Der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. Juni 2008 – 8 UF 22/08 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes, soweit darin das Sorgerecht für sein Kind J. dem Amt für Kinder, Jugendliche und Familien des Kreises W. als Vormund übertragen wurde.
In diesem Umfang wird die Rechtskraft des Beschlusses aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht Hamm zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Ablehnung der Übertragung der elterlichen Sorge für sein Kind nach § 1680 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 BGB, die der Kindesmutter nach § 1666 BGB entzogen wurde, auf ihn.
1. Der Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsangehöriger und abgelehnter Asylbewerber. Aus seiner Verbindung mit der Kindesmutter ging im Januar 2007 der verfahrensbetroffene Sohn J. hervor, zu dem der Beschwerdeführer im August 2007 seine Vaterschaft anerkannt hat; die Mutter hat dem zugestimmt. Der Beschwerdeführer hatte bis Ende Juni 2008 jedes Wochenende Umgang mit seinem Kind, und zwar jeweils samstags und sonntags für je vier bis fünf Stunden zwischen 15.00 und 20.00 Uhr.
a) Mit dem angegriffenen Beschluss vom 7. Januar 2008 wies das Amtsgericht – nach Einholung eines Sachverständigengutachtens – den Antrag des Jugendamts zurück, der Mutter die elterliche Sorge für den Sohn zu entziehen und diese auf das Jugendamt als Vormund zu übertragen; auch den Antrag des Beschwerdeführers, die elterliche Sorge für das Kind auf ihn zu übertragen, wies es zurück.
b) Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beschwerdeführers und des Jugendamtes, der sich in der Nachfolge die im Beschwerdeverfahren für das Kind bestellte Verfahrenspflegerin anschloss, änderte das Oberlandesgericht nach Durchführung eines Anhörungstermins mit dem angegriffenen Beschluss vom 18. Juni 2008 den Beschluss des Amtsgerichts ab, entzog der Mutter die elterliche Sorge für das Kind, übertrug diese dem Jugendamt als Vormund und wies die Beschwerde des Vaters zurück.
Im Rahmen seiner Ausführungen zur Erforderlichkeit des Sorgerechtsentzugs zum Nachteil der Mutter führte das Oberlandesgericht aus, dass das Wohl des Kindes in erheblichem Maße gefährdet erscheine. Zwar weise dieses ausweislich des vom Senat eingesehenen Untersuchungsheftes keinerlei Entwicklungsrückstände auf, wie auch die Mutter erklärt habe. Dem stünden aber die Angaben der Zeugin G. entgegen, die vor dem Senat bekundet habe, dass der jetzt 17 Monate alte Junge nicht altersgerecht entwickelt sei. Mögen gewisse Zweifel daran bestehen, ob die Zeugin angesichts der Betreuung der eigenen Familie durch das Jugendamt überhaupt kompetent genug erscheine, den Entwicklungsstand J.beurteilen zu können, so erschienen die Beobachtungen der Zeugin, J. sei wenig kontaktfreudig und könne nur einzelne Laute sprechen, durchaus glaubhaft, weil sie sich mit den Angaben der Verfahrenspflegerin deckten, die ebenfalls berichtet habe, dass J. auf Ansprache anders als andere gleichaltrige Kinder nicht reagiere, nur vor sich hinstarre und ihrer Einschätzung nach auch nicht sprechen könne. Die Verfahrenspflegerin habe des Weiteren bezweifelt, dass J. spielerisch genügend durch die Mutter gefördert werde. Auf entsprechende Nachfrage durch den Senat seien die Angaben der Mutter insoweit ausgesprochen blass und vage geblieben und hätten insoweit den von der Verfahrenspflegerin bekundeten Eindruck bestätigt. Vor diesem Hintergrund müsse ernstlich ein tieferes, empathisches und emotionales Eingehen der Mutter auf die kindlichen Bedürfnisse J., der auf den in Augenschein genommenen Lichtbildern nie gelächelt oder gelacht habe, aber gerade angesichts der Tatsache, dass er sich im prägenden Kleinkindalter befinde, einer kognitiv wie emotional reizvollen Umgebung bedürfe, um sich altersgemäß zu entwickeln, bezweifelt werden.
Zur Frage, ob das Sorgerecht dem Jugendamt oder dem Beschwerdeführer zu übertragen sei, führte das Oberlandesgericht aus, dem Kindeswohl entspreche es unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten am besten, das Sorgerecht auf das Jugendamt als Vormund zu übertragen. Soweit der Vater beantragt habe, ihm gemäß § 1680 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 BGB die elterliche Sorge für seinen Sohn zu übertragen, sei dem auch unter Berücksichtigung von Art. 8 EMRK nicht zu entsprechen. Zwar sei der Vater für den Sohn neben der Mutter eine wichtige Bezugsperson, die den Sohn regelmäßig an den Wochenenden sehe und die sich um ihn kümmere. Ob der Vater angesichts seines bislang nach wie vor ungeklärten ausländerrechtlichen Status die für die positive Entwicklung eines Kindes erforderliche Kontinuität in der Betreuung und Erziehung des Kindes, die er bislang lediglich in Form von Umgangskontakten über wenige Stunden am Tag ausgeübt habe, aber dauerhaft sicherzustellen vermöge, sei hingegen ungewiss. Angesichts dessen sowie wegen des gesteigerten Erziehungs- und Betreuungsbedarfs vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Kindeswohlgefährdung und schließlich aufgrund der Tatsache, dass der Sohn sich derzeit im prägenden Kleinkindalter befinde, halte der Senat – nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass die eigene Integration des Vaters in das Leben der Bundesrepublik Deutschland nicht voranschreite, wie auch seine im Termin deutlich zutage getretenen äußerst rudimentären Deutschkenntnisse trotz eines bereits fast achtjährigen Aufenthalts zeigten – die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater für dem Kindeswohl nicht dienlich. Der beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Erziehungseignung des Vaters habe es nach Ansicht des Senats vor diesem Hintergrund nicht bedurft.
c) Die hiergegen seitens des Beschwerdeführers erhobene Anhörungsrüge wies das Oberlandesgericht mit – nicht angegriffenem – Beschluss vom 8. September 2008 als unbegründet zurück.
Der Senat halte – insoweit werde auf die Ausführungen im Beschluss vom 18. Juni 2008 verwiesen – eine Übertragung des Sorgerechts auf den Vater bereits deshalb nicht für dem Kindeswohl dienlich, weil schon nicht hinreichend
sichergestellt sei, dass der Vater – angesichts der bislang nur stundenweise über Tag durchgeführten Umgangskontakte mit dem Kind, seines ungeklärten ausländerrechtlichen Status sowie seiner eigenen bislang kaum vorangeschrittenen Integration in der Bundesrepublik Deutschland – nachhaltig und dauerhaft in der Lage sein werde, eine kontinuierliche Betreuung des bereits im Zeitpunkt des Beschlusses höchst förderungsbedürftigen Kindes sicherzustellen. Insoweit sei es auf die Frage seiner Erziehungseignung – das heiße die Frage, ob er aufgrund seiner Persönlichkeit und seines Erziehungskonzeptes in der Lage sein werde, dem Kind die nötige Unterstützung für den Aufbau seiner Persönlichkeit zu geben – nicht (mehr) entscheidungserheblich angekommen; dies gelte auch weiterhin. Aufgrund dessen habe der Senat von der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dieser Frage abgesehen. Ausführungen zur Frage einer etwaigen Sachkunde des Senats für die Beurteilung der Erziehungseignung des Vaters habe es vor diesem Hintergrund mithin ebenfalls nicht bedurft.
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG.
3. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens und die Akten des den Beschwerdeführer betreffenden ausländerrechtlichen Verfahrens vorgelegen.
4. Die Verfassungsbeschwerde wurde der Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen und dem Jugendamt des Kreises W. – als Amtsvormund des Kindes – zugestellt. Während die Landesregierung von einer Stellungnahme abgesehen hat, hat das Jugendamt die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts verteidigt und mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer in Abschiebehaft genommen worden und die Abschiebung für den 28. Oktober 2008 vorgesehen sei.
II.
1. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, soweit der Beschwerdeführer die Entscheidung des Amtsgerichts angreift. Insoweit ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil der Beschwerdeführer sie nicht ausgeführt und mithin nicht substantiiert begründet hat (§ 92 BVerfGG).
2. Soweit der Beschwerdeführer indes die Entscheidung des Oberlandesgerichts angreift, nimmt die Kammer die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers geboten ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die insoweit zulässige Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 BVerfGG). Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 18. Juni 2008 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, dessen Bedeutung und Tragweite das Oberlandesgericht grundlegend verkannt hat.
a) Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der angegriffenen Entscheidung ist zu berücksichtigen, dass für die leiblichen Eltern die Trennung von ihrem Kind den stärksten vorstellbaren Eingriff darstellt, der nur bei strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit mit dem Grundgesetz vereinbar ist (vgl.BVerfGE 60, 79; 79, 51 <60>).
Zwar stellt das Kindeswohl in der Beziehung zum Kind die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung dar. Das bedeutet jedoch nicht, dass es zur Ausübung des Wächteramts des Staates nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG gehörte, gegen den Willen der Eltern für eine den Fähigkeiten des Kindes bestmögliche Förderung zu suchen. Das Grundgesetz hat den Eltern zunächst die primäre Entscheidungszuständigkeit bezüglich der Förderung ihrer Kinder zugewiesen. Dabei wird auch in Kauf genommen, dass Kinder durch den Entschluss der Eltern wirkliche oder vermeintliche Nachteile erleiden (vgl.BVerfGE 60, 79 <94>; stRspr).
Soweit die elterliche Sorge, wie in diesem Verfahren, ursprünglich der Mutter gemäß § 1626a BGB alleine zustand, ist eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Wortlaut des § 1680 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 BGB zufolge allerdings nur zulässig, wenn dies dem Wohl des Kindes dient.
Das Elternrecht des rechtlichen Vaters aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gebietet jedoch, die Vorschrift des § 1680 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 BGB in einer Weise auszulegen, die der primären Entscheidungszuständigkeit der leiblichen Eltern gerecht wird. Wenn ein nach § 1626a BGB nichtsorgeberechtigter Vater über einen längeren Zeitraum die elterliche Sorge für ein Kind zwar nicht in rechtlicher, aber in tatsächlicher Hinsicht wahrgenommen hat, ist es daher nach Art. 6 Abs. 2 GG geboten, die Vorschrift dahingehend auszulegen, dass eine Sorgerechtsübertragung nach § 1680 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 BGB auf den Vater regelmäßig dem Kindeswohl dient, solange nicht konkret feststellbare Kindesinteressen der Übertragung widersprechen (vgl. BVerfGK 7, 65 <69>).
Der Umgang zwischen Eltern und ihrem Kind ist nicht lediglich eine mögliche Ausdrucksform elterlicher Erziehung, sondern eine grundlegende Basis für die Eltern-Kind-Beziehung und damit ein wesentlicher Bestandteil des von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Elternrechts. Insbesondere für einen Elternteil, der nicht mit dem Kind zusammenlebt, ist der Umgang mit seinem Kind eine maßgebliche Voraussetzung für einen persönlichen Kontakt mit diesem, die ihm ermöglicht, eine nähere Beziehung zu seinem Kind aufzubauen oder aufrechtzuerhalten. Der Umgang sichert ihm, sich persönlich dem Kind widmen und an dessen Entwicklung teilhaben zu können und seiner Elternverantwortung nachzukommen. Gerade für einen nichtsorgeberechtigten Elternteil ist das Umgangsrecht die wesentliche Grundlage dafür, sein Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG überhaupt ausüben zu können. Die persönliche Beziehung zu seinen Eltern, ihre Pflege, Hilfe wie Zuwendung tragen wesentlich dazu bei, dass sich das Kind zu einer Persönlichkeit entwickeln kann, die sich um ihrer selbst geachtet weiß und sich selbst wie andere zu achten lernt. In Wahrnehmung der dem Staat in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zugewiesenen Aufgabe, darüber zu wachen, dass die Elternverantwortung zum Wohle des Kindes ausgeübt wird, wozu als gewichtige Voraussetzung der elterliche Kontakt mit dem Kind gehört, hat der Gesetzgeber deshalb in § 1684 Abs. 1 BGB die Eltern zum Umgang mit ihrem Kind verpflichtet und damit angemahnt, dass sie ihrer Verantwortung gegenüber dem Kind nachkommen. Dabei hat er gleichzeitig dem Kind ein Recht auf Umgang mit seinen Eltern eingeräumt und damit das verfassungsunmittelbare Recht des Kindes aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern in diesem Punkt konkretisiert (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 1. April 2008 – 1 BvR 1620/04 –, NJW 2008, S. 1287 <1289>).
Der Grundrechtsschutz beeinflusst auch weitgehend die Gestaltung und Anwendung des Verfahrensrechts (vgl. BVerfGE 53, 30 <65>; 55, 171 <182>). Zwar muss auch in Verfahren mit Amtsermittlungsgrundsatz dem erkennenden Gericht überlassen bleiben, welchen Weg es im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften für geeignet hält, um zu den für seine Entscheidung notwendigen Erkenntnissen zu gelangen (vgl.BVerfGE 79, 51 <62> ). Die Gerichte sind danach zwar grundsätzlich berechtigt, von fachkundigen Feststellungen und fachlichen Wertungen eines gerichtlich bestellten Sachverständigen abzuweichen. Das Abweichen von einem Sachverständigengutachten bedarf aber dann einer eingehenden Begründung und des Nachweises eigener Sachkunde des Gerichts. Außerdem muss das Gericht dann anderweitig über eine möglichst zuverlässige Grundlage für die am Kindeswohl orientierte Entscheidung verfügen (vgl.BVerfGE 55, 171 <182> ; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. Juni 1999 – 1 BvR 1689/96 –, FamRZ 1999, S. 1417 <1418> und der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. Juli 2006 – 1 BvR 971/03 –, FamRZ 2007, S. 335 f.).
b) Diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben hält die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht stand.
aa) Das Oberlandesgericht hat die positive Feststellung der Kindeswohldienlichkeit zur Voraussetzung einer Sorgerechtsübertragung auf den Vater gemacht. Damit hat es grundlegend die verfassungsrechtliche Bedeutung und Tragweite des Umstandes verkannt, dass der Beschwerdeführer hier monatelang – und damit über einen längeren Zeitraum – zweimal wöchentlich mehrstündigen Umgang mit seinem Kind gepflegt und folglich die elterliche Sorge für das Kind in tatsächlicher Hinsicht wahrgenommen hat. Es hat nicht berücksichtigt, dass es in solchen Fällen verfassungsrechtlich geboten ist, § 1680 Abs. 2 Satz 2 BGB – auf den § 1680 Abs. 3 BGB im Falle des Entzugs der elterlichen Sorge der nach § 1626a BGB alleinsorgeberechtigten Mutter nach § 1666 BGB verweist – verfassungskonform dahin auszulegen, dass eine Sorgerechtsübertragung auf den Vater regelmäßig dem Kindeswohl dient, solange nicht konkret feststellbare Kindesinteressen der Übertragung widersprechen.
bb) Das Vorliegen solch konkret feststellbarer Kindesinteressen hat das Oberlandesgericht nicht ausreichend dargelegt.
Soweit das Oberlandesgericht darauf abstellt, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ungesichert sei, ist dieses Argument nicht nachvollziehbar. Würde dem Beschwerdeführer das Sorgerecht für das Kind übertragen, so hätte er nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, und zwar wegen § 28 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG unabhängig davon, ob sein Lebensunterhalt gesichert ist. Aus der vom Bundesverfassungsgericht eingesehenen Ausländerakte gehen keine Umstände hervor, die hiervon abweichend die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis rechtfertigen könnten.
Soweit das Oberlandesgericht ergänzend darauf abstellt, dass der Wechsel des Kindes zum Beschwerdeführer mit Unsicherheiten behaftet sei, weil dieser die Betreuung und Erziehung des Kindes bislang lediglich in Form von Umgangskontakten über wenige Stunden am Tag ausgeübt habe, verkennt es den Erziehungsvorrang des Beschwerdeführers im Verhältnis zum Staat. Diesem kann nicht mit Verweis auf die dadurch entstehenden Risiken für das Kind die Chance genommen werden, sein Kind mit der ihm zustehenden staatlichen Hilfe selbst ordnungsgemäß zu betreuen und zu erziehen, solange diese Perspektive nicht von vornherein aufgrund tragfähiger Feststellungen verschlossen erscheint (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. Dezember 2007 – 1 BvR 2681/07 –, FamRZ 2008, S. 492 <493>).
Solche Feststellungen lassen sich den Ausführungen des Oberlandesgerichts nicht entnehmen.
Das Oberlandesgericht verweist diesbezüglich auf den gesteigerten Erziehungs- und Betreuungsbedarf des im prägenden Kleinkindalter befindlichen Kindes, führt aus, dass die eigene Integration des Beschwerdeführers in das Leben der Bundesrepublik Deutschland nicht voranschreite, und nimmt insoweit auf seine im Senatstermin zutage getretenen äußerst rudimentären Deutschkenntnisse trotz eines bereits fast achtjährigen Aufenthalts Bezug.
Zum einen beruht aber die vom Oberlandesgericht gewonnene Überzeugung, das Kind sei gesteigert erziehungs- und betreuungsbedürftig, auf einem Verfahren, das nicht ausreichend dazu geeignet war, eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu bieten.
Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten Entwicklungsrückstände des damals zwischen vier und fünf Monate alten Kindes verneint. In seiner mündlichen Anhörung hat er sich zu dieser Frage nicht geäußert.
Das Oberlandesgericht hat seine Annahme einer Entwicklungsverzögerung des Kindes und eines damit verbundenen erhöhten Förderungsbedarfs auf die Aussage der Zeugin G. gestützt – deren Wert es allerdings selbst relativiert hat – sowie darauf, dass die Beobachtungen der Zeugin, das Kind sei wenig kontaktfreudig und könne nur einzelne Laute sprechen, durchaus glaubhaft seien, weil sie sich mit den Angaben der Verfahrenspflegerin deckten, die ebenfalls berichtet habe, dass das Kind auf Ansprache anders als andere gleichaltrige Kinder nicht reagiere, nur vor sich hinstarre und ihrer Einschätzung nach auch nicht sprechen könne.
Solche punktuellen Beobachtungen bilden jedenfalls dann keine ausreichend zuverlässige Grundlage, um auf erhebliche Entwicklungsrückstände eines Kindes und einen damit verbundenen erhöhten Förderbedarf zu schließen, wenn zugleich die Untersuchungshefte des Kindes keine Entwicklungsauffälligkeiten ausweisen. Wollte sich daher das Oberlandesgericht auf erhebliche Entwicklungsdefizite des Kindes stützen, so hätte es den Entwicklungsstand des Kindes sachverständig begutachten lassen müssen.
Zum anderen hat das Oberlandesgericht nicht in den Blick genommen, dass – unterstellte man einen erhöhten Förderbedarf für das Kind – der Beschwerdeführer im Falle der Übernahme des Sorgerechts für sein Kind einen Anspruch auf Unterstützung durch öffentliche Stellen – etwa in Gestalt der Einrichtung einer sozialpädagogischen Familienhilfe und logopädischer, therapeutischer und vergleichbarer Hilfen für das Kind – hätte. Das Oberlandesgericht hat zu diesen unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten vorrangigen Maßnahmen auch nicht dargelegt, dass diese Hilfen – zu deren Annahme sich der Beschwerdeführer im fachgerichtlichen Verfahren stets bereit erklärt hat – von vornherein nicht ausreichend wären, die von ihm angenommenen Defizite des Vaters kindeswohlverträglich auszugleichen (vgl. hierzu auch BVerfGK 7, 65 <70>).
c) Die Entscheidung des Oberlandesgerichts beruht auch auf dem Grundrechtsverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass das Oberlandesgericht bei Beachtung der sich aus dem Elternrecht des Beschwerdeführers ergebenden Anforderungen an die Auslegung von § 1680 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 BGB und an die Verfahrensgestaltung zu einem diesem günstigeren Ergebnis gekommen wäre.
d) Weil der angegriffene Beschluss den Beschwerdeführer bereits in seinem Elternrecht verletzt, kann dahinstehen, ob der Beschwerdeführer durch den Beschluss auch in seinen weiteren von ihm gerügten Grundrechten verletzt wird.
3. Die Feststellung der Grundrechtsverletzung ergibt sich aus § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.
Allerdings ist nur die Rechtskraft des angegriffenen Beschlusses des Oberlandesgerichts im hier erkannten Umfang aufzuheben und die Sache insoweit zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Der Beschluss selbst bleibt – vorläufig – aufrechterhalten.
Eine Beschränkung des Rechtsfolgenausspruchs, insbesondere eine Begrenzung der nach § 95 Abs. 2 BVerfGG gebotenen Aufhebung in sachlicher, formeller oder zeitlicher Hinsicht ist zulässig, wenn die uneingeschränkte Aufhebung zu Rechtsfolgen führen würde, die durch Sinn und Zweck der Verfassungsbeschwerde nicht zu rechtfertigen und weniger erträglich sind als die teilweise Aufrechterhaltung einer verfassungswidrigen Entscheidung (vgl.BVerfGE 89, 381 <394 f.>; 92, 158 <188>).
Höbe man den angegriffenen Beschluss – und nicht nur seine Rechtskraft – im erkannten Umfang auf, entstünde ein untragbarer Zustand, weil das Kind dann nicht mehr gesetzlich vertreten wäre. Das Interesse des Kindes, stets gesetzlich vertreten zu sein, muss zwingend Berücksichtigung finden. Die Prüfung, ob dem Beschwerdeführer das Sorgerecht ganz oder teilweise zu übertragen ist, muss hingegen dem Oberlandesgericht vorbehalten bleiben. Für die Dauer dieser Prüfung bleibt daher der verfassungswidrige Beschluss – ausnahmsweise – wirksam.
Allerdings wird das Oberlandesgericht aufgrund der Bedeutung der Verfahrensdauer in kindschaftsrechtlichen Streitigkeiten (siehe dazu BVerfGK 2, 140 <142>) und der Eingriffsintensität der Trennung des Kindes vom Beschwerdeführer unverzüglich zu prüfen haben, ob dem Beschwerdeführer zeitnah im Wege einstweiliger Anordnung vorläufig ganz oder teilweise die elterliche Sorge für das Kind zu übertragen oder zumindest ein weitreichendes Umgangsrecht mit dem Kind einzuräumen ist. Dies ermöglichte es dem nunmehr in Abschiebehaft befindlichen Beschwerdeführer – dessen Abschiebung für den 28. Oktober 2008 vorgesehen ist, was vollendete Tatsachen schüfe, die geeignet wären, das Wohl des betroffenen Kindes erheblich zu beeinträchtigen –, sein aufenthaltsrechtliches Schicksal erneut zur Überprüfung zu stellen. In diesem Fall hätte die Ausländerbehörde zu berücksichtigen, dass die zeitnahe Übertragung sorgerechtlicher Befugnisse auf den Beschwerdeführer wahrscheinlich ist und dass sich von Verfassungs wegen eine schematische Einordnung familiärer Beziehungen – als entweder aufenthaltsrechtlich grundsätzlich schutzwürdige Lebens- und Erziehungsgemeinschaft oder Beistandsgemeinschaft oder aber bloße Begegnungsgemeinschaft ohne aufenthaltsrechtliche Schutzwirkung – verbietet (vgl. BVerfGK 7, 49 <56> = DVBl 2006, S. 247 <248>), die die Ausländerbehörde indes in ihrer Ordnungsverfügung vom 29. August 2008 vorgenommen hat.
4. Es entspricht trotz der teilweisen Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde der Billigkeit, anzuordnen, dass das Land Nordrhein-Westfalen dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen der Verfassungsbeschwerde zu erstatten hat (§ 34a Abs. 2 BVerfGG), weil der Beschwerdeführer sein wesentliches Verfahrensziel erreicht hat und der erfolglose Teil der Verfassungsbeschwerde von untergeordneter Bedeutung ist (vgl.BVerfGE 32, 1 <39>; 53, 366 <407>; 79, 372 <378>).
BVerfG, Beschluss vom 20.10.2008
1 BvR 2275/08
OLG Hamm, Beschluss vom 18.06.2008
8 UF 22/08
AG Warendorf, Beschluss vom 07.01. 2008
9 F 130/07 –