OLG Frankfurt: Lebenslanger nachehelicher Ehegattenunterhalt

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts – Familiengerichts – Kassel vom 13. Mai 2009 (Az. 522 F 675/08) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Verpflichtung zur Zahlung nachehelichen Ehegattenunterhalts.

Sie haben am … 1972 geheiratet., im Jahr 1975 wurde ein Sohn geboren. Die Ehe ist nach Trennung im Jahr 1987 am … 1989 geschieden worden. Anlässlich des Scheidungstermins vereinbarten die Parteien die Zahlung eines nachehelichen Ehegattenunterhalts in Höhe von 1.075,77 DM (550,03 €) auf der Basis beiderseitiger Einkünfte aus Erwerbstätigkeit. Für den Kläger ist ein Einkommen in Höhe von 3.855,13 DM, für die Beklagte eines in Höhe von 740 DM netto angenommen worden.

Am 13. März 1997 haben die Parteien in einem weiteren Vergleich vor dem Amtsgericht Kassel (Az.: 541 F 40/97) vereinbart, dass es bei der ehedem titulierten Unterhaltsverpflichtung bleiben soll; die vom jetzigen Kläger erhobene Abänderungsklage und die von der Beklagten erhobene Widerklage wurden nicht weiter verfolgt. Im Vergleich vereinbarten die Parteien, dass die Beklagte sich um eine vollschichtige Stelle bemühen und dem Kläger auf Anfrage Nachweise zu diesen Bemühungen erbringen sollte. Dazu kam es in der Folgezeit nicht, weil der Kläger keine Nachweise anforderte.

Mit der nun anhängigen Klage hat der Kläger die Feststellung verlangt, nicht mehr zur Zahlung von Ehegattenunterhalt verpflichtet zu sein.

Der Kläger war bis zur Scheidung als Versicherungsvertreter für die B in O1 tätig und stand im Innendienst fünf bis sechs Mitarbeitern vor. Ab 1989 war er im Außendienst in O2 beschäftigt. 1991 konnte er die Gebietsdirektion in O3 übernehmen, 1994 wechselte er nach O4. 1995 sind die Gebietsdirektionen O3 und O4 zusammengelegt worden, seither ist der Kläger der Leiter dieser Regionaldirektion. Die Einkünfte aus dieser Tätigkeit hat der Kläger im Verfahren nicht angeben.

Der Kläger hat im Jahr 1990 erneut geheiratet; diese Ehe blieb kinderlos. Von seiner zweiten Ehefrau lebt er seit Dezember 2006 getrennt.

Die Beklagte hat 1970 die Prüfung zur Apothekenhelferin bestanden und bis 1972 in einer Apotheke gearbeitet. Ab April 1972 war sie als Sachbearbeiterin bei der X-kasse beschäftigt. Diese Stelle hat sie wegen der Geburt des gemeinsamen Kindes aufgegeben. Sie war in der Folgezeit neben der Betreuung des Kindes gelegentlich teilzeitbeschäftigt. Nach der Trennung der Parteien arbeitete sie von 1989 bis 1996 vollschichtig in der Y-Apotheke in O1. Sie wechselte 1996 für drei Monate auf eine Halbtagsstelle in die Z-apotheke, nachdem die Y-Apotheke nach dem Tod des Inhabers geschlossen worden war. Da ein Ausbau der Tätigkeit dort nicht möglich war, nahm sie eine 2/3-Stelle bei der Firma C an, wo sie im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses 1997 monatlich 2.200 DM (Bl. 34 d. beigezogenen Akte 541 F40/97) und zuletzt 1.700 € brutto verdiente. Diese Stelle ist ihr im Jahr 2006 gekündigt worden. Sie erhielt im Kündigungsschutzprozess eine Abfindung in Höhe von rund 11.000 € netto. Nach einigen Monaten der Arbeitslosigkeit fand sie eine volle Stelle bei der Firma D mit einem Nettogehalt in Höhe von 1.057 €. Ab dem 30. April 2009 ist die Beklagte nun arbeitslos und steht im Bezug von Arbeitslosengeld I.

Der Kläger vertritt die Auffassung, die Änderung des Unterhaltsrechts rechtfertige es, eine Befristung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten vorzunehmen; im Ergebnis schulde er seit Februar 2008 keinen Unterhalt mehr. Er sei zwar in Höhe des titulierten Unterhaltsanspruchs leistungsfähig. Es seien jedoch nicht seine tatsächlichen Einkünfte zu berücksichtigen. Der Kläger behauptet, seine Beförderung zum Gebietsleiter stelle einen nachehelichen Karrieresprung dar, so dass die Beklagte nicht an den daraus resultierenden deutlich höheren Einkünften partizipieren dürfe. Stattdessen sei für die Ermittlung des eheprägenden Bedarfs von dem Einkommen auszugehen, das er als Vertreter bei der B erzielen könnte. Er behauptet, dass er in einer Stellung als Büroleiter 3.254 € brutto verdienen könnte. Setze man davon seine monatlichen Verbindlichkeiten (158,38 € Leasingrate für einen PKW, 75,83 € private Zusatzkrankenversicherung, 150 € zusätzliche Altersvorsorge, 31,29 € Kfz-Haftpflichtversicherung , 100 € Telefonkosten, 60 € Betriebshaftpflichtversicherung) ab, ergebe sich kein Quotenunterhalt mehr für die Beklagte. Denn diese habe die Möglichkeit, in ihrem erlernten Beruf als Apothekenhelferin bis zu 3.300 € brutto zu verdienen.

Es ist streitig geblieben, ob die zweite Ehefrau Einkünfte erzielt und ob sie in der gemeinsamen Immobilie wohnt. Der Kläger hat dazu behauptet, er zahle neben dem Abtrag für das Haus (952 €) an sie monatlich 500 € Unterhalt. Da er aber im Hinblick auf die für die Beklagte titulierten Unterhaltsbeträge ohnehin leistungsfähig sei, komme es darauf nicht an.

Der Kläger behauptet, die Beklagte habe keine ehebedingten Nachteile erlitten. Sie habe auch schon während der Ehe weitergearbeitet. Von daher könne sie mit dem Einkommen, das sie gesichert während der Anstellung bei der Firma C erhielt, ihren angemessenen Unterhalt selbst bestreiten. Es sei ihm jedenfalls nicht anzulasten, dass sie nun arbeitslos sei.

Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass sie ehebedingte Nachteile erlitten hat. Hätte sie die Stelle bei der X-kasse nicht wegen der Geburt des Kindes und der danach praktizierten Rollenverteilung in der Ehe aufgegeben, könne sie als Sachbearbeiterin dort heutzutage Bruttoeinkünfte in Höhe von 3.337 € erzielen. Die X-kasse behandele ihre Angestellten seit jeher beamtengleich; betriebsbedingte Kündigungen kämen nicht vor. Außerdem seien in ihrem erlernten Beruf als Apothekenhelferin auch im Rahmen einer Vollzeitbeschäftigung keinesfalls Einkünfte zu erzielen, die ein Bruttogehalt in Höhe von 1.885 € übersteigen. Im Übrigen liege beim Kläger bereits kein Karrieresprung vor, weil er sich noch während des ehelichen Zusammenlebens fortgebildet und damit die Qualifikation für seine jetzige Gebietsleiterstelle erlangt habe. Der Kläger könne sich auf den Karrieresprung im Übrigen auch deswegen nicht berufe, dem stehe der nach der Beförderung abgeschlossene Vergleich aus dem Jahr 1997 entgegen. Dazu komme, dass das Einkommen des Klägers bei Fortsetzung der Büroleiterstelle deutlich höher als von ihm angegeben ausgefallen wäre.

Das Amtsgericht hat zu der Frage, welches Einkommen die Beklagte bei durchgängiger Beschäftigung als Sachbearbeiterin bei der X-kasse erzielen könnte, Beweis erhoben. Die X-kasse hat mitgeteilt, dass die Beklagte heute in der Höchstgrundvergütung für langjährige Beschäftigte die Regeleinstufung für Sachbearbeiterinnen in Höhe von 3.337,78 € zuzüglich eines vollen dreizehnten Monatsgehalts als Sonderzahlung verdienen würde. Das Amtsgericht hat ferner Beweis erhoben zu der Frage, wie hoch die Einkünfte einer Apothekenhelferin mit langer Berufserfahrung sind. Dazu hat die E – Apotheke den Lohn einer langjährigen Helferin mit 1.852 € brutto angegeben.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf das ergänzend Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht die Abänderungsklage abgewiesen. Dabei blieb dahingestellt, ob ein Karrieresprung vorliegt oder nicht. Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, dass auch auf der Basis des vom Kläger zugestandenen Einkommens ohne Karrieresprung eine Absenkung oder Befristung des titulierten Unterhaltsbetrages nicht in Betracht kommt. Gehe man von einem Nettoeinkommen in Höhe von 3.345 € aus und setze davon die Ausgaben für die Altersvorsorge und die Betriebshaftpflicht ab, verblieben noch 3.044 €. Dagegen sei bei der Beklagten nur von einem bereinigten Nettoeinkommen in Höhe desjenigen Betrages auszugehen, den sie bei der Firma C erwirtschaftet habe. Dieses Einkommen habe sie dauerhaft sichern können. Bei 1.700 € brutto verblieben 1.162 € netto, wovon Fahrtkosten in Höhe von 132 € in Abzug zu bringen seien. Damit könne die Beklagte einen Quotenunterhalt in Höhe von 863 € verlangen, mithin rund 300 € mehr als den titulierten Unterhalt.

Da das tatsächliche Einkommen des Klägers höher liege, sei von einer Berechnung der Ansprüche unter Einbeziehung der zweiten Ehefrau abgesehen worden.

Eine Herabsetzung oder Befristung dieses Unterhalts sei nicht gerechtfertigt. Denn nach der Auskunft der X-kasse (Bd. I, Bl. 103) sei sicher davon auszugehen, dass die Beklagte bei ununterbrochener Weiterbeschäftigung derzeit 2005 € netto verdienen könnte. Damit schulde der Kläger Aufstockungsunterhalt in der titulierten Höhe auch unter dem Gesichtspunkt eines Nachteilsausgleichs, was der Kürzung aus Billigkeitsgründen entgegenstehe.

Gegen dieses ihm am 22. Januar 2009 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 13. Februar 2009 eingelegten und nach Fristverlängerung bis zum 23. April 2009 an diesem Tag begründeten Berufung. Er ist der Meinung, Unterhalt könne nicht mehr geschuldet sein, nachdem er seinen Verpflichtungen nun seit 20 Jahren nachgekommen sei. Das am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Unterhaltsrecht gehe von einer stärkeren Eigenverantwortung des geschiedenen unterhaltsberechtigten Ehegatten aus und lege daher eine Befristung nahe. Im Übrigen verbiete sich die Annahme, dass ein möglicherweise bestehender ehebedingter Nachteil sich aus einem Vergleich zwischen dem bei der Firma C erwirtschafteten Einkommen und einem Einkommen bei der X-kasse ergebe. Denn die Beklagte habe nur drei Jahre bei der X-kasse gearbeitet und immerhin habe er ihr diese Stelle besorgt. Außerdem habe sich die Beklagte offenkundig nicht ausreichend bemüht eine besser dotierte Stelle zu bekommen, was ihm nicht schaden dürfe. Sie habe bereits bei Trennung/Ehescheidung vollschichtig arbeiten gehen können, weil der gemeinsame Sohn mit 16 Jahren nicht mehr betreuungsbedürftig gewesen sei. Wäre sie der Erwerbsobliegenheit mit bundesweiten Bewerbungen nachgekommen, dann wären ehebedingte Nachteile bis heute ausgeglichen. Eine nachträgliche Verschlechterung, insbesondere durch Arbeitslosigkeit, gehe nicht zu seinen Lasten. Die Beklagte könne ihren angemessenen Bedarf in Höhe von 1.000 € aus eigenem Einkommen sicherstellen.

Der Kläger beantragt:

Das angefochtene Urteil des Amtsgerichts – Familiengerichts – Kassel vom 13. Januar 2009 – 520 F 675/08 UE – und der gerichtlichen Vergleich vom 2. November 1989 – Amtsgericht – Familiengericht Kassel – 73 F 239/89 in der Gestalt des bestätigenden Vergleichs vor dem AG Kassel vom 13. März 1997 – 541 F 40/97 – wird dahin abgeändert, dass der Beklagte ab dem 1. März 2008 keinen nachehelichen Unterhalt mehr zu zahlen hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie macht geltend, dass der Vergleich aus dem Jahr 1997 zu einer Zeit geschlossen wurde, in der sie bereits die Zweidrittelstelle bei C innehatte. Deswegen sei der Kläger mit Vortrag dazu ausgeschlossen, dass sie sich bis 1997 nicht hinreichend um ihr Fortkommen bemüht habe. Sie bleibt dabei, dass kein Karrieresprung vorliegt. Die Beklagte behauptet weiterhin, bei ihr bestünden ehebedingte Nachteile dadurch, dass sie die gut dotierte Stelle bei der X-kasse zugunsten der in der Ehe vereinbarten klassischen Rollenverteilung aufgegeben habe, weil sie nach der Trennung und Scheidung aus Gründen außerhalb ihres Verantwortungsbereichs nicht den Verdienst habe erreichen können, der sich bei einer Weiterbeschäftigung bei der X-kasse ergeben könnte. Sie lässt sich anrechnen, das ihr eine dauerhafte Sicherung von Einkünften in Höhe von 1.700 € bei der Firma C gelungen sei.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger angegeben, seine Einkünfte beliefen sich auf rund 5.300 € netto monatlich, was die Beklagte der Höhe nach bestreitet.

II.

Die gemäß §§ 511, 517, 519, 520 ZPO zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Berufung bleibt in der Sache erfolglos. Mit dem angefochtenen Urteil ist davon auszugehen, dass der Kläger keine Abänderung des Unterhaltstitels verlangen kann, weil weder eine Herabsetzung noch eine Befristung des der Beklagten nach § 1573 Abs. 2 BGB zustehenden Unterhaltsanspruchs unter einen Betrag in Höhe von rund 550 € in Betracht kommt.

Die Feststellung des Amtsgerichts, der Kläger schulde den Unterhalt auch als Quotenunterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen nach seinen fortgeschriebenen Einkünften als Büroleiter, greift der Kläger nicht an, obgleich das Amtsgericht hier das von ihm behauptete Bruttogehalt als Nettogehalt eingesetzt und um 100 € erhöht hat. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass der Kläger mit dem Einwand nicht durchdringen kann, er schulde nach den Einkünften, die er als Büroleiter der B Versicherung in O1 erreichen könnte, ebenfalls keinen Unterhalt mehr. Er hat die Höhe dieser Einkünfte nämlich trotz des substantiierte Bestreitens der Beklagten zu keinem Zeitpunkt unter Beweis gestellt. Eine Berechnung des gemäß § 1578 BGB in Fortschreibung der ehelichen Lebensverhältnisse geschuldeten Unterhalts ist deswegen nicht möglich.

Die Tatsache, dass der Beklagte nunmehr gegenüber der zweiten von ihm getrennt lebenden Ehefrau unterhaltspflichtig ist, kann ebenfalls nicht berücksichtigt werden, weil der Kläger die Einkünfte dieser Ehefrau nicht angibt.

Es kommt damit ausschließlich darauf an, ob der Kläger sich mit Recht auf die Möglichkeit der Herabsetzung oder Befristung der Unterhaltszahlungspflicht nach § 1578 b BGB beruft. Davon ist, wie bereits das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat, nicht auszugehen. Der Kläger kann keine Herabsetzung des Unterhalts oder eine Befristung seiner Verpflichtung verlangen, weil die Beklagte ehebedingte Nachteile erlitten hat, die der Kläger auszugleichen nachhaltig verpflichtet ist, und die den titulierten Unterhalt auch bei fiktiver Annahme der Ausübung einer vollschichtigen Tätigkeit erreichen.

Die Befristung oder Herabsetzung des Unterhalts setzt gem. § 1578 b BGB voraus, dass eine weitere Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von Unterhalt unbillig ist. § 1578 b BGB stellt eine unterhaltsbegrenzende Norm mit Ausnahmecharakter dar (Regierungsentwurf, BT-Drucksache 16/1830, S. 20). Einer Herabsetzung oder Befristung stehen fortdauernde ehebedingte Nachteile entgegen. Bei der Billigkeitsabwägung für eine Herabsetzung oder eine zeitliche Begrenzung des nachehelichen Unterhalts ist daher vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche ehebedingten Nachteile begrenzen regelmäßig die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts und stehen einer Befristung grundsätzlich entgegen. Sie können sich nach § 1578 b Abs. 1 S. 3 BGB vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (Regierungsentwurf, BT-Drucksache 16/1830 S. 18 f.; BGH, FamRZ 2009, 128-131, zitiert nach juris, Rn. 31 ff.; BGH, FamRZ 2009, 1207 ff., zitiert nach juris, Rn. 35; BGH vom 14. 10. 2009 zu XII ZR 146/08, zitiert nach juris, Rn. 13; OLG Frankfurt, FuR 2008, 612 f., zitiert nach juris, Rn. 9; OLG Frankfurt, FamRZ 2009, 526 ff., zitiert nach juris, Rn. 61; OLG Stuttgart, Urteil vom 15. September 2009 zu 17 UF 128/09, zitiert nach juris, Rn. 55; OLG Oldenburg, MDR 2009, 1116, zitiert nach juris, Rn. 19, 20; OLG Koblenz, NJW 2009, 2315-2318, juris, Rn. 18).

Mit der Unterhaltsrechtsreform, die am 1. Januar 2008 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber verdeutlich, dass die den ehelichen Lebensstandard garantierende Unterhaltsverpflichtung bei Unbilligkeit entfallen soll. Bestehen jedoch Nachteile fort, die sich insbesondere aus der während der Ehe einvernehmlich gewählten Aufgabenteilung ergeben, sind diese – bei bestehender Leistungsfähigkeit – dauerhaft auszugleichen. Im Einzelfall begründen solche Nachteile eine lebenslange Unterhaltspflicht (Regierungsentwurf, BT-Drucksache 16/1830, S. 18; Ehinger, in: FuR 2009, 105 (106)).

Der Kläger trägt die Beweislast dafür, dass der Beklagten keine ehebedingten Nachteile entstanden sind (Regierungsentwurf, BT-Drucksache 16/1830, S. 20). Lediglich der Nachweis dazu, dass der Erwerbsobliegenheit genügende Bewerbungsanstrengungen nicht zu einer auskömmlichen Anstellung gefunden haben, ist von der Beklagten zu führen (BGH, FamRZ 2009, 1300 ff., zitiert nach juris, Rn. 42, 62).Da solche erfolgreichen Bewerbungsbemühungen unterstellt und entsprechende Einkünfte fiktiv hinzugerechnet die Unterhaltsverpflichtung des Klägers aus § 1573 Abs. 2 BGB fortbesteht, kommt es darauf jedoch nicht an.

Der Nachweis dazu, dass die Beklagte keine ehebedingten Nachteile erlitten hat, ist dem Kläger nicht gelungen, nachdem die Beklagte Umstände dargelegt hat, aus denen sich ein Einkommensausfall als solcher Nachteil ergibt.

Die Beklagte kann sich im Rahmen des Aufstockungsunterhalts, den sie nach § 1573 Abs. 2 BGB verlangen kann, zwar derzeit nicht mehr auf die die ehelichen Lebensverhältnisse prägenden Einkünfte berufen, weil hier nach der langen Zeit der Trennung der Eheleute eine Herabsetzung auf den Betrag gerechtfertigt wäre, den die Beklagte nach ihrer eigenen Lebensstellung und Qualifikation erwirtschaften könnte, § 1578 b BGB. Der Unterschied zwischen den Einkünften, die die Beklagte ohne Verletzung ihrer Erwerbsobliegenheit sichern konnte, und einem solchen Einkommen, das sie die ehebedingten Nachteile hinweggedacht erzielen könnte, beläuft sich jedoch auf einen Betrag über 550 €, so dass es auch bei Anwendung des § 1578 b BGB bei der Verpflichtung des unstreitig leistungsfähigen Klägers bleibt, diesen Unterhaltsbetrag zur Verfügung zu stellen.

Die Beklagte hat vor der Ehe eine Stelle als Sachbearbeiterin bei der X-kasse innegehabt, die sie nach der Geburt des Sohnes aufgrund einer gemeinsamen Entscheidung der Parteien zugunsten der Erziehung des Kindes aufgegeben hat. Sie hat bis zur Trennung der Parteien nicht mehr in einem vollschichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden und konnte nach der Trennung nicht mehr an die vor der Geburt des Sohnes bestehenden Einkommensverhältnisse anknüpfen. Das Einkommen bei der X-kasse ist anders als der Kläger meint für die Ermittlung ehebedingter Nachteile auch maßgeblich. Für diese Bewertung kommt es nicht darauf an, ob der Kläger ihr diese Stellung verschafft hat, denn für die drei Jahre bis zur Geburt des Sohnes konnte sie dieses Einkommen aus eigener Kraft sichern. Sie hat bereits vor der Eheschließung bei der X-kasse gearbeitet. Obgleich sie als Apothekenhelferin berufsfremd war, hat sie die Probezeit offenkundig erfolgreich absolviert und konnte die Stelle als Sachbearbeiterin bei einer Krankenkasse ausfüllen. Die Behauptung des Klägers, die Beklagte wäre als ungelernte Sachbearbeiterin bei der X-kasse längst gekündigt worden, weil es ausreichend viele gelernte Kräfte gibt, entbehrt einer tatsächlichen Grundlage.

Deswegen ist für die Ermittlung des ehebedingten Nachteils darauf abzustellen, dass der Beklagten bei der X-kasse ein Bruttoeinkommen in Höhe von 3.337 € zustehen würden, was bei Berücksichtigung des dreizehnten Monatsgehalts einem Nettobetrag in Höhe von 2.027,22 € entspricht:

Bruttolohn: (13 x 3337,78) 43.391,14 €
LSt-Klasse 1  
Lohnsteuer: – 8.872,00 €
Solidaritätszuschlag – 487,96 €
Kirchensteuer 9 % – 798,48 €
Rentenversicherung (19,9 %) – 4.317,42 €
Arbeitslosenversicherung (2.8 %) – 607,48 €
Krankenversicherung AN-Anteil (14,6 % / 2 + 0,9 %) – 3.558,07 €
Pflegeversicherung (AN-Anteil 0,975 %)    – 423,06 €
Nettolohn:. 24.326,67 €
24326,67 / 12 = 2.027,22 €

Abzüglich berufsbedingter Aufwendungen in Höhe von 5% (101,36 €) könnte die Beklagte daher über 1.925,86 € verfügen.

Dem ist das Einkommen gegenüber zu stellen, das die Beklagte bei Erfüllung ihrer Erwerbsobliegenheit derzeit erzielen kann. Es entsprach ihrer Obliegenheit, sich auf vollschichtige Stellen zu bewerben; das ist als Grundlage des Vergleichs vom 13. März 1997 festgehalten worden und kann auch nach § 1569 BGB von ihr erwarten werden. Der Beklagten ist es nicht gelungen Einkünfte dauerhaft zu sichern, sie ist derzeit arbeitslos. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass sie sich wenigstens die zuletzt bei der Fa. C gesicherten Einkünfte in Höhe von 1.700 € brutto anrechnen lassen muss. Selbst wenn die Beklagte so behandelt wird, als habe sie diese Stelle zugunsten einer mit 1.852 € vergüteten Vollzeitstelle im erlernten Beruf als Apothekenhelferin aufgegeben, sind als Nachteilsausgleich 550 € Unterhalt geschuldet. Die Behauptung des Klägers, als Apothekenhelferin könne die Beklagte höhere Einkünfte erzielen, ist durch die Auskunft der Apothekerkammer (Bd. I, Bl. 110 d.A.: 1.852 € brutto) widerlegt. Danach können bei tariflicher Bindung der beschäftigenden Apotheke allenfalls 13 Monatsgehälter in Höhe von 1.852 € angenommen werden, was bereinigten Nettoeinkünften in Höhe von 1.246,04 € entspricht:

Bruttolohn: (13 x 1852 €) 24.076,00 €
LSt-Klasse 1  
Lohnsteuer: – 2.965,00 €
Solidaritätszuschlag – 163,07 €
Kirchensteuer 9 % – 266,85 €
Rentenversicherung (19,9 %) – 2.395,56 €
Arbeitslosenversicherung (2.8 – 337,06 €
Krankenversicherung AN-Anteil (14,6 % / 2 + 0,9 %) – 1.974,23 €
Pflegeversicherung (AN-Anteil 0,975 %)    – 234,74 €
Nettolohn: 15.739,49 €
15739,49 / 12 = 1.311,62 €
abzüglich pauschaler berufsbedingter Aufwendungen      – 65,58 €
bleibt 1.246,04 €

Dieser zugunsten der Klägers für die Berechnung fiktiv zu unterstellende Verdienst erreicht daher günstigstenfalls einen Betrag in Höhe von 1.246,04 €, was noch 679,82 € unterhalb der 1.925,86 € liegt, die sie bei ununterbrochener Fortbeschäftigung bei der Krankenkasse erhalten könnte. Diese Differenz zeigt den ehebedingten Nachteil auf, der der (weiteren) Herabsetzung des Unterhalts auf einen unter dem titulierten Betrag von 550 € liegenden Betrag entgegensteht. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte während der vergangenen Jahre trotz der Ausübung einer teilschichtigen bzw. vollschichtigen Tätigkeit, die den Kläger unterhaltsrechtlich entlastete, über Fortbildungen eine Qualifikation hätte erreichen können, die dauerhaft höhere Einkünfte gewährleistet hätte, fehlen.

Eine Befristung des Unterhalts kommt nicht etwa deswegen in Betracht, weil es der Beklagten prognostisch gelingen kann, Einkünfte auf dem Niveau einer Sachbearbeiterin bei einer Krankenkasse zu sichern. Die Beklagte ist nun 57 Jahre alt und mittlerweile arbeitslos. Die Anstellung, die sie nach der Kündigung bei der C GmbH erhalten konnte, brachte trotz vollschichtiger Beschäftigung ein geringeres Einkommen.

Die Höhe der Einkünfte, die der Kläger nach seinen streitig gebliebenen Angaben erzielt, ergibt ebenfalls keine Unbilligkeit im Sinne des § 1578b BGB. Denn der an die Beklagte auszukehrende Unterhaltsbetrag erreicht derzeit nur etwa 10 % dieses Einkommens in Höhe von 5.300 €. Bei Nettoeinkünften in dieser Höhe kann der Kläger einen beachtlichen Realsplittingvorteil realisieren, der sich bei Annahme einer Pflichtversicherung auf rund 265 € beläuft. Auch von daher ist aus dem Verhältnis zwischen der Unterhaltsrente und dem zur Verfügung stehenden Einkommen keine Unbilligkeit abzuleiten (vg. OLG Frankfurt, Urteil vom 11. September 2008 zu 1 UF 196/05, zitiert nach http://www.hefam.de/DT/ffm2009fr.html).

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Entscheidung des Bundesgerichtshofs weder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, noch grundsätzlich zu klärende Fragen betroffen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.

OLG Frankfurt, Urteil vom 04.11.2009
2 UF 43/09

AG Kassel, Urteil vom 13.05.2009
522 F 675/08

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