Neues Urteil BGH...
 
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Neues Urteil BGH...

 
(@old-man-river)
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Hi zusammen,

hoffentlich habe ich jetzt nicht mal wieder ne Doublette fabriziert  🙂
Habe gerade ein neues Urteil gelesen :
Das klingt doch sehr interessant...


BGH zum Mindestbedarf für den Unterhaltsanspruch bei Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes

Zugebilligter Unterhaltsbedarf darf nicht unter dem Existenzminimum liegen

Einem Unterhaltsberechtigten steht wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes jedenfalls ein Mindestbedarf in Höhe des Existenzminimums zu, der dem notwendigen Selbstbehalt eines nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen entspricht und gegenwärtig 770,- € monatlich beträgt. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Die Parteien lebten von September 1995 bis März 2006 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen. Im November 1995 wurde der erste Sohn der Klägerin geboren, der aus einer anderen nichtehelichen Beziehung hervorgegangen war. Im August 2000 wurde der gemeinsame Sohn der Parteien geboren, der seit August 2006 die Schule besucht.
Sachverhalt

Die im Jahre 1968 geborene Klägerin war nach Abschluss ihres Studiums der Archäologie lediglich im Rahmen einiger zeitlich befristeter Projekte des Landesamtes für Archäologie erwerbstätig und erzielte daraus Einkünfte, deren Höhe nicht festgestellt ist. Während des Zusammenlebens mit dem Beklagten war sie nicht erwerbstätig. Seit dem Jahre 2006 erzielt sie geringfügige Einkünfte, die sich monatlich auf rund 200 €,- netto belaufen.
Unterhaltsbedarf soll durch Einkünfte aus zumutbarer Erwerbstätigkeit gedeckt werden

Die Klägerin begehrt unbefristeten Betreuungsunterhalt für die Zeit ab Mai 2006 in Höhe von monatlich 908,- €. Das Amtsgericht hat die Klage im Wesentlichen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage für die Zeit von Mai 2006 bis Januar 2007 überwiegend stattgegeben. Für die Folgezeit hat es ihr einen Unterhaltsanspruch versagt, weil sie ihren Unterhaltsbedarf durch Einkünfte aus einer zumutbaren eigenen Erwerbstätigkeit decken könne. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin.
Ausschlaggebend ist Lebensstandard vor der Geburt des Kindes

Der Unterhaltsbedarf der Klägerin bestimmt sich gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach ihrer Lebensstellung bei der Geburt des gemeinsamen Kindes. Damit kommt es ausschließlich darauf an, welchen Lebensstandard sie vor der Geburt des Kindes erreicht hatte. Denn der Unterhaltsanspruch soll sie nur so stellen, wie sie stünde, wenn das gemeinsame Kind nicht geboren wäre. Anders als beim nachehelichen Unterhalt, bei dem sich der Bedarf des geschiedenen Ehegatten auch nach dem bisherigen Einkommen des anderen Ehegatten bemisst, kann die Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes ihren Lebensbedarf nicht vom – ggf. höheren – Einkommen ihres Lebenspartners ableiten, und zwar auch dann nicht, wenn sie längere Zeit mit ihm zusammenlebte (vgl. Beachten Sie folgenden QuerverweisBGH, Urteil v. 16.07.2008 - XII ZR 109/05 -). Da der Betreuungsunterhalt ihr eine notwendige persönliche Betreuung des Kindes ermöglichen soll, ohne dass sie in dieser Zeit gezwungen ist, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, ist ihr allerdings ein Unterhaltsbedarf zuzubilligen, der nicht unter dem Existenzminimum liegen darf. Dieses Existenzminimum als unterste Grenze des Unterhaltsbedarfs darf nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Höhe des nur wenig darüber hinausgehenden notwendigen Selbstbehalts eines Unterhaltspflichtigen pauschaliert werden, der gegenwärtig 770,- € monatlich beträgt.
Klägerin legt keine Gründe für weitere notwendige persönliche Betreuung vor

Diesen Mindestbedarf kann die Klägerin ab Februar 2008 in voller Höhe durch zumutbare eigene Erwerbstätigkeit decken. Denn die Klägerin ist ab dieser Zeit – nach der ab Januar 2008 geltenden Neufassung des § 1615 l BGB und erst Recht auf der Grundlage der bis Ende 2007 geltenden früheren Fassung des § 1615 l BGB - jedenfalls zu einer halbschichtigen Erwerbstätigkeit in der Lage. Nach § 1615 l BGB darf sich der betreuende Elternteil nur in den ersten drei Lebensjahren für eine vollzeitige persönliche Betreuung des gemeinsamen Kindes entscheiden. Verlangt er für die Folgezeit weiterhin Betreuungsunterhalt, muss er im Einzelnen darlegen, dass und in welchem Umfang neben den vorhandenen Möglichkeiten der Betreuung in einer kindgerechten Einrichtung noch eine weitere persönliche Betreuung erforderlich ist. Kindbezogene Gründe, die eine weitere persönliche Betreuung des dann 6 1/2 –jährigen Sohnes erfordern, hatte die Klägerin auch auf ausdrücklichen Hinweis des Oberlandesgerichts nicht vorgetragen. Im Revisionsverfahren war deswegen davon auszugehen, dass neben dem Schulbesuch auch eine Nachmittagsbetreuung in Betracht kommt. Weil die Klägerin über die Dauer des gemeinsamen Zusammenlebens hinaus auch keine elternbezogenen Verlängerungsgründe vorgetragen hatte, ist sie zu einer Erwerbstätigkeit verpflichtet, die deutlich über eine halbschichtige Tätigkeit hinausgeht. Soweit das Oberlandesgericht ihr eine halbschichtige Tätigkeit als Archäologin zugemutet hatte, bleibt dies sogar hinter der Erwerbspflicht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zurück.
Körperliche Erkrankung für möglichen Unterhaltsanspruch unerheblich

Ob die an MS erkrankte Klägerin aus gesundheitlichen Gründen erwerbsfähig ist oder ob sie einen Arbeitsplatz in ihrem erlernten Beruf als Archäologin finden kann, ist im Rahmen des Unterhaltsanspruchs wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes unerheblich, weil der Unterhaltsanspruch nach § 1615 l BGB ihre Lebensstellung nur wegen der notwendigen Kindesbetreuung sichern will. Einen Krankheitsunterhalt oder einen Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit, wie sie die §§ 1572 und 1573 BGB für den nachehelichen Unterhalt zusätzlich vorsehen, kennt § 1615 l BGB nicht.

Zitat
Themenstarter Geschrieben : 18.12.2009 17:29
DeepThought
(@deepthought)
(Fast) Eigentumsrecht Moderator

vor 'ner halben Stunde eingestellt (>hier<)  😉

Der 15. Senat des OLG Celle befindet vatersein.de
in den Verfahren 15 UF 234/06 und 15 UF 235/06
als "professionell anmutend".
Meinen aufrichtigen Dank!

AntwortZitat
Geschrieben : 18.12.2009 17:42
(@beppo)
(Fast) Eigentumsrecht Moderator

Moin,

Sofern dieser Pressetext in etwa mit dem Urteil übereinstimmt, ist das Urteil nur in einem Punkt bemerkenswert:

Es ist, soweit ich es beurteilen kann, zum ersten Mal ein Vater nicht zu höherem Unterhalt verurteilt worden!

Andererseits ist der Fall so profan, dass man sich fragt, wieso die das überhaupt angenommen haben.

Uneheliche Mutter eines Kindes über 3 Jahren verlangt Unterhalt wegen Krankheit und/oder Arbeitslosigkeit.

Dafür gibt es schlicht keine Rechtsgrundlage.
Das hatte das OLG aber auch schon festgestellt.

Ich kann mir nur vorstellen, dass sie das nur deswegen angenommen haben, um auf genau diese Lücke (Ungerechtigkeit) aufmerksam zu machen.

Schließlich wird hier eine alleinerziehende und zudem kranke (MS) Mutter gegenüber anderen Müttern benachteiligt.
In der Presse wurde dieser Missstand auch schon empört aufgenommen.

Kann nicht mehr lange dauern, bis das Thema auch vom djb, VAMV und dem deutschen Familiengerichtstag aufgegriffen wird.
Schließlich ist der Hinweis auf die 770,-€ Mindestunterhalt, die hier völlig Zusammenhanglos drin stehen, offenbar auch eine Nachricht an den FGT, der genau das gerade erst thematisiert hatte.

Gruss Beppo

Ein Mann, der seine Frau verlässt, ist ein Schuft.
Ein Mann, der von seiner Frau verlassen wird, ist auch ein Schuft, denn sonst hätte sie ihn ja nicht verlassen müssen.

AntwortZitat
Geschrieben : 18.12.2009 17:50
(@old-man-river)
Zeigt sich öfters Registriert

Hey Deep !

You´re da man !  :thumbup:

Da hab ich den einen Browsertab wohl nicht aktualisiert, lol
Schneller als der Schall - super !

Gruss -

Gerald

AntwortZitat
Themenstarter Geschrieben : 18.12.2009 18:00
(@oldie)
(Fast) Eigentumsrecht Registriert

Hi

Es ist, soweit ich es beurteilen kann, zum ersten Mal ein Vater nicht zu höherem Unterhalt verurteilt worden!

Das sehe ich anders, und daher als sehr bemerkenswert. 😉
Meines Wissens ist es das erste mal vom BGH, dass ein BU-Anspruch mit Verweis auf das neue Unterhaltsrecht (gesteigerte Eigenverantwortung) bei einem Grundschulkind abgeschmettert wurde. Anders kann ich es trotz MS nicht nennen. Auch elternbezogene Gründe wurden trotz längerer gemeinsamer Lebensgestaltung (11 Jahre) wurden nicht herangezogen.

Gruss oldie

Wenige sind das, was sie vorgeben zu sein.
Und wenn ich es mir recht überlege - niemand.

AntwortZitat
Geschrieben : 22.12.2009 16:05
(@beppo)
(Fast) Eigentumsrecht Moderator

Rehi

Hast du gesehen, dass es keine Ehe war?
Nach altem recht gab es da so gut wie gar keine Chance.
Und ihr Anspruch wurde nicht abgeschmettert, sondern es wurde lediglich festgestellt, dass sie ihren Unterhalt, auch nach neuem Recht, selbst sicherstellen kann.

Gruss Beppo

Ein Mann, der seine Frau verlässt, ist ein Schuft.
Ein Mann, der von seiner Frau verlassen wird, ist auch ein Schuft, denn sonst hätte sie ihn ja nicht verlassen müssen.

AntwortZitat
Geschrieben : 22.12.2009 16:10
(@oldie)
(Fast) Eigentumsrecht Registriert

ReReHi

Hast du gesehen, dass es keine Ehe war?

Hat das jemals wirklich interessiert bei einem 6 1/2 - Jahre altem Kind? Gab es da nicht die tollsten Konstrukte?

Ich versuche es mal mit anderen Worten. In ähnlichen Fällen wurde doch irgendwie die Betreuung hochstilisiert, ob nun ein KiTa-Platz lediglich der pädagogischen Erziehung dient und mitnichten eine vorrangige Betreuung darstellt welche es der KM ermöglicht, ihren Unterhalt durch Einsatz der eigenen Arbeitskraft sicherzustellen. Zumal sie vorher wohl schwer mit dem Studieren beschäftigt war und sie eine nicht eingearbeitete "Fachkraft" darstellt.
Zudem sind in den vorhandenen Urteilen nach Scheidungen die ehebedingten Nachteile bzw. die nacheheliche Solidarität gar nicht so herausgekehrt worden, eher der vorhandene Betreuungsbedarf. Und das, obwohl die Kinder mal 14J, mal 11J und 14J alt waren.

Es ist mein Misstrauen in den XII. Senat, welches hier hellhörig wird und ich leichte Hoffnung schöpfe, dass die Gesetze auch mal der postulierten Intention des Gesetzgebers entsprechend angewendet werden.

Gruss oldie

Wenige sind das, was sie vorgeben zu sein.
Und wenn ich es mir recht überlege - niemand.

AntwortZitat
Geschrieben : 22.12.2009 20:19
(@beppo)
(Fast) Eigentumsrecht Moderator

ReReHiHi,

ich gebe zu, dass ich dieses Urteil und seine Intention kaum verstehe.

Mich irritiert am meisten die Betonung des Mindestunterhalts für die Mutter, der ja beim FGT gefordert wurde.

Der Spielt in dem Urteil nämlich an sich gar keine Rolle.
Isch waas es net!

Gruss Beppo

Ein Mann, der seine Frau verlässt, ist ein Schuft.
Ein Mann, der von seiner Frau verlassen wird, ist auch ein Schuft, denn sonst hätte sie ihn ja nicht verlassen müssen.

AntwortZitat
Geschrieben : 22.12.2009 20:30
(@oldie)
(Fast) Eigentumsrecht Registriert

Hi

Isch waas es net!

Och, ich nenne es Rechtsverdrehung, Rechtsbeugung, Ausgaben des Staates sparen eben. Passt ein Gesetz nicht, wird es passend gemacht. Wozu gibt es dort sonst Worte wie "mindestens", "Billigkeit" oder meinen Favoriten "insbesondere"?

Gruss oldie

Wenige sind das, was sie vorgeben zu sein.
Und wenn ich es mir recht überlege - niemand.

AntwortZitat
Geschrieben : 22.12.2009 21:49