OLG Zweibrücken: Wochenendbeziehung bedeutet Unterhaltsverwirkung

OLG Zweibrücken: Wochenendbeziehung bedeutet Unterhaltsverwirkung

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Ludwigshafen am Rhein vom 21. September 2009 geändert:

Die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlich protokollierten Vergleich vom 14. Juni 2002 (Az.: 2 UF 10/02, Pfälz. Oberlandesgericht Zweibrücken) wird für die Zeit ab Rechtskraft dieses Urteils für unzulässig erklärt.

II. Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last.

Dies gilt nicht für die Mehrkosten, die durch die Anrufung des unzuständigen Amtsgerichts – Familiengericht – Neustadt an der Weinstraße entstanden sind; letztere hat der Kläger zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:

I.

Die Parteien haben am … geheiratet und wurden mit Verbundurteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Ludwigshafen am Rhein vom 5. Dezember 2001 geschieden; Rechtskraft der Ehescheidung ist im April 2002 eingetreten.

Aus der Ehe sind die Söhne D…, geboren am …, und der noch ältere S… hervorgegangen, die mittlerweile wirtschaftlich selbständig sind.

Die Trennung der Parteien erfolgte am 1. August 1995.

Bereits im Oktober 1995 bezog die Beklagte mit ihrem Lebensgefährten R… Z… eine gemeinsame Wohnung in A….

Bezüglich des Trennungsunterhalts schlossen die Parteien am 13. März 1997 vor dem Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken im Verfahren 6 UF 89/96 einen gerichtlich protokollierten Vergleich, in dem sich der Kläger zur Zahlung von Trennungsunterhalt an die Beklagte in Höhe von monatlich 1.451,00 DM verpflichtete.

Auf die vom Kläger bezüglich des titulierten Trennungsunterhalts erhobene Vollstreckungsabwehrklage erging im Verfahren 5 a F 251/08 das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Ludwigshafen am Rhein vom 27. November 1998, mit dem die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlich protokollierten Vergleich vom 13. März 1997 für unzulässig erklärt wurde.

Zur Begründung führte das Familiengericht aus, die Beklagte habe ihren Trennungsunterhalt verwirkt, weil sie mit dem Zeugen R… Z… in einer verfestigten eheähnlichen Beziehung lebe. Bei der angeblichen Wohnung des Zeugen Z… in M…, die ihm ein Freund voll möbliert und kostenlos zur Verfügung gestellt habe, handele es sich – wie die Ortsbesichtigung ergeben habe – um eine bloße Scheinadresse.

Nach Erlass dieses Urteils, gegen das die Beklagte kein Rechtsmittel eingelegt hatte, bezog diese eine eigene Mietwohnung in N….

Gegen die im Scheidungsverbundurteil vom 5. Dezember 2001 ausgesprochene Verurteilung zur Zahlung nachehelichen Unterhalts legte der Kläger Berufung zum Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken ein.

Im Berufungsverfahren schlossen die Parteien den gerichtlich protokollierten Vergleich vom 14. Juni 2002 (Az. 2 UF 10/02). Darin kamen die Parteien überein, dass der Kläger – dort Antragsteller – an die Beklagte – dort Antragsgegnerin – Aufstockungsunterhalt in Höhe von monatlich 753,00 € zahlen sollte, wovon 606,00 € auf den Elementarunterhalt und 147,00 € auf den Altersvorsorgeunterhalt entfielen. Die Vergleichsgrundlagen sahen auf Seiten der Antragsgegnerin Einkünfte aus vollschichtiger Erwerbstätigkeit in Höhe von bereinigt monatlich 988,00 € vor; außerdem wurden Vorteile durch den Zeugen Z… in Höhe von monatlich 256,00 € im Wege der Anrechnung berücksichtigt.

Mit zunächst beim Amtsgericht – Familiengericht – Neustadt an der Weinstraße erhobener Vollstreckungsabwehrklage hat der Kläger beantragt, die Vollstreckung aus dem gerichtlich protokollierten Vergleich vom 14. Juni 2002 für unzulässig zu erklären.

Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt, mittlerweile sei infolge des Zeitablaufs von einer verfestigen Lebensgemeinschaft des Zeugen Z… mit der Beklagten auszugehen. Beide bewohnten zwar getrennte Wohnungen in A… und N…; gleichwohl lebe man aber wie in einer Wochenendehe zusammen.

Das Amtsgericht – Familiengericht – Ludwigshafen am Rhein hat nach Verweisung der Sache zu dieser streitigen Frage Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen R… Z…. Bezüglich des Inhalts seiner Bekundung wird auf das Protokoll des Familiengerichts vom 21. August 2009 Bezug genommen (Bl. 51–52 d.A.).

Mit Urteil vom 21. September 2009 hat das Familiengericht die Vollstreckungsabwehrklage des Klägers abgewiesen.

Zur Begründung hat das Familiengericht im Wesentlichen ausgeführt, aufgrund der Bekundung des Zeugen Z… könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte mit diesem Zeugen in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebe. Die Beziehung beschränke sich auf das gemeinsame Verbringen von Freizeit und Urlauben, ansonsten aber bewahre man sich bewusst eigene Lebensbereiche mit getrennten Wohnsitzen. Dem Vorbringen des Klägers stehe außerdem die Präklusionsbestimmung des § 767 Abs. 2 ZPO entgegen, weil die intime Beziehung der Beklagten zu dem Zeugen Z… bei Abschluss des gerichtlich protokollierten Vergleichs vom 14. Juni 2002 bis heute qualitativ unverändert aufrechterhalten worden sei.

Hiergegen richtet sich die form– und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 29. Januar 2010 hat der Kläger seinen Klageantrag zeitlich dahin präzisiert, dass die Zwangsvollstreckung ab Rechtskraft des (Senats)–Urteils für unzulässig erklärt werden soll.

Der Kläger ist der Auffassung, die Präklusionsbestimmung des § 767 Abs. 2 ZPO sei bei gerichtlich protokollierten Vergleichen nicht anwendbar.

Der Kläger ist außerdem der Ansicht, auf Grund der Bekundung des Zeugen Z… könne ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Beklagte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft im Sinne von § 1579 Nr. 2 BGB mit diesem Zeugen lebe.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend und ist der Ansicht, der Vollstreckungsabwehrklage fehle es schon an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse, weil sie die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlich protokollierten Vergleich vom 14. Juni 2002 gar nicht betreibe.

II.

Das – zulässige – Rechtsmittel hat in der Sache vollen Erfolg.

Der vom Kläger erhobene Einwand der Verwirkung im Sinne von § 1579 Nr. 2 BGB – prozessual korrekt geltend gemacht mit der Vollstreckungsabwehrklage im Sinne von § 767 ZPO (siehe hierzu Herget in Zöller, ZPO*, 28. Aufl. Rn. 12 Stichwort: “Verwirkung” m.w.N.) – ist in der Sache begründet und führt zum völligen Ausschluss des nachehelichen Unterhaltsanspruchs der Beklagten.

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Rechtsschutzinteresse für die Vollstreckungsgegenklage im Sinne von § 767 ZPO zu bejahen.

Dies gilt schon deswegen, weil die Beklagte auf das außergerichtliche Schreiben des Klägers vom 13. Mai 2009 nicht reagiert und der Aufforderung des Klägers, auf die Rechte aus dem Titel zu verzichten und diesen an ihn herauszugeben, keine Folge geleistet hat.

Darüber hinaus hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 29. Januar 2010 auf entsprechende Frage eingeräumt, sie habe die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlich protokollierten Vergleich vom 14. Juni 2002 gar nicht betreiben müssen, weil der Kläger bis dato stets freiwillig den titulierten Ehegattenunterhalt gezahlt habe.

2. Auch die Präklusionsbestimmung des § 767 Abs. 2 ZPO steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen.

Die Präklusionswirkung dieser Bestimmung greift nämlich nicht ein bei solchen Titeln, denen keine Rechtskraftwirkung zukommt; hierzu zählt auch der Prozessvergleich (vgl. Herget in Zöller ZPO 28. Aufl. Rdnr. 20 zu § 767 ZPO m.w.N.).

3. Der Senat ist schon aufgrund der Bekundung des Zeugen Z…, die vor dem Hintergrund der von ihm geschilderten objektiven Umstände zu bewerten ist, zu der Überzeugung gelangt, dass die Beklagte mit diesem Zeugen in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt, der Verwirkungsgrund des § 1579 Nr. 2 BGB daher vorliegt.

Einer erneuten Vernehmung des Zeugen Z… durch den Senat bedarf es nicht, weil der Senat vom selben objektiven Erklärungswert der Bekundung dieses Zeugen ausgeht, aus der Zeugenaussage allerdings andere rechtliche Schlussfolgerungen zieht (vgl. Heßler in Zöller aaO Rdnr. 8 zu § 529 ZPO m.w.N.).

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann das Zusammenleben des Unterhaltsberechtigten mit einem neuen Partner dann zur Annahme eines Härtegrundes im Sinne von § 1579 Nr. 2 BGB – mit der Folge der Unzumutbarkeit einer weiteren (uneingeschränkten) Unterhaltsbelastung für den Verpflichteten – führen, wenn sich diese Beziehung in einem solchen Maß verfestigt, dass damit gleichsam ein nichteheliches Zusammenleben an die Stelle einer Ehe getreten ist. Nach welchem Zeitablauf – und unter welchen weiteren Umständen – dies angenommen werden kann, lässt sich nicht allgemein verbindlich festlegen. Vor Ablauf einer gewissen Mindestdauer, die im Einzelfall kaum unter 2 bis 3 Jahren liegen dürfte, wird sich in der Regel nicht verlässlich beurteilen lassen, ob die Partner nur „probeweise“ zusammenleben oder ob sie auf Dauer in einer verfestigten Gemeinschaft leben und nach dem Erscheinungsbild der Beziehung in der Öffentlichkeit diese Lebensform bewusst auch für ihre weitere Zukunft gewählt haben. Ist diese Voraussetzung erfüllt, dann kann von dem Zeitpunkt an, in dem sich das nichteheliche Zusammenleben der neuen Partner als solchermaßen verfestigte Verbindung darstellt, die Bedeutung der geschiedenen Ehe als Grund für eine fortdauernde unterhaltsrechtlich Verantwortung des Verpflichteten gegenüber seinem geschiedenen Ehegatten zurücktreten und es kann für den Verpflichteten objektiv unzumutbar werden, den früheren Ehegatten unter derart veränderten Lebensumständen gleichwohl weiterhin (uneingeschränkt) unterhalten zu müssen (siehe BGH FamRZ 1997, 671; vgl. auch Senat FamRZ 2008, 1630).

Die Beklagte lebt zwar seit dem Jahr 2000 in N… und nicht mehr in A… in der Wohnung des Zeugen Z…. Diese räumliche Trennung beruhte aber nicht darauf, dass man die intime Beziehung nunmehr als sogenannte Fernbeziehung distanziert aufrechterhalten wollte. Stattdessen ist die Trennung darauf zurückzuführen – dies stellt die Beklagte auch nicht in Abrede –, dass das Familiengericht in seinem Urteil zum Trennungsunterhalt vom 27. November 1998 deutliche Worte gefunden und die Adresse des Zeugen Z… in M… nach durchgeführter Augenscheineinnahme als „Scheinadresse“ bezeichnet hatte.

Aus der Bekundung des Zeugen Z… ergibt sich mit genügender Deutlichkeit, dass man fast alle Wochenenden mit gemeinsamem Kochen und Essen, die Feiertage und auch die Urlaube zusammen verbringt. Auch Familienfeste werden gemeinsam besucht. An den Wochenenden versorgt die Beklagte gelegentlich auch die Wäsche des Zeugen. An den Wochenenden übernachten beide meistens in der Wohnung des Zeugen in A….

Der Senat geht daher – entgegen der Auffassung des Familiengerichts – vom Vorliegen einer verfestigten Lebensgemeinschaft im Sinne von § 1579 Nr. 2 BGB aus.

Das Vorliegen dieses Verwirkungsgrunds führt vorliegend zu einer vollständigen Verwirkung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten. Kindesbelange sind nicht zu besorgen; die Beklagte ist außerdem ohnehin gehalten, durch eine vollschichtige Erwerbstätigkeit ihren eigenen angemessenen Lebensbedarf sicherzustellen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, 26 Nr. 9 EGZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

OLG Zweibrücken, Urteil vom 05.02.2010
2 UF 140/09

AG Ludwigshafen am Rhein, Urteil vom 21.09.2009
5 a F 219/09

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