OLG Koblenz: Befristung bei Kindererziehung und Langzeitehe

  1. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts – Familiengerichts – St. Goar vom 30.September 2008 werden zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Parteien heirateten am 22. Mai 1979. Aus der Ehe gingen die Kinder Ch…, geboren am … Januar 1981, und Ca…, geboren am … September 1983, hervor. Im Sommer 1991 trennten sich die Parteien. Die Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts – Familiengerichts – Simmern vom 8. Dezember 1992 rechtskräftig geschieden. Die elterliche Sorge für die beiden Kinder wurde dabei der Beklagten übertragen.

Der 1951 geborene Kläger ist selbstständiger Architekt; die 1953 geborene Beklagte bezieht seit 2002 Erwerbsunfähigkeitsrente wegen völliger Erwerbsunfähigkeit aufgrund eines Wirbelsäulenleidens. Sie hatte bereits gegen Ende der Ehe eine Teilzeittätigkeit ausgeübt, erlitt dann 1996 einen Bandscheibenvorfall, was zu einer zunächst vorübergehenden Erwerbsunfähigkeit führte. Ab 1998 war sie wieder in Teilzeit erwerbstätig bis zu ihrer Verrentung.

Durch Vergleich vor dem Oberlandesgericht Frankfurt  am Main vom 12. Januar 2005 regelten die Parteien zuletzt die Ehegattenunterhaltsansprüche dahin, dass der Kläger sich verpflichtete, an die Beklagte ab Februar 2002 einen monatlichen Unterhalt von 700,00 € zu zahlen (Bl. 26 ff GA). Ausdrücklich wurde dabei ein auch um Kindesunterhalt und Berufsbonus  bereinigtes Einkommen des Klägers von 2.200,00 € zugrunde gelegt und ein Renteneinkommen der Beklagten von 800,00 €.

Der Kläger begehrt mit seiner Abänderungsklage die abgestufte Herabsetzung des Unterhalts bis zu seinem völligen Wegfall ab März 2011. Es entspreche der Billigkeit, den Unterhalt zunächst der Höhe nach zu beschränken und schließlich zu befristen. Im Übrigen habe die Beklagte ihren Unterhaltsanspruch verwirkt, weil sie ihm einerseits eine Erbschaft nach ihrer Mutter, andererseits die Zuwendung eines auf knapp 50.000,00 € angesparten Lebensversicherungsvertrages verschwiegen habe.

Das Amtsgericht gab der Klage teilweise statt und befristete den Unterhaltsanspruch bis einschließlich Februar 2011. Eine stufenweise Reduzierung des Anspruchs für die vorhergehende Zeit lehnte es ab. Die Ehedauer von 11 Jahren rechtfertige keine unbefristete Zahlung des Unterhalts. Hätte die Beklagte 1998  entsprechend ihrer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit eine Vollzeittätigkeit aufgenommen, hätte sie heute keine Nachteile mehr. Angesichts der beiderseitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse sei die vorgenommene Befristung angemessen. Auf den Verwirkungseinwand ging das Amtsgericht nicht ein.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie die Abweisung der Klage erstrebt, im Wesentlichen mit der Argumentation, eine Befristung des Krankheitsunterhalts komme jedenfalls in ihrer Situation – völlige Erwerbsunfähigkeit, erhebliche ehebedingte Nachteile – nicht in Betracht.

Der Kläger hält das Urteil des Amtsgerichts für zutreffend soweit der Unterhalt befristet worden sei. Der Unterhalt sei allerdings bereits ab März 2008 stufenweise – jeweils in Schritten von 100,00 € je ½ Jahr – zu begrenzen. Zudem sei die eingetretene Verwirkung zu berücksichtigen. Insoweit erhebt er Anschlussberufung.

II.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts hat keinen Erfolg, ebenso nicht die Anschlussberufung.

Die Klage ist als Abänderungsklage zulässig. Durch das am 1. 1. 2008 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21. 12. 2007 (BGBl I, 3189) sind die Vorschriften der §§ 1573V, 1578I 2 und 3 BGB a.F. entfallen.  An ihre Stelle ist § 1578b BGB getreten, der eine Herabsetzung und/oder zeitliche Begrenzung des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt aus sämtlichen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen regelt. Eine Befristung des Krankheitsunterhalts war  nach der bisherigen Rechtslage nicht möglich, lediglich eine Beschränkung nach § 1578 BGB a.F. (vgl. OLG Celle NJW 2008, 3576, BGH XII ZR131/07 vom 26.11.2008 – Juris). Diese Änderung der Gesetzeslage stellt einen möglichen Abänderungsgrund dar und macht die Abänderungsklage zulässig. Der Kläger behauptet weiterhin einen möglichen Verwirkungsgrund nach § 1579 BGB. Dies kann eine Herabsetzung des Unterhalts  rechtfertigen.

Die Klage ist auch teilweise begründet. Der Anspruch der Beklagte ist zu befristen; eine vorherige sukzessive Beschränkung der Höhe nach bis zum Auslaufen des Anspruchs kommt jedoch nicht in Betracht.

1.

a. Der Beklagten steht grundsätzlich ein Anspruch auf Krankheitsunterhalt  zu; ein solcher wurde auch im Vergleich geregelt, denn man legte ohne weiteres auf Ihrer Seite nur die Erwerbsunfähigkeitsrente zugrunde, die auf einer vollständigen Erwerbsunfähigkeit beruht. In einem solchen Fall leitet sich der Unterhaltsanspruch insgesamt aus § 1572 BGB her, nicht auch aus § 1573 (vgl. zur Abgrenzung BGH, a.a.O.).

b. Der Anspruch ist allerdings kein originärer Unterhaltsanspruch wegen Krankheit nach § 1572 Nr. 1 BGB, weil die Krankheit nicht in nahem Zusammenhang mit der im Jahre 1992 erfolgten Scheidung aufgetreten ist, sondern erst später. Der Bandscheibenvorfall, der  nach dem Vortrag der Parteien Auslöser der späteren Erwerbsunfähigkeit war, ereignete sich im Jahre 1996. Danach war die Beklagte nach längerer Arbeitsunfähigkeit nochmals erwerbstätig. Seit 2002 erhält sie Erwerbsunfähigkeitsrente. Im Hinblick hierauf  ist das Bestreiten der tatsächlichen völligen Erwerbsunfähigkeit zum jetzigen Zeitpunkt durch den Kläger, etwa der Hinweis auf ein Tanzturnier im Jahre 2003, unsubstantiiert. Im Übrigen ging man – wie oben ausgeführt – auch bei Abschluss des Vergleichs, um dessen Abänderung es geht, von einer vollständigen Erwerbsunfähigkeit der Beklagten aus. Damit ist diese zwar nicht rechtskräftig festgestellt, wie die Berufung meint, es besteht aber eine Bindung an die dem Vergleich zugrunde gelegten Tatsachen. Der Kläger behauptet nicht etwa (im Sinne eines Abänderungsgrundes), der Gesundheitszustand der Beklagten habe sich gebessert, sondern, es bestehe nach wie vor keine völlige Erwerbsunfähigkeit.

c. Nach § 1572 Ziffer 2 BGB  ist Krankheitsunterhalt auch geschuldet, „solange und soweit“ von dem geschiedenen Ehegatten vom Zeitpunkt der Beendigung der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes  an eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Der Kläger beruft sich deshalb – unabhängig von der Bindung an den Vergleich – nach wie vor zu Unrecht darauf, die Unterhaltskette sei unterbrochen. Im Jahre 1996, als die Erkrankung auftrat, war Ca…, das jüngere Kind, 13 Jahre alt, also noch betreuungsbedürftig. Die Einsatzzeitpunkte des § 1572 BGB wollen einerseits den zeitlichen Zusammenhang des nachehelichen Unterhalts mit der Ehe sicherstellen, andererseits die nacheheliche Solidarität begrenzen. Unterhalt kann nur verlangt werden, wenn die gesundheitliche Beeinträchtigung zu einem der genannten Einsatzzeitpunkte gegeben ist. Beim Unterhaltsanspruch nach § 1572 Nr. 1 BGB handelt es sich um einen originären Unterhaltsanspruch, der auf eine vollständige Deckung des Bedarfs gerichtet ist, bei den übrigen Unterhaltstatbeständen um sogenannten Anschlussunterhalt (vgl. Pauling in Wendl/ Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familierichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 4 Rdnr. 100), der Einschränkungen unterliegt. Bestand bei Beginn des Anschlussunterhalts aufgrund eines weggefallenen früheren Anspruchsgrundesnur ein Anspruch auf einen Teil des vollen Bedarfs, so entsteht auch der Anspruch auf Anschlussunterhalt nur als solcher auf Teilunterhalt (BGH FamRZ 2001, 1291). Dieser Gesichtspunkt ist hier an sich einschlägig, denn im Jahre  1996 war die Beklagte nicht mehr durch die Kinderbetreuung vollständig an einer Erwerbstätigkeit gehindert. Ch…  war hier 16 Jahre alt, Ca… 13 Jahre. Insofern hätte die Beklagte auch nach der damals maßgebenden großzügigeren Rechtsprechung die Obliegenheit zu einer Halbtagstätigkeit gehabt. Tatsächlich arbeitete sie ja auch in einer Teilzeittätigkeit. Nur unter Berücksichtigung eines Einkommens aus einer Halbtagstätigkeit stand ihr deshalb vor dem Beginn der Erkrankung ein Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB zu. Dementsprechend war auch der Anschlussunterhalt nach § 1572 Nr. 2 BGB an sich begrenzt.

d. Allerdings kommt dies hier zunächst nicht zum Tragen, denn im Vergleich haben die Parteien die Zahlung des vollen Unterhalts vereinbart (bereinigtes Nettoeinkommen des Klägers nach Abzug von 1/7, abzüglich Renteneinkommen der Beklagten, hiervon die Hälfte). Deshalb kann sich der Kläger jetzt nicht abweichend hiervon darauf berufen, an sich sei nur ein Teilunterhalt geschuldet.  Dieser Gesichtspunkt spielt jedoch im Rahmen der Billigkeitsabwägung nach § 1578 b BGB eine Rolle (vgl. unten).

e. Der Unterhaltsanspruch der Beklagten ist nach §  § 1578 b Abs. 2 BGB bis Februar 2011 zu befristen.

(1)   Es geht um die Befristung des im Januar 2005 abgeschlossenen Vergleichs über nachehelichen Unterhalt. Für vor dem 1. Januar 2008 bereits ergangene rechtskräftige Entscheidungen, errichtete Titel oder Unterhaltsvereinbarungen enthält § 36 Nr. 1 EGZPO einen über das Inkrafttreten des Gesetzes hinausreichenden Vertrauensschutz und lässt eine Abänderung nur zu, soweit eine wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung eintritt und die Änderung dem anderen Teil unter Berücksichtigung seines Vertrauens in die getroffene Regelung zumutbar ist.

(2)   Eine wesentliche „Änderung des Unterhaltsanspruchs“ liegt darin begründet , dass  der Krankheitsunterhalt nach § 1578 b BGB nunmehr befristet werden kann, was bisher nicht möglich war; er konnte lediglich nach § 1578 Abs.1 Satz 2 BGB a.F. (der Höhe nach) begrenzt werden.

(3)   Der Unterhaltsanspruch ist nach § 1578 b Abs. 2 Satz 1 BGB zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung ergeben sich aus § 1578 b Abs. 2 Satz 2 BGB, der entsprechend anzuwenden ist. Hiernach kommt es zunächst darauf an, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Ehebedingte Nachteile liegen vor, wenn die Gestaltung der Ehe, insbesondere die Arbeitsteilung der Ehegatten, die Fähigkeit eines Ehegatten, für seinen Unterhalt zu sorgen, beeinträchtigt hat (vgl. BGH FamRZ 2008, 582, 586). Dies ist zu verneinen. Ihre Erwerbstätigkeit musste die Beklagte  aus gesundheitlichen Gründen einstellen, die erst lange nach Ende der Ehe auftraten und nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der Ehe stehen. Eine Erkrankung ist nicht schon deshalb als ehebedingter Nachteil zu betrachten, weil sie während der Ehe eingetreten ist (BGH XII ZR 131/07), erst recht also nicht, wenn sie während der der Ehe nachfolgenden Kinderbetreuung im Sinne von § 1572 Nr. 2 BGB erstmals auftritt.

(4)   Ehebedingte Nachteile können daneben auch dann eingetreten sein, wenn der Unterhaltsberechtigte aufgrund der Rollenverteilung in der Ehe nicht ausreichend für den Fall der krankheitsbedingten Erwerbsminderung vorgesorgt hätte (BGH a.a.O.). Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass der Ausgleich unterschiedlicher Vorsorgebeiträge vornehmlich Aufgabe des Versorgungsausgleichs ist, durch den die Interessen des Unterhaltsberechtigten regelmäßig ausreichend gewahrt werden (BGH a.a.O. und  FamRZ 2008, 1325, 1328 f. und FamRZ 2008, 1508, 1511). Vorliegend hat ein Versorgungsausgleich stattgefunden und – was in diesem Zusammenhang erheblicher ist – auch ein Zugewinnausgleich und eine weitgehende Vermögensauseinandersetzung, mit dem die als Altersversorgung vorgesehene Lebensversicherung ausgeglichen wurde ebenso wie sonstiges zur Versorgung in Betracht kommendes (Grund)Vermögen (Vertrag des Notars  Dr. E… vom 27. November 1992 – Bl. 294 ff GA). Eventuelle Versorgungsnachteile können deshalb hier nicht nochmals berücksichtigt werden (vgl. BGH a.a.O.).

(5)   Dass der Beklagten sonstige ehebedingte Nachteile entstanden sind durch die Aufgabe der Tätigkeit bei der „C… Bank“ trägt sie zwar vor; dieser Vortrag geht aber über ein bloßes unsubstantiiertes Behaupten nicht hinaus. Sie hatte keinerlei bankspezifische Ausbildung und war lediglich als Sachbearbeiterin tätig. Es mag sein, dass die Tätigkeit „gut bezahlt“ war – was immer das bedeutet –. Dass eine Tätigkeit bei einer anderen Bank schlechter dotiert gewesen wäre, wird nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.  Wieso die Beklagte, wenn sie nach der Scheidung zunächst in Teilzeit und später ab 1998 – hier war sie ja auch nach ihrem eigenen Vortrag (vgl. etwa den – teilweise – nachgelassenen Schriftsatz vom 03.02.2009) arbeitsfähig – ganztägig gearbeitet hätte, ein schlechteres Einkommen hätte erzielen sollen, als wenn sie durchgehend bei der C… Bank gearbeitet hätte, ist nicht nachvollziehbar. Auch im Bankgewerbe wird üblicherweise nach Tarifverträgen gezahlt. Es mag allenfalls sein, dass bei längerer Betriebszugehörigkeit bestimmte Zusatzprämien anfallen; hierzu ist aber nichts vorgetragen. Die Beklagte hatte  bei der C… Bank keine herausgehobene Stellung, die eine Sonderdotierung gerechtfertigt oder, wenn nicht gerechtfertigt, so doch „banküblich“ gemacht hätte. Zudem: wenn die Beklagte unbedingt wieder hätte ins Bankfach wechseln wollen, etwa weil sie hier besonders erfolgreich war, wofür allerdings nichts vorgetragen wird, hätte sie dies ab 1992 tun können. Es kann auch dahinstehen, ob sie wieder bei der C… Bank ein Stelle gefunden hätte oder bei einer anderen Bank. Sie trägt nicht einmal vor, dass sie dies vergeblich versucht hätte. Von daher kann nicht davon ausgegangen werden, die relativ geringe Höhe ihrer jetzigen Erwerbsunfähigkeitsrente stelle sich zum Teil – auf die Zeit nach der Scheidung bezogen –  als ehebedingter Nachteil dar. Soweit sie während bestehender Ehe nicht erwerbstätig war und dies Einfluss auf die Höhe der Rente hat, ist dies durch Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich kompensiert (vgl. hierzu unter (4) ).

(6)   Wenn auch die zur Erwerbsunfähigkeit führende Krankheit in den seltensten Fällen – so auch hier nicht – ehebedingt ist, heißt das noch nicht, dass bei Krankheitsunterhalt generell eine Befristung vorzunehmen ist. Allerdings ist unter diesem Gesichtspunkt eine Befristung im Regelfall durchaus nahe liegend wie die aktuelle Rechtsprechung des BGH hierzu zeigt: „Es hat allerdings Einfluss auf die grundsätzliche Gewichtung des Unterhalts nach § 1572 BGB im Rahmen der Billigkeitsabwägung und im Hinblick auf das von den Ehegatten zu fordernde Maß an fortwirkender Unterhaltsverantwortung nach der Scheidung. Da es sich bei der Krankheit und der durch sie bedingten Erwerbsunfähigkeit in der Regel um eine schicksalhafte Entwicklung handelt, ist eine dauerhafte Unterhaltsverantwortung des geschiedenen Ehegatten für das allein in zeitlichem Zusammenhang mit der Ehe stehende Krankheitsrisiko nicht ohne weiteres zu rechtfertigen“ (BGH XII ZR 131/07; vgl auch OLG Celle NJW 2008, 3576). Das heißt, gerade beim Krankheitsunterhalt dürfen die Anforderungen an „die  fortwirkende eheliche Solidarität“ nicht überspannt werden.

(7)   Unter diesem Gesichtspunkt ist die vom Amtsgericht (wie vom Kläger beantragt) vorgenommene Befristung zum Februar 2011 nicht zu beanstanden. Der Kläger wird dann aufgrund des Vergleichs über 9 Jahre Unterhalt gezahlt haben bei einer Ehedauer von knapp 13 Jahren (Zustellung des Scheidungsantrags im April 1992). Das ist zwar keine kurze aber auch keine außergewöhnlich lange Ehedauer. Ohnehin kommt nach der neueren Rechtsprechung des BGH (beginnend mit der Entscheidung vom 12. April 2006 – XII ZR 240/03FamRZ 2006, 1006) der Ehedauer für die Frage der Billigkeitsabwägung zwar noch eine herausgehobene Bedeutung zu, dies aber in erster Linie, weil  sie Indiz für die Verflechtung der beiderseitigen Verhältnisse ist (vgl. auch BGH FamRZ 2006, 1325). Zudem wurde nach dem Vergleich – obwohl nur ein Teilunterhalt geschuldet war (vgl oben 2.b.) – der volle Unterhalt gezahlt. Aufgrund der notariellen Urkunde vom 27. November 1992 hatte der Kläger Unterhalt in Höhe von 1.300,00 DM für mindestens zwei Jahre bezahlt, wobei hier die Einkünfte der Beklagten unberücksichtigt blieben. Später wurde Unterhalt von 700,00 DM gezahlt (vgl. den Schriftsatz der Klägervertreter vom 17. Juni 2008 Bl. 96 GA), ab wann und wie lange, ist nicht im Einzelnen vorgetragen. Die Beklagte verfügt zudem, worauf das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat, neben der Rente von ca. 800,00 € über Vermögen aus einer Erbschaft und aus einer Lebensversicherung von rund 50.000,00 €.  Sie erhält zudem aus dem Vertrag mit dem Beklagten vom 12. Januar 2001  des Notars JR K… (UR Nr ..8/2001) monatlich bis Januar 2012 rund 273,00 €.

(8)   Der Kläger verfügt nach dem Vergleich über ein bereinigtes Einkommen von – ohne Berücksichtigung des Kindesunterhalts – rund 2.500,00 €. Die Beklagte behauptet zwar, sein tatsächliches Einkommen sei weit höher. Soweit sie dies aber zur Verteidigung gegen das Abänderungsbegehren des Klägers ins Feld führt, ist sie in vollem Umfange darlegungs- und beweispflichtig. Ihr Vortrag ist insoweit teils unkonkret und spekulativ, überwiegend ist sie damit ausgeschlossen, zudem ist er unerheblich. Soweit sie unter Bezugnahme auf das vor dem OLG Frankfurt betriebene Verfahren, teils unter Vorlage der Schriftsätze ein höheres Einkommen des Klägers behaupten will, steht diesem Vortrag der die Parteien bindende Vergleich entgegen, in dem die Einkünfte des Klägers festgehalten wurden, die Vergleichsgrundlage sein sollten. Eine Änderung – nach Vergleichschluss – wird insoweit nicht behauptet. Im – insoweit nicht nachgelassenen (denn der Schriftsatz der Klägervertreter vom 20.01.2009 befasst sich nicht mit den Einkünften des Klägers)  – Schriftsatz vom 03.Februar 2009 werden spekulativ wiederum diverse Einkünfte (Mieten , mögliche Mieten, Wohnvorteil) behauptet, die zumindest teilweise Gegenstand des Vorprozesses waren, bei denen aber insgesamt der Vortrag fehlt, dass sich insoweit die Verhältnisse geändert hätten. Abgesehen davon, dass der Vortrag nicht berücksichtigt werden kann, weil er nicht nachgelassen wurde, ist er also auch unerheblich und gibt deshalb keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen (§ 296a ZPO). Der Vortrag, es sei mit „Lebensversicherungen von mehr als 500.000,00 € zu rechnen“, ist ebenso spekulativ; dies wird in keiner Weise nachvollziehbar dargelegt, etwa durch Vorlage der Policen (der Beklagten steht ein Auskunftsanspruch zu). Er ist aber auch unerheblich. Diese Lebensversicherungen sollen nach dem Vortrag der Beklagten im Vorprozess (vgl. den Schriftsatz vom 18.08.2004, der der Berufungsbegründung beigefügt war), jedenfalls überwiegend in den Jahren nach 2000 durch hohe Zahlungen begründet worden sein. Wenn das so ist, so steht die Altersversorgung in keinem Zusammenhang mit der Ehe. Sie wurde vom Kläger völlig unabhängig von der Beklagten erwirtschaftet und hat keinen Einfluss auf ihren Unterhalt. Letztlich steht der Berücksichtigung auch wieder der Vergleich entgegen, der zudem indiziell gegen die Richtigkeit des Vortrags der Beklagten spricht.

(9)   Die Befristung ist für die Beklagte unter den oben genannten Gesichtspunkten zumutbar im Sinne von § 36 Abs. 1 EGZPO. Es mag sein, dass sie sich auf die dauernde Unterhaltsgewährung durch den Kläger eingestellt hat. Dass sie aber hier spezifische Dispositionen getroffen hätte, ist nicht vorgetragen. Rente und sonstige mögliche Einnahmen aus der Vermögensauseinandersetzung der Lebensversicherung und der zugeflossenen Erbschaft ermöglichen ihr auf Dauer ein Einkommen, das deutlich über dem notwendigen Eigenbedarf und jedenfalls in der Größenordnung  des angemessenen Bedarfs im Sinne von § 1578b BGB liegt. Gegenwärtig und für die nächsten Jahre ist dieser Betrag deutlich überschritten.

f. Der Unterhalt ist nicht bis zum endgültigen Wegfall der Höhe nach zu begrenzen. Ob auch eine Beschränkung nach § 1578 b BGB grundsätzlich in Betracht kommt, oder ob insoweit der Vergleich eine Beschränkung ausschießt, weil eine solche nach § 1578 BGB a.F. damals schon möglich war, kann dahinstehen. Neben und zusätzlich zu der bereits vorgenommenen Befristung entspräche eine Beschränkung nach § 1578 b BGB nicht der Billigkeit.

g. Zwar kommt grundsätzlich auch eine Herabsetzung nah § 1579 Nr. 5 BGB in Betracht; der Kläger beruft sich ausdrücklich hierauf. Nach dieser Vorschrift ist ein Unterhaltsanspruch zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege und Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil der Berechtigte sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten mutwillig hinweggesetzt hat. Nicht erforderlich ist, dass dem Unterhaltspflichtigen tatsächlich ein Vermögensschaden entsteht. Es genügt eine schwerwiegende Gefährdung seiner Vermögensinteressen, die etwa dadurch entstehen kann, dass der Unterhaltsschuldner bereits geleisteten Unterhalt trotz angestiegenen Einkommens des Unterhaltsberechtigten später nicht erfolgreich zurückfordern kann, weil der Berechtigte sich regelmäßig auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann (vgl. BGH FamRZ 2008, 1325).

Die Beklagte hat zum einen die Auszahlung eines Erbschaftsanteils in Höhe von 18.000,00 € nach ihrer Mutter verschwiegen. Zum anderen hat sie erst mit Schriftsatz vom 03. September 2008 mitgeteilt, dass sie Anfang des Jahres 2008 knapp 50.000,00 € von ihrem Vater erhalten hatte. Nach der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 1997, 483) sind jedenfalls die Parteien eines Vergleichs verpflichtet, sich ungefragt zu informieren, falls sich ein für die Berechnung maßgebender Parameter wesentlich ändert.

Beides hätte die Beklagte an sich (früher) offenbaren müssen. Ob die Zinserlöse tatsächlich bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigt worden wären oder ob sie sich nicht im Ergebnis als nicht zu berücksichtigende freiwillige Leistung Dritter dargestellt hätten, ist dabei –  für die Frage der Tatbestandserfüllung des § 1579 BGB – unerheblich. Es ändert nichts an der Offenbarungspflicht. Dass die neuere Rechtsprechung des OLG Koblenz dies anders sähe, wie die Beklagte behauptet,  ist für den Senat nicht erkennbar. Jedenfalls folgte der Senat bisher der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2000, 153), wonach auch in diesen Fällen eine Offenbarungspflicht besteht, und tut dies auch weiterhin.

Der Senat ist aber der Auffassung, es liege im Verhalten der Beklagten noch keine schwerwiegende Verletzung der Vermögensinteressen des Klägers.

Die Erbschaft ist relativ geringfügig. Dass die Beklagte hiervon zunächst offen stehende Prozesskosten bedienen durfte, steht außer Frage. Eine Anlage des verbleibenden Betrages hätte nur zu geringen Zinserlösen geführt, die die Unterhaltspflicht des Klägers kaum beeinflusst hätten. Anderes gilt zwar für die ihr zugeflossene Lebensversicherungssumme. Eine Anlage des Betrages von 50.000,00 € hätte den Unterhaltsanspruch  nicht unerheblich reduziert (bei einer Anlage zu 4% und einem geschätzten Zinserlös von rund 140,00 € pro Monat nach Steuern immerhin um 70,00 €). Allerdings hatte die Beklagte den Betrag erst Anfang des Jahres 2008 erhalten und dies im Schriftsatz vom 03.September 2008 von sich aus und ohne Nachfrage des Klägers mitgeteilt. Das mag nun nicht unbedingt zeitnah sein, liegt aber noch in einem Zeitrahmen, der für die Annahme der schwerwiegenden Folge der Verwirkung zu kurz ist, jedenfalls bei der relativ geringen Größenordnung, um die es hier nur geht.

Ob es zudem an der für den Tatbestand des § 1579 Nr. 5 BGB erforderlichen  Mutwilligkeit fehlt, kann dahinstehen, weil bereits der objektive Tatbestand nicht erfüllt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr.10, 711,713 ZPO.

Der Senat hatte zunächst erwogen, die Revision gegen ein Urteil in dieser Sache zuzulassen wegen der bisher in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht geklärten Frage der Befristung des Krankheitsunterhalts nach § 1578b BGB. Der Bundesgerichtshof hat aber inzwischen durch Urteil vom 27.11.2008 (XII ZR 131/07) in dieser Frage in der oben zitierten Weise entschieden. Damit ist die grundsätzliche Frage der Möglichkeit der Befristung von Krankheitsunterhalt geklärt ebenso wie die Frage der  anzuwendenden Abwägungskriterien. Es besteht kein Anlass mehr, die Revision wegen einer ungeklärten Rechtsfrage zuzulassen. Der Senat will auch nicht von dieser Rechtsprechung abweichen, sondern sie gerade anwenden.

Streitwert: 8.400,00 €

OLG Koblenz, Urteil vom 25.02.2009
13 UF 594/08

AG St. Goar, Urteil vom 30.09.2008
5 F 159/08

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