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Gutachten (egal wofür) - mitmachen oder verweigern?

 
(@luc-reif)
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Liebes Forum,

ich möchte gern Erfahrungswerte sammeln und Einschätzungen lesen - und zwar zu folgender Frage:

Ein Gutachten wurde in Auftrag gegeben bzw. die Inauftraggabe eines Gutachtens steht im Raum (die Fragestellung ist dabei schon Teil der Antwort)

1.) Welche Fragestellungen würdet ihr de jure (nicht) akzeptieren - und mit welcher Begründung?

2.) Wenn ihr die Fragestellung für "falsch"/deplaziert haltet - würdet ihr trotzdem mitmachen oder die Teilnahme verweigern? Und wenn verweigern - mit welcher (juristisch) plausiblen Erklärung - also: möglichst ohne sich aufgrund seiner Verweigerungshaltung direkt ins Unrecht zu setzen?

3.) Ihr merkt, dass die Gegenseite auf ein Gutachten drängt. Der "typische" Fall - "die" kriegen VKH und interessieren sich nicht für die Kosten, können "euch" also doppelt eins auswischen: die langwierige Begutachtung (samt dem demütigenden Procedere "an sich") einerseits, der Kostenfaktor andererseits. Wie steuert ihr - in der Verhandlung - gegen? Kann man das? Verweigert man? Schlägt man etwas anderes vor?

 

Freue mich auf eure Antworten!

Zitat
Themenstarter Geschrieben : 06.05.2022 15:01
(@ruffys)
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An einem Gutachten nicht teilzunehmen darf einem nicht negativ angelastet werden. Die nicht Teilnahme muss man nicht begründen.  Auch sonst brauchst du dich nicht mit ihm  unterhalten.

Wie ich aus diversen Beiträgen raus lesen konnte, steht das Ergebniss des Gutachtens (was das Gericht sich wünscht) ohnehin schon mit der jeweiligen Fragestellung fest.

AntwortZitat
Geschrieben : 06.05.2022 16:43
(@luc-reif)
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@ruffys 

Können wir den Unterschied de jure (darf einem nicht negativ angelastet werden) und de facto (wird einem im Zweifelsfall eben doch negativ angelastet) mitberücksichtigen?

Wenn nur "de jure" zählen würde, hätten wir sowohl in diesem Forum als auch in der gesamten Familiengerichtsbarkeit weniger Probleme?

Justitia ist eben nicht blind...

AntwortZitat
Themenstarter Geschrieben : 06.05.2022 16:59
(@midnightwish)
Gehört zum Inventar Moderator

@luc-reif 

Ich denke, das es nicht so einfach ist das theoretisch zu diskutieren.

Es macht ja schon einen Unterschied, ob das Gutachten das Ziel hat festzustellen in welchem Umfang der Umgang sinnvoll ist oder eben, ob das Kind den Lebensmittelpunt von einem zum anderen Elternteil wechseln soll.

In ersterem Fall ist es einfacher ohne Mitwirkung eines Elternteils eine Empfehlung zu finden. Es ist ja erstmal das Recht des Kindes beide Elternteile zu haben. Zur Not empfiehlt man BU oder eine Umgangspflegschaft, damit gewährleistet ist, dass der Umgangselternteil gut mit dem Kind umgeht bzw. das der betreuunde Elternteil das Kind herausgibt. (mal ganz verkürzt dargestellt)

In zweiterem ist es schon wesentlich schwieriger. Wenn da ein Elternteil sich verweigert kann der Gutachter ja nur die Situation des anderen Elternteil bewerten und da dann nur zu einem Ergebnis kommen, ob das Kind bei diesem Elternteil besser leben sollte oder eben nicht. Ob der andere Elternteil nicht doch besser wäre oder ungeeignet muss dann außen vorbleiben. Das kann durchaus fatale Auswirkungen auf das Kind haben

Ein gebrochenes Versprechen ist ein gesprochenes Verbrechen

AntwortZitat
Geschrieben : 07.05.2022 09:58
(@luc-reif)
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Geschrieben von: @midnightwish

@luc-reif 

Ich denke, das es nicht so einfach ist das theoretisch zu diskutieren.

Es macht ja schon einen Unterschied, ob das Gutachten das Ziel hat festzustellen in welchem Umfang der Umgang sinnvoll ist oder eben, ob das Kind den Lebensmittelpunt von einem zum anderen Elternteil wechseln soll.

In ersterem Fall ist es einfacher ohne Mitwirkung eines Elternteils eine Empfehlung zu finden. Es ist ja erstmal das Recht des Kindes beide Elternteile zu haben. Zur Not empfiehlt man BU oder eine Umgangspflegschaft, damit gewährleistet ist, dass der Umgangselternteil gut mit dem Kind umgeht bzw. das der betreuunde Elternteil das Kind herausgibt. (mal ganz verkürzt dargestellt)

Genau das meine ich z.B.: würdet ihr die Teilnahme an einem Gutachten verweigern, wenn es um so etwas geht wie "wie viel Umgang soll wer haben?" - denn mit einer derartigen Fragestellung drückt sich der Richter um seine höchstrichterlichen Aufgaben. Es ist schlicht "seine Sache", genau das auszuurteilen. Und er hat dafür ja sogar Hilfe von JA und VB.

Es ist eine der Konstellationen, die ich meine und ich finde, genau darüber lässt sich trefflich diskutieren - bzw. eine "Materialsammlung" anlegen.

Mich würden genau diese Erfahrungswerte sehr interessieren. Denn ich habe keine Lust, in ein Gutachten zu laufen, nur weil die Gegenseite VKH kriegt und ihr deshalb alles egal sein kann.

AntwortZitat
Themenstarter Geschrieben : 07.05.2022 13:14
(@susi64)
(Fast) Eigentumsrechte Registriert

Hallo,

es kommt darauf an wer das Gutachten in Auftrag gibt und bezahlt. Wird das Gutachten vom Gericht angeordnet, dann solltest Du Dich dem nicht verschliessen, dann zahlen musst Du sowieso und es ist der einzige Weg Einfluss zu nehmen. Ansonsten trifft der Gutachter seine Entscheidung, ohne Dich überhaupt gesehen zu haben.

Wesentlicher ist aus meiner Sicht die Frage nach der Notwendigkeit des Gutachtens zu diskutieren. Der Ansatz wäre, dass die vorliegenden Einschätzungen ausreichen und es nicht notwendig weitere externe Expertise einzuholen, die letztlich auch das Verfahren verzögert.

Sollte es doch ein vom Gericht beauftragtes Gutachten geben, dann ist es wichtig auf die konkrete Fragestellung Einfluss zu nehmen, um zu verhindern, dass der Gutachter einfach schwätzt.

Letztlich kann man ein Gutachten und einen Gutachter schwer beeinflussen. Die entscheidende Arbeit muss vorher geleistet werden. Ein Gutachten anzugreifen ist schwer. Wird aber z.B. eine konkrete Frage nicht beantwortet, dann gibt es da einen Angriffspunkt.

Die Verweigerung der Mitwirkung sollte das letzte Mittel sein und sie wird in aller Regel zu Nachteilen führen. Aber ich kann mir schon Situationen vorstellen, wo der Schaden geringer ist, wenn Du Dich verweigerst.

VG Susi

 

AntwortZitat
Geschrieben : 07.05.2022 14:20
(@luc-reif)
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@susi64 

Es geht genau darum zu verhindern, dass das Gericht etwas beantragt. Die Gegenseite wird es versuchen - sie haben nichts zu verlieren. Gründe gibt es objektiv - keine. Aber die Richterin ist jung und will sich vielleicht absichern. Wie stärkt man ihr den Rücken?

AntwortZitat
Themenstarter Geschrieben : 07.05.2022 14:25
(@samson1978)
Zeigt sich öfters Registriert

Dann sollte dein Rechtsbeistand das so formulieren. Wenn ein Gutachten nicht zu wesentlich anderen Ergebnissen kommt, kann man auf die unverhältnismäßigen Kosten und Verzögerungen verweisen und sich gegen ein Gutachten aussprechen.

Wenn die Richterin jung ist, dann ist der VB meist eine solide Anlaufstelle. Die Person vertritt ja das Kind und agiert auch so.

Vielleicht folgt die Richterin dem VB weil man da auf Erfahrungswerte bauen kann.

AntwortZitat
Geschrieben : 09.05.2022 11:43
(@luc-reif)
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Dann kann mir die Schwarmintelligenz gleich mal helfen (wenn sie es kann). Habe selber gesucht, aber nichts gefunden.

Gibt es (OLG-)Urteile, in denen ein Gutachten aus o.g. Gründen ("ist überflüssig"; "verzögert Verfahren" abgelehnt wurde?

Vielleicht stärke ich nicht die Richterin, aber meine Anwältin - und die dann die Richterin.

(ja, kann auch sein, dass mein Rechtsbeistand selber weiß, was los ist - sie hat mich darauf hingewiesen, dass die Gegenseite es wohl über ein Gutachten versuchen wird - aber ihr Material an die Hand zu geben, ist sicher nicht das Verkehrteste).

Danke + Grüße

AntwortZitat
Themenstarter Geschrieben : 09.05.2022 14:25
(@richardvonweizsaecker)
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Gegen die Erstellung eines Gutachten wirst Du meiner Meinung nach nicht viel ausrichten.
Wenn Du etwas "rechtliches" hören willst:
Beweisbeschlüsse in Kindschaftsverfahren sind grundsätzlich nicht isoliert anfechtbar.
Beschlüsse, durch die eine Beweisaufnahme angeordnet wird, sind gemäß §§ 30 Abs. 1 FamFG355 Abs. 2 ZPO grundsätzlich nicht anfechtbar, sie können erst im Rahmen des Rechtsmittels gegen die Endentscheidung zur Überprüfung gestellt werden. Dies gilt auch für Beweisanordnungen, die die Einholung eines medizinischen oder psychologischen Sachverständigengutachtens vorsehen, da allein mit der Bestellung und Beauftragung eines Sachverständigen mangels Verpflichtung zur Duldung der Untersuchung bzw. zur Mitwirkung an dieser noch nicht in erheblichem Maße in die Rechte des Beteiligten eingegriffen wird (Meyer-Holz in Keidel FamFG 19. Aufl. § 58 Rdnr. 30). Ausnahmen von der Unanfechtbarkeit werden nur dann zugelassen, wenn die Ausführung des Beweisbeschlusses eine unmittelbare und auf andere zumutbare Weise nicht abwendbare Verletzung von Grundrechten zur Folge hat, die später nicht oder jedenfalls nicht vollständig behoben werden kann (vgl. Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess § 49 Rn. 129, 134; Meyer-Holz in Keidel FamFG 19. Aufl. a. a. O.).

Das ganze ist ein Beweisbeschluss der vom Gericht erlassen wird und die Grenzen ergeben sich aus dem jeweiligen Gesetz.
Also wenn Du nicht gerade in deinen Grundrechten verletzt wirst, kannst du nichts machen.

Wenn der/die Richter(in) der Meinung ist zur Entscheidungsfindung bedarf es die Kompetenz eines Sachverständigen, dann wirst Du das Gericht davon nur schwer abbringen.

Du darfst es nicht so verstehen dass das Gericht sich vor einer Entscheidung "drückt". Viel mehr hat das Gericht "Fachlich", d.h. Hier Familienpsychologisch, keine Kompetenz. Genauso wenig wie ein Richter bei einem Verkehrsunfall eine Ahnung von Physik hat. 

Übrigens wird oft vergessen, dass beide Eltern begutachtet werden. Das "demütigenden Procedere" betrifft also auch die Mutter. 

Sei entspannt, lass sie doch kommen mit ihrem Gutachten.

 

AntwortZitat
Geschrieben : 10.05.2022 00:49
(@luc-reif)
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@richardvonweizsaecker 

Danke für die ausführliche Antwort - ich hatte jedoch eher an argumentationslogische Aussagen aus Urteilen gedacht, die man zitieren könnte, nicht an einen Paragraphen zur direkten Verhinderung. Hätte ja sein können, es gibt da was.

Und klar ist die offizielle Begründung des Gerichts die mangelnde Expertise - nur: wenn im Verkehrsrecht ein Teilnehmer dem anderen hinten drauf gefahren ist, es Bremsspuren gibt und Zeugen...dann "drückt" sich der Richter sehr wohl, wenn er trotzdem einen Gutachter beauftragt, um herauszufinden, ob nicht doch alles ganz anders war (nur weil der Unfallverursacher das vehement behauptet).

Man muss nicht in allem Experte sein, gesunder Menschenverstand reicht in den meisten Fällen schon aus.

Ja, die richtige Einstellung verändert viel - das ist richtig. Und wenn man "Milde" walten lässt in seinem Kopf trägt sich die Last leichter. Daher ist dein Tip gut, die Dinge anders zu sehen. Aber demütigend bleibt das Procedere trotzdem. Und dabei denke ich in erster Linie nicht an mich oder die KM, sondern an meinen Sohn: einen kleinen, 4-jährigen Jungen 😉

AntwortZitat
Themenstarter Geschrieben : 10.05.2022 08:17