OLG Frankfurt: Leben die Kinder bei den Großeltern, sind diese in Umgangssachen anzuhören

OLG Frankfurt: Leben die Kinder bei den Großeltern, sind diese in Umgangssachen anzuhören

Die Sache wird unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts – Familiengericht – Dieburg vom 16. Januar 2024 und des Verfahrens an das Amtsgericht – Familiengericht – Dieburg zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

Der Beschwerdewert wird auf 4.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten zu 4. (im Folgenden Kindesvater) und zu 5. (im Folgenden Kindesmutter) sind die zwischenzeitlich geschiedenen Eltern der beiden 10 und 12 Jahre alten Kinder. Nach der Trennung der Eltern im Jahre 2016 lebten die Kinder zunächst bei der Kindesmutter. Seit dem Jahr 2022 war der Kindesvater alleine sorgeberechtigt und beide Kinder lebten bei ihm. Am 10. April 2024 kam es zu seiner Inhaftierung wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen. Das ältere Kind wechselte in den Haushalt des Beteiligten zu 8. (im Folgenden Urgroßvater), das jüngere Kind wechselte in den Haushalt der Beteiligten zu 6. und 7. (im Folgenden Großmutter und Großvater).

Die Großeltern beantragten am 07. Mai 2024 die Übertragung der Vormundschaft für beide Kinder auf sie. In dem beim Amtsgericht Dieburg zu … geführten Verfahren hat dieses im Termin vom 11. Dezember 2024 das hiesige Verfahren zur Regelung des Umgangs von Amts wegen eröffnet und den betroffenen Kindern einen Verfahrensbeistand bestellt. Es hat die Großmutter und den Urgroßvater im Sorgerechtsverfahren und im Umgangsverfahren als Beteiligte angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 11. Dezember 2024 nebst Anhörungsvermerk vom 12. Dezember 2024 verwiesen. In einem weiteren Termin hat das Amtsgericht den Großvater im Sorgerechtsverfahren als Beteiligten zur Frage der Bereitschaft zur Übernahme der Ergänzungspflegschaft angehört. Eine Anhörung zur Regelung des Umgangs fand nicht statt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 17. Dezember 2024 verwiesen. Mit Beschluss vom 18. Dezember 2024 hat das Amtsgericht den Großeltern daraufhin die Sorgerechtsteile schulische Angelegenheiten, Gesundheitssorge Recht der Antragstellung nach dem SGB als Ergänzungspfleger gemeinschaftlich übertragen. Das Verfahren war beigezogen.

In einem weiteren Termin vom 07. Januar 2025 hat das Amtsgericht im hiesigen Verfahren schließlich noch die Kindesmutter angehört. Diese erfragte die Möglichkeit, die zu ihren Gunsten in dem Verfahren … getroffene gerichtliche Umgangsregelung abzuändern. Das Gericht teilte ihr mit, dass die Abänderungsschwelle aus seiner Sicht nicht erreicht sei. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 07. Januar 2025 verwiesen.

Seit dem 08. Januar 2025 befindet sich der Kindesvater im Rahmen einer Drogentherapie nach § 35 BTMG in der Stiftung A in Stadt1.

Mit der Großmutter am 18. Januar 2025 zugestelltem Beschluss vom 16. Januar 2025 hat das Amtsgericht den Umgang des Kindesvaters mit beiden Kindern dahingehend geregelt, dass dieser mit dem älteren Sohn an jedem zweiten Samstag im Monat und mit dem jüngeren Sohn an jedem dritten Samstag im Monat jeweils in der Zeit von 09.00 Uhr bis 18:00 Uhr stattfindet. Es hat beide Großeltern verpflichtet, die beiden Kinder jeweils zum Übergabetreffpunkt in Groß-Umstadt zu bringen und dort wieder abzuholen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass mit Blick auf die derzeit ungeklärten Verhältnisse des Kindesvaters derzeit nur ein Umgang pro Monat in Betracht komme. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 16. Januar 2025 verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Großeltern vom 27. Januar 2025, mit der sie eine Anpassung der Umgangsregelungen beider Kinder mit dem Kindesvater und der Kindesmutter erstreben. Sie machen geltend, dass es ihnen logistisch nicht möglich sei, beide Kinder pünktlich um 18:00 Uhr abzuholen. Die Regelung, die sie zu 12 Fahrten pro Monat bei einer einfachen Strecke von 23 km verpflichte, sei mit hohen Benzin- und Verschleißkosten verbunden, für die sie alleine aufkommen müssten. Im Übrigen könne der Großvater bei der derzeitigen Regelung nur noch an einem Samstag im Monat arbeiten. Schließlich erlaube ihnen die Regelung nicht, zwei Wochen Urlaub am Stück zu nehmen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 27. Januar 2025 verwiesen.

Der Senatsvorsitzende hat mit Verfügung vom 31. Januar 2025 darauf hingewiesen, dass der Großvater in erster Instanz am Verfahren nicht beteiligt wurde, obwohl ihm durch die angefochtene Entscheidung Pflichten auferlegt wurden.

Die Kindesmutter stimmt der Beschwerde zu. Sie verweist darauf, dass der Großvater zum Umgang nicht angehört und den ihm auferlegten Pflichten nicht zugestimmt habe. Sie sei bereit, ihre Umgangszeiten so anzupassen, dass der Aufwand für ihre Eltern so gering wie möglich sei. Auch sei sie zu einer finanziellen Beteiligung in Höhe von monatlich 75,00 Euro bereit. Im Übrigen sei der Umgang an den Feiertagen und Geburtstagen der Kinder zu regeln.

Die übrigen Beteiligten haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II.

Die gemäß §§ 151 Nr. 1, 58 FamFG statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde der Großeltern ist begründet.

Die Sache ist gemäß § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Es liegt noch keine abschließende Entscheidung des Amtsgerichts in der Sache vor, weil das Amtsgericht es verfahrensfehlerhaft versäumt hat, den Großvater am Verfahren zu beteiligen. Zieht das Gericht einen gemäß § 7 FamFG notwendig am Verfahren zu Beteiligenden fehlerhaft nicht hinzu, ist diesem gegenüber keine Entscheidung in der Sache getroffen worden (OLG Brandenburg, Beschluss vom 07. November 2023 – 13 UF 127/23 -, juris; OLG Brandenburg, Beschluss vom 21. Dezember 2022 – 13 UF 116/22 -, BeckRS 2022, 39972; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 08. Januar 2021 – 6 UF 79/21 -, BeckRS 2021, 14984; OLG Frankfurt a. M. Beschluss vom 17. März 2021 – 6 UF 22/21 -, NZFam 2021, 607; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. Oktober 2019 – II-1 UF 168/19, BeckRS 2019, 27477; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 22. November 2018 – 10 UF 185/18 -, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 20. November 2017 – II-9 UF 168/17 -, juris; OLG Rostock, Beschluss vom 4. Juli 2014 – 11 UF 111/14 -, juris). Es liegt insoweit eine unzulässige Teilentscheidung vor, die die Zurückverweisung des Verfahrens rechtfertigt (OLG Frankfurt, a.a.O.; Sternal/Schäder, 21. Aufl. 2023, FamFG § 161).

Vorliegend wäre der Großvater gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zwingend am Verfahren zu beteiligen gewesen. Pflegepersonen des Kindes können in Umgangsverfahren nicht nur gemäß §§ 161 Abs. 1, 7 Abs. 3 FamFG auf Antrag oder von Amts wegen im Interesse des Kindes zu beteiligen sein, sondern sind gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG sogar regelmäßig Muss-Beteiligte, wenn das Familiengericht beabsichtigt, ihnen im Rahmen einer Umgangsregelung Pflichten, wie zum Beispiel Holen, Bringen oder Bereithalten des Kindes, aufzuerlegen (Staudinger/Dürbeck (2023) BGB § 1684, Rn. 407; KG Berlin, Beschluss vom 6. Mai 2016 – 13 UF 40/16 -, juris; Prütting/Helms*/Hammer § 161 FamFG Rn. 6). Das Erfordernis, den Großvater am Verfahren zu beteiligen, folgt hier daraus, dass zum einen das jüngere Kind seit längerem im Haushalt der Großeltern lebt und zum anderen das Amtsgericht in seiner Entscheidung nicht nur der Großmutter, sondern beiden Großeltern Pflichten im beschriebenen Sinne auferlegt hat. Das Amtsgericht hat verfahrensfehlerhaft jedoch lediglich die Großmutter und den Urgroßvater am Verfahren beteiligt.

Die unterlassene Beteiligung des Großvaters stellt sich zugleich als Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 26 FamFG dar. Auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse konnte das Amtsgericht nicht ohne weitergehende Sachprüfung davon ausgehen, dass der Großvater bereit und in der Lage ist, die ihm auferlegten Fahrdienste zur Durchführung des Umgangs der betroffenen Kinder mit dem Kindesvater übernehmen zu können und wollen.

Das Amtsgericht hat es dabei auch übersehen, dass der Großvater – unabhängig von der Verfahrensbeteiligung – persönlich anzuhören gewesen wäre. Gemäß § 161 Abs. 2 FamFG soll das Familiengericht in Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, die Pflegepersonen bei denen das Kind bereits seit längerer Zeit in Familienpflege lebt anhören. Hiervon sind auch Umgangsverfahren erfasst. Die Anhörung der in § 161 Abs. 1 FamFG genannten Personen ist dabei zwingend vorgesehen, da eine kindeswohlorientierte Entscheidung nur getroffen werden kann, wenn die Personen, die das Kind aufziehen und mit ihm zusammenleben, angehört werden (MüKoFamFG/Schumann, 4. Aufl. 2025, FamFG § 161 Rn. 11).

Schließlich legen die Ausführungen der Kindesmutter im Protokoll und die eingetretenen tatsächlichen Veränderungen durch die Inhaftierung des Kindesvaters verbunden mit dem Aufenthaltswechsel der Kinder nahe, dass ein Bedürfnis besteht, die Abänderung der zu ihren Gunsten bestehenden Umgangsregelung zu prüfen. Das Amtsgericht durfte sich auf die als Anregung zu verstehende Frage der Kindesmutter zur Möglichkeit der Abänderung ihrer Umgangsregelung nicht mit dem Hinweis, dass ein Abänderungsgrund nicht ersichtlich sei, beschränken. Denn Verfahren zur Abänderung einer Umgangsregelung gemäß §§ 166 Abs. 1 FamFG, 1696 Abs. 1 BGB sind Amtsverfahren nach § 24 FamFG, deren Einleitung eines Antrags eines Beteiligten nicht bedarf (vgl. Staudinger/Dürbeck (2023) BGB § 1684, Rn. 381 m. w. N; Hammer in: Prütting/Helms*, FamFG, 6. Auflage 2023, § 166 FamFG, Rn. 10). Ob ein Änderungsverfahren eingeleitet wird, entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Wenn das Amtsgericht ein Abänderungsbedürfnis verneint, hat es jedenfalls ein förmliches Verfahren durchzuführen und mit einer Entscheidung nach § 58 FamFG zu beenden (BeckOGK/ Tillmanns, 1.1.2022, BGB § 1696 Rn. 160).

Der Senat kann nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG von der Durchführung eines Termins absehen. § 68 Abs. 5 Nr. 1 FamFG ist nicht anzuwenden, wenn das Beschwerdegericht an das erstinstanzliche Gericht gemäß § 69 Abs. 1 S. 2 und Satz 3 FamFG zurückverweist und damit keine eigene Sachentscheidung trifft (BT-Drs. 19/23070, 52; OLG Brandenburg, Beschluss vom 04. Oktober 2021 – 9 UF 167/21 -, NJW 2022, 1397; Sternal FamFG/Sternal, 21. Auflage 2023, § 68 FamFG Rn. 84).

Die Entscheidung hinsichtlich der Kosten beruht auf § 81 FamFG.

Der Beschwerdewert war nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG festzusetzen.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.03.2025
6 UF 27/25

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