurechnung eines lediglich fiktiven Einkommens aus einer vollschichtigen Haupttätigkeit (BGH FamRZ 2014, 1992).
10. Bereinigung des Einkommens
10.1 Steuern und Vorsorgeaufwendungen
Vom Bruttoeinkommen sind Steuern, Sozialabgaben und angemessene Vorsorgeaufwendungen abzusetzen (Nettoeinkommen).
10.1.1 Es besteht die Obliegenheit, Steuervorteile in Anspruch zu nehmen (z. B. Eintragung eines Freibetrags bei Fahrtkosten, Realsplitting für unstreitigen oder rechtskräftig titulierten Unterhalt).
10.1.2 Für eine zusätzliche (keine fiktive) Altersvorsorge können beim Ehegattenund Kindesunterhalt bis zu 4 %, beim Elternunterhalt bis zu 5 % des Bruttoeinkommens eingesetzt werden. Die zusätzliche Altersvorsorge kommt jedoch im Regelfall nicht in Betracht, soweit der Mindestunterhalt/das Existenzminimum nicht gesichert ist. Personen, die der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht nicht unterliegen, können für ihre primäre Altersversorgung Beträge entsprechend dem Aufwand eines Nichtselbständigen aufwenden. Eine zusätzliche Altersvorsorge ist wie bei gesetzlich Rentenversicherten absetzbar. Entsprechendes gilt für rentenversicherungspflichtige Personen, deren Einkommen die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung übersteigt (BGH FamRZ 2020, 21).
10.2 Berufsbedingte Aufwendungen
10.2.1 Notwendige berufsbedingte Aufwendungen werden vom Einkommen nur abgezogen, soweit sie konkret nachgewiesen sind. Eine Pauschale wird nicht gewährt.
10.2.2 Für Fahrten zum Arbeitsplatz werden die Kosten einer Pkw-Benutzung für die gefahrenen Kilometer (Hin- und Rückweg) mit einer Kilometerpauschale von 0,42 € (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JVEG) für die ersten 30 Entfernungskilometer, für die weiteren Entfernungskilometer mit 0,28 € berücksichtigt. Berechnungsbeispiel: Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsplatz: 50 km. Berechnung: 30 km x 2 x 0,42 € x 220 ArbTage: 12 Monate = 462,00 € + 20 km x 2 x 0,28 € x 220 ArbTage: 12 Monate = 205,33 €. Gesamtkosten: 667,33 € Überschreiten die Fahrtkosten 15 % des Nettoeinkommens, muss dargelegt werden, weshalb die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zumutbar ist. Neben der Kilometerpauschale können Finanzierungskosten für die Anschaffung des Pkw regelmäßig nicht angesetzt werden.
10.2.3 Bei Auszubildenden wird auf die Ausbildungsvergütung ein Abzug eines Pauschalbetrages von 100,00 € angerechnet. Diese Pauschale deckt in der Regel den allgemeinen und ausbildungsbedingten Mehrbedarf mit Ausnahme von Fahrtkosten.
10.3 Kinderbetreuungskosten sind nur dann als berufsbedingte Aufwendungen des betreuenden Elternteils abzugsfähig, wenn die Betreuung durch Dritte allein infolge der Berufstätigkeit erforderlich ist (z. B. stundenweise Betreuung durch Tagesmutter). Aufwendungen für die Betreuung eines Kindes, die über den Umfang der von dem betreuenden Elternteil ohnehin geschuldeten Betreuung hinausgehen oder pädagogisch veranlasst sind, wie etwa in Kindergärten, Kindertagesstätten, Schulen, Horten oder vergleichbaren Einrichtungen, mindern das Einkommen dagegen nicht; es handelt sich um Mehrbedarf (vgl. Nr. 12.4) des Kindes (BGH FamRZ 2018, 23; FamRZ 2009, 962).
10.4 Beim Ehegattenunterhalt sind angemessene Ratenzahlungen auf Schulden, die die ehelichen Lebensverhältnisse bestimmt haben oder die durch die Auflösung der Ehe unabwendbar entstanden sind, in der Regel einkommensmindernd zu berücksichtigen. Im Übrigen ist eine umfassende Interessenabwägung nach Billigkeitsgrundsätzen unter Berücksichtigung der Belange der Unterhaltsberechtigten, des Unterhaltsschuldners (insbesondere sein Interesse an der Verhinderung einer wachsenden Verschuldung) wie auch der Fremdgläubiger vorzunehmen. Dabei sind insbesondere der Zweck der Verbindlichkeit, der Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, die Dringlichkeit der beiderseitigen Bedürfnisse, die Kenntnis des Unterhaltsschuldners von Grund und Höhe der Unterhaltsschuld und seine Möglichkeiten von Bedeutung, die Leistungsfähigkeit ganz oder teilweise wiederherzustellen (BGH FamRZ 2013, 1558; FamRZ 2014, 923). Soweit der Mindestbedarf der Unterhaltsberechtigten nicht gewahrt ist, hat der Schuldendienst so weit wie möglich und zumutbar zurückzustehen. Für minderjährige Kinder soll möglichst der Mindestunterhalt gesichert bleiben. Den Unterhaltsschuldner trifft grundsätzlich eine Verpflichtung zur Einleitung einer Verbraucherinsolvenz, wenn dieses Verfahren zulässig und geeignet ist, den laufenden Unterhalt eines minderjährigen Kindes sicherzustellen (vgl. BGH FamRZ 2005, 608). Sind einkommensmindernd anzusetzende Schulden bereits Gegenstand einer Auseinandersetzung über einen Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB, sind sie für die Unterhaltsbemessung nicht zu berücksichtigen.
10.5 Barunterhaltsleistungen (Zahlbetrag oder restlicher Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt, vgl. BGH FamRZ 2021, 1965) an vorrangig Berechtigte sind vorweg abzuziehen.
10.6 Die vermögenswirksame Leistung des Arbeitgebers und die Arbeitnehmersparzulage gehören nicht zum Einkommen. Der vermögenswirksam gesparte Betrag mindert nicht das anrechenbare Einkommen, es sei denn, er ist als angemessene Vorsorgeaufwendung (Nr. 10.1.2) anzuerkennen.
10.7 Die notwendigen Kosten für ein im üblichen Rahmen ausgeübtes Umgangsrecht sind grundsätzlich vom Umgangsberechtigten zu tragen, wenn ihm nach Abzug dieser Kosten der notwendige Selbstbehalt verbleibt. In diesen Fällen stellen die Umgangskosten keine Abzugsposition vom Einkommen des Umgangsberechtigten dar (BGH FamRZ 2014, 917, 920; FamRZ 2006, 1015, 1018). Ist der notwendige Selbstbehalt des Umgangsberechtigten nicht gewahrt, können die notwendigen Umgangskosten durch einen – teilweisen – Abzug vom Einkommen oder eine Erhöhung des Selbstbehalts berücksichtigt werden (BGH FamRZ 2009, 1391).
Kindesunterhalt
11. Bemessungsgrundlage (Tabellenunterhalt)
Der Barunterhaltsbedarf minderjähriger und noch im elterlichen Haushalt lebender volljähriger unverheirateter Kinder bestimmt sich nach den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle (Anhang I.). Bei minderjährigen Kindern kann der Unterhalt als Festbetrag oder als Prozentsatz des Mindestunterhalts nach § 1612a Abs. 1 BGB geltend gemacht werden.
11.1 Die Tabellensätze der Düsseldorfer Tabelle enthalten keine Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für das Kind, wenn dieses nicht in einer gesetzlichen Familienversicherung mitversichert ist. Das Nettoeinkommen des Verpflichteten ist um solche zusätzlich zu zahlenden Versicherungskosten vorab zu bereinigen.
11.2 Die Tabellensätze sind auf den Fall zugeschnitten, dass der Unterhaltspflichtige zwei Unterhaltsberechtigten Unterhalt zu gewähren hat. Bei einer geringeren oder größeren Zahl von Unterhaltsberechtigten ist in der Regel um eine Stufe herauf- oder herabzustufen. In den oberen Gruppen kann im Einzelfall insbesondere aus kindgerechten Gründen eine Bedarfsbegrenzung angezeigt sein. Erreicht das dem Unterhaltspflichtigen nach Abzug aller Unterhaltslasten verbleibende Einkommen nicht den für die Tabellengruppe ausgewiesenen Bedarfskontrollbetrag, so kann so weit herabgestuft werden, dass dem Unterhaltsschuldner der entsprechende Kontrollbetrag verbleibt. Bei einem über das übliche Maß hinausgehenden Umgangsrecht können dadurch bedingte hohe Mehraufwendungen (z. B. Fahrt- und Unterbringungskosten) zu einer Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle oder zum Absehen von einer erforderlichen Höherstufung führen (BGH FamRZ 2014, 917).
12. Minderjährige Kinder
12.1 Der Bedarf minderjähriger Kinder bemisst sich nach den zusammengerechneten Einkünften beider Elternteile. Die Unterhaltspflicht des barunterhaltspflichtigen Elternteils ist jedoch auf den Betrag begrenzt, den der Unterhaltspflichtige bei alleiniger Unterhaltshaftung auf Grundlage seines Einkommens zu zahlen hätte (BGH FamRZ 2022, 1366; FamRZ 2021, 28; FamRZ 2017, 711; FamRZ 2017, 437).
12.2 Eigenes Einkommen des minderjährigen Kindes mindert dessen Bedürftigkeit und wird – mit Rücksicht auf die Betreuungslast des anderen Elternteils – in der Regel hälftig auf den Barunterhaltsbedarf des Kindes angerechnet. Arbeitseinkünfte geringen Umfangs (z. B. Ferienjobs) oder aus unterhaltsrechtlich nicht gebotener Tätigkeit bleiben unberücksichtigt.
12.3 Ausnahmsweise kann der betreuende Elternteil zur Barunterhaltsleistung entlastend herangezogen werden, wenn sein Einkommen das des anderen Elternteils wesentlich übersteigt. Die Entlastung wird dann nach den Umständen des Einzelfalles bemessen.
12.4 Zusätzlichen Bedarf eines minderjährigen Kindes (z. B. Verfahrens-/Prozesskostenvorschuss, Mehrbedarf, Sonderbedarf) haben beide Eltern entsprechend ihrer Erwerbs- und Vermögensverhältnisse unter Wahrung ihres Selbstbehalts (vgl. Nr. 13.3) zu decken (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB).
12.5 Der Unterhaltsbedarf des Kindes kann teilweise dadurch erfüllt sein, dass der umgangsberechtigte Elternteil dem Kind im Zuge seines erweiterten Umgangsrechts Leistungen erbringt, mit denen er den Unterhaltsbedarf des Kindes auf andere Weise als durch Zahlung einer Geldrente teilweise deckt (vgl. BGH FamRZ 2014, 917).
13. Volljährige Kinder
13.1 Für den Unterhalt volljähriger Kinder gilt Folgendes: Lebt das volljährige Kind im Haushalt eines Elternteils, so ist sein Bedarf grundsätzlich der Unterhaltstabelle zu entnehmen. Lebt das Kind nicht mehr im Haushalt eines Elternteils, so ist zu unterscheiden:
– Der Unterhaltsbedarf Studierender beträgt in der Regel monatlich 990,00 €. Hierin sind bis 440,00 € für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten. In den jeweiligen Bedarfsbeträgen sind keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie keine Studiengebühren enthalten.
– Für andere Kinder kann bei eigenem Haushalt derselbe Betrag zugrunde gelegt werden; dann entfallen der Freibetrag (Nr. 10.2.3) und andere Absetzungen für berufsbedingte Aufwendungen (einschließlich Fahrtkosten).
13.2 Sämtliche Einkünfte (auch BAföG-Darlehen) werden auf den Bedarf volljähriger Kinder angerechnet. Überobligationsmäßig erzielte Einkünfte bleiben entsprechend § 1577 Abs. 2 BGB ganz oder teilweise unberücksichtigt.
13.3 Verfügen beide Eltern über Einkommen, ergibt sich der Bedarf volljähriger Kinder, soweit dafür die Tabelle maßgebend ist, grundsätzlich nach dem zusammengerechneten Einkommen beider Eltern. Den offenen Bedarf haben die Eltern anteilig zu decken, und zwar grundsätzlich im Verhältnis ihrer Einkommen zueinander. Dabei werden nur die Einkommensteile zueinander ins Verhältnis gesetzt, die jeweils über dem angemessenen Selbstbehalt liegen, und zwar nach Abzug vorrangiger Unterhaltspflichten. Bei privilegiert volljährigen Kindern sind grundsätzlich die bereinigten Einkünfte oberhalb des angemessenen Selbstbehalts (Nr. 21.3.1) maßgebend. Lediglich im Mangelfall ist auf die bereinigten Einkünfte oberhalb des notwendigen Selbstbehalts abzustellen (BGH FamRZ 2011, 454). Ein Elternteil hat jedoch höchstens den Unterhalt zu leisten, der sich allein aus seinem Einkommen gemäß der Unterhaltstabelle ergibt.
14. Verrechnung des Kindergeldes
Das Kindergeld wird nach § 1612b BGB auf den Barbedarf angerechnet.
Ehegattenunterhalt
15. Unterhaltsbedarf
15.1 Der Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen im Sinne von § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB wird grundsätzlich durch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten bestimmt, die bis zur Rechtskraft der Ehescheidung eingetreten sind. Nacheheliche Entwicklungen wirken sich auf die Bedarfsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen aus, wenn sie auch bei fortbestehender Ehe eingetreten wären oder in anderer Weise in der Ehe angelegt und mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten waren (BGH FamRZ 2012, 281). Unerwartete, nicht in der Ehe angelegte Steigerungen des Einkommens des Verpflichteten (insbesondere aufgrund eines Karrieresprungs) oder auf Wiederverheiratung beruhende Steuervorteile bleiben bei der Bedarfsbemessung unberücksichtigt. Eine Einkommensreduzierung ist dann unbeachtlich, wenn sie auf einem unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Verhalten beruht. Die Unterhaltspflichten für neue Ehegatten sowie für nachehelich geborene Kinder und der dadurch bedingte Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB sind bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs eines geschiedenen Ehegatten nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zu berücksichtigen.
15.2 Es gilt der Halbteilungsgrundsatz, wobei das bereinigte Erwerbseinkommen nur zu 90 % zu berücksichtigen ist (Abzug 1/10 Erwerbstätigenbonus). Zu unterscheiden sind das bereinigte Erwerbseinkommen einerseits und sonstige Einkünfte (z. B. Renten, Abfindungen, Arbeitslosengeld, Krankengeld, Kapitalerträge, Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, Wohnvorteil) andererseits. Leistet ein Ehegatte Unterhalt für ein unterhaltsberechtigtes Kind, wird sein Einkommen vor Ermittlung des Erwerbstätigenbonus um diesen Unterhalt (Zahlbetrag) bereinigt. Von den Einkünften des betreuenden Elternteils ist der Barunterhaltsbedarf des Kindes nach den gemeinsamen Einkünften der Eltern abzüglich des hälftigen auf den Barunterhalt entfallenden Kindergelds und abzüglich des vom anderen Elternteil geleisteten Barunterhalts abzusetzen. In dieser Höhe leistet der betreuende Elternteil neben dem Betreuungsunterhalt restlichen Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt (BGH FamRZ 2021, 1965; FamRZ 2017, 711). Unterhalt für nachrangige volljährige Kinder ist abzusetzen, wenn der Kindesunterhalt die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat und den Eheleuten ein angemessener Unterhalt verbleibt. Erträge aus ererbtem Vermögen sind bei der Bedarfsermittlung nur zu berücksichtigen, soweit sie bereits zum Unterhalt der Familie zur Verfügung standen, also den Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360a BGB beeinflusst haben (vgl. BGH FamRZ 2006, 387, 390). Nach der Differenzmethode ermittelt sich der ungedeckte Bedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten aus 45 % des Unterschiedsbetrages des beiderseitigen bereinigten Erwerbseinkommens und 50 % des Unterschiedsbetrages der beiderseitigen sonstigen Einkünfte. Der Erwerbstätigenbonus ist in dem Prozentsatz von 45 % berücksichtigt. Nach der Additionsmethode ermittelt sich der ungedeckte Bedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten, indem das beiderseitige bereinigte Einkommen der Ehegatten jeweils um den Erwerbstätigenbonus (1/10 des Erwerbseinkommens) gekürzt und anschließend miteinander addiert wird. Von der Summe steht dem unterhaltsberechtigten Ehegatten die Hälfte zu, wobei sein eigenes Einkommen anzurechnen ist. Es ist von einem Mindestbedarf auszugehen, der nicht unter dem Existenzminimum für Nichterwerbstätige (Nr. 21.2) liegen darf.
15.3 Bei sehr guten Einkommensverhältnissen des Pflichtigen kommt eine konkrete Bedarfsberechnung in Betracht. Es besteht eine tatsächliche Vermutung für die vollständige Verwendung des Familieneinkommens für den Lebensbedarf der Familie, soweit es den höchsten Einkommensbetrag der Düsseldorfer Tabelle nicht übersteigt. Soweit das unterhaltsrelevante Familieneinkommen darüber hinausgeht und der Unterhaltsberechtigte auf dessen Grundlage Unterhalt nach der Quotenmethode begehrt, hat er darzulegen, dass und in welchem Umfang das Familieneinkommen zur Deckung des Lebensbedarfs verwendet worden ist und dies im Bestreitensfall in vollem Umfang zu beweisen (vgl. BGH FamRZ 2018, 260; FamRZ 2020, 21). Ansonsten ist der Unterhaltsbedarf nach dem konkreten Bedarf zu bemessen. In diesem Fall sind Einkünfte des Berechtigten ohne Erwerbstätigenbonus auf den Bedarf anzurechnen.
15.4 Vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen sind neben den eigenen Aufwendungen für angemessene Vorsorge grundsätzlich auch solche abzusetzen, die er für den Berechtigten und gemeinsame Kinder aufbringt. Der Elementarunterhalt hat bis zur Höhe des Mindestbedarfs Vorrang vor dem Altersvorsorgeunterhalt. Die Kosten für die angemessene Vorsorge für Alter, Erwerbs- und Berufsunfähigkeit errechnen sich in folgenden Stufen:
a) Der an sich geschuldete Elementarunterhalt wird mit Hilfe der sog. Bremer Tabelle auf ein fiktives Bruttoeinkommen hochgerechnet.
b) Danach bemessen sich unter Anwendung des Beitragssatzes, der jeweils für die gesetzliche Rentenversicherung gilt, die Vorsorgekosten.
c) Der zu leistende Vorsorgeunterhalt wird von dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen vorweg abgesetzt. Danach wird der Elementarunterhalt endgültig festgesetzt.
15.5 nicht belegt
15.6 nicht belegt
15.7 Für die Herabsetzung und Befristung des nachehelichen Unterhalts ist bei der Billigkeitsprüfung nach § 1578b BGB vorrangig zu berücksichtigen, ob ehebedingte Nachteile eingetreten sind. Einer Befristung stehen diese schon deswegen regelmäßig entgegen, weil der Unterhaltsberechtigte dann seinen eigenen angemessenen Unterhalt nicht selbst erzielen kann. Sind ehebedingte Nachteile vorhanden, die aus tatsächlichen Gründen nicht mehr ausgeglichen werden können, kommt im Regelfall nach einer Übergangszeit eine Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts nur insoweit in Betracht, als dem berechtigten Ehegatten unter Berücksichtigung eigener und eventuell auch fiktiver Einkünfte jedenfalls der Betrag zur Verfügung stehen muss, den er ohne einen ehebedingten Nachteil zur Verfügung hätte. Fehlt es an ehebedingten Nachteilen oder sind diese bereits ausgeglichen, ist im Rahmen der umfassenden Billigkeitsabwägung bei der Entscheidung über eine Befristung oder Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts eine – über die Kompensation ehebedingter Nachteile hinausgehende – nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen. Dabei sind neben den weiteren relevanten Umständen des Einzelfalls die Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, die Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie die Dauer der Ehe maßgeblich. Die Ehedauer gewinnt durch eine wirtschaftliche Verflechtung an Gewicht, die insbesondere durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit wegen Kinderbetreuung oder Haushaltsführung eintritt (BGH FamRZ 2010, 1971). Ist Unterhalt wegen Krankheit geschuldet, ist für die Billigkeitsentscheidung besonders dem Gedanken der nachehelichen Solidarität Rechnung zu tragen. Der Betreuungsunterhalt ist nicht nach § 1578b BGB zu befristen. Die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen die Unbilligkeit der Fortzahlung des Unterhalts resultiert, trägt der Unterhaltsverpflichtete. Dem Unterhaltsverpflichteten obliegt es, im Rahmen seiner primären Darlegungslast das Fehlen von ehebedingten Nachteilen substantiiert zu behaupten. Sodann obliegt es dem Unterhaltsberechtigten, diese Behauptung substantiiert zu bestreiten und positiv konkrete ehebedingte Nachteile darzutun. Konkret vorgetragene ehebedingte Nachteile muss der Unterhaltsverpflichtete widerlegen (BGH FamRZ 2012, 93).
16. nicht belegt
17. Erwerbsobliegenheit
17.1 Die nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes grundsätzlich einsetzende Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils ist hinsichtlich Art und Umfang an den Belangen des Kindes auszurichten. Die Billigkeitsprüfung nach § 1570 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB ist zumindest anhand folgender Kriterien vorzunehmen:
Kindbezogene Gründe:
1. Betreuungsbedürftigkeit aufgrund der individuellen Entwicklung des Kindes
2. Fehlende kindgerechte Betreuungsmöglichkeiten
3. Krankheiten, die durch die Betreuung in einer Einrichtung nicht aufgefangen werden können und damit die Betreuung durch einen Elternteil erfordern.
Elternbezogene Gründe:
1. Vertrauen in die vereinbarte oder praktizierte Rollenverteilung und Ausgestaltung der Kinderbetreuung. Zu berücksichtigen ist dabei auch die Aufgabe einer Erwerbstätigkeit wegen Kindererziehung und die Dauer der Ehe.
2. Umfang der Betreuungsbedürftigkeit des Kindes im Anschluss an die Betreuung in einer Betreuungseinrichtung.
Eine überobligationsmäßige Belastung des betreuenden Elternteils durch Berufstätigkeit, Kinderbetreuung und Haushaltsführung ist zu vermeiden.
17.2 In der Regel besteht für den Berechtigten im ersten Jahr nach der Trennung keine Obliegenheit zur Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit.
Weitere Unterhaltsansprüche
18. Ansprüche nach § 1615l BGB
Der Bedarf nach § 1615l BGB bemisst sich nach der Lebensstellung des unterhaltsberechtigten Elternteils. Er ist auch dann nicht nach dem Einkommen des Pflichtigen zu bemessen, wenn dieser mit dem unterhaltsberechtigten Elternteil zusammengelebt hat. Die Lebensstellung des unterhaltsberechtigten Elternteils richtet sich danach, welche Einkünfte er ohne die Geburt und die Betreuung des gemeinsamen Kindes hätte (BGH FamRZ 2015, 1369). Der Bedarf darf das Existenzminimum für Nichterwerbstätige (derzeit 1.200,00 €; Nr. 21.2) nicht unterschreiten. Die Inanspruchnahme ist durch den Halbteilungsgrundsatz begrenzt.
19. Elternunterhalt
Beim Bedarf der Eltern sind Leistungen zur Grundsicherung nach §§ 41 ff. SGB XII zu berücksichtigen (vgl. Nr. 2.9). Sonstige Leistungen der Sozialhilfe sind bei einem Ausschluss des Anspruchsübergangs nach § 94 Abs. 1a Satz 2 SGB XII ebenfalls auf den Bedarf anzurechnen (vgl. BGH Beschluss vom 23. Oktober 2024 – Az. XII ZB 6/24).
20. Lebenspartnerschaft
Bei Getrenntleben oder Aufheben der Lebenspartnerschaft gelten §§ 12, 16 LPartG.
Leistungsfähigkeit und Mangelfall
21. Selbstbehalt
21.1 Grundsatz
Ausgangspunkt ist das anrechenbare Einkommen des Unterhaltspflichtigen. Nach Abzug der Unterhaltspflichten muss dem Unterhaltspflichtigen ein Selbstbehalt für seine eigene Lebensführung verbleiben. Zu unterscheiden sind der notwendige Selbstbehalt (21.2), der angemessene Selbstbehalt (21.3) und der Mindestselbstbehalt gegenüber Ehegatten (21.4).
21.2 Notwendiger Selbstbehalt
Gegenüber Kindern ist grundsätzlich der angemessene Selbstbehalt gem. § 1603 Abs. 1 BGB (Nr. 21.3.1) zu wahren; bei Eingreifen der gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen und privilegiert volljährigen Kindern (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB) ist jedoch als unterste Grenze der Inanspruchnahme der notwendige Selbstbehalt maßgeblich. Der notwendige Selbstbehalt beträgt
– bei Nichterwerbstätigen 1.200,00 €,
– bei Erwerbstätigen 1.450,00 €.
Hierin sind bis zu 520,00 € für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten.
21.3 Angemessener Selbstbehalt
Vorbehaltlich Nr. 21.2 gilt beim Verwandtenunterhalt der angemessene Selbstbehalt.
21.3.1 Gegenüber nicht privilegierten volljährigen Kindern – wie auch gegenüber minderjährigen und privilegiert volljährigen Kindern bei Nichteingreifen der gesteigerten Unterhaltspflicht (Nr. 21.2) – beträgt der angemessene Selbstbehalt (§ 1603 Abs. 1 BGB) 1.750,00 €. Hierin sind bis zu 650,00 € für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten.
21.3.2 Gegenüber Ansprüchen aus § 1615l BGB gilt der eheangemessene Selbstbehalt (Nr. 21.4).
21.3.3 Beim Elternunterhalt ist der angemessene Selbstbehalt anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der besonderen Lebensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen zu ermitteln (BGH Beschluss vom 23. Oktober 2024 Az. XII ZB 6/24). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Unterhaltsanspruch der Eltern rechtlich vergleichsweise schwach ausgestaltet ist (BGH Beschluss vom 23. Oktober 2024 – Az. XII ZB 6/24). Der Selbstbehalt gegenüber Eltern beträgt mindestens 2.650,00 €. Hierin sind bis zu 1.000,00 € für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten. In der Regel ist es angemessen, diesen Mindestselbstbehalt um etwa 50 %, für Unterhaltszeiträume ab 2020 um bis zu 70 %, des darüber hinausgehenden Einkommens zu erhöhen. Unabhängig vom Selbstbehalt findet ein Anspruchsübergang auf den Sozialhilfeträger nur nach Maßgabe des § 94 Abs. 1a SGB XII in der Fassung von Art. 1 Nr. 8 des Angehörigen-Entlastungsgesetzes vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2135) statt (BGH Beschluss vom 23. Oktober 2024 Az. XII ZB 6/24).
21.3.4. Für den Selbstbehalt von Großeltern gegenüber Enkeln gilt Nr. 21.3.3 entsprechend.
21.4 Mindestselbstbehalt gegenüber Ehegatten
Gegenüber Ehegatten und geschiedenen Ehegatten ist dem Unterhaltspflichtigen mindestens der eheangemessene Selbstbehalt gem. § 1581 Satz 1 BGB zu belassen. Der eheangemessene Selbstbehalt beträgt
– für Erwerbstätige 1.600,00 €,
– für Nichterwerbstätige 1.475,00 €.
Hierin sind bis zu 580,00 € für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten. Aufgrund des Halbteilungsgrundsatzes ist im Rahmen des § 1581 Satz 1 BGB außerdem ein individueller Selbstbehalt zu berücksichtigen. Würde dem Unterhaltspflichtigen für den eigenen Unterhalt weniger verbleiben als der Unterhaltsberechtigte mit dem Unterhalt zur Verfügung hätte, liegt zwischen ihnen ein relativer Mangelfall vor, der zugleich zur Kürzung des Unterhalts des Unterhaltsberechtigten und des individuellen Selbstbehalts des Unterhaltspflichtigen führt. Sonstige Verpflichtungen gegenüber anderen Unterhaltsberechtigten, die nicht bereits den Bedarf des Unterhaltsberechtigten beeinflusst haben, sind entsprechend ihrem Rang zu berücksichtigen (BGH FamRZ 2012, 281). Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit ist kein Erwerbstätigenbonus zu berücksichtigen (BGH FamRZ 2013, 1366).
21.5 Anpassung des Selbstbehalts
Legt der Unterhaltspflichtige konkret dar, dass die auf ihn entfallenden Wohnkosten die in den einzelnen Selbstbehalten enthaltenen Wohnkosten erheblich und nicht vermeidbar überschreiten, soll der Selbstbehalt erhöht werden. Bei einem Zusammenleben mit einem leistungsfähigen Partner kann der Selbstbehalt wegen ersparter Aufwendungen herabgesetzt werden, wobei die Ersparnis des Unterhaltspflichtigen im Regelfall und höchstens mit 10 % seines Selbstbehalts angesetzt werden kann.
22. Bedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten.
22.1 Der Mindestbedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten beträgt bei Unterhaltsansprüchen des nachrangigen, geschiedenen, erwerbstätigen Ehegatten 1.280,00 €, für den nicht erwerbstätigen Ehegatten werden 1.180,00 € angesetzt.
22.2 Der Mindestbedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten beträgt bei Unterhaltsansprüchen nicht privilegierter volljähriger Kinder
1.400,00 €.
22.3 Ist bei Unterhaltsansprüchen von Eltern oder Enkeln der Pflichtige verheiratet, wird für den mit ihm zusammenlebenden Ehegatten ein Betrag von mindestens 2.120,00 € angesetzt. Im Familienmindestbedarf von 4.770,00 € (2.120,00 € + 2.650,00 €) sind 1.300,00 € für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten.
23. Bedarf des vom Pflichtigen getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten
Der monatliche notwendige Eigenbedarf des von dem Unterhaltspflichtigen getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten beträgt, unabhängig davon, ob er erwerbstätig ist oder nicht:
23.1 gegenüber einem nachrangigen geschiedenen erwerbstätigen Ehegatten 1.600,00 €; für den nicht erwerbstätigen Ehegatten werden 1.475,00 € angesetzt;
23.2 gegenüber nicht privilegierten volljährigen Kindern 1.750,00 €;
23.3 gegenüber Eltern und Enkeln des Unterhaltspflichtigen 2.650,00 €.
24. Mangelfall
24.1 Ein Mangelfall liegt vor, wenn das Einkommen des Unterhaltspflichtigen bei Wahrung des jeweils angemessenen Selbstbehalts nicht genügt, um den Bedarf aller gleichrangiger Unterhaltsberechtigten zu decken. Eine gesteigerte Unterhaltspflicht besteht, soweit das Einkommen nicht zur Deckung des Mindestunterhalts minderjähriger und ihnen nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB gleichgestellter volljähriger Kinder genügt. Reicht das Einkommen des Unterhaltspflichtigen zur Deckung des Bedarfs aller gleichrangiger Unterhaltsberechtigten und zur Deckung des Selbstbehalts nicht aus, ist der nach Abzug des Selbstbehalts des Unterhaltspflichtigen verbleibende Betrag auf die Unterhaltsberechtigten im Verhältnis ihrer jeweiligen Einsatzbeträge zu verteilen.
24.2 Die Einsatzbeträge im Mangelfall belaufen sich
24.2.1 bei minderjährigen und diesen nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB gleichgestellten Kindern nach den jeweiligen Zahlbeträgen der Einkommensgruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle
24.2.2 bei getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten und bei mit dem Pflichtigen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten sowie bei nach § 1615l BGB Unterhaltsberechtigten nach ihren jeweiligen ungedeckten Bedarfsbeträgen.
24.3 Die prozentuale Kürzung berechnet sich nach der Formel: K = V : S x 100
K = prozentuale Kürzung
S = Summe der Einsatzbeträge aller Berechtigter
V = Verteilungsmasse (Einkommen des Verpflichteten abzüglich Selbstbehalt)
24.4 nicht belegt
Sonstiges
25. Rundung
Der Unterhaltsbetrag ist auf volle Euro aufzurunden.