OLG Stuttgart: Verjährung güterrechtlicher Ansprüche bei Tod des Ehegatten

OLG Stuttgart: Verjährung güterrechtlicher Ansprüche bei Tod des Ehegatten

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Ulm vom 27.05.2024, Az. 3 F 39/24, bezüglich der Kostenentscheidung dahingehend abgeändert, dass die Antragstellerin die erstinstanzlichen Kosten zu tragen hat, mit Ausnahme der Kosten der Säumnis der Antragsgegnerin, welche die Antragsgegnerin zu tragen hat.

2. Im Übrigen bleibt der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Ulm vom 27.05.2024 aufrechterhalten.

3. Die Beschwerde wird im Übrigen zurückgewiesen.

4. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

5. Der Verfahrenswert in erster Instanz sowie der Beschwerdewert werden auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin verfolgt im Wege des Stufenantrags einen Anspruch auf Auskunftserteilung zur Ermittlung eines möglichen Zugewinnausgleichsanspruchs.

Die Antragstellerin ist die Schwester und Rechtsnachfolgerin der am 30.10.2019 verstorbenen R. N. R. N. und der im Zeitraum zwischen 04.08.2017 und 05.08.2017 verstorbene E. N. waren Eheleute. Die Antragsgegnerin ist die Rechtsnachfolgerin des Ehemanns E. N., welcher zunächst durch seinen Bruder O. N. und nach dessen Tod am 10.01.2023 durch die Antragsgegnerin beerbt wurde.

Die verstorbenen Eheleute R. und E. N. hatten am 01.06.2001 die Ehe miteinander geschlossen. Sie lebten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Aus der Ehe sind keine gemeinsamen Kinder hervorgegangen. Die Eheleute hatten auch keine einseitigen Abkömmlinge. Spätestens seit dem Jahr 2005 lebten sie dauerhaft voneinander getrennt. Der verstorbene Ehemann hat mit Antrag vom 07.04.2017 im Verfahren 3 F 484/17 beim Amtsgericht Ulm Scheidungsantrag gestellt, welcher am 26.04.2017 an den Verfahrensbevollmächtigten der damals noch lebenden Ehefrau zugestellt wurde. Die Antragstellerin wurde zum damaligen Zeitpunkt von ihrer Schwester R. N. aufgrund einer erteilten Vollmacht vertreten. Der verstorbene Ehemann hatte keine letztwillige Verfügung errichtet, so dass die gesetzliche Erbfolge eintrat und er von seinem Bruder O. N. beerbt wurde. Der am 10.01.2023 verstorbene O. N. wurde zunächst im hiesigen Verfahren als Antragsgegner bezeichnet, war zum Zeitpunkt der Antragstellung jedoch bereits verstorben.

Der vormalige Antragsgegner O. N. stellte am 25.01.2018 zum Nachlassgericht Ulm einen Erbscheinsantrag, welchem die Ehefrau mit der Begründung, ihr gesetzliches Erbrecht sei durch den Scheidungsantrag nicht ausgeschlossen, entgegentrat. Mit Schreiben vom 03.05.2018 forderte sie den Bruder des Ehemanns dazu auf, Auskunft über das Endvermögen des verstorbenen Ehemanns zum Stichtag 26.04.2017 zu erteilen und dieses zu belegen.

Mit Beschluss des Nachlassgerichts Ulm vom 26.03.2019 (Az. A 10 VI 49/18) wurden die zur Erteilung des Erbscheins gemäß Antrag vom 25.01.2018 erforderlichen Tatsachen als festgestellt erachtet, jedoch die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses ausgesetzt und die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurückgestellt. Die gegen den Beschluss des Nachlassgerichts eingelegte Beschwerde der zwischenzeitlich verstorbenen Ehefrau wurde durch das Oberlandesgericht Stuttgart mit Beschluss vom 12.05.2020 zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 18.06.2018 ordnete das Nachlassgericht auf Antrag der durch den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vertretenen Ehefrau zur Sicherung und Verwaltung des Nachlasses eine Nachlasspflegschaft an. Der Erbschein wurde am 30.09.2020 erteilt.

Mit Stufenantrag vom 29.12.2023 zum Amtsgericht – Familiengericht – Ulm beantragte die Antragstellerin wie folgt:

I. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über das

I.1 Endvermögen des Erblassers zum 26.04.2017

I.2 Trennungsvermögen des Erblassers zum 01.08.2005

I.3 Anfangsvermögen des Erblassers zum 01.06.2001 durch Vorlage eines systematischen Bestandsverzeichnisses, das alle zu den jeweiligen Stichtagen vorhandenen Aktiva und Passiva enthält nebst Angabe der jeweils wertbildenden Faktoren.

II. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Auskunft zu Ziffer 1 jeweils durch Belege nachzuweisen.

III. Der Beklagte wird verurteilt, wegen der nach Ziff. 1 zu beauskunftenden Vermögenswerte eine Wertermittlung zu den nach der Auskunft maßgeblichen Stichtagen vorzulegen und zwar in Form eines Sachverständigengutachtens, soweit dies Grundbesitz, Wertgegenstände und Sachgesamtheiten betrifft, und zwar jeweils bezogen auf die in Ziff. 1.1, 1.2 und 1.3 bezeichneten Zeitpunkte.

IV. Der Beklagte wird weiter verurteilt, die nach Ziffer 1, II und III vorzulegende Auskunft bezüglich Richtigkeit und Vollständigkeit an Eides Statt zu versichern, dass die dort enthaltenen Angaben nach bestem Wissen so vollständig angegeben sind, wie sie dazu in der Lage ist.

V. Der Beklagte wird nach Erledigung der vorstehenden Anträge in der Leistungsstufe verurteilt, an die Klägerin zur Abgeltung des ehelichen Zugewinnausgleichs entsprechend der erteilten Auskunft nach dem in Ziff. I genannten Erblasser zu bezahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

VI. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites unter Einschluss der der Klägerin entstandenen außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.

Nachdem die Antragsgegnerin ihre Verteidigungsbereitschaft nicht rechtzeitig anzeigte, erließ das Familiengericht den Teilversäumnisbeschluss vom 10.04.2024, wogegen die Antragsgegnerin fristgerecht Einspruch einlegte.

Die Antragsgegnerin beantragte wie folgt:

1. den Antrag in allen Stufen zurückzuweisen

2. der Antragstellerin die Tragung der Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Antragstellerin stellte in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 13.05.2024 die vorstehend zitierten Anträge Ziffer 1 und 2 aus der Antragsschrift vom 29.12.2023.

Erstinstanzlich brachte die Antragstellerin vor, die Erbfolge nach dem verstorbenen Ehemann sei unter den Beteiligten bzw. den Rechtsvorgängern streitig gewesen. Sie habe im Erbscheinsverfahren die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen für das Getrenntleben hätten nicht vorgelegen. Das Oberlandesgericht sei ihrer Ansicht jedoch nicht gefolgt. Die verstorbene Ehefrau habe ihr gesetzliches Erbrecht verloren und könne Zugewinnausgleich beanspruchen. Dieser Anspruch sei auf die Antragstellerin im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen. Verjährung sei aus Sicht der Antragstellerin nicht eingetreten.

Bis zur Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart sei die Erbfolge nicht abschließend geklärt gewesen. Ein Erbschein sei bis dahin nicht erteilt worden. Über die Person des Passivlegitimierten habe ebenfalls Unklarheit bestanden. Auch im Jahr 2018 habe Unklarheit über die Person des Anspruchsverpflichteten bestanden, ferner über die Frage, ob dies insoweit überhaupt von Relevanz sei, da von Seiten der Antragstellerin von einer Alleinerbschaft der verstorbenen Ehefrau ausgegangen worden sei. Der Eintritt der Verjährung setze Kenntnis der Person des Anspruchsverpflichteten voraus, welche gefehlt habe.

Die Antragsgegnerin beruft sich auf Verjährung und Verwirkung. Sie ist der Ansicht, die Antragstellerin habe bereits im Jahr 2017 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen erlangt. Sowohl die langjährige Trennung als auch die Zustellung des Scheidungsantrags seien R. N. und dem Verfahrensbevollmächtigten als Wissensvertreter bekannt gewesen. Sie hätte jedoch nicht die richtigen rechtlichen Schlüsse hieraus gezogen. Spätestens mit Beschluss des Nachlassgerichts Ulm vom 26.03.2019 sei sie über alle Gründe und rechtlichen Folgerungen aus dem bekannten Sachverhalt informiert gewesen. Für den Beginn der Verjährung komme es nicht darauf an, ob die Antragstellerin die richtigen rechtlichen Schlüsse gezogen habe. Ferner beruft sich die Antragsgegnerin auf Verwirkung, da die Antragstellerin nie auf ihr Schreiben vom 03.05.2018 zurückgekommen sei.

Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 27.05.2024 den Teilversäumnisbeschluss vom 10.04.2024 aufgehoben, die Anträge der Antragstellerin insgesamt zurückgewiesen und die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin auferlegt. Das Familiengericht ging von Verjährung und Verwirkung der Ansprüche aus.

Gegen diesen Beschluss, der ihr am 03.06.2024 zugestellt wurde, wehrt sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde vom 28.06.2024, welche am selben Tag beim Amtsgericht einging und welche sie mit Schriftsatz vom 26.09.2024 innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist begründete.

Die Antragstellerin wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie bemängelt, dass das Familiengericht Verjährung und Verwirkung ihrer Ansprüche angenommen hat. Die Antragstellerin ist der Ansicht, eine formelle Klärung des Erbrechts sei erst mit Zurückweisung der Beschwerde durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12.05.2022 erfolgt. Die Entscheidung des Nachlassgerichts habe nicht den Schluss zugelassen, dass eine anderslautende Entscheidung über das Erbrecht als ausgeschlossen angesehen werden musste.

Zweifel seien vor dem erteilten Hinweis des Beschwerdegerichts vom 17.01.2020 nicht gegeben gewesen. Aus Sicht der Antragstellerin habe auch nach dem Beschluss des Nachlassgerichts bis zur Vorlage der Entscheidung des Beschwerdegerichts, zumindest aber bis zu Hinweisverfügung vom 17.01.2020 nicht ausgeschlossen werden können, dass das Beschwerdegericht zu einem anderen Ergebnis gelange als das Nachlassgericht. Eine sichere Kenntnis über die formal festgestellte Erbrechtslage habe nicht vor Mai 2020 bestanden. Der Lauf der Verjährung habe daher erst mit Ablauf des 31.12.2020 begonnen. Eine Verwirkung scheitere am fehlenden Umstands- und Zeitmoment. Ferner rügt die Antragstellerin, dass die Kosten der Säumnis der Antragsgegnerin aufzuerlegen gewesen wären.

Die Antragstellerin beantragt in der Beschwerdeinstanz wie folgt:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der am 27.05.2024 verkündete, der Antragstellerin am 27.05.2024 zugestellte Beschluss des Amtsgerichts Ulm Familiengericht (Az. 3 F 39/24) wie folgt abgeändert und neu gefasst:

I. Der Teil-Versäumnisbeschluss vom 10.04.2024 wird aufrechterhalten.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten in beiden Rechtszügen.

Die Antragsgegnerin beantragt in der Beschwerdeinstanz wie folgt:

1. die Beschwerde zurückzuweisen,

2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und bringt vor, dass es unstreitig sei, dass die Antragstellerin von allen Umständen, welche für das Entfallen ihres Erbrechtes und damit die Entstehung des Pflichtteilsanspruches maßgeblich gewesen seien, dem Tod des Ehemanns, der Zustellung des Scheidungsantrages und dem Vorliegen der Scheidungsvoraussetzungen, unmittelbare eigene Kenntnis hatte. Für ernsthafte Zweifel sei kein Raum, da es um eine rechtliche Beurteilung auf Grund einer klaren und sofort bekannten Tatsachengrundlage gehe. Dies sei eine andere Fallgestaltung, als in solchen Fällen, in welchen eine schwierige Ermittlung der Tatsachengrundlage durch Beweiserhebung zur wirksamen Errichtung einer letztwilligen Verfügung oder durch Auslegung einer letztwilligen Verfügung vorzunehmen sei.

Spätestens mit der Entscheidung des Nachlassgerichts Ulm vom 23.03.2019 müsse auch die Antragstellerin erkannt haben, dass vernünftige Zweifel am Entfallen des Ehegattenerbrechts nicht aufrechterhalten bleiben könnten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze und den gesamten Akteninhalt verwiesen. Die Akte des Amtsgerichts Ulm zum Scheidungsverfahren (AG Ulm 3 F 484/17) und die Nachlassakte des Notariats Ulm (A 10 VI 49/18) wurden beigezogen.

II.

Der Senat entscheidet gemäß §§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 S. 2 FamFG nach vorangegangenem Hinweis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung, da eine solche bereits erstinstanzlich stattgefunden hat und von der erneuten Durchführung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

Die gemäß §§ 58 ff., 117 Abs. 1 FamFG zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist nur bezüglich der Kostenentscheidung, wie aus dem Tenor ersichtlich, begründet.

1.) Das Amtsgericht hat den Anspruch der Antragstellerin auf Auskunftserteilung nach § 1379 BGB und auch den Zugewinnausgleichsanspruch nach §§ 1371 Abs. 2, 1378 BGB zu Recht als verjährt angesehen und folglich den gesamten Stufenantrag abgewiesen.

a.) Die einheitliche Entscheidung über mehrere in dem Stufenantrag verbundene Anträge war im vorliegenden Fall zulässig, da sowohl der Auskunftsanspruch als auch der Anspruch auf Zugewinnausgleich verjährt sind und damit auch dem Leistungsantrag die materiell-rechtliche Grundlage fehlt (MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 254 Rn. 20).

b.) Der aufgrund der Säumnis der Antragsgegnerin nach §§ 113 FamFG, 331 Abs. 3 ZPO erlassene Teil-Versäumnisbeschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Ulm vom 10.04.2024 wurde daher durch das Amtsgericht zu Recht gemäß § 343 ZPO aufgehoben.

2.) Der Anspruch der Antragstellerin auf Zugewinnausgleich nach §§ 1371 Abs. 2, 1378 BGB entsteht mit Beendigung des Güterstandes und ist nach § 1378 Abs. 3 S. 1 BGB ab diesem Zeitpunkt auch vererblich. Auch der Auskunftsanspruch entsteht mit Beendigung des Güterstandes.

a.) Der Güterstand wurde durch den Tod des Ehemanns am 05.08.2017 beendet (§ 1371 Abs. 1 BGB). Die Ehefrau R. N. ist jedoch nicht Erbin geworden, da zum Zeitpunkt des Versterbens des Ehemanns E. N. die Voraussetzungen für die Scheidung vorlagen (§ 1933 BGB). Dies ist zwischenzeitlich unstreitig und wurde sowohl durch das Nachlassgericht, als auch das Oberlandesgericht Stuttgart im Verfahren 8 W 148/19 zutreffend festgestellt. Weitere Ausführungen erübrigen sich daher.

b.) Der Anspruch nach § 1379 BGB auf Auskunftserteilung bei Beendigung des Güterstandes und auch der Anspruch auf Zugewinnausgleich nach § 1378 BGB sind bereits vor Eintritt des Todes der Ehefrau entstanden und auf die Antragstellerin nach § 1922 BGB als Rechtsnachfolgerin übergegangen.

c.) Anspruchsgegner und Ausgleichsschuldner ist nach dem Versterben des Ehemanns zunächst dessen Bruder, der vormalige Antragsgegner O. N. Nach dessen Versterben ist die Antragsgegnerin als Alleinerbin Schuldnerin des Auskunfts- und Ausgleichsanspruchs geworden.

3.) Verjährung

Der Anspruch nach §§ 1371 Abs. 2, 1378 BGB und auch der Auskunftsanspruch nach § 1379 BGB sind mit Ablauf des Jahres 2022 verjährt, so dass die Antragsgegnerin nach § 214 Abs. 1 BGB dauerhaft berechtigt ist, die Leistung zu verweigern.

Die Antragsgegnerin hat die Einrede der Verjährung erhoben und sowohl Beginn als auch Ablauf der Verjährungsfrist zur Überzeugung des Senats bewiesen.

a.) Der Anspruch nach § 1378 Abs. 1 BGB verjährt nach den allgemeinen Verjährungsvorschriften, §§ 195 ff. BGB. Die verjährungsrechtliche Sondervorschrift des § 1378 Abs. 4 BGB wurde zum 01.01.2010 durch das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts v. 24.9.2009 (BGBl. 2009 I 3142) aufgehoben. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt nach § 195 BGB drei Jahre.

b.) Die Verjährung des Anspruchs nach §§ 1371 Abs. 2, 1378 BGB beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger, hier die verstorbene Ehefrau, Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Abweichend von der früheren Regelung des § 1378 Abs. 4 BGB kommt es nicht mehr auf die Kenntnis der Beendigung des Güterstandes an.

Auch der Verweis auf die Vorschriften, die für die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs gelten, ist entfallen. Wegen seiner unselbständigen Natur beginnt die Verjährung des Auskunftsanspruchs nach § 1379 BGB gleichzeitig mit der Verjährung des Zahlungsanspruchs auf Zugewinnausgleich, zu dessen Berechnung sie dienen soll (BGH, Beschluss vom 31. Januar 2018 – XII ZB 175/17 -, FamRZ 2018, 581 bis 584, juris).

aa.) Auskunfts- und Ausgleichsanspruch sind mit dem Tod des Ehemanns am 05.08.2017 entstanden.

bb.) Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB

Anspruchsbegründende Umstände für den Ausgleichsanspruch nach §§ 1371 Abs. 2 BGB, 1378 BGB und folglich für den Auskunftsanspruch sind im vorliegenden Fall die Beendigung des Güterstandes durch den eingetretenen Tod des Ehemanns und der Ausschluss des Erbrechts der Ehefrau nach § 1933 BGB. Für den Beginn der Verjährungsfrist kommt es auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in der Person der verstorbenen Ehefrau an. Der Anspruch geht mit der in Gang gesetzten Verjährung nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Antragstellerin über (jurisPK-BGB/Lakkis, 10. Aufl., § 199 BGB (Stand: 14.01.2025) Rdn. 179; BGH, Urteil vom 30. April 2014 – IV ZR 30/13 -, FamRZ 2014, 1101, juris Rn. 13.). Die verstorbene Ehefrau muss sich auch das Wissen des mit der Geltendmachung von Zugewinnausgleichsansprüchen und Auskunftsansprüchen beauftragten Verfahrensbevollmächtigten gem. § 166 BGB als Wissensvertreter zurechnen lassen (vgl. hierzu jurisPK a.a.O. Rdn. 184 m.w.N.). Ebenso muss sich die verstorbene Ehefrau nach den Grundsätzen des § 166 BGB das Wissen der für sie im Rahmen der erteilten Vollmacht tätig gewordenen Antragstellerin zurechnen lassen.

Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen hat die verstorbene Ehefrau bzw. die Antragstellerin erst, wenn sie um die zur Beendigung des Güterstandes führenden Tatsachen weiß und sie in ihrer rechtlichen Bedeutung erfasst hat (MüKoBGB/Koch, 9. Aufl. 2022, BGB § 1378 Rn. 42).

Statt der positiven Kenntnis reicht gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB aber aus, dass der Ausgleichsberechtigte die Kenntnis der Beendigung des Güterstands ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB liegt dann vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder dasjenige nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen.

Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung vorgeworfen werden können (BGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – VII ZR 422/21 -, MDR 2022, 1279, juris Rdn. 16). Dabei bezieht sich die grob fahrlässige Unkenntnis ebenso wie die Kenntnis auf Tatsachen, auf alle Merkmale der Anspruchsgrundlage und bei der Verschuldenshaftung auf das Vertretenmüssen des Schuldners. Dagegen ist grundsätzlich nicht vorausgesetzt, dass der Gläubiger hieraus die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Ausreichend ist, wenn dem Gläubiger aufgrund der ihm grob fahrlässig unbekannt gebliebenen Tatsachen hätte zugemutet werden können, zur Durchsetzung seiner Ansprüche gegen eine bestimmte Person aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos, Klage – sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage – zu erheben (BGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – VII ZR 422/21 -, MDR 2022, 1279, juris, Rdn. 17).

Die Voraussetzungen hierfür lagen spätestens zum Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts Ulm, Nachlassgericht, vom 26.03.2019 vor. Der Beschluss befasst sich umfassend mit sämtlichen rechtlichen Fragen, so dass der Ehefrau bereits im Jahr 2019 möglich gewesen wäre, einen hinreichend aussichtsreichen Stufenantrag gegen den Bruder des verstorbenen Ehemanns zu stellen. Die Ehefrau hat zu diesem Zeitpunkt grob fahrlässig nicht erkannt, dass sie gemäß § 1933 BGB nicht zum Erben berufen wurde. Sie wusste zudem vom Tod des Ehemanns, von der Zustellung des Scheidungsantrags und von der langjährigen Trennung.

Auch wenn man nach der eingetretenen Änderung hinsichtlich der Verjährungsvorschriften noch Besonderheiten für die Verjährung in Fällen der Beendigung des Güterstandes annehmen möchte (vgl. hierzu Staudinger/Thiele (2017) BGB § 1378, Rdn. 30), so genügt es, wenn die Antragstellerin die in Betracht kommenden Umstände zuverlässig erfahren hat, sodass ein genügender Grund zu Zweifeln nicht mehr besteht (Staudinger/Thiele (2017) BGB § 1378, Rdn. 30).

Darauf, ob sie die richtigen rechtlichen Schlüsse zieht, kommt es nicht an. Grundsätzlich wird auf einen (meist hypothetischen) rechtskundigen Gläubiger abgestellt. Ein Rechtsirrtum bzw. die falsche Gesetzesanwendung oder rechtliche Zweifel beeinflussen nicht den Lauf der Verjährungsfrist. Dies gilt allgemein für jede Art nicht zutreffender rechtlicher Beurteilung der Tatsachenlage (jurisPK-BGB/Lakkis, 10. Aufl., § 199 BGB (Stand: 14.01.2025) Rdn. 108).

Die inzwischen verstorbene Ehefrau und die Antragstellerin sind zwar juristische Laien, waren jedoch auch bezüglich der Geltendmachung des Zugewinnausgleichsanspruchs ausweislich des Schreibens des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 03.05.2018 durch diesen vertreten.

Selbst wenn sie zu diesem Zeitpunkt nicht anwaltlich vertreten gewesen wären, hätten sie, auch zu der Frage des Beginns der Verjährungsfrist, rechtskundigen Rat einholen können.

Nach Ansicht des Senats kommt es im vorliegenden Fall für den Beginn der Verjährungsfrist auch nicht auf die Frage an, ob das Erbscheinsverfahren abgeschlossen ist und die Alleinerbenstellung des Bruders des verstorbenen Ehemanns festgestellt wurde. Nach der Gesetzesänderung kommt es auf die Kenntnis des Überlebenden davon, dass er nicht Erbe oder Vermächtnisnehmer geworden ist, nicht mehr an. Zweck der Gesetzesänderung war die Harmonisierung des Verjährungsrechts und die Anpassung der Verjährung familienrechtlicher Ansprüche an die Regelverjährung (BT-Drs 16/8954, 15), was dafür spricht, die Vorschrift des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB einheitlich auszulegen (vgl. hierzu Erman/Budzikiewicz BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 1378 BGB, Rdn. 21) und auch nicht in Fällen der Beendigung des Güterstandes durch den Tod eines Ehegatten eine andere Auslegung der Verjährungsvorschrift vorzunehmen. Im Gesetzentwurf (BT-Drs 16/8954, Seite 15) wird hierzu ausgeführt, dass die Anpassung zwar zu einer Schlechterstellung des Ausgleichsgläubigers führe, dies aber der gewünschten Harmonisierung entspreche. In dem Verjährungsbeginn erst mit Jahresschluss anstelle des bisherigen Zeitpunktes, zu dem der Ehegatte Kenntnis von der Beendigung des Güterstandes erlange, liege eine überschaubare Verlängerung des Verjährungslaufs von drei Jahren. Hierdurch würden Schwierigkeiten bei der Bestimmung des genauen Zeitpunkts der Kenntniserlangung vermieden. Auch für den Fall der Beendigung des Güterstandes durch den Tod des anderen Ehegatten (§ 1371 Abs. 1 S. 1 BGB) entfalle die Sonderverjährung und werde durch die Regelverjährung ersetzt.

Eine Auslegung von § 199 Abs. 1 BGB dahingehend, dass es neben der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis vom Tod des Ehegatten auch auf die Kenntnis des Überlebenden davon, dass er nicht Erbe oder Vermächtnisnehmer geworden ist, ankomme (so Johannsen/Henrich/Althammer/Kohlenberg, 7. Aufl. 2020, BGB § 1378 Rn. 29), hält der Senat unter Verweis auf die obigen Ausführungen nicht für geboten.

Ein Grund, den Verjährungsbeginn bis zur Erteilung des Erbscheins oder bis zum rechtskräftigen Abschluss des Nachlassverfahrens hinauszuschieben, besteht im vorliegenden Fall nicht. Die verjährungsrelevante Kenntnis ist auch nicht deshalb nach hinten zu verlagern, um dem Gläubiger zu ermöglichen, das Ergebnis eines solchen Verfahrens abzuwarten und das Prozessrisiko gering zu halten (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2014 – V ZR 309/12, MDR 2015, 418 ff., juris Rn. 15).

Für den Beginn der Verjährungsfrist bedarf es keiner Kenntnis aller Einzelheiten zur präzisen Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruchs. Die Verjährung wird auch dann in Gang gesetzt, wenn zu dieser Zeit noch nicht übersehen werden kann, ob und in welcher Höhe überhaupt eine Ausgleichsforderung besteht. Es genügt, dass der Gläubiger auf Grund der ihm bekannten oder ohne grobe Fahrlässigkeit erkennbaren Tatsachen einen hinreichend aussichtsreichen, wenn auch nicht risikolosen Zugewinnausgleichsantrag oder zumindest einen entsprechenden Stufenantrag beim Familiengericht stellen kann(Johannsen/Henrich/Althammer/Kohlenberg, 7. Aufl. 2020, BGB § 1378 Rn. 27; Staudinger/Thiele (2017) BGB § 1371 Rdn. 69).

Die Möglichkeit des Ausschlusses des Ehegattenerbrechts hat der Verfahrensbevollmächtigte der Ehefrau und der Antragstellerin bereits im Schreiben vom 03.05.2018 in Betracht gezogen und den Verfahrensbevollmächtigten des verstorbenen O. N. (Rechtsanwalt L) „bereits jetzt“ aufgefordert, Auskunft über das Endvermögen des Erblassers zum Stichtag 26.04.2017 zu erteilen. Spätestens mit der Entscheidung des Nachlassgerichts vom 26.03.2019 gab es nach Ansicht des Senats keinen genügenden Grund mehr für Zweifel an dem Ausschluss des Ehegattenerbrechts. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt war es der anwaltlich vertretenen Ehefrau bzw. deren Vertreterin zumutbar, einen Stufenantrag zu stellen.

Im Jahr 2019 lebte der Bruder des Ehemanns noch, so dass sich Ehefrau bzw. die Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin nicht auf Unkenntnis der Person des Anspruchsgegners berufen kann. Als Erbe kam – neben der Ehefrau – nur O. N. in Betracht. Alleinerbin wäre sie nie geworden, sondern allenfalls Mieterbin neben dem Bruder des verstorbenen Ehemanns (§ 1931 Abs. 1 BGB). Dass sie Miterbin werden würde, war mit dem Beschluss des Nachlassgerichts allerdings derart unwahrscheinlich, dass ihr die Erhebung eines Stufenantrags gegen O. N. zu diesem Zeitpunkt zumutbar war. Zudem war mit Beschluss vom 16.08.2018 ein Nachlasspfleger bestellt worden, gegen den die Ehefrau zum damaligen Zeitpunkt den Stufenantrag hätte richten können.

Die Verjährung begann nach alledem Ende des Jahres 2019 zu laufen.

c.) Nach § 195 BGB ist die Verjährung sämtlicher mit dem Stufenantrag vom 29.12.2023 geltend gemachter Ansprüche daher am 31.12.2022 eingetreten.

d.) Der Ablauf der Verjährungsfrist war weder nach § 211 BGB noch nach § 207 BGB gehemmt. Die Antragseinreichung beim Familiengericht Ulm erfolgte erst am 29.12.2023 und damit nach Eintritt der Verjährung.

4.) Dahingestellt bleiben kann, ob Verwirkung der geltend gemachten Ansprüche eingetreten ist, nachdem der Senat überzeugt davon ist, dass die Ansprüche verjährt sind.

Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

III.

Die Kostenentscheidung der ersten Instanz beruht auf § 113 FamFG i.V.m. §§ 91, 344 ZPO. Nachdem die Antragstellerin unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen, mit Ausnahme der durch die Säumnis der Antragsgegnerin verursachten Kosten.

Die Kostenentscheidung der Beschwerdeinstanz beruht auf § 113 FamFG i.V.m. § 97 ZPO. Für die Kostenentscheidung nach § 97 ZPO ist allein der Antrag in der Hauptsache maßgeblich. Ein vollständiges oder teilweises Obsiegen in einem Nebenpunkt (§ 4 Abs. 1 Hs 2 ZPO), wie im vorliegenden Fall der Kosten, bei Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen, ändert nichts daran, dass das Rechtsmittel als insgesamt erfolglos im Sinne von § 97 Abs. 1 ZPO anzusehen ist (MüKoZPO/Schulz, 6. Aufl. 2020, ZPO § 97 Rn. 5; Zöller/Herget, ZPO, 35. Auflage 2024, § 97 ZPO, Rn. 1).

Der Verfahrenswert erster Instanz sowie der Beschwerdewert waren auf 20.000 Euro festzusetzen. Die Festsetzung des Verfahrenswerts beruht auf §§ 38, 42 Abs. 1 FamGKG; die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus §§ 40, 38, 42 Abs. 1 FamGKG.

Bei einem Stufenantrag wird neben dem Auskunftsanspruch sogleich der unbezifferte Zahlungsanspruch rechtshängig, wobei für den Verfahrenswert allein der höhere Anspruch maßgeblich ist, § 38 FamGKG. Der Verfahrenswert eines Stufenantrags richtet sich auch dann nach dem Wert der Leistungsstufe, wenn keine Bezifferung des Zahlungsanspruchs erfolgt oder wie hier der Antrag insgesamt bereits in der Auskunftsstufe abgewiesen wird (OLG Koblenz, MDR 2014, 243). In diesen Fällen ist die aufgrund des Antrags zu schätzende realistische Erwartung der Antragstellerin hinsichtlich des Zahlungsbetrags bei Beginn der ersten Instanz maßgeblich (Zöller/Herget, ZPO 35. Auflage, § 3 Rn. 16.160; OLG München, Beschluss vom 9. Juli 2021 – 2 WF 689/21 e-, NJW-Spezial 2021, 507).

Die Antragstellerin hatte mit ihrer Antragsschrift vom 29.12.2023 das wirtschaftliche Interesse mit bis zu 20.000 Euro bewertet, so dass entsprechend dieser Angaben sowohl der Verfahrenswert erster Instanz als auch der Beschwerdewert auf 20.000 Euro festzusetzen waren. Andere Anhaltspunkte für eine Schätzung liegen nicht vor. Da der Antragstellerin durch die Entscheidung über den Stufenantrag insgesamt die Dispositionsbefugnis über den Hauptanspruch entzogen wurde, war der Wert des Verfahrens aus dem gesamten Umfang des Stufenantrags zu bemessen, ebenso der Wert der Beschwer (BGH MDR 1992, 1091; BGH, Beschluss vom 4. Februar 2015 – III ZR 62/14 -, juris).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 70 Abs. 2 FamFG).

OLG Stuttgart, Beschluss vom 10.02.2025
11 UF 123/24

AG Ulm, Entscheidung vom 27.05.2024
3 F 39/24

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