Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Oldenburg vom 28.01.2009 geändert:
Die Unterhaltsverpflichtung des Klägers aus dem am 01.03.2006 beim Amtsgericht – Familiengericht – Oldenburg abgeschlossenen Vergleich wird dahingehend abgeändert, dass der Kläger an die Beklagte bis einschließlich Dezember 2013 nachehelichen Unterhalt von 480,00 € monatlich zu zahlen hat.
Die Kosten der 1. Instanz trägt der Kläger zu 2/3, die Beklagte zu 1/3. Die Kosten der 2. Instanz trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über die Abänderung eines gerichtlichen Scheidungsfolgenvergleichs vom 01.03.2006, mit dem sich der Kläger unter anderem verpflichtet hat, an die Beklagte einen monatlichen Aufstockungsunterhalt in Höhe von 480,00 € zu zahlen.
Der Kläger ist 1956, die Beklagte 1958 geboren. Die Beklagte hat eine 1981 geborene Tochter … aus erster Ehe. Sie legte 1986 die Prüfung für Nichtabiturienten ab und begann im gleichen Jahr ein Studium für das Handelslehramt in O…. Der Kläger war bereits ab 1986 als Handelslehrer in N… tätig und wohnte in H…. Am 25.04.1988 legte die Klägerin das Vordiplom ab und setzte anschließend das Studium bis zur Geburt der gemeinsamen Tochter … am 28.09.1989 fort. Im September 1990 heirateten die Parteien. Zum 01.02.1991 nahm der Kläger eine Tätigkeit im Schuldienst in O… auf und zog von H… nach O…. Im gleichen Jahr kauften die Parteien ein Haus in O…. Ab 1992 war die Beklagte in verschiedenen Jobs, unter anderem als Putzhilfe, in Teilzeit tätig. Von August 1995 bis Januar 1997 absolvierte sie eine Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau und legte im November 1999 die Ausbilderprüfung ab. Bereits seit September 1998 war sie als Dozentin bei verschiedenen Bildungsträgern tätig.
Im August 2000 trennten sich die Parteien. Die Scheidung erfolgte am 24.04.2002. … wurde in der Folgezeit im Wechselmodell jeweils hälftig betreut. Am 01.03.2006 schlossen die Parteien einen umfassenden gerichtlichen Scheidungsfolgenvergleich (Amtsgericht Oldenburg 52 F 3295/05 UE). Zu dieser Zeit war die Beklagte mit 32 Stunden fest beim … beschäftigt. Seit September 2008 arbeitet sie mit einer bis Herbst 2009 befristeten Vollzeitstelle als Ausbilderin im …. … lebte von Mai 2008 bis Dezember 2008 ganz im Haushalt des Vaters. Sie wohnt jetzt im Haus der Mutter und absolviert eine Ausbildung. Ergänzend wird wegen des Sachverhalts gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Amtsgericht Oldenburg hat durch das angefochtene Urteil vom 28.01.2009 den zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich vom 01.03.2006 dahingehend abgeändert, dass der Kläger der Beklagten ab dem 01.01.2009 keinen Unterhalt mehr schuldet. Der Unterhalt sei zu befristen, da keine ehebedingten Nachteile ersichtlich seien.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Ihrer Ansicht nach hat das Amtsgericht nicht hinreichend berücksichtigt, dass sie ohne Geburt und Ehe ihr Studium beendet hätte. Sie könne die infolgedessen entstandenen ehebedingten Nachteile aufgrund ihres Alters nicht mehr ausgleichen. Demgegenüber werde der Kläger durch die Unterhaltszahlung kaum belastet.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Familiengerichtes Oldenburg vom 28.01.2009 dahingehend abzuändern, dass der Kläger gegenüber der Beklagten weiterhin entsprechend des am 01.03.2006 beim Familiengericht Oldenburg (52 F 3295/05 UE) angeschlossenen Vergleichs verpflichtet ist, bis einschließlich Dezember 2013 nachehelichen Unterhalt von 480,00 € zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er behauptet, zumindest ab 1991 einen wesentlichen Teil der Kinderbetreuung übernommen zu haben. Die Beklagte habe freiwillig auf eine Fortführung des Studiums zugunsten der absolvierten Ausbildung verzichtet. Es habe auch keine finanziellen Schwierigkeiten gegeben, die einer Fortführung des Studiums entgegengestanden hätten.
Die Akten des Amtsgerichts Oldenburg, Az. 52 F 3295/05 haben vorgelegen.
II.
Die Berufung ist zulässig und begründet.
1. Die Abänderungsklage ist zulässig gemäß § 323 Abs. 4 ZPO i.V.m. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die Änderung eines Prozessvergleichs richtet sich nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB. Für die Zulässigkeit der Klage ist nur erforderlich, dass der Kläger schlüssig Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ergeben kann. Hier ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse entgegen der Ansicht des Familiengerichts nicht schon darin zu sehen, dass die Tochter der Parteien bei dem Kläger eingezogen ist und damit das zuvor praktizierte Wechselmodell aufgegeben wurde. Denn die Tochter ist bereits volljährig und absolviert eine Ausbildung. Eine wesentliche Veränderung kann sich aber durch die Reform des Unterhaltsrechts zum 01.01.2008 ergeben. Dies gilt auch im Hinblick auf die von dem Kläger begehrte Befristung des Anspruchs. § 323 Abs. 2 ZPO ist auf einen Prozessvergleich ohnehin nicht anwendbar (Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 323 Rz. 45 m.w.N.). Voraussetzung ist aber, dass die Befristung zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses noch nicht möglich und deshalb nicht von dem gegenseitigen Nachgeben umfasst war. Dies ist hier nicht der Fall, wobei offen bleiben kann, ob im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Befristung des Anspruchs überhaupt vorgelegen hätten. Zwar sah das Gesetz bereits seit 1986 in § 1573 Abs. 5 BGB a.F. die Möglichkeit der Befristung des Aufstockungsunterhalts vor. Von dieser Möglichkeit wurde jedoch kaum Gebrauch gemacht. Eine signifikante Änderung ergab sich erst durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.04.2006, in der eine Befristung auch bei langer Ehedauer zugelassen wurde (FamRZ 2006, 1006). Überwiegend wird in der Rechtsprechung davon ausgegangen, dass frühestens mit Veröffentlichung dieses Urteils in Fachzeitschriften im Sommer 2006 davon ausgegangen werden muss, dass eine Befristung durchgesetzt werden konnte und musste (OLG Zweibrücken, OLGR 2009, 174. OLG Bremen, NJW 2008, 3074 ff.. Schürmann, jurisPR-FamR 8/2009 Anm. 3 m.w.N.). Hier wurde der Vergleich kurz vorher im März 2006 geschlossen, so dass eine Befristung im Urteilswege kaum durchsetzbar gewesen wäre.
2. Die Abänderungsklage ist unbegründet soweit der Kläger eine zeitliche Begrenzung vor Dezember 2013 begehrt.
1. Der Kläger erzielt derzeit ein Einkommen von gerundet 3.150 € netto monatlich. Davon abzuziehen sind Krankenkassenbeiträge von 280 € monatlich, bleiben 2.870 €. Demgegenüber erzielt die Beklagte ein Einkommen von 1.420 € monatlich netto. Ohne dass es auf weitere Einzelheiten wie Nebeneinkünfte des Klägers oder Fahrtkosten und Wohnkosten der Beklagten ankommt, ergibt sich rechnerisch jedenfalls der vereinbarte Unterhalt von 480 €.
2. Die in § 1578 b BGB normierten Voraussetzungen für eine Begrenzung des Unterhaltsanspruchs durch Befristung liegen nicht vor.
Nach § 1578 b BGB ist der nacheheliche Unterhalt auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen und/oder zu befristen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs und/oder dessen zeitlich unbegrenzte Zubilligung auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre.
Für eine Begrenzung des Unterhalts fällt allerdings erheblich ins Gewicht, dass die Parteien nun schon seit neun Jahren getrennt leben und der Kläger in der gesamten Zeit Unterhalt gezahlt hat. Eine lebenslange Verflechtung der wirtschaftlichen Beziehungen hat der Gesetzgeber im Regelfall vermeiden wollen.
Bei der zu treffenden Billigkeitsentscheidung ist aber insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe für den Berechtigten Erwerbsnachteile, sogenannte ehebedingte Nachteile, eingetreten sind. Besondere Bedeutung für die Billigkeitsentscheidung hat danach, welchen beruflichen Werdegang der Unterhaltsberechtigte genommen und welchen Lebensstandard er ohne die Ehe erreicht hätte. Hier sind fortdauernde ehebedingte Nachteile festzustellen:
Bis zur Eheschließung im Jahr 1990 hatte die Beklagte keine abgeschlossene Berufsausbildung. Stellt man hierauf ab, hätte sich ihr Lebensstandard während der Ehe durch die abgeschlossene Ausbildung sogar verbessert. Diese Sichtweise greift jedoch zu kurz. Es erscheint angesichts der unstreitigen Erwerbsbiographie der Beklagten fernliegend, dass sie ihr Studium ohne die Ehe nicht abgeschlossen hätte. Vielmehr hat die Beklagte, die bereits ein Kind hatte, nicht nur die Prüfung für Nichtabiturienten angestrebt und bestanden, sondern auch ihr Studium bis zur Geburt des gemeinsamen Kindes erfolgreich betrieben. Dann spricht alles dafür, dass sie das Studium ohne Geburt des zweiten Kindes auch zu Ende gebracht und eine Anstellung im Schuldienst erreicht hätte. Sie würde heute über ein dem des Klägers vergleichbares Lehrergehalt verfügen. Das stellt auch der Kläger nicht in Abrede.
Gegen einen ehebedingter Nachteil kann nicht eingewendet werden, die Beklagte habe aus freien Stücken auf die spätere Fortsetzung des Studiums verzichtet. Maßgeblich für die Beurteilung, ob ehebedingte Nachteile vorliegen, sind nicht Verschulden oder Fehlverhalten des Unterhaltsberechtigten, sondern die wertende Würdigung objektiver Umstände (so die Gesetzesbegründung zu § 1578 b BGB, BT-Drucks. 16/1830, S. 19). Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es in der ersten Zeit nach der Geburt die Absicht beider war, dass die Beklagte das Studium beenden sollte. Unstreitig ist auch der weitere berufliche Werdegang der Beklagten. Der Kläger trägt vor, sie hätte anstatt ihrer Ausbildung und den nachfolgenden Fortbildungsmaßnahmen jedenfalls ab 1995 rein zeitlich betrachtet ein Studium absolvieren können, es aber nicht gewollt. Dagegen trägt die Beklagte vor, vor allem wegen der finanziellen Situation und der Kinderbetreuung hätte sie das Studium nicht fortgesetzt. Der Senat sieht in dem Umstand, dass die Beklagte ihr Studium nicht fortsetzte, eine Auswirkung der gemeinsamen Lebensgestaltung in der Ehe. Ohne Zweifel ist das Studium durch die Geburt des Kindes unterbrochen worden und hätte erst deutlich später wieder aufgenommen werden können. Es mag sein, dass die Beendigung des Studiums mit erheblichen Anstrengungen von beiden Seiten noch zu bewerkstelligen gewesen wäre. Man hat sich aber – aus welchen Gründen auch immer – gemeinsam gerade nicht dafür entschieden. Die wirtschaftlichen Folgen dieser im Vertrauen auf die bestehende Partnerschaft getroffenen Entscheidung müssen die Parteien gemeinsam tragen. Hinzu kommt, dass die Beklagte auch auf das damals geltende Unterhaltsrecht und die damit verbundene Absicherung durch die Ehe vertrauen durfte.
Sieht man die Einkommensdifferenz als ehebedingten Nachteil an, muss dieser als fortdauernd eingestuft werden. Angesichts des Alters der Beklagten kann realistischerweise nicht mehr davon ausgegangen werden, dass sie zukünftig noch ein annähernd gleiches Einkommen erzielen wird, selbst wenn sie jetzt ihr Studium wiederaufnehmen würde.
Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung ist weiterhin zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass ihre berufliche Stellung nicht nachhaltig gesichert ist. Der Arbeitsvertrag bei ihrem jetzigen Arbeitsgeber ist befristet. Es ist somit völlig offen, ob die Beklagte den Unterhalt benötigt, wenn sie ihre derzeitige Beschäftigung wieder verlieren sollte. Insoweit ist auch von Bedeutung, dass der Beklagten bei Abschluss des Vergleichs nur das damals beim … erzielte Einkommen aus einer 32 Stunden-Tätigkeit zugerechnet wurde. Das ergibt sich aus der Unterhaltsberechnung des Klägers (Anlage zu dem Schriftsatz vom 10.10.2005, Bl. 49 BA), die – zahlenmäßig nachvollziehbar – Grundlage des Vergleichs gewesen sein soll. Es kann also auch nicht argumentiert werden, die Beklagte hätte bei einer Fortsetzung einer (fiktiven) Vollzeittätigkeit seit 2006 inzwischen eine (fiktive) gesicherte Stellung erreicht. Ebenso wenig kann ihr vorgeworfen werden, dass sie die unbefristete Stelle beim … aufgab. Denn bei dieser Stelle handelte es sich gerade nicht um eine Vollzeitstelle.
Zudem verfügt der Kläger über ein relativ hohes Nettoeinkommen, dem Einkünfte aus selbstständiger Arbeit hinzuzurechnen sind. Ihm ist es nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen daher möglich, die Beklagte auch weiterhin zu unterstützen. Hierbei muss auch berücksichtigt werden, dass die gemeinsame Tochter inzwischen keinen Unterhalt vom Kläger mehr bezieht, der sich einkommensmindernd auswirken würde.
Bei Abwägung dieser Gesichtspunkte kommt eine frühere zeitliche Begrenzung als die von der Beklagten mit der Berufung beantragte Frist bis einschließlich Dezember 2013 nicht in Betracht.
3. Eine Begrenzung des Anspruchs durch Herabsetzung gemäß § 1578 b Abs. 1 BGB würde sich nicht auswirken. Die Herabsetzung auf “den angemessenen Lebensbedarf” sah schon die mit Wirkung zum 01.04.1986 eingeführte Vorschrift des § 1578 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. vor. Der “angemessene Lebensbedarf” sollte sich an der Lebensstellung des Berechtigten vor der Ehe oder der Lebensstellung, die er ohne die Ehe hätte, orientieren (BGH, NJW 1986, 2832, 2834. FamRZ 2007, 2052, 2054). Nichts anderes gilt für die Auslegung des gleichlautenden Begriffs in § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB n.F. Maßgeblich ist, welches Einkommen der Berechtigte ohne Unterbrechung der Erwerbstätigkeit aktuell erwirtschaften würde (Palandt/Brudermüller, BGB, 68. Aufl. 2009, § 1578 b BGB Rz. 16). Die Herabsetzung soll nur vermeiden, dass zugunsten des Berechtigten dauerhaft ein Lebensstandard gesichert wird, den er ohne die Ehe nie erreicht hätte (Schürmann, FuR 2008, 183, 187). Geht man hier davon aus, dass die Beklagte ohne Ehe und weiteres Kind heute im Schuldienst wäre, erreicht ihr derzeitiges Einkommen nebst Unterhalt nicht den danach angemessenen Lebensbedarf.
4. Es besteht kein Anlass für die Zulassung der Revision. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich bei der Billigkeitsabwägung um eine Einzelfallentscheidung, die weder grundsätzliche Fragen aufwirft noch zur Fortbildung des Rechts geeignet ist.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Ziff. 10, 713 ZPO.
OLG Oldenburg, Urteil vom 26.05.2009
13 UF 28/09
Amtsgericht Oldenburg, Urteil vom 28.01.2009
52 F 3211/08 UE