1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bonn vom 28.04.2010 – 405 F 13/10 – , mit welchem ihr Antrag, ihr das alleinige elterliche Sorgerecht über die beteiligten minderjährigen Kinder B. und C. zu übertragen, zurückgewiesen worden ist, wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
2. Der Antrag der Antragstellerin, ihr zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
3. Dem Antragsgegner wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Q. in D. bewilligt.
Gründe
I.
Die gemäß §§ 111 Nr. 2, 68, 58, 59, 63, 64 zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Kindesmutter hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Familiengericht die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Kindesmutter abgelehnt.
Auch nach Überzeugung des Senates liegen keine durchgreifenden Gründe dafür vor, dass dem Kindesvater das Sorgerecht entzogen wird. Hauptangriffspunkt der Kindesmutter gegen die angegriffene Entscheidung des Familiengerichtes ist es, dass wegen der heillosen Zerstrittenheit der Kindeseltern jegliche Kommunikationsmöglichkeit und –bereitschaft des Kindesvaters fehle, so dass eine sinnvolle Ausübung der elterlichen Sorge nicht möglich erscheine.
Indessen reicht allein die Zerstrittenheit der Eltern noch nicht aus, um einem Elternteil das Sorgerecht zu entziehen. Dem Belassen der gemeinsamen elterlichen Sorge bei beiden Kindeseltern steht grundsätzlich nicht entgegen, dass die Kindeseltern untereinander heillos zerstritten sind. Die Zerstrittenheit der Eltern kann nämlich nur dann zum Anlass der Aufhebung der gemeinsamen Sorge gemacht werden, wenn die begründete Annahme besteht, dass die Kindeseltern eine dem Kindeswohl dienende gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge nicht gewährleisten können (vgl. unter anderem BGH NJW 2005, 2080 f.; OLG Hamm FamRZ 2005, 537 f., OLG Köln OLGR 2008, 703 bis 706; FamRZ 2005, 2087; 2000, 499 f.). Danach reicht allein die Tatsache der Zerstrittenheit der Eltern nicht aus, um eine Sorgerechtsübertragung auf nur einen Elternteil rechtfertigen zu können. Vielmehr muss auch nach der Auffassung des Senates (vgl. unter anderem Senatsbeschluss vom 29.03.2005, FamRZ 2005, 2087) im Rahmen einer konkreten Einzelfallprüfung entschieden werden, ob die Zerstrittenheit der Eltern sich negativ auf das Kindeswohl auswirkt. Ist dies nicht erkennbar und ist auch nicht zu befürchten, dass sich zukünftig negative Auswirkungen ergeben könnten, muss es trotz der Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Eltern bei der gemeinsamen elterlichen Sorge verbleiben, da die in der gemeinsamen Sorge gesetzlich ausgeprägte besondere gemeinschaftliche Verantwortung der Eltern für ihr Kind auch in der Trennungssituation dem Kindeswohl am besten entspricht, wenn keine besondere Umstände dagegen sprechen (so Senatsbeschluss vom 29.03.2005, FamRZ a. a. O.).
Bei der durch den Senat vorzunehmenden Einzelfallprüfung kann nicht festgestellt werden, dass die Zerstrittenheit der Kindeseltern sich negativ auf die Kindesentwicklung auswirkt. So wird nicht einmal von der Kindesmutter vorgetragen, dass sie sich vor den Kindern streiten und ihre Streitigkeiten in die Eltern-Kind-Beziehung einfließen lassen. Alles spricht dafür, dass die Eltern die Kinder glücklicherweise in ihre Streitigkeiten nicht involviert haben.
So liegt der Schwerpunkt zur Begründung des Begehrens der Antragstellerin auf die alleinige Sorgerechtsübertragung nicht so sehr in der Zerstrittenheit der Kindeseltern. Vielmehr zielt der Vorwurf der Kindesmutter darauf, dass der Kindesvater sich nicht ausreichend um die Belange seiner beiden gemeinsamen Kinder kümmere, keinen Kontakt zu ihr, der Kindesmutter, halte und von daher eine sinnvolle Ausübung der gemeinsamen Sorge nicht möglich erscheine. Auch dies reicht nach Auffassung des Senates in dem konkret dargelegten Umfang nicht aus, um dem Kindesvater das Sorgerecht zu entziehen. Hauptvorwurf ist hier die mangelnde Mitwirkung an der Einschulung. So weist schon das Familiengericht zutreffend darauf hin, dass es in der Praxis zu keinem Zeitpunkt zu Schwierigkeiten gekommen ist, in welchem wegen unterlassener bzw. verweigerter Mitwirkung wesentliche Belange des Kindeswohl beeinträchtigt gewesen wären. Dabei weist der Senat darauf hin, dass im Einzelfall – soweit eine Mitwirkung des mit sorgeberechtigten Elternteils nicht erreicht werden kann – kurzfristige Hilfe der Familiengerichte in Anspruch genommen werden kann. Auch kann das Jugendamt um Mithilfe gebeten werden. Das mag zu einem Mehraufwand bei der Kindesmutter führen, der aber im hier festgestellten Umfang durchaus zumutbar erscheint. Auch mag der Kindesvater als Ausländer nicht so sehr mit dem deutschen Rechtssystem bekannt sein, dass ihm bewusst ist, dass er in allen wesentlichen Belangen der Kinderbetreuung und –erziehung auch formal mitwirken muss. Jedenfalls zeigt nach Auffassung des Senates das vorliegende Sorgerechtsverfahren durchaus das Interesse des Kindesvaters, an der Entwicklung seiner beiden Kinder mitbeteiligt zu werden. Eine grundsätzliche Verweigerungshaltung des Kindesvaters kann jedenfalls nicht festgestellt werden.
Dass vorliegend die vereinbarte Umgangsrechtsregelung nicht in der wünschenswerten Verlässlichkeit eingehalten wird, mag zum Einen an einer südländischen Nonchalance, zum Anderen aber auch an arbeitsbedingten Umständen liegen. Jedenfalls vermögen diese Unregelmäßigkeiten nicht ein grundsätzliches Desinteresse des Kindesvaters an der Entwicklung seiner Kinder und an seinem Mitgestaltungswillen zu begründen. So versucht der Kindesvater durchaus, das Umgangsrecht wahrzunehmen. Dies mag nicht in der von der Kindesmutter gewünschten und auch sinnvollen Regelmäßigkeit geschehen. Jedenfalls kann ein völliges Desinteresse des Antragsgegners an seinen Kindern, welches einen Ausschluss seines Sorgerechts rechtfertigen könnte, nicht festgestellt werden.
Auch insoweit ist das beiderseitige wechselseitige Verständnis der Kindeseltern gefordert, zu einer verlässlichen, aber auch ausreichend flexiblen Ausgestaltung und Ausübung des Umgangsrechts zu kommen. Hier sollte mit fortschreitendem zeitlichen Abstand zur Trennung mehr Normalität in der Handhabung eintreten.
In Übereinstimmung mit dem Familiengericht ist auch der Senat der Auffassung, dass es vorliegend ausnahmsweise keiner Kindesanhörung bedarf. Es kann gerade nicht festgestellt werden, dass die Frage des Entzugs des Sorgerechtes von den Kindern problematisiert und sogar gewünscht würde. Selbst die Kindesmutter bringt keine entsprechenden Willensäußerungen ihrer Kinder vor. Soweit die Kindesmutter Willensbekundungen ihrer Kinder vorbringt, beziehen diese sich allein auf deren Enttäuschungen wegen des angeblich nicht ausgeübten Umgangsrechts. Nachteilige Folgen bezüglich des Kindeswohls können bei unterlassener Kindesanhörung nicht festgestellt werden. Die Anhörung der Kinder wäre vorliegend reine Förmelei und hätte den nicht Kindeswohl dienlichen Nachteil, die Kinder in die Auseinandersetzung der Eltern mit hineinzuziehen. Glücklicherweise scheint das bisher nicht der Fall zu sein. Der Senat ist davon überzeugt, dass es daher kontraproduktiv wäre, die Kinder, die den Konflikt zum Sorgerecht wohl noch gar nicht mit bekommen habe, nunmehr in diese Auseinandersetzung der Kindeseltern mit hineinzuziehen.
Abschließend sei noch erwähnt, dass der Kindesvater durchaus ein weiter gehendes schützenswertes Interesse an der Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge hat. Auch wenn die Kindesmutter in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt hat, sie beabsichtige nicht ins Ausland zu ziehen, kann dies nicht völlig ausgeschlossen werden. Schließlich hat die Kindesmutter enge familiäre Beziehungen in den USA. Soweit die Kindesmutter später wünschen sollte ins Ausland zu ziehen, sollte der Kindesvater hierbei durchaus ein Mitspracherecht haben. Dabei braucht vorliegend nicht abschließend beurteilt zu werden, ob Kindeswohlinteressen durchgreifend für einen solchen Umzug ins Ausland sprechen könnten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 3.000,00 €.
I.
Aus den oben genannten Gründen konnte der Antragstellerin mangels Erfolgsaussicht der Beschwerde Verfahrenskostenhilfe nicht bewilligt werden (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 114, 115 ZPO entsprechend).
III.
Dagegen war dem Antragsgegner gemäß §§ 76 Abs. 1 FamFG, 119 ZPO entsprechend Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.
OLG Köln, Beschluss vom 11.10.2010
4 UF 130/10