OLG Stuttgart: Vorlage des Arbeitsvertrages im Rahmen der Auskunftspflicht

OLG Stuttgart: Vorlage des Arbeitsvertrages im Rahmen der Auskunftspflicht

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Ludwigsburg vom 12. Februar 2009 (1 F 590/08) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert: 601 EUR

Gründe

I.

Die Parteien streiten in der Auskunftsstufe über Trennungsunterhalt für die Klägerin.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht den Beklagten – soweit die Hauptsache nicht schon übereinstimmend für erledigt erklärt worden war – verurteilt, der Klägerin Auskunft über sein Einkommen aus nicht selbstständiger Arbeit für die Zeit vom 01.05.2008 bis 31.12.2008 und über diesbezüglich selbstgetragene Aufwendungen für die soziale Sicherung durch ein systematisch geordnetes Verzeichnis zu geben und diese Auskünfte durch detaillierte Lohn-, Gehalts- oder Bezügeabrechnungen, durch Abrechnungen über Spesen und andere Nebenleistungen und, soweit betroffen, über Provisionsabrechnungen zu belegen. Den Antrag auf Vorlage des Arbeitsvertrags hat das Amtsgericht abgewiesen. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Ergänzend ist festzustellen, dass der Tätigkeits- und Verantwortungsbereich des Beklagten ab Frühjahr 2008 eine Erweiterung erfahren hat. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren Ausdrucke der Internetseite … vorgelegt. Der Beklagte hat die Kopie der Erklärung seines Arbeitgebers gegenüber dem Finanzamt zum Einkommen des Beklagten vorgelegt.

Gegen die insoweit erfolgte Klagabweisung wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Zur Begründung trägt sie vor, die Vorlage des Arbeitsvertrags sei erforderlich, weil sich nur daraus alle Vergütungsbestandteile ergäben. Sie verweist auf Informationen auf der Internetseite des Arbeitgebers des Beklagten zur Vergütung der Führungskräfte. Daraus ergebe sich, dass Belegschaftsaktien und variable Gehaltsbestandteile, die sich am Unternehmensergebnis orientierten, 30% der Vergütung ausmachten (…). Diese seien aus den Gehaltsmitteilungen nicht ersichtlich, schon deshalb nicht, weil Belegschaftsaktien nach italienischem Steuerrecht bis zu einem Betrag von 2.065,83 EUR nicht steuerpflichtig seien. Außerdem sei nicht auszuschließen, dass der Erweiterung der geschäftlichen Verantwortung des Beklagten zeitlich später auch eine Anhebung der Vergütung folge, was ebenfalls arbeitsvertraglich vereinbart sein könne. Auch gäben die Gehaltsmitteilungen nicht den vollen Wert der vom Beklagten bezogenen Essensmarken wieder. Früher sei sie regelmäßig damit Lebensmittel einkaufen gegangen. Schließlich unterscheide sich die Aufstellung des Arbeitgebers zum Jahresgehalt von der Auskunft des Sozialversicherungsträgers. Nach Letzterer sei das Gehalt höher.

Die Klägerin beantragt:

Der Beklagte wird in Abänderung des Teil-Urteils des Amtsgerichts Ludwigsburg, Az.: 1 F 590/08, vom 12.02.2009 verurteilt, seinen Arbeitsvertrag (in der aktuellen Fassung) mit allen Zusätzen vorzulegen.

Der Beklagte beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Er bestreitet bereits eine Beschwer, weil sich die Durchsetzbarkeit der Ansprüche der Klägerin mit der Vorlage des Arbeitsvertrags nicht erhöhe. Er habe umfassend Auskunft erteilt. Er bekräftigt seine Ansicht, dass alle Gehaltsbestandteile aus den Gehaltsmitteilungen sichtbar seien und es überhaupt keinen Anhaltspunkt gebe, weitere zu vermuten. Er verweist auf bereits in erster Instanz vorgelegte Bescheinigungen seiner Firma, wonach er nur das erhalte, was in den Gehaltsbescheinigungen mitgeteilt werde, wonach Arbeitgeber in Italien von Gesetzes wegen verpflichtet seien, sämtliche Vergütungsbestandteile in der Gehaltsabrechnung aufzuführen, wonach sein gesamtes Gehalt nur vom italienischen Arbeitgeber bezahlt werde und wonach er keine Gehaltserhöhung aufgrund der Tätigkeitserweiterung erhalte. Der Gehaltsunterschied zwischen der Aufstellung des Arbeitgebers und der Sozialversicherung ergebe sich daraus, dass in deren Mitteilung die an sie geflossenen Zahlungen enthalten seien.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Eine Pflicht zur Vorlage des Arbeitsvertrags als Beleg für die Auskünfte über das Einkommen des Beklagten nach §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1605 BGB besteht nicht.

1. Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung besteht nur, soweit ohne sie der Unterhaltsanspruch nicht bemessen werden kann. Für in der Vergangenheit liegende Zeiträume ist auf die in dieser Zeit tatsächlich erzielten Einkünfte zurückzugreifen. Die Bemessung des Unterhaltsanspruchs für die Zukunft beruht auf einer Einkommensprognose, die ihrerseits auf den Werten der Vergangenheit beruht (BGH, FamRZ 2007, 1534; Wendl/Dose, Unterhaltsrecht § 1 Rdn. 11, 50, 54, 672).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Verpflichtung zur Vorlage von Belegen, deren Anspruch nicht über den Auskunftsanspruch hinausgehen kann, in der Regel erfüllt, wenn eine Verdienstbescheinigung vorgelegt wird, die für den nachzuweisenden Zeitraum lückenlos sämtliche Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis ausweist mit der Folge, dass der Auskunftsberechtigte nicht die Vorlage weiterer Dokumente – etwa des Arbeitsvertrags – verlangen kann (BGH FamRZ 1994, 28/29). Eine Vorlagepflicht besteht danach nicht ohne weiteres allein aufgrund des Umstands, das der Auskunftspflichtige im Ausland arbeitet (wohl weitergehend OLG München, FamRZ 1993, 2002). Die vom Beklagten vorgelegten Belege erfüllen diese Voraussetzungen.

Der Beklagte hat Gehaltsmitteilungen für den Zeitraum von zwei Jahren vorgelegt, die die Gehaltsbestandteile nach vertraglich geregeltem Mindestgehalt, einem Dienstalterzuschlag, einem weiteren Superminimum und variablem Zusatzelement aufzeigen und über Steuern, Sozialbeiträge, Rücklagen für eine Abfindung im Fall späterer Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie über weitere Bestandteile Auskunft geben. Es ist dezidiert erkennbar, welches Gehalt der Beklagte im Monat brutto verdient und welches ihm nach Abzug von Steuern und weiteren Rücklagen ausbezahlt wird. Lücken sind in diesen Gehaltsbescheinigungen nicht erkennbar.

Ergänzend stehen beiden Parteien ausweislich des – nur in Ziffer 3 angefochtenen – Urteils des Amtsgerichts Auskunfts- und Belegansprüche zur Verfügung, die beidseits noch nicht erfüllt, im Bedarfsfall aber der Zwangsvollstreckung zugänglich sind.

2. Arbeitsverträge enthalten regelmäßig nicht nur Bestimmungen zur Vergütung der Arbeitstätigkeit. Die Offenlegung darin enthaltener Regelungen individueller Verhältnisse steht mit dem Auskunftsanspruch des Unterhaltsberechtigten im Widerstreit. Dabei ist dem Auskunftsanspruch im Rahmen des Gesetzeszwecks (§ 1605 BGB) der Vorrang zu geben (BGH, OLG München je a. a. O.), die Verpflichtung zur Vorlage des Arbeitsvertrags also dann zu bejahen, wenn durch andere Urkunden die tatsächliche Höhe der insgesamt bezogenen Einkünfte nicht ausreichend belegt werden kann. Angesichts des Umstands, dass beide Parteien bis heute ihrer jeweiligen Verpflichtung zur Auskunftserteilung ungeachtet der entsprechenden Titulierung nicht nachgekommen sind, ist nicht auf den tatsächlichen, sondern den durch den bestehenden Auskunftsanspruch erzielbaren Kenntnisstand abzustellen.

Soweit die Klägerin zu möglichen, aus den Gehaltsbescheinigungen nicht erkennbaren Gehaltsbestandteilen vorträgt, ergibt sich auch daraus keine Pflicht zur Vorlage des Arbeitsvertrags.

a) Das gilt hinsichtlich etwaiger nicht steuerpflichtiger Belegschaftsaktien. Aktien sind -wie schon das Amtsgericht festgestellt hat – Vermögensbestandteil. Sie stellen kein Einkommen dar. Auskunft über das Vermögen hat die Klägerin aber nicht beantragt. Soweit etwa erhaltene Aktien Gewinn bringen, stellen sie Einkommen dar. Ein solcher kann aber nicht durch die Vorlage des Arbeitsvertrags belegt werden.

b) Das gilt ebenfalls für die Möglichkeit, dass Beiträge an Pensionsfonds bis zur Höhe von 5.164,57 EUR möglicherweise nicht ausgewiesen sein könnten. Die Auskunfts- und damit eine Belegpflicht besteht nicht, soweit ausgeschlossen werden kann, dass die Auskunft den Unterhaltsanspruch beeinflussen kann. Das ist hier der Fall. Da die Gehaltsmitteilungen hinsichtlich der Brutto- und Nettobeträge in sich schlüssig sind, könnten zusätzliche Zahlungen an einen Pensionsfonds nur aus einem nicht ausgewiesenen „zusätzlichen“ Bruttogehalt erfolgen. Sie würden damit den Unterhaltsanspruch weder zugunsten der Klägerin noch zu ihren Lasten beeinflussen, da sie in dem Fall auch nicht als Abzugsposten vom bekannten Brutto- oder Nettogehalt vom Beklagten geltend gemacht werden könnten.

c) Auch Spesen und Reisekostenerstattungen werden nicht durch den Arbeitsvertrag, sondern durch die einzelnen Abrechnungen belegt. Ihre Auskunftserteilung ist unter Ziffer 1a) tituliert.

d) Eine Vorlagepflicht besteht auch nicht wegen der behaupteten Diskrepanz zwischen den Angaben des Arbeitgebers zum Bruttogehalt und dem von der italienischen Sozialversicherung mitgeteilten Einkommen. Der Beklagte hat schlüssig erklärt und nachgewiesen, dass die vom Sozialversicherungsträger vorgelegten Mitteilungen das Bruttogehalt einschließlich aller Sozialabgaben beinhalten. Dies lässt sich anhand des vorgelegten Certificato Unico Dipendente – Erklärung des Arbeitgebers gegenüber dem Finanzamt zum Einkommen des Beklagten – nachvollziehen.

e) Der Arbeitsvertrag muss auch nicht vorgelegt werden, weil eventuell eine Gehaltserhöhung erst für einen späteren Zeitpunkt als das Jahr 2008 vereinbart sein könnte. Der Beklagte hat den Zeitraum, über den er Auskunft zu erteilen hat, nämlich von Januar 2007 bis Dezember 2008 mit sämtlichen Gehaltsmitteilungen für diese beiden Jahre belegt sowie Bestätigungen des Arbeitgebers vorgelegt, wonach er weder eine Gehaltserhöhung erhalten noch ein höheres Gehalt erhalten hat als sich aus den Gehaltsmitteilungen ergibt. Gehälter sind immer der Möglichkeit von Veränderungen ausgesetzt. Selbst im von der Auskunft umfassten Zeitraum sind insoweit Veränderungen eingetreten, die sich gerade aus den Gehaltsmitteilungen ergeben und damit hinreichend belegt sind. Solchen Veränderungen in der Zukunft kann durch die in § 1605 Abs. 2 BGB normierte Pflicht zur Auskunft nach zwei Jahren, hier ggf. früher hinreichend Rechnung getragen werden, wenn die Klägerin glaubhaft macht, dass der Beklagte wesentlich höhere Einkünfte erworben hat. Sofern der Beklagte in der Zukunft ein höheres Gehalt erhalten sollte, kann dies im Wege der Abänderungsklage geltend gemacht werden. Ein Auskunftsanspruch hinsichtlich zukünftiger Umstände besteht nicht (OLG Karlsruhe, FamRZ 1987, 297).

f) Schließlich kann der Senat auch keine Vorlagepflicht hinsichtlich etwa vom Arbeitgeber zu leistender Essensmarken/-gutscheine erkennen. Der Umstand, dass dem Beklagten Essensmarken/-gutscheine zustehen, ist der Klägerin bekannt, weil sie eine solche Praxis selbst vorgetragen hat. In den Gehaltsmitteilungen ist auch ein figurativer Mahlzeitenzuschuss in Höhe von 0,21 EUR pro Arbeitstag ausgewiesen. Der Nachweis entsprechender Zulagen ist in Ziff. 1a) tituliert. Selbst soweit die Höhe des Mahlzeitenzuschusses im Arbeitsvertrag geregelt sein sollte, erscheint eine Pflicht zur Vorlage angesichts des Stellenwerts des Betrags im Vergleich zum (Bar-)Gehalt des Beklagten einerseits und zu den übrigen Regelungen in einem Arbeitsvertrag andererseits nicht geboten. Hier überwiegt das Interesse des Beklagten, seine individuellen Verhältnisse nicht offenzulegen.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, § 621 Abs. 1 Nr. 4, 543 ZPO.

OLG Stutggart, Urteil vom 11.08.2009
17 UF 73/09

AG Ludwigsburg, Teilurteil vom 12.02.2009
1 F 590/08

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