OLG Brandenburg: Kind zur psychisch kranken Mutter und alleiniges Sorgerecht

Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.
Gründe

I.

Die 1972 und 1975 geborenen Beteiligten zu 1. und 2. sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des im Jahr 2007 geborenen Kindes „K“ Der Beteiligte zu 1. hat durch Urkunde vom 21.6.2007 die Vaterschaft anerkannt, übereinstimmende Sorgeerklärungen hat es nicht gegeben. Die Beteiligte zu 2. hat ein weiteres Kind, jetzt 11 Jahre alt. Eltern und Kinder lebten zunächst in einer gemeinsamen Wohnung. Aufgrund der von der Mutter gewünschten Trennung im Oktober 2008zog der Vater aus.

Etwa drei Monate nach der Geburt von „K“, erkrankte die Mutter an einer psychischen Erkrankung und wurde wiederholt stationär behandelt. Ihr wurde ein Betreuer zur Seite gestellt, bis zum 8.5.2008 war dies der Beteiligte zu 1. Danach hatte sie verschiedene Betreuer, zuletzt ihren jetzigen Verfahrensbevollmächtigen. Die schließlich nur noch für den Bereich der familienrechtlichen Angelegenheiten bestehende Betreuung hob das Amtsgericht Fürstenwalde durch Beschluss vom 29.7.2010 auf. Während der Krankenhausaufenthalte der Mutter versorgte der Vater jeweils den gemeinsamen Sohn „K“, die Mutter war damit einverstanden und erteilte ihm zunächst auch eine Vollmacht.

Seit 2.12.2008, also rund zwei Monate nach der Trennung, verschlimmerte sich die Krankheit der Mutter. In dem vom Vater am 6.2.2009 angeregten Verfahren, in dem die Entziehung der elterlichen Sorge wegen Kindeswohlgefährdung geprüft wurde (10 F 81/09 Amtsgericht Fürstenwalde), fand mit Rücksicht auf ihren Gesundheitszustand eine gerichtliche Anhörung der Mutter nicht statt. Sie erteilte jedoch ihre Zustimmung zu dem vom Amtsgericht gefassten Beschluss vom 25.3.2009, durch den dem Vater das Personen- und Vermögenssorgerecht für „K“ als Ergänzungspfleger mit den Rechten und Pflichten aus § 1630 Abs. 3 Satz 2 BGB für die Dauer eines Jahres bis zum 31.3.2010 übertragen wurde.

Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus am 6.4.2009 wünschte die Mutter die Rückkehr von „K“ in ihren Haushalt. Ein Einvernehmen der Eltern konnte nicht erzielt werden, „K“ blieb im Haushalt des Vaters und hatte mit der Mutter Umgang. Im Herbst 2009 begehrte der Vater den Ausschluss des Umgangs, weil das Kind nach dem Umgangswochenende vom 18./20.9.2009 mit blauen Flecken auf der linken Pobacke zu ihm zurückgekehrt sei und erklärt habe, von der Mutter gehauen worden zu sein (10 F 721/09 Amtsgericht Fürstenwalde). Am 6.10.2009 schlossen die Eltern dann doch eine vom Amtsgericht übernommene Umgangsvereinbarung, wonach die Mutter das Kind in geraden Wochen von Freitag, 15:30 Uhr, bis Montag, 8 Uhr, und in den ungeraden Wochen von Donnerstag, 15:30 Uhr, bis Freitag, 17:30 Uhr, sowie am zweiten Weihnachtsfeiertag zu sich nehmen durfte.

Im Frühjahr 2010 leitete die Mutter ein weiteres Verfahren mit dem Ziel der Ausdehnung ihres Umgangs ein (10 F 111/10 Amtsgericht Fürstenwalde), um den Wechsel des Aufenthalts von „K“ in ihren Haushalt vorzubereiten. Es kam zu Auseinandersetzungen zwischen den Eltern. Nach dem Umgangswochenende vom 14./16.5.2010 behielt die Mutter das Kind in ihrem Haushalt und brachte es am Montag, dem 17.5.2010, nicht mehr zu seiner Tagesmutter. Sie kündigte vielmehr das Tagespflegeverhältnis. Während ihrer berufsbedingten Abwesenheit übernahm ihre Mutter, also die Großmutter von „K“, das Kind.

Am 18.6.2010 schlossen die Eltern eine Umgangsvereinbarung zugunsten des Vaters, die seither praktiziert wird.

Der Vater hat die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf sich, hilfsweise die Anordnung der gemeinsamen elterliche Sorge bei gleichzeitiger Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich begehrt, weiter hilfsweise hat er beantragt, seine Bestellung zum Ergänzungspfleger aufgrund des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 25.3.2009 zu verlängern.

Die Mutter ist sämtlichen Anträgen entgegengetreten und hat als alleinige Sorgerechtsinhaberin den dauernden Aufenthalt des Kindes in ihrem Haushalt begehrt.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 19.6.2010 hat das Amtsgericht sämtliche Anträge des Vaters zurückgewiesen. Es hat eine Gefährdung des Kindeswohls im Haushalt der Mutter verneint und ausgeführt, dass auch im Falle zunächst bestehender gemeinsamer elterlicher Sorge diese nunmehr allein auf die Mutter zu übertragen wäre. Daher komme es auf die vom Vater aufgeworfene Frage der Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelungen, wonach der Vater eines nichtehelich geborenen Kindes die (Mit-)Sorge nur mit Zustimmung der Mutter erhalten könne, nicht an.

Gegen diese Entscheidungen wendet sich der Antragsteller mit der Beschwerde. Er trägt vor:

Die Mutter sei aus gesundheitlichen Gründen gehindert, das Kind ordnungsgemäß zu versorgen. Sie sei zudem aggressiv und unberechenbar. „K“ wolle nicht mit ihr mitgehen und nicht bei ihr bleiben, er weigere sich und habe Angst. Die Mutter habe sich als erziehungsungeeignet erwiesen, weil sie das Kind aus dem gewohnten Umfeld in seinem Haushalt und der Kindertagesstätte herausgenommen habe. Damit seien seine sozialen Kontakte abgeschnitten worden. Auch der Kontakt zu ihm sei unterbrochen worden.

Er, der Vater, sei der stabilere und zuverlässigere Partner des Kindes. Er habe es in dem Montessori-Kindergarten, in dem eine besonders gute Betreuung und Förderung des Kindes möglich sei, angemeldet. „K“ müsse daher in seinen Haushalt zurückkehren.

Ihm sei die elterliche Sorge zu übertragen, was aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21.7.2010 über die gesetzliche Regelung der elterlichen Sorge nicht in einer Ehe geborener Kinder möglich und geboten sei. Da eine Kooperation zwischen der Mutter und ihm nicht mehr möglich, er hierzu auch nicht mehr bereit sei, komme in erster Linie die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge in Betracht.

Der Vater beantragt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Amtsgerichts vom 19.6.2010 und verfolgt sein erstinstanzliches Begehren weiter.

Die Mutter beantragt Beschwerdezurückweisung und verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie weist insbesondere darauf hin, dass es seit ihrer Entlassung aus stationärer Krankenhausbehandlung im April 2009 keinen weiteren Krankenhausaufenthalt mehr gegeben habe. Ihr Gesundheitszustand sei stabil und hindere sie nicht an der zuverlässigen Versorgung ihrer Kinder.

„K“ habe zu ihr eine gesunde und tragfähige Beziehung. Es gehe ihm bei ihr gut, sie sperre ihn ebenso wenig ein wie ihre Mutter. „K“ zeige auch keinen Widerstand, wenn er mit ihr mitgehen solle. Gelegentliches Weinen bei der Übergabe beruhe darauf, dass er den Konflikt der Eltern spüre. In letzter Zeit sei die Übergabe aber stets völlig normal und ohne Auftreten eines äußeren Konflikts erfolgt. Sie habe bisher mit Geduld und Bereitschaft zur Flexibilität versucht, Kompromisse zu finden. Dagegen habe der Vater das Kind auf das Auslaufen seiner Pflegschaft nicht vorbereitet und keine Bindungstoleranz gezeigt.

„K“ sei normal entwickelt, eine Entwicklungsverzögerung habe auch die Kinderärztin nicht festgestellt. Die allergische Erkrankung habe sie, die Mutter, sofort bemerkt und behandeln lassen. Durch die Medikamente habe sich der Zustand verbessert, im Herbst, zu einer Zeit, die dafür aus medizinischer Sicht in Frage komme, seien weitere Untersuchungen bzw. Tests geplant.

Auf die Ausführungen des Amtsgerichts in dem angefochtenen Beschluss, den Anhörungsvermerk vom Senatstermin am 10.8.2010 sowie die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten und des Jugendamts nebst Anlagen wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. ist zulässig. Der Beteiligte zu 1. ist insbesondere beschwerdeberechtigt, § 59 Abs. 1 FamFG. Denn auch als Vater eines nichtehelich geborenen Kindes hat er das Recht, die Übertragung der elterlichen Sorge für dieses Kind auf sich zu beantragen (BVerfG, Beschluss vom 21.7.2010, 1 BvR 420/09).

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die elterliche Sorge für „K“, geboren am …2007, ist der Mutter allein zu belassen.

Allerdings kommt die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater nicht nur dann in Betracht, wenn der Mutter als alleiniger Sorgerechtsinhaberin nach § 1626 a Abs. 2 BGB die elterliche Sorge gemäß § 1666, 1666 a BGB entzogen werden muss und die Voraussetzungen für die Übertragung auf den Vater nach § 1680 Abs. 3 i. V. m. § 1680 Abs. 2 Satz 2 BGB vorliegen. Vielmehr ist die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater eines nichtehelichen Kindes bereits unterhalb dieser hohen Eingriffsschwelle möglich. Denn die Regelungen in §§ 1626 a Abs. 1 Nr. 1 und 1672 Abs. 1 BGB, die den Vater eines nichtehelichen Kindes von der elterlichen Sorge ausschließen, wenn die Mutter ihre Zustimmung verweigert, sind, wie das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 21.7.2010 (1 BvR 420/09) ausgesprochen hat, mit Art. 6 Abs. 2 GG unvereinbar. Bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung sind nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts die genannten Vorschriften daher mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils über die elterliche Sorge zu entscheiden hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Eröffnung einer gerichtlichen Übertragung der Alleinsorge auf den Vater schwerwiegend in das Elternrecht der Mutter eingreift, wenn dem väterlichen Antrag im Einzelfall stattgegeben wird (BVerfG, a.a.O.).

Im Rahmen der gerichtlichen Prüfung ist nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Übergangsregelungen von dem bisherigen Regelungskonzept des Gesetzgebers, das die Begründung der gemeinsamen Sorge von Eltern nichtehelich geborener Kinder von der Abgabe gemeinsamer Sorgeerklärungen abhängig macht, auszugehen. Ergänzend zu dieser Regelung des § 1626 a Abs. 1 Nr. 1 BGB hat das Familiengericht den Eltern auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil davon gemeinsam zu übertragen, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht. Bei der Übertragung der Alleinsorge gemäß § 1672 BGB auf den Vater ist in Anlehnung an die Regelung des § 1671 BGB zu entscheiden. Da auch nach dieser Norm die Übertragung der Alleinsorge nur dann vorzunehmen ist, wenn die Voraussetzungen für eine gemeinsame Sorge der Eltern nicht mehr bestehen, und zugleich die Begründung einer gemeinsamen Sorge bei bisher bestehender Alleinsorge der Mutter deren Elternrecht weniger beeinträchtigt als der vollständige Wechsel des Sorgerechts von ihr auf den Vater, darf die elterliche Sorge oder ein Teil davon dem Vater auf Antrag nur übertragen werden, soweit eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht.

Die nach den dargestellten Grundsätzen vorzunehmende Prüfung der Frage, ob eine gemeinsame Sorgetragung der Eltern als weniger einschneidende Regelung in Betracht kommt, führt hier zu einem negativen Ergebnis. Denn es fehlt an der dazu erforderlichen Kooperationsfähigkeit und -willigkeit der Eltern. Dies zeigen nicht nur die anhaltenden – gerichtlichen – Auseinandersetzungen der beteiligten Eltern und die Ereignisse der letzten Wochen, sondern auch ihre in diesem Verfahren abgegebenen Erklärungen. Beide Elternteile haben – insoweit übereinstimmend – die alleinige elterliche Sorge für sich reklamiert und sich darauf berufen, mit dem jeweils anderen Elternteil in den das Kind betreffenden Angelegenheiten nicht mehr kommunizieren zu können bzw. zu wollen. Auch der Vater hat ausdrücklich erklärt, nicht (mehr) bereit zu sein, zusammen mit der Mutter die elterliche Sorge gemeinsam auszuüben.

Daher kann nur ein Elternteil die elterliche Sorge allein ausüben. Nach Abwägung aller Umstände des vorliegenden Falls, die sich vorrangig am Kindeswohl und nicht an der Sanktion eines Fehlverhaltens eines Elternteils zu orientieren hat (vgl. BVerfG, FamRZ 2009, 1389; ZFE 2009, 270; FamRZ 2007, 1797), ist das die Mutter.

Allerdings bestehen keine Bedenken an der grundsätzlich bei beiden Elternteilen vorhandenen Fähigkeit und Bereitschaft, die elterliche Sorge für „K“ auszuüben. Dies hat der Vater in der Vergangenheit überzeugend gezeigt. Er ist bei akuter Erkrankung der Mutter wiederholt spontan eingesprungen und hat die Versorgung des Kindes auch für längere Zeiträume übernommen. Es bestehen keine Zweifel daran, dass „K“bei ihm gut aufgehoben ist und sich wohlfühlt. Dies wird auch durch den Bericht der Verfahrensbeiständin bestätigt, die bei ihrer Anhörung durch den Senat wiederholt hat, dass „K“ im Haushalt des Vaters in einer kindgerechten Umgebung mit Musikinstrumenten lebe und sich dort sichtlich zu Hause fühle.

Die Mutter steht dem allerdings nicht nach. Auch sie ist uneingeschränkt geeignet, „K“ zu versorgen und zu erziehen. Einschränkungen ergeben sich insbesondere nicht aus ihrer Erkrankung. Denn Anhaltspunkte für einen weiterhin bestehenden, akuten Krankheitszustand liegen nicht vor. Vielmehr lässt sich der Stellungnahme der Klinik vom 23.7.2010 entnehmen, dass der Zustand der Mutter stabilisiert sei. Sie halte auch zuverlässig Termine ein, eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Krankheit beherrscht wird und beherrschbar bleibt. Dass die Mutter, wie sie bei ihrer Anhörung durch den Senat bestätigt hat, weiterhin Medikamente einnehmen muss und regelmäßig ärztlich betreut sowie psychologisch behandelt wird, gibt keine Veranlassung zu Bedenken. Denn dadurch wird lediglich der bestehende positive Gesundheitszustand abgesichert. Demgegenüber kommt es nicht darauf an, dass ein Ausbruch der Krankheit der Mutter nicht auszuschließen ist. Denn ungeachtet solcher Dispositionen ist kein Elternteil vor einer etwaigen Erkrankung sicher. Allein die Tatsache, dass es eine solche bereits gegeben hat, steht der Ausübung der elterlichen Sorge nicht entgegen.

Im Haushalt der Mutter ist das Kind auch gut aufgehoben, die vom Vater erhobenen Zweifel sind nicht berechtigt. Das Jugendamt hat insoweit keinerlei Bedenken erhoben, sein Vertreter hat dem Senat gegenüber ergänzend erklärt, dass die Mutter ohne weiteres in der Lage sei, alles Erforderliche für das Kind zu veranlassen. So hat sie „K“auch, nachdem sich bei ihm Ausschlag gezeigt hatte, einem Arzt vorgestellt und für eine Behandlung gesorgt. Der Vater selbst hat bei seiner Anhörung durch den Senat erklärt, dass er dem Kind während des anschließenden Umgangswochenendes die verordneten Medikamente verabreicht habe, der Ausschlag sei schon nach wenigen Tagen deutlich zurückgegangen.

„K“ fühlt sich im Haushalt der Mutter erkennbar wohl. Wie die Verfahrensbeiständin berichtet hat, bewegt er sich dort unbefangen und frei. Bei ihren Besuchen spielte er, sprach schön und reagierte adäquat, wiederholt suchte er auch Kontakt zu Mutter und Schwester. Anhaltspunkte für eine etwaige Unbeherrschtheit der Mutter liegen nicht vor. Dass sich die Mutter im Verlauf von Auseinandersetzungen der Eltern im Einzelfall ungeduldig oder ungehalten gezeigt hat, besagt nicht, dass sie dem Kind gegenüber nicht die notwendige Geduld und Fürsorge aufbringt.

Dass „K“etwa Angst vor seiner Mutter hätte, wie der Vater behauptet hat, ließ sich ebenfalls nicht feststellen. Dies hat weder die Verfahrensbeiständin noch der Vertreter des Jugendamts bestätigt. „K“ hinterließ auch beim Senat keinen verängstigten Eindruck. Zu Beginn des Senatstermins betrat er an der Hand seiner Mutter den Saal und tappte sichtlich gelassen neben ihr her. Bei seiner Anhörung durch den Senat saß er entspannt auf dem Boden des Spielzimmers des Oberlandesgerichts und spielte mit Bauklötzen. Auf Ansprache reagierte er freundlich, auch wenn, entsprechend seinem Alter, ein Gespräch nicht möglich war. Das gesamte Verhalten des Kindes, das nun schon seit rund zehn Wochen bei seiner Mutter lebt, zeigte keinerlei Verängstigung, sondern Ausgeglichenheit und Fröhlichkeit.

Aus alledem wird deutlich, dass „K“ den Wechsel in den Haushalt der Mutter gut verkraftet hat und mit seinem Leben zufrieden ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich das eigenmächtige Verhalten der Mutter, die „K“ nach dem Besuchswochenende vom 14./16.5.2010 nicht zum Vater zurückgebracht hat, als nicht so schwerwiegend dar, dass es ihre Erziehungseignung in Frage stellen könnte. „K“ hat zwar, was der Vater hervorhebt, durch den Umzug zur Mutter einen Wechsel in der Tagesbetreuung erlebt, was besonders im Hinblick auf die lange und positive Bindung an die Tagesmutter einen Einschnitt in die sozialen Beziehungen des Kindes darstellt, der grundsätzlich zu vermeiden bzw. behutsam vorzunehmen ist. Die Mutter hat aber für einen Ausgleich gesorgt und gewährleistet, dass „K“ jedenfalls weiterhin mit Kindern in Kontakt blieb. Die Großmutter mütterlicherseits, die „K“ während der berufsbedingten Abwesenheit der Mutter betreut hat, hat mit ihm regelmäßig einen Kindergarten besucht, in dem „K“ mit anderen Kindern spielen konnte und gespielt hat. Hinzu kommt, dass auch der Vater für den Herbst dieses Jahres den Wechsel des Kindes in einen Kindergarten geplant hat, sodass eine Änderung der Tagebetreuung ohnehin eingetreten wäre. Die Frage, welchen Kindergarten das Kind besucht, mögen die Eltern nach ihren Bedürfnissen und jeweiligen Lebensanschauung unterschiedlich beantworten. Einem nach den reformpädagogischen Bildungsangeboten geführten Montessori-Kindergarten ist jedoch nicht generell der Vorzug vor einem städtischen Kindergarten zu geben, wie ihn die Mutter ausgesucht hat.

„K“ befindet sich auch entgegen der vom Vater geäußerten Ansicht nicht in einer „entwurzelten“ Lebenssituation. Vielmehr findet der Umgang mit dem Vater, was die Eltern übereinstimmend berichtet haben, nun wieder regelmäßig statt. Der Vater ist aufgrund der Umgangsvereinbarung vom 18.6.2010 jede Woche in unterschiedlichem Umfang mit dem Kind zusammen. „K“ hat bei seinem Aufenthalt beim Vater Gelegenheit, seine Freunde aus dessen Umfeld und aus der Kindertagesstätte weiterhin zu treffen und mit ihnen zu spielen. Der Vater hat sogar, wie er bei seiner Anhörung durch den Senat berichtet hat, für „K“ eine sog. Wiedersehensparty veranstaltet, an der seine Freunde und die Tagesmutter teilgenommen hätten. „K“ habe das Zusammensein genossen. Darüber hinaus hat bereits eine Urlaubswoche mit dem Vater stattgefunden, wodurch die Beziehung zum Vater und auch diejenige zu seinem Umfeld gewahrt wird. Ein Grund, aus dem der Vater nicht weiterhin die Möglichkeit haben sollte, zusammen mit dem Kind bestehende Bindungen zu pflegen, ist nicht ersichtlich.

Die Bindungstoleranz, d.h. die Bereitschaft, den Kontakt mit dem jeweils anderen Elternteil zu pflegen, ist bei beiden Elternteilen gleichermaßen vorhanden. Der Vater hat mit „K“, als dieser sich in seinem Haushalt aufgehalten hat, die Mutter im Krankenhaus besucht. Später hat er mit der Mutter eine Vereinbarung geschlossen, die Umgang in jeder Woche in unterschiedlichem zeitlichem Umfang vorsah. Diese Vereinbarung wurde auch umgesetzt. Die Mutter ihrerseits hat nun mit dem Vater ebenfalls eine Umgangsvereinbarung geschlossen, aufgrund derer gleichermaßen regelmäßiger und umfangreicher Umgang des Kindes mit dem Vater stattfindet. Gelegentliche Unstimmigkeiten über Ereignisse im jeweiligen Haushalt und Pünktlichkeit sind zwar auf beiden Seiten Anlass zu Beanstandungen gewesen. Die gleichwohl grundsätzlich bestehende Bereitschaft beider Elternteile, dem Kind den Kontakt mit dem jeweils anderen zu gewährleisten, ist jedoch erhalten geblieben.

Der Kontinuitätsgedanke wirkt sich bei der zu treffenden Abwägung nicht maßgeblich aus. Denn nach der Trennung der Eltern im Oktober 2008 hat das Kind während der Krankenhausaufenthalte der Mutter beim Vater, in der übrigen Zeit bei der Mutter gelebt. Dass „K“ im April 2009 nach der Entlassung der Mutter aus dem Krankenhaus zunächst nicht in ihren Haushalt zurückgekehrt ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn die Mutter hatte auch in dieser Zeit regelmäßigen und umfangreichen Kontakt mit dem Kind. „K“ hat sie jede Woche in zeitlich unterschiedlichem Umfang besucht und sich, zusammen mit seiner Schwester, in ihrem Haushalt aufgehalten. Insoweit ist auch zu bedenken, dass sich die Mutter, was der Vater nicht in Abrede gestellt hat, um die Rückkehr des Kindes in ihren Haushalt bemüht hat. Dies ist lediglich im Hinblick darauf, dass der Vater sich dem widersetzt und die Mutter, wie ihr Verfahrensbevollmächtigter bestätigt hat, eine einvernehmliche Regelung angestrebt hat, nicht gelungen.

Ein Wille des Kindes „K“, selbst wenn er geäußert worden wäre, kann schon im Hinblick auf sein Alter von jetzt gerade drei Jahren nicht maßgeblich berücksichtigt werden. Die Bindungen des Kindes an seine Eltern sind als gleichwertig anzusehen und geben für die zu treffende Entscheidung keinen Ausschlag. Dass „K“ mit dem Vater sehr verbunden ist, hat auch die Mutter nicht in Zweifel gezogen. Dies ergibt sich zudem aus den vom Vater vorgelegten Stellungnahmen der ehemaligen Tagesmutter und der befreundeten Frau S… vom 19.7.2010. Dem steht die Mutter allerdings nicht nach. Wie oben dargestellt, zeigt „K“ zur Mutter eine ruhige und selbstverständliche Zuneigung. Die Verfahrensbeiständin hat berichtet und bei ihrer Anhörung vor dem Senat wiederholt, dass „K“ sich bei ihrem Besuch wiederholt an die Mutter gewendet und sich sehr anhänglich gezeigt haben. Soweit der Vater behauptet hat, „K“ habe mit der Mutter nicht mitgehen wollen, kann daraus nicht entnommen werden, dass er etwa weniger oder nicht an sie gebunden sei. Denn dass ein Kind in „K“ Alter eine auf dem Umgang beruhende Veränderung gelegentlich ablehnt, besagt nicht, dass es den jeweiligen Elternteil ablehnt. Auch ein Weinen des Kindes bei der Übergabe bedeutet nicht, wie der Vater meint, Ablehnung gegenüber dem übernehmenden Elternteil. Es kann vielmehr auf verschiedenen Gründen zurückzuführen sein. Dabei spricht einiges für die von der Mutter geäußerte Vermutung, „K“ spüre den Konflikt der Eltern, der, wie bei der Anhörung durch den Senat deutlich wurde, nicht nur auf das Kind bezogen besteht, sondern auch die elterliche Beziehung umfasst.

Auf Seiten der Mutter ist jedoch zu beachten, dass „K“ in ihrem Haushalt mit seiner Schwester zusammen sein kann. Zu ihr hat „K“, was die Mutter angegeben und die Verfahrensbeiständin bestätigt hat, ein sehr gutes Verhältnis, sodass die Geschwisterbindung für einen Verbleib von „K“ im Haushalt der Mutter spricht.

Nach alledem ist der Mutter im Hinblick auf die Geschwisterbindung ein Vorrang einzuräumen. Jedenfalls liegen keine Gründe vor, aus denen es dem Kindeswohl besser entspräche, dem Vater die elterliche Sorge zu übertragen. Sie ist daher bei der Mutter zu belassen.

Der vom Vater hilfsweise gestellte Antrag auf Erlass einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB ist zurückzuweisen.

Voraussetzung für den Erlass einer solchen Anordnung ist, dass das Kindeswohl durch die Wegnahme aus dem Haushalt des Vaters, der – befristet bis 31.3.2010 – zum Pfleger bestellt worden war, gefährdet wäre. Dabei kommt es zwar nicht darauf an, ob das Kind bereits aus der Pflegestelle herausgenommen wurde (vgl. Palandt/Diedersichsen, BGB, 69. Aufl., § 1632, Rz. 10). Eine Kindeswohlgefährdung, die derjenigen nach § 1666 BGB entspricht und nur dann gegeben ist, wenn nicht unerhebliche körperliche oder seelische Schäden zu befürchten sind (vgl. Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1632, Rz. 13), ist aber zu verneinen. Denn dem Kind geht es im Haushalt der Mutter, wie oben ausgeführt, gut.

Im Hinblick darauf, dass das Bundesverfassungsgericht über die vom Beteiligten zu 1. aufgeworfene Frage der Verfassungsmäßigkeit der die elterliche Sorge von nicht in einer Ehe geborenen Kindern durch den Beschluss vom 21.7.2010 (1 BvR 420/09) entschieden hat, sind die insoweit aufgestellten Übergangsregelungen Grundlage der Senatsentscheidung, sodass es der angeregten Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht bedarf. Eine vom Beteiligten zu 1. begehrte Verbindung kommt ungeachtet dessen mangels entsprechender gesetzlicher Vorschriften ohnehin nicht in Betracht.

Die hilfsweise vom Beteiligten zu 1. begehrten einstweiligen Anordnungen sind nicht zu erlassen, weil eine Entscheidung in der Hauptsache getroffen worden ist, sodass für eine vorläufige Regelung kein Raum mehr besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.

OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.08.2010
10 UF 109/10

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