BGH: Unterhaltsbegrenzung muss bei der Erstentscheidung geltend gemacht werden

Die Revision gegen das Urteil des 18. Zivilsenats – Senat für Familiensachen – des Kammergerichts vom 17. Februar 1998 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in einem Abänderungsverfahren um nachehelichen Unterhalt.

Die am 25. Juni 1976 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den am 9. März 1987 zugestellten Scheidungsantrag des Beklagten durch Verbundurteil des Amtsgerichts – Familiengericht – vom 11. November 1987 geschieden. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Die 1938 geborene Klägerin war während und nach der Ehe als Pelzverkäuferin erwerbstätig. Seit 1989 arbeitete sie als Verkäuferin in einem Textilgeschäft. Der ebenfalls 1938 geborene Beklagte ist – wie bereits zur Zeit der Scheidung der Ehe – Oberstudienrat. Durch das Scheidungsverbundurteil wurde er verurteilt, der Klägerin Aufstockungsunterhalt von monatlich 952 DM zu zahlen. Dabei ging das Amtsgericht unter anderem davon aus, daß der Klägerin über das Einkommen aus ihrer an 3 1/2 Tagen pro Woche verrichteten Teilzeitbeschäftigung hinaus fiktives Einkommen aus einer weiteren Erwerbstätigkeit im Umfang von 1 1/2 Tagen pro Woche anzurechnen sei.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin im Wege der Stufenklage höheren Unterhalt geltend gemacht. Sie hat nach Auskunftserteilung durch den Beklagten eine Erhöhung des Unterhalts um monatlich 790 DM für die Zeit ab Juli (nicht Juni) 1994 sowie um monatlich 600 DM ab Januar 1995 begehrt. Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt sowie widerklagend die Abänderung des Verbundurteils dahin, daß er für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1997 nur noch monatlich 600 DM und ab 1. Januar 1998 keinen Unterhalt mehr zu zahlen habe. Zur Begründung der Widerklage hat er im wesentlichen ausgeführt, eine weitergehende Inanspruchnahme sei im Hinblick auf die Dauer der Ehe und den Umstand, daß die Klägerin keine ehebedingten Nachteile erlitten habe, unbillig. Das Amtsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und den Beklagten in Abänderung des Verbundurteils zeitlich gestaffelt zu unterschiedlichen Unterhaltszahlungen verurteilt, für die Zeit ab 1. Januar 1997 zur Zahlung von monatlich weiteren 308 DM (nicht 208 DM). Die Widerklage hat das Amtsgericht abgewiesen.

Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht das angefochtene Urteil teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen, weil dem Erhöhungsverlangen die §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegenstünden. Die weitergehende Berufung hat das Oberlandesgericht mit der Begründung zurückgewiesen, dem mit der Widerklage verfolgten Abänderungsbegehren des Beklagten stehe die Zeitschranke des § 323 Abs. 2 ZPO entgegen. Hiergegen hat der Beklagte – zugelassene – Revision eingelegt.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Die Auffassung des Oberlandesgerichts, daß dem mit der Widerklage verfolgten Abänderungsbegehren des Beklagten die Zeitschranke des § 323 Abs. 2 ZPO entgegenstehe, ist nicht zu beanstanden.

1. Nach der vorgenannten Vorschrift ist die Abänderungsklage nur insoweit zulässig, als behauptet wird, daß die Gründe, auf die sie gestützt wird, erst nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung, in der eine Erweiterung des Klageantrags oder die Geltendmachung von Einwendungen spätestens hätte erfolgen müssen, entstanden seien. Insbesondere zur Absicherung der Rechtskraft unanfechtbar gewordener Entscheidungen ist danach eine Zeitschranke für die Berücksichtigung von Abänderungsgründen errichtet, denn der Möglichkeit einer Abänderung bedarf es nicht, wenn die veränderten Verhältnisse schon im Ausgangsprozeß zur Geltung gebracht werden konnten.

Maßgebender Zeitpunkt ist der Schluß der mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz, also auch der Berufungsinstanz, wenn eine solche stattgefunden hat. Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf die Parteistellung oder Zielrichtung des Vorprozesses an, was daraus folgt, daß der Wortlaut des Gesetzes nicht nur auf die Erweiterung des Klageantrags, sondern auch auf die Geltendmachung von Einwendungen abstellt und damit beide Parteien dazu anhält, ihren Standpunkt bereits im Ausgangsprozeß zur Geltung zu bringen (Senatsurteile BGHZ 136, 374, 375 f.; 96, 205, 207 ff.). Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.

2. Sämtliche Gründe, auf die die Abänderungswiderklage gestützt wird, lagen zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung des Scheidungsverfahrens bereits vor. Daß der Unterhaltsanspruch bzw. seine Bemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen zeitlich zu begrenzen sei, hätte der Beklagte daher nicht erst im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits, sondern schon im Rahmen des Scheidungsverfahrens geltend machen und zu den insoweit maßgebenden Kriterien – Ehedauer, erlittene ehebedingte Nachteile, Alter, Gesundheitszustand usw. (vgl. hierzu im einzelnen Brudermüller FamRZ 1998, 649, 652 ff.; Hahne FamRZ 1986, 305, 306 ff.) – vortragen können. Eine Veränderung dieser Verhältnisse hat er nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen, die von der Revision nicht angegriffen werden, nicht behauptet. Die Entscheidung, daß der Unterhaltsanspruch von einem bestimmten Zeitpunkt an aus Billigkeitsgründen zu begrenzen ist, setzt nicht voraus, daß dieser Zeitpunkt bereits erreicht ist. Soweit die betreffenden Gründe schon eingetreten oder zuverlässig vorauszusehen sind, kann die Entscheidung über eine Unterhaltsbegrenzung wegen § 323 Abs. 2 ZPO deshalb grundsätzlich nicht einer Abänderungsklage überlassen bleiben, vielmehr ist sie bereits im Ausgangsverfahren über den Unterhalt zu treffen (Senatsurteile vom 17. Mai 2000 – XII ZR 88/98 – zur Veröffentlichung vorgesehen und vom 9. Juli 1986 – IVb ZR 39/85 – FamRZ 1986, 886, 888; Brudermüller aaO S. 659; Hahne aaO S. 310, Johannsen/Henrich/Büttner Eherecht 3. Aufl. § 1573 Rdn. 48; Wendl/Pauling Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis* 5. Aufl. § 4 Rdn. 595 a; Griesche in FamGb § 1573 Rdn. 48).

Im vorliegenden Fall lagen die maßgeblichen Voraussetzungen zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz im Scheidungsverbundverfahren insgesamt vor und hätten die anzustellenden Erwägungen bereits vorausschauend ermöglicht. Deshalb ist der Beklagte nach § 323 Abs. 2 ZPO gehindert, hierauf eine Abänderungsklage zu stützen. Dem steht nicht entgegen, daß – wie die Revision meint – die Voraussetzungen für eine Begrenzung des Unterhaltsanspruchs im Erstverfahren evident gewesen seien, so daß es weiterer Darlegungen des Beklagten hierzu nicht bedurft habe, damit eine Entscheidung über den nachehelichen Unterhalt unter Berücksichtigung der §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs.1 Satz2 BGB habe getroffen werden können. Für die Präklusionswirkung des § 323 Abs. 2 ZPO kommt es allein darauf an, ob die Gründe, auf die eine Abänderungsklage gestützt wird, vor oder nach dem Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz entstanden sind. Dagegen ist nicht von Bedeutung, ob die vor der letzten mündlichen Verhandlung bereits vorliegenden Gründe schon Gegenstand der richterlichen Beurteilung waren. Eine “Korrektur” des früheren Urteils herbeizuführen ist dem Abänderungskläger verschlossen (Senatsurteil BGHZ 98, 353, 358 f.).

3. Die Revision vertritt die Auffassung, bei den Einwendungen aus § 1573 Abs. 5 BGB und aus § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB handele es sich gleichermaßen um rechtsvernichtende Einwendungen, die mit der Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO hätten geltend gemacht werden müssen. Das Berufungsgericht habe deshalb prüfen müssen, ob nach dem in der Widerklage zum Ausdruck gekommenen Willen des Beklagten, seine Inanspruchnahme aus dem Verbundurteil zu bekämpfen, nicht anstelle der Abänderungsklage die Vollstreckungsgegenklage habe erhoben werden müssen. Es habe den Beklagten vor Abweisung der Widerklage als unzulässig gemäß § 139 ZPO auf Bedenken gegen die Sachdienlichkeit seines Antrags hinweisen und ihm Gelegenheit geben müssen, seinen Antrag zu ändern. Der Beklagte hätte sodann seinen Antrag entsprechend umgestellt.

Damit vermag die Revision nicht durchzudringen. Die Annahme, eine zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs gemäß §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB sei im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen, trifft nicht zu. Beide Vorschriften sind durch das Gesetz zur Änderung unterhaltsrechtlicher, verfahrensrechtlicher und anderer Vorschriften (UÄndG) vom 20. Februar 1986 (BGBl. I 301) eingefügt worden. Der in Art.6 Nr. 1 Satz 2 UÄndG getroffenen Übergangsregelung ist für den Regelfall, daß die Unterhaltszahlungspflicht in einem Urteil ausgesprochen worden ist, die klare Entscheidung des Gesetzgebers zu entnehmen, daß der Unterhaltsschuldner eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO erheben muß, damit das bisherige Unterhaltsurteil an die neue Rechtslage angepaßt werden kann (so auch ausdrücklich die Entwurfsbegründung der Bundesregierung BT-Drucks. 10/2888,

S. 38). Der Gesetzgeber hat sich damit gegen die Anwendung der Vollstreckungsgegenklage entschieden, was hinsichtlich der Änderungen der §§ 1573, 1578 Abs. 1 BGB, die dem Bereich der Bedürftigkeit und der Höhe des Unterhaltsbedarfs, also den ohnehin dem wirtschaftlichen Wandel unterliegenden Voraussetzungen zuzuordnen sind, auch nahelag (Jaeger FamRZ 1986, 737, 741). Auch nach der Rechtsprechung des Senats ist eine Unterhaltsbegrenzung gemäß § 1573 Abs. 5 BGB im Wege der Abänderungsklage geltend zu machen (vgl. Senatsurteil vom 15. März 1995 – XII ZR 257/93 – FamRZ 1995, 665, 666). Das ergibt sich im übrigen auch aus einem weiteren Gesichtspunkt: Die Vorschriften der §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB können alternativ oder kumulativ zur Anwendung gelangen (Brudermüller aaO S. 651; Hahne aaO S. 310). So ist zum Beispiel denkbar, daß der Unterhalt nach einer Übergangszeit zunächst nach § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB verringert und nach einer weiteren Zeit gemäß § 1573 Abs. 5 BGB völlig gestrichen wird (siehe die Beispiele bei Hahne aaO). Da das Zusammenspiel der beiden Vorschriften ein einheitliches Verfahren voraussetzt, ergibt sich auch hieraus die Notwendigkeit der Geltendmachung durch Erhebung einer Abänderungsklage, denn die Vorschrift des § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB betrifft zweifelsfrei die wandelbaren wirtschaftlichen Verhältnisse (Senatsurteil vom 17. Mai 2000).

Aus diesem Grund bleibt auch der mit der Revision verfolgte Hilfsantrag, die Zwangsvollstreckung gemäß § 767 ZPO für die Zeit ab 1. Januar 1997 in dem im einzelnen bezeichneten Umfang für unzulässig zu erklären, ohne Erfolg.

BGH, Urteil vom 05.07.2000
XII ZR 104/98

KG Berlin, Urteil vom 17.02.1998

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