OLG Stuttgart: Fortwirkender ehebedingter Nachteil kann auch zu einer Unterhaltsbegrenzung führen

1. Ein fortwirkender ehebedingter Nachteil kann auch zu einer Unterhaltsbegrenzung nach § 1578 b Abs. 1 BGB führen.

2. Hat eine unterhaltsberechtigte Ehefrau den Beruf einer Bankkauffrau erlernt und infolge einer Familienpause ca. 20 Jahre lang in diesem Beruf nicht mehr gearbeitet, so können bei bestehender Erwerbsobliegenheit Einkünfte aus einer Tätigkeit als Bürohilfskraft zugerechnet werden.

Die Revision wurde nicht zugelassen.
Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Tuttlingen vom 20. Mai 2009 – 3 F 211/09 – abgeändert:

In Abänderung von Ziff. 4 des Urteils des Amtsgerichts – Familiengericht – Tuttlingen vom 16. Dezember 2002 – 1 F 625/99 – wird der Kläger verurteilt, der Beklagten nachehelichen Ehegattenunterhalt zu zahlen wie folgt:

a) mit Wirkung ab dem 29. April 2009 in Höhe von monatlich 618,- EUR

b) und ab dem Monat Januar 2012 in Höhe von monatlich 500,- EUR.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen, die weitergehende Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen haben der Kläger 80 % und die Beklagte 20 % zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Berufungsstreitwert: 8.016,- EUR.

Tatbestand

I.

Die Parteien sind geschiedene Eheleute und streiten um die Abänderung nachehelichen Ehegattenunterhalts. Dieser ist zugunsten der Beklagten mit monatlich 668,- EUR tituliert, und zwar infolge eines klägerseits erklärten Anerkenntnisses durch Scheidungsverbundurteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Tuttlingen vom 16. Dezember 2002 – 1 F 625/99 -, dort: Ziff. 4 in berichtigter Fassung. Mit seiner am 29. April 2009 zugestellten Abänderungsklage erstrebt der Kläger den Wegfall der Unterhaltsverpflichtung ab dem 1. April 2009. Das Familiengericht hat dem stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

Der Ehemann ist am … September 1958 geboren, die Ehefrau am … Februar 1964. Am 29. Juli 1988 haben die Parteien geheiratet. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen: K., geboren am … November 1989, A., geboren am … März 1992, und J., geboren am … Mai 1994. Am 1. Juli 1997 haben sich die Eheleute voneinander getrennt. Am 22. Dezember 1997 wurde das Scheidungsverfahren rechtshängig. Seit dem 8. Februar 2003 ist der Scheidungsausspruch rechtskräftig. Die drei Kinder wuchsen nach der Trennung bei der Mutter auf. Für A. und J. bezahlt der Vater monatlich laufend Kindesunterhalt in Höhe von jeweils 333,- EUR. Der älteste Sohn K. wechselte im Jahr 2008 zum Kläger. In dessen Wohnung bewohnt er ein Zimmer mit einer Größe von zwischen 23 m² und 24 m². K. befindet sich in Ausbildung und erhält eine Ausbildungsvergütung in Höhe von monatlich 290,- EUR.

Das Familiengericht hat mit der angefochtenen Entscheidung antragsgemäß entschieden, dass der Ehefrau ab 1. April 2009 kein Unterhalt mehr zustehe. Lege man für sie einen fiktiven Bruttostundenlohn von 8,50 EUR zugrunde, erziele sich hieraus ein monatsdurchschnittliches Netto von 1.062,09 EUR; sie könne sich selbst unterhalten. Zum selben Ergebnis gelange man, wenn man ihren Unterhalt befriste. Das ergebe eine Gesamtabwägung und die nunmehr sechs Jahre währende Unterhaltszahlung durch den Ehemann.

Dagegen wendet sich die Beklagte. Sie macht geltend, bis 2008 nicht zu einer Erwerbstätigkeit verpflichtet gewesen. Die Söhne K. und J. hätten unter ADS-Symptomen gelitten. Sie habe den Beruf einer Bankkauffrau erlernt, diesen aber seit nunmehr über 20 Jahren nicht mehr ausgeübt. In der Zwischenzeit habe sie sich lediglich durch einen sog. Europäischen Wirtschaftsführerschein sowie EDV-Kurse weiter qualifiziert. Auf über 50 ausgeschriebene Stellen habe sie sich beworben, außerdem noch 16 Mal im Wege der Initiativbewerbung. Diese Bewerbungen hätten dazu geführt, dass sie nunmehr auf Basis einer geringfügigen Tätigkeit arbeite und aus dieser Beschäftigung seit dem Monat April 2009 monatlich 330,- EUR erziele. Außerdem habe sie nun eine befristete Teilzeitstelle bei einem Kreditinstitut in Aussicht. Dort werde sie voraussichtlich an 80 bis 90 Stunden im Monat zu einem Bruttostundenlohn von 10,- EUR arbeiten können. Dem Kläger seinerseits sei die Zahlung von Ehegattenunterhalt ohne Weiteres möglich. So verfüge er über Einkünfte, auch entnommene Gewinne, als geschäftsführender Gesellschafter einer R. GmbH, außerdem über Einkünfte aus Vermietung eines Hausgrundstücks V. in L.

Er lebe mietfrei in dem im Miteigentum mit seinem Bruder stehenden Wohnhaus R. 2 in T. Die Wohnung weise ein Wohnfläche von 150 m² auf, befinde sich in bester Wohnlage T. und führe deshalb bei Ansatz einer m²-Miete von 6,50 EUR zum Ansatz eines Wohnvorteils von 975,- EUR. Befriste man den der Beklagten zustehenden Unterhalt, so könne das frühestens auf den Ablauf des Jahres 2014 erfolgen.

Die Beklagte beantragt:

1. Das Urteil des AG Familiengericht Tuttlingen vom 20.05.2009, Az. 3 F 211/09, wird abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sein Einkommen aus nicht selbstständiger Erwerbstätigkeit belegt er mit der Entgeltabrechnung für Dezember 2008. Danach erzielte er ein Jahresbrutto von 30.000,- EUR. Vorsorgeaufwendungen sind in dieser Abrechnung weder als Zuschlag noch Abzug berücksichtigt.

Der Kläger trägt diese mit einer Jahressumme von 9.763,30 EUR vor, wovon auf Krankenversicherungsprämien ein Betrag von (5.361,96 EUR + 616,80 EUR =) 5.978,76 EUR entfällt. Gewinne im Zusammenhang mit der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an der R. GmbH würden nicht erzielt. Die Einkünfte aus Vermietung zweier Wohnungen in einem Anwesen V. 2 in L. müsse er mit seinem Bruder teilen, der im April 2010 in eine der beiden Wohnungen einziehe. Für eine Immobilie L. in E. habe der Kläger einen jährlichen Kapitaldienst von zwischen 3.000,- EUR und 3.500,- EUR zu leisten, nämlich monatlich allein 250,- EUR bis 300,- EUR für Zinslasten, was anteilig auch auf die Beklagte als Miteigentümerin entfalle. Was seinen Wohnvorteil betreffe, so verringere sich dieser im Hinblick auf ein Wohnrecht seines Stiefvaters und belaufe sich auf maximal 650,- EUR im Monat. Aufwendungen für die Instandhaltung, unter anderem in Höhe von 30.000,- EUR für den zurückliegenden Einbau einer neuen Heizungsanlage, seien dabei noch nicht berücksichtigt. Indem der Bruder des Klägers Miteigentümer des Wohnhauses sei, dort aber selbst nicht lebe, sei zudem davon auszugehen, er wende diesem die Nutzungsmöglichkeit freiwillig und unentgeltlich zu. Seit dem 18. Dezember 2008 stehe dem Kläger ein Firmen-Pkw zur Verfügung, ein Pkw Mercedes Benz 220 D Kombi, Baujahr 2005, Kilometerstand zum Anschaffungszeitpunkt: 248.000. Privatfahrten verzeichne er in einem Fahrtenbuch; in den Gehaltsnachweisen sei ein Sachbezug von 100,- EUR ausgewiesen und besteuert. Für die Beklagte ihrerseits sei davon auszugehen, sie habe, auch aufgrund außergerichtlicher Korrespondenz zu dieser Frage, zu einem früheren Zeitpunkt als im Jahre 2008 mit Bewerbungsbemühungen beginnen müssen.

Dass sie ehebedingte Nachteile erfahren habe, sei nicht erkennbar. Einerseits hätte sie bereits infolge zurückliegender Entlassungen bei ihrem früheren Arbeitgeber, der V., nicht mit einem fortwährenden Bezug ihres dort vormals erzielten Gehalts rechnen können. Andererseits lägen die durchschnittlichen Bruttogehälter von Bankkaufleuten im Großraum Tuttlingen derzeit bei monatsdurchschnittlich 2.200,- EUR brutto. Ein entsprechendes Gehalt sei auch der Beklagten zuzurechnen.

Der Senat hat die das Ehescheidungsverfahren der Parteien betreffenden Akten beigezogen. In diesen befindet sich ein Wertgutachten für das durch den Kläger bewohnte Wohnhaus. Außerdem hat der Senat nach der mündlichen Verhandlung einen aktuellen Mietspiegel der Stadt Tuttlingen eingeholt und den Parteien Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Berufung ist nach § 511 ZPO statthaft, gemäß §§ 517, 519 und 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden. In der Sache hat das Rechtsmittel überwiegenden Erfolg. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, nachdem er die erforderlichen Feststellungen nachgeholt hat.

2. Der Kläger hat die Voraussetzungen einer Unterhaltsabänderung (§ 323 Abs. 1 ZPO) schlüssig vorgetragen.Der Unterhaltsanspruch der Ehefrau ergibt sich dem Grunde nach aus § 1573 Abs. 2 BGB, das Maß des Unterhalts folgt den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 BGB). Die abzuändernde Entscheidung stützt sich erkennbar auf eine bestehende Betreuungssituation (§ 1570 BGB). Nunmehr ist Aufstockungsunterhalt als Anschlussunterhalt geschuldet. Die sowohl für ihren Unterhaltsbedarf als auch ihre Bedürftigkeit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte braucht sich allerdings nicht an die Ausgangsentscheidung binden zu lassen. Vielmehr trägt sie im Rahmen ihres Verteidigungsvorbringens zutreffend ihren gesamten Bedarf vor und macht diesen geltend, ohne hieran durch die Zeitschranke des § 323 Abs. 2 ZPO gehindert zu sein (vgl. BGH, FamRZ 1999, 98, 101).

a) Der Kläger ist geschäftsführender Gesellschafter einer R. GmbH. Wie sowohl aus seiner für den Monat Dezember 2008 vorgelegten Entgeltabrechnung als auch der für den Veranlagungszeitraum 2008 vorgelegten Lohnsteuerbescheinigung hervorgeht, erzielte er im Kalenderjahr 2008 ein Jahresbruttoeinkommen in Höhe von 30.000,- EUR.

Aus der Gewinn- und Verlustrechnung für die R. GmbH im Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2007 ergibt sich demgegenüber ein Personalaufwand in Höhe von 30.681,85 EUR. Ohne dass der Kläger dem entgegen getreten wäre, hat der Senat in der mündlichen Verhandlung erkennen lassen, wegen der durch den Kläger erzielten Entgelte auf die für die GmbH vorgelegten Gewinnermittlungen zurückgreifen zu wollen.

In der Sache ist dies auch gerechtfertigt, weil der Kläger zwar im Monat Januar 2009 noch ein Bruttoeinkommen in bisheriger Größenordnung (2.500,- EUR), in den Folgemonaten hingegen jeweils ein solches von 2.613,- EUR erzielt hat. Soweit im Streitzeitraum Einkünfte schwanken, vermag dem erst in der Zukunft Rechnung getragen zu werden. Deshalb bewendet es bei den gesichert festgestellten Einkünften aus der Gewinn- und Verlustrechnung des vorvergangenen Jahres. Das sind (vor Steuern) 30.681,85 EUR.

Gewinne aus selbständiger Erwerbstätigkeit sind nicht hinzuzurechnen. Die Gewinne sind entweder geringfügig oder beruhen auf steuerlich veranlassten Korrekturen, welche sich unterhaltsrechtlich nicht auswirken.

Abzuziehen sind die Vorsorgeaufwendungen. Einem selbständig Erwerbstätigen, welchem der Kläger gleichsteht, ist ein Aufwand für Krankheits- und Altersvorsorge zuzugestehen, letzterer im Umfang von 24 % des Gewinns vor Steuern (vgl. BGH, FamRZ 2008, 1739, 1745 m. Anm. Maurer ). Der Vorsorgeaufwand beläuft sich auf insgesamt 9.763,30 EUR, davon entfällt allein auf die Krankheitsvorsorge ein Betrag von 5.978,76 EUR.

Auch wenn in den Aufwendungen sowohl Zahlungen auf eine Unfall- als auch auf eine Berufsunfähigkeitsversorgung enthalten sind, begegnet die Angemessenheit des gesamten Vorsorgeaufwands keinen Bedenken. Dieser ist deshalb ungeschmälert zu berücksichtigen. Die Befragung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergab keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Vorsorgeaufwendungen bereits als Unternehmensausgaben der R. GmbH erfasst seien.

Wegen privater Nutzung des Firmen-Pkw ist ein Gebrauchsvorteil zuzurechnen. Vorliegend besteht die Besonderheit einerseits darin, dass der Kläger für seine Privatfahrten ein Fahrtenbuch führt (§ 8 Abs. 2 Satz 4 EStG) und es sich andererseits nicht um einen Neuwagen handelt. Auf die sogenannte 1 %-Regelung (hierzu: OLG München, FamRZ 1999, 1350) kann deshalb nicht zurückgegriffen werden. Letztlich ist deshalb danach zu fragen, welche privaten Kosten durch das Firmenfahrzeug erspart wurden bzw. worden wären ( Langheim , FamRZ 2009, 665). Den pauschalen Ansatz von 100,- EUR, so in den Gehaltsabrechnungen des Beklagten, erachtet der Senat als zu gering. Das, wenn auch gebraucht erworbene, Fahrzeug der Mittelklasse steht dem Beklagten für sämtliche anfallenden Privatfahrten zur Verfügung. Auch nach Abzug der anteilig anfallenden Steuerlast (hierzu wiederum OLG München, a.a.O.) ist der Senat der Überzeugung, dass dem Kläger ein Gebrauchsvorteil von monatlich 200,- EUR verbleibt (vgl. hierzu auch BGH, FamRZ 2008, 1739, 1745 m. Anm. Maurer ).

Pauschalierte Berufskosten sind dem Kläger nicht zugestehen, weil er einem selbständig Erwerbstätigen gleichsteht (s. bereits oben).

Eine Einkommensberechnung nach dem hier anzuwendenden Grundtarif ergibt:

Jahresbruttoeinkommen aus nicht selbstständiger Arbeit: 30.681,85 EUR
Jahresgesamteinkommen (brutto): 30.681,85 EUR

Steuermerkmale
– Steuerliche Alleinveranlagung
– Werbungskosten: 920,00 EUR
– Sonderausgaben: 36,00 EUR
– Vorsorgeaufwand (9.763,00 EUR), berücksichtigt bis zum Höchstbetrag: 6.639,00 EUR
– Der Kinderfreibetrag gilt durch das gezahlte staatliche Kindergeld

als abgegolten.
– Kirchensteuersatz: 8 %

Steuer
Einkommensteuer: 3.617,00 EUR
Solidaritätszuschlag: 67,49 EUR
Kirchensteuer: 98,16 EUR
Jahresnettoeinkommen: 26.899,20 EUR
Monatsnettoeinkommen: 2.241,60 EUR

Wegen des Vorteils aus mietfreiem Wohnen (hierzu: BGH, FamRZ 2008, 963, 964 f. m. Anm. Büttner ) vermag sich der Senat einerseits auf die beigezogenen Scheidungsakten und andererseits auf den Mietspiegel der Stadt Tuttlingen zu stützen. In den Scheidungsakten befindet sich ein Verkehrswertgutachten mit Lichtbildern. Danach umfasst die durch den Kläger genutzte Hauptwohnung im Erdgeschoss eine Wohnfläche von 158 m². Davon abzuziehen ist der auf den Sohn K. entfallende Anteil von zwischen 23 m² und 24 m², so dass für den Kläger eine Wohnfläche von ca. 135 m² verbleibt. Das Einfamilienhaus, in welchem sich auch eine durch den Stiefvater des Klägers genutzte Einliegerwohnung befindet, wurde in den Jahren 1967/1968 erbaut und in den Folgejahren, insbesondere im Jahre 1993 umfassend, renoviert.

Das Grundstück, auf welchem sich das Wohnhaus befindet, weist eine Fläche von 892 m² auf und liegt in einem reinen Wohngebiet. Durch die Lichtbilder zum Verkehrswertgutachten und dem beigefügten Lageplan wird der Vortrag der Beklagten gestützt, es sei von einer bevorzugten Wohnlage auszugehen, nicht zuletzt durch die leichte Höhenlage in Tuttlingen-Ost.

Für Neubauten im Zeitraum 1. Januar 1961 bis 31. Dezember 1970, welche eine Wohnfläche von über 90 m² aufweisen, sieht der einschlägige Mietspiegel erzielbare Mieten von zwischen 4,43 m² bis 4,84 m², Mittelwert: 4,63 m², vor, soweit – wie hier – Bad/Dusche und Zentralheizung vorhanden sind. Nach dem in dem Mietspiegel vorgesehen Punktesystem ist die Einschätzung gerechtfertigt, dass sich das Wohnhaus in bester Wohnfläche befindet (über 16 Punkte), nämlich wegen der Lage im reinen Wohngebiet (s. eben), die vorhandenen Einkaufsmöglichkeiten, die kurze Entfernung zur Innenstadt, weiterhin durch die Tatsache, dass es sich um ein Einfamilienhaus auf nur teilweise überbautem Grundstück handelt, das schon wegen der Lage im reinen Wohngebiet weder einem Durchgangsverkehr noch Staub- oder Geruchsbelästigungen ausgesetzt ist. Ausweislich des Lageplans befindet sich die nächstgrößere Straße einige Parallelstraßen entfernt. Für überdurchschnittliche Ausstattung, nämlich Parkett-Beläge und das wandhoch geflieste Bad, Balkon und Garten tritt ein Zuschlag hinzu, welchen der Senat mit 10 % bemisst. Außerdem handelt es sich um ein Einfamilienhaus, in welchem sich neben der Wohnung des Klägers die Wohnung des Stiefvaters befindet, eine Einliegerwohnung.

Sieht der Mietspiegel der Stadt Tuttlingen für allein bewohnte Einfamilienhäuser bis einschließlich dem Baujahr 1970 einen Zuschlag von 30 % und für solche ab dem Baujahr 1991 einen Zuschlag von 10 % vor, so erachtet der Senat in Ansehung der tatsächlichen Wohnverhältnisse einen weiteren Zuschlag von 15 % als gerechtfertigt. Legt man also den Mittelwert von 4,63 EUR zugrunde, so ergibt sich eine angemessene m²-Miete von gerundet (4,63 EUR + 10 %) + 15 % = 6,- EUR. Für die durch den Kläger genutzte Wohnfläche von 135 m² ergibt sich damit eine objektive Marktmiete (vgl. wiederum BGH, a.a.O.) von 810,- EUR.

Zum Anfall verbrauchsunabhängiger Kosten, so diese nicht ohnehin auf einen Mieter umlagefähig wären (vgl. BGH, FamRZ 2009, 1300, 1303 m. Anm. Schürmann ), ist nicht vorgetragen. Letzteres gilt im Ergebnis auch wegen der in Bezug genommenen Instandhaltungen. Weder ist ein genauer Anschaffungszeitpunkt deutlich geworden, noch geht aus dem Vorbringen des Klägers hervor, welcher der beiden Miteigentümer aus welchen Mitteln die für die Maßnahme anfallenden Kosten aufgebracht hat und inwieweit diese überhaupt erforderlich war.

Außer Ansatz bleiben auch freiwillige Zuwendungen des Bruders (vgl. SüdL Nr. 8), auf welche sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat berufen hat. Dem Senat ist nicht erkennbar geworden, wie sich die Rechtsbeziehungen zwischen den Brüdern in Ansehung ihrer bislang nicht auseinandergesetzten Erbengemeinschaft gestalten, in deren Miteigentum zudem eine weitere, derzeit fremdgenutzte Immobilie steht (dazu später).

Mangels weitergehender Anhaltspunkte ist deshalb nicht festzustellen, dass der eine Bruder dem anderen etwas ohne Gegenleistung gewähre. Insoweit ist die durch den Kläger in der mündlichen Verhandlung aufgeworfene Frage weder weiterführend noch erheblich, welche Rechtsfolgen sich im Falle einer Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ergäben.

Für die Kinder A. und J. zahlt der Kläger unstreitig monatlich laufende Beträge von jeweils 333,- EUR (zum Ansatz der Zahlbeträge s. BGH, FamRZ 2009, 1477; FamRZ 2009, 1300, 1304 f. m. Anm. Schürmann ). Für den Sohn K. ist hingegen kein Unterhalt anzusetzen. K. ist volljährig und könnte deshalb allein Barunterhalt beanspruchen. Entnimmt man seinen Unterhaltsbedarf dem Eingangssatz der Düsseldorfer Tabelle, Stand: 1. Januar 2009, Altersstufe IV, so ergibt sich nach Abzug des vollen Kindergelds (hierzu: BGH, FamRZ 2008, 963, 967 m. Anm. Büttner ) ein Unterhaltsbedarf von (432,- EUR ./. 164,- EUR =) 268,- EUR. Nach bedarfsdeckendem Abzug der um ausbildungsbedingten Mehrbedarf bereinigten Ausbildungsvergütung von (290,- EUR ./. 90,- EUR =) 200,- EUR verbleibt ein ungedeckter Restbedarf in Höhe von 68,- EUR. Indes hat der Kläger nicht vorgetragen, dem Sohn K. Barmittel in der genannten Größenordnung zur Verfügung zu stellen. Tatsächlich gewährt er ihm mietfreies Wohnen. Bei der Bemessung des Wohnvorteils ist das bereits berücksichtigt. Ein darüber hinaus gehender Abzug eines Barunterhalts für den Sohn K. unterbleibt.

Zu den Einkünften treten schließlich solche aus Vermietung, nämlich des Anwesens V. in L.

In der durch seinen Steuerberater erstellten Hausertragsrechnung 2007 ist ein Überschuss von 9.889,07 EUR ausgewiesen, welcher um die für Absetzungen für Abnutzung (AfA) mit 2.330,- EUR angesetzte Summe auf einen Betrag von (9.889,07 EUR + 2.330,- EUR =) 12.219,07 EUR zu korrigieren ist. Wie sich auch aus dem vorgelegten Aufteilungsbescheid ergibt, stehen diese Überschüsse nicht dem Kläger alleine zu, sondern anteilig neben ihm dem Bruder. Rechnet man dem Kläger die Hälfte des genannten Betrags (12.219,07 EUR / 2 =) 6.109, 54 EUR zu und zieht anfallende Steuern mit nach Maßgabe des § 287 ZPO geschätzten 30 % ab, so verringern sich die Einnahmen nach Steuern auf monatlich gerundet 1 / 12 * (6.109,54 EUR ./. 1.800,- EUR) = 359,- EUR. Dass sich hieran Wesentliches durch den im nächsten Jahr bevorstehenden Einzug des Bruders ändere, welcher ab dann etwa die für das Hausgrundstück insgesamt anfallenden Lasten übernehmen mag, vermochte der Kläger auch auf Befragen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht zu bekunden. Es bewendet deshalb bei den genannten Beträgen.

Einnahmen oder Ausgaben im Zusammenhang mit der Wohnung L. in E. war unterhaltsrechtlich nicht Rechnung zu tragen. Die auch insofern vorgelegte Hausertragsrechnung 2007 weist jährliche Mieteinnahmen von 3.190,- EUR bei Finanzierungskosten von 3.024,58 EUR aus. Der Kläger beruft sich demgegenüber auf einen Gesamtaufwand von zwischen 3.000,- EUR und 3.500,- EUR im Jahr. Zu Tilgungsanteilen trägt er nicht vor. Auch aus dem Feststellungsbescheid des Finanzamts Tuttlingen für den Veranlagungszeitraum 2007 lassen sich Einzelheiten hierzu nicht entnehmen.

Nach Berücksichtigung sämtlicher Einkommenspositionen und Abzüge ist schließlich ein Erwerbstätigenbonus zuzubilligen, welchen der Senat mit 10 % bemisst.

b) Die tatsächlichen Einkünfte der Beklagtenbelaufen sich zu Beginn des Streitzeitraums auf, ihrem Vortrag gemäß, höchstens 330,- EUR im Monat. Hinzuzurechnen sind fiktive Erwerbseinkünfte. Denn die Beklagte ist einer Erwerbsobliegenheit ausgesetzt, welcher sie auch im Hinblick auf ihre bislang entfalteten Erwerbsbemühungen nicht hinreichend genügt hat. Sie hat hierzu vorgetragen und belegt, sich 50 Mal und weitere 16 Mal um die Erlangung einer Arbeitsstelle bemüht zu haben. Dazu hat sie unter anderem eine ansprechende Musterbewerbung mit Lichtbild und Werdegang vorgelegt.

Allerdings sind die Parteien bereits seit Beginn des Jahres 2003 rechtskräftig geschieden. Am 1. Mai 2008 vollendete das jüngste Kind J. sein 14. Lebensjahr. Erst ab dem letztgenannten Zeitpunkt setzen die Erwerbsbemühungen ein.

Hierzu ist zu sehen, dass die Beklagte bis zum Ablauf des Jahres 2007 nach dem bis dahin geltenden „Altersphasenmodell“ noch nicht vollschichtig hätte arbeiten müssen. Der Kläger seinerseits forderte die Beklagte nach Aktenlage erst zu Beginn des Jahres 2008 auf, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. In diesem Zeitraum und darüber hinaus war der Ehegattenunterhalt durch das abzuändernde Urteil tituliert. Ob sich die vorgetragenen ADS-Probleme der Söhne K. und J. auf die Betreuungssituation auswirkten, kann im Ergebnis dahinstehen.

K. wechselte im Lauf des Jahres 2008 zum Vater. Das für J. vorgelegte Arztattest stammt vom 6. Oktober 2003 und endet mit dem Vorschlag, das Kind solle nach einer gewissen Zeit wieder beim Arzt vorgestellt werden. Außerdem ist zu den durch die Mutter entfalteten Betreuungsleistungen nichts bekannt (zur Problematik vgl. auch BGH, FamRZ 2009, 1124 m. Anm. Borth ).

Die genannten Umstände, insbesondere die Versorgung der drei Kinder und die erst im Jahre 2008 beginnende Korrespondenz zur Frage von Erwerbsobliegenheiten, führen zu dem Schluss, dass sich die Beklagte nach dem Willen beider Parteien, auch des Klägers, bis zum genannten Zeitraum berechtigt der Kinderbetreuung widmen durfte und zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht verpflichtet war.

Dem Kläger ist dahin zu folgen, dass für die Beurteilung von Erwerbschancen auf denjenigen Zeitpunkt abzustellen ist, in welchem die Obliegenheit einsetzt (vgl. BGH, FamRZ 2008, 2105, 2106 m. Anm. Schürmann ). Dieser Zeitpunkt lag, wie gezeigt, nicht vor dem Jahr 2008. Ferner vermag sich die aus der Obliegenheitsverletzung folgende Zurechnung fiktiver Einkünfte nur daran zu orientieren, inwieweit eine reale Beschäftigungschance bestand (vgl. BGH, a.a.O.; FamRZ 2009, 1300, 1304 m. Anm. Schürmann ). Dazu verhält sich die angefochtene Entscheidung nicht.

Die Beklagte ist nunmehr 45 Jahre alt. Ihren vormals als Bankkauffrau ausgeübten Beruf hat sie nach dem Erziehungsurlaub aufgegeben. Wie sich aus den beigezogenen Scheidungsakten ergibt (dort: Sonderheft Versorgungsausgleich), wurde für sie der letzte Pflichtbeitrag der gesetzlichen Rentenversicherung im September 1989 entrichtet.

Es schließen sich Zeiten von Schwangerschaft, Mutterschutz und Kindererziehung sowie, das ergibt sich aus der vorgelegten Vita, eine Teilzeittätigkeit im Zeitraum Juni bis August 1991 an. Nach Ablauf des Erziehungsurlaubs hat die Beklagte ihren vormals bei der V. innegehabten Arbeitsplatz im Jahre 1991 gekündigt. Nach der Überzeugung des Senats bestand und besteht für die Beklagte nach alledem und trotz zwischenzeitlich absolvierter Weiterbildung („Europäischer Wirtschaftsführerschein“; EDV-Kurse) keine reale Chance, erneut vollschichtig als Bankkaufrau tätig zu sein. Vielmehr kommt für sie eine Bürotätigkeit in Betracht, allerdings nicht als Bürofachkraft, sondern nur als Bürohilfskraft. Denn seit dem Ende ihrer Berufstätigkeit hat die Beklagte mit den Anforderungen einer qualifizierten Arbeit im Büro unter Einschluss dort regelmäßig erwarteter Fertigkeiten nicht Schritt gehalten.

Der Senat schätzt, dass die Beklagte aus einer solchen Erwerbstätigkeit ein monatsdurchschnittliches Bruttoeinkommen in der Größenordnung von zwischen 1.100,- EUR und 1.200,- EUR erzielen könnte. Trägt man im gegebenen Einzelfall einem bereits zurückliegenden Einsetzen von Erwerbsobliegenheiten Rechnung und berücksichtigt weiter die die Beklagte insofern treffende Darlegungs- und Beweislast (hierzu BGH, FamRZ 1300, 1304 m. Anm. Schürmann ), so ist ein fiktives Bruttoeinkommen in Höhe von monatlich 1.200,- EUR zugrunde zulegen. Nach weiterer Schätzung des Senats ergibt sich hieraus bei Inanspruchnahme des Entlastungsbetrags nach § 24 b EStG ein monatsdurchschnittliches Nettoeinkommen in der Größenordnung von 930,- EUR:

Bruttoeinkommen: 1.200,00 EUR
Bezugszeitraum: 1 Monat
= Jahresbruttoeinkommen: 14.400,00 EUR
– davon steuerpflichtig: 14.400,00 EUR
– davon sozialversicherungspflichtig: 14.400,00 EUR
Gesamtmonatseinkommen (brutto): 1.200,00 EUR

Rentenversicherung p.M. aus 1.200,00 EUR: 119,40 EUR
Arbeitslosenversicherung p.M.: 16,80 EUR
Krankenversicherung p.M. aus 1.200,00 EUR
(Beitragssatz 14,9 %, teilparität. AN-Anteil): 94,80 EUR
Pflegeversicherung p.M. aus 1.200,00 EUR (Beitragssatz 1,95 %): 11,70 EUR
Summe der Sozialabgaben je Monat: 242,70 EUR

Lohnsteuerklasse: 2
Kinderfreibetrag: 1,5
Kirchensteuersatz: 8 %
Lohnsteuer aus 1.200,00 EUR p.M.: 23,66 EUR
Solidaritätszuschlag p.M.: 0,00 EUR
Kirchensteuer p.M.: 0,00 EUR
Summe der Steuern je Monat: 23,66 EUR

Monatsnettoeinkommen: 933,64 EUR

Dieses wiederum korrespondiert mit zusammengerechneten Einkünften aus derzeit ausgeübter Geringverdienertätigkeit (monatlich maximal 330,- EUR) und solchen aus der erwarteten Halbtagstätigkeit.

Wird letztere mit einem Bruttostundenlohn von 10,- EUR ausgeübt, so sind hieraus monatliche Nettoeinkünfte in der Größenordnung von 630,- EUR erzielbar. Die Addition mit einer hinzutretenden, auch geschuldeten, Geringverdienertätigkeit führt wiederum zur Annahme von Einkünften im bereits anderweitig errechneten Umfang.

3. a) Nach Maßgabe dessen ergibt sich für die Beklagte derzeit ein Unterhaltsanspruch in Höhe von monatlich 618,- EUR:

b) Der Einbezug von Realsplittingvorteilen hatte zu unterbleiben. Zwar nimmt der Kläger bereits laufend das begrenzte Realsplitting (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG) in Anspruch.Allerdings ist der Beklagten ein Nachteilsersatz geschuldet, welcher jedenfalls die Prüfung veranlassen mag, ob die weitere Inanspruchnahme des begrenzten Realsplittings wirtschaftlich sinnvoll ist.Der Senat sah aus diesem Grunde davon ab, für die vorstehende Unterhaltsberechnung von steuerlichen Obliegenheiten des Klägers (SüdL Nr. 10.1.) auszugehen.

4. Der Kläger ist als zur Zahlung der ermittelten Unterhaltsbeträge leistungsfähig anzusehen. Umstände, welche zu einer sogenannten Barmittelkontrolle führen könnten, sind im Ergebnis nicht ersichtlich. Für seinen Barbedarf muss dem Unterhaltspflichtigen immer sein um den Wohnkostenanteil verminderter Selbstbehalt verbleiben (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Auflage, Rn. 866; Wendl/Kemper/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis*, 7. Auflage, § 1 Rn. 320a: Kontrolle nach § 242 BGB). Nur wegen der Differenz zwischen Mietvorteil und laufenden Lasten lebt der Eigentümer günstiger als ein Mieter. Deshalb kann in Fällen beengter wirtschaftlicher Verhältnisse eine Korrektur des zu belassenden Selbstbehalts geboten sein, und zwar im Umfang des darin für eine Kaltmiete enthaltenen Anteils (vgl. OLG Nürnberg, FamRZ 2008, 992 f.; Riegner , FamRZ 2000, 265). Der dem Kläger zugerechnete Pkw-Vorteil könnte in diese Betrachtungen mit einbezogen werden.

Indes bezieht sich die Abänderungsklage auf ein Urteil, das auf einem Anerkenntnis beruht. An dieses durch ihn erklärte Anerkenntnis ist der Kläger gebunden (für Jugendamtsurkunden vgl. BGH, FamRZ 2003, 304, 305). Dass sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse in der Zwischenzeit geändert hätten, ist weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Geändert hat sich allein der Umstand, dass der Sohn K. nunmehr in den Haushalt des Klägers übergewechselt ist. Das führt allerdings zugleich dazu, dass er nicht weiterhin für K. Kindesunterhalt zu Händen der Mutter, der Beklagten, zahlen muss.

5. a) Der nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessene Unterhalt kann nach Maßgabe des § 1578 b BGB, auch in Ansehung von Ehedauer und Kindesbetreuung, nur insoweit begrenzt werden, als keine ehebedingten Nachteile eingetreten sind. Das ist hier nach der zu treffenden Prognose (BGH, FamRZ 2009, 1300, 1306 m. Anm. Schürmann ) in allenfalls eingeschränktem Umfang anzunehmen. Vielmehr ist das Bestehen ehebedingter Nachteile infolge der langen Familienpause, für welche die in der Ehe gewählte Rollenverteilung ursächlich war, bereits zu vermuten (vgl. BGH, a.a.O., in Verbindung mit der vorinstanzlichen Entscheidung OLG Brandenburg, FamRZ 2008, 1952). Wie bereits ausgeführt, scheidet eine vollschichtige Erwerbsmöglichkeit im erlernten Beruf (hierzu: BGH, FamRZ 2008, 134, 136; FamRZ 2008, 1325, 1328; Senat, FamRZ 2008, 2208, 2209) aus. Auch wenn die Beklagte in der mündlichen Verhandlung für sich durchaus positive berufliche Entwicklungsmöglichkeiten in der Zukunft sieht, beziehen sich diese auf Hoffnungen, welche der durch den Senat zu treffenden Prognose nicht zugrunde gelegt werden können.

Nach der bereits oben dargestellten Schätzung ist die Beklagte als in der Lage anzusehen, derzeit ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 933,- EUR zu erzielen. Das entspricht nicht einem Gehalt im erlernten Beruf als Bankkauffrau. Ohne Eheschließung und Familienpause hätte die Beklagte zudem voraussichtlich weiterhin gearbeitet, verfügte sonach über eine langjährige Berufserfahrung. Wie sich ihre Erwerbstätigkeit im Übrigen hypothetisch entwickelt hätte, ob sie einen beruflichen Aufstieg verzeichnet hätte oder – wie der Kläger mutmaßt – eher betriebsbedingt entlassen worden wäre, vermag der Senat mangels weiterer Anhaltspunkte nicht zu beantworten.

Einer Zusammenstellung unter www.gehaltsvergleich.com ist zu entnehmen, dass Bankkaufleute ein monatsdurchschnittliches Bruttoeinkommen in Höhe von 2.549,- EUR erzielen, bei einer Spanne von 600,- EUR bis 5.414,- EUR. Nach ihrem Versicherungsverlauf in dem bereits erwähnten Sonderheft Versorgungsausgleich erzielte die Beklagte im Jahr 1988, dem letzten Jahr, in welchem sie ununterbrochen gearbeitet hat, ein Bruttoeinkommen von insgesamt 36.567,- DM. Das entspräche einem Monatsverdienst von umgerechnet 1.558,03 EUR, welcher noch zu indexieren wäre. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ließen die Parteien indes übereinstimmend vortragen, in der Umgebung von Tuttlingen erzielten Bankkaufleute durchschnittliche Bruttogehälter von monatlich 2.200,- EUR. Hiervon kann deshalb auch für die Beklagte ausgegangen werden.

Nach den bereits dargestellten steuerlichen Gegebenheiten (s. oben) führt das zu einem Nettoeinkommen in der Größenordnung von monatlich 1.480,- EUR:

Bruttoeinkommen: 2.200,00 EUR
Bezugszeitraum: 1 Monat
= Jahresbruttoeinkommen: 26.400,00 EUR
– davon steuerpflichtig: 26.400,00 EUR
– davon sozialversicherungspflichtig: 26.400,00 EUR
Gesamtmonatseinkommen (brutto): 2.200,00 EUR
Rentenversicherung p.M. aus 2.200,00 EUR: 218,90 EUR
Arbeitslosenversicherung p.M.: 30,80 EUR
Krankenversicherung p.M. aus 2.200,00 EUR
(Beitragssatz 14,9 %, teilparität. AN-Anteil): 173,80 EUR
Pflegeversicherung p.M. aus 2.200,00 EUR
(Beitragssatz 1,95 %): 21,45 EUR
Summe der Sozialabgaben je Monat: 444,95 EUR

Lohnsteuerklasse: 2
Kinderfreibetrag: 1,5
Kirchensteuersatz: 8 %
Lohnsteuer aus 2.200,00 EUR p.M.: 268,58 EUR
Solidaritätszuschlag p.M.: 0,00 EUR
Kirchensteuer p.M.: 5,95 EUR
Summe der Steuern je Monat: 274,53 EUR

Monatsnettoeinkommen: 1.480,52 EUR

Die Differenz zwischen derzeit zugrunde zu legendem und ohne ehebedingte Nachteile erzielbarem Einkommen ermittelt sich folglich mit einem Umfang von (1.480,- EUR ./. 933,- EUR =) 547,- EUR. Hiervon ausgehend leitet der Senat unter Einbeziehung zukünftiger Änderungen in den Besteuerungsgrundlagen (Wegfall des Entlastungsbetrags nach § 24 b EStG) und etwaiger, allerdings geringer, Gehaltserhöhungen eine dauerhafte Einkommensdifferenz in der Größenordnung von 500,- EUR ab.

Angesichts ihres Lebensalters und der derzeitigen Arbeitsmarktlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte diesen Nachteil in den folgenden Jahren durch eigene Einkommenserzielung auszugleichen in der Lage sein wird. Entsprechendes gilt für die Annahme regelmäßiger und/oder umfänglicher Gehaltssteigerungen, welche sich einer verlässlichen Prognose derzeit entziehen. Der festgestellte Nachteil ist deshalb dauerhaft, allerdings im Wege einer Unterhaltsbegrenzung nach § 1578 b Abs. 1 BGB zu ersetzen. Eine Unterhaltsbefristung gemäß § 1578 b Abs. 2 BGB kommt hingegen nicht in Betracht. Der Kläger ist insoweit darauf zu verweisen, nach Maßgabe des § 323 ZPO zu gegebener Zeit ihm günstige Umstände geltend zu machen (vgl. auch OLG Brandenburg, a.a.O.).

b) Bis zum Ablauf der Übergangsfrist (§ 1578 b BGB) ist Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen geschuldet.Die Ehe der Parteien währte bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags 11 ½ Jahre. Der Kläger hatte Trennungs- und nachehelichen Unterhalt zu bezahlen. Das Scheidungsurteil ist seit Anfang 2003 rechtskräftig, das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz trat zum 1. Januar 2008 in Kraft. Das jüngste gemeinsame Kind J. wurde im Mai 2008 14 Jahre alt. Jedenfalls über den Beginn des Jahres 2008 hinaus betreute die Beklagte berechtigt die minderjährigen Kinder der Parteien. Auf die bereits vorangegangenen Darlegungen hierzu nimmt der Senat Bezug. Dieses begründet einen nach § 1570 Abs. 2 BGB fortbestehenden Anspruch auf Betreuungsunterhalt.

Während der Kinderbetreuungszeit ist der Ehegattenunterhalt nicht nach § 1578 b BGB zu begrenzen. Dieses kommt allein dann in Betracht, so die insoweit zu treffende Prognose nur noch vom Zeitablauf abhängt (BGH, FamRZ 2009, 770, 774; FamRZ 2009, 411, 416 m. Anm. Borth ).

Im Hinblick auf die genannten Gesamtumstände erachtet der Senat eine Übergangszeit von drei bis vier Jahren als angemessen. Mit Rücksicht auf den Zeitraum der bis in das Jahr 2008 reichenden Kindesbetreuung war der Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen unter nochmaliger Abwägung aller maßgeblicher Gesichtspunkte unter Einschluss der jeweiligen Einkommens- und Vermögenssituation auf den Ablauf des Jahres 2011 zu begrenzen. In der Folgezeit sind mithin nur noch die fortbestehenden Nachteile zu ersetzen.

6. Indem sich die Abänderungsklage gegen ein Urteil richtet, wirkt sie ab Rechtshängigkeit (§ 323 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Rechtshängigkeit ist hier taggenau zu verstehen ( Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 323 Rn. 35). Die Klage wurde am 29. April 2009 zugestellt. Erst ab diesem Zeitpunkt kann der Unterhalt geändert werden.

Die Differenz zwischen tituliertem und nunmehr errechnetem Unterhalt beläuft sich auf lediglich 50,- EUR im Monat (= 668,- EUR ./. 618,- EUR). Gleichwohl ist die Abänderung auch bei Achtung der sogenannten Wesentlichkeitsgrenze des § 323 Abs. 1 ZPO angemessen.

Eine schematische Festlegung auf einen bestimmten Prozentsatz, etwa von 10 %, besteht nicht. Außerdem sind die wirtschaftlichen Verhältnisse auf Seiten des Klägers nicht derart, dass ihm die ungeschmälerte Fortzahlung des titulierten Unterhalts zuzumuten wäre.

Die Berufung hatte nach alledem überwiegenden Erfolg und führte dazu, dass der Kläger der Beklagten mit Wirkung ab dem 29. April 2009 Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen in Höhe von noch monatlich 618,- EUR sowie ab dem Monat Januar 2012 und ab da in Höhe von monatlich 500,- EUR schuldet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht nach dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen auf § 92 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO. Ein Grund für die Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegt nicht vor.

Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch wirft sie ungeklärte Rechtsfragen auf, die der höchstrichterlichen Klärung bedürften. Der Senat weicht auch nicht von der Rechtsprechung anderer Obergerichte in vergleichbaren Fällen ab, so dass die Einheitlichkeit der Rechtsprechung nicht berührt ist.

OLG Stuttgart, Urteil vom 15.09.2009
17 UF 128/09

AG Tuttlingen, Urteil vom 20.05.2009
3 F 211/09

Schreibe einen Kommentar