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Lausebackesmama
(@lausebackesmama)
(Fast) Eigentumsrecht Moderator

Hallo Foris!

Ich habe eben so in der Badewanne gelegen und mir ging der Streit im anderen Forum und das Thema Vatersein an sich durch den Kopf, auch aufgrund meiner eigenen Situation mit LBP und Lausebacke. Ich hab versucht zu ergründen, wieso ich selber nicht "so" denke, wie die drüben und landete schließlich bei meinem eigenen Vater.

Frage an euch: welchen Einfluss hat eure eigene Vater-Kind Beziehung zu eurer jetzigen Rolle als Vater, wie steht ihr zu ihnen?

Mein Vater ist im Februar 2005 gestorben. Meine Erinnerungen an ihn aus der Kindheit sind die, dass er mit mir und meiner Schwester gespielt hat, so lange wir wollten (Karten, Mensch ärgere Dich nicht, Spiel des Lebens, Softball-Tennis), er ist mit uns im Winter stundenlang rodeln gegangen. Er hat aber auch viel gearbeitet (war dagegen, dass meine Mutter arbeitet) und war Alkoholiker. Ich habe Erinnerungen aus meiner Jugend, die mich damals sehr gegen ihn aufgebracht haben, weil ich sehr darunter litt, wie wütend und traurig meine Mutter oft war, wenn er mal wieder das Konto geplündert hatte und wenn er nachts nicht nach Hause kam. Die Ehe meiner Eltern war vorbei, da war ich 19 und sozusagen Scheidungserwachsene. Der Kontakt zu ihm war dürftig, was an uns gleichermaßen lag. Er meldete sich nur, um sich auszuheulen (meist wegen meiner Schwester) und Einladungen von mir folgte er nie, selbst wenn ich ihm anbot, die Zugkosten (12 Euro) zu übernehmen. Lausebacke lernte er kennen, da war er schon 8 Monate alt und sah ihn ein letztes Mal, da war er 14 Monate alt. Also genau 2x. Als er mich das letzte Mal dann nach langem Nerven meinerseits besuchte, sah er schon sehr schlimm aus und ich sagte abends zu LBP: "Wenn er so weitermacht, wird er nicht alt!" Auf den Tag genau 4 Wochen später rief mich vormittags heulend meine Oma aus NRW an, bei Papa am Telefon sei die Polizei. Ich also angerufen, den AB bequatscht ich sei die Tochter von.. und es hob ein Polizist ab. Ob ich kommen könnte. Nun ja, ich war mal eben 90 Fahrminuten weit weg und bat darum mir zu sagen, was los sei. Er teilte mir mit, mein Vater sei tot. 5 Minuten später war meine Freundin da, ich ins Auto und 60 Minuten später stand ich vor der Wohnung. Nach drängeln lies man mich rein (aber nichts anfassen!!!) und dann lag er da. Es muss ein Hirnschlag gewesen sein, denn er ist umgefallen wie ein Baum, keine Abwehrbewegungen, direkt aufs Gesicht.. Als ich ihn sah, war er ca. 12 Stunden tot und die Wohnung gut geheizt (......).
Und als ich ihn da vor mir liegen sah, kam er mir schwach, klein und beschützenswert vor. Ich sah ihn liegen und alle Vorwürfe waren wie weggeblasen. Ich hab ihm noch gesagt, dass ich ihm allen Mist, den er gemacht hab verzeihe und hab mich für alle Lieblosigkeit und Wut und Kälte entschuldigt.
Und ich war in der Lage, für den Grabredner eine Rede zu schreiben, die den so ergriffen gemacht hat, dass er kein Wort geändert hat.

Jetzt wohne ich in einer Wohnung, wo ich von der Küche aus direkt auf den Friedhof gucken kann, wo ich ihm jeden Morgen einen guten Morgen wünsche...

Was ich damit sagen will: ich habe, als mein Vater noch lebte, immer an eine schöne Kindheit, aber auch an eine schwere Jugend gedacht. Es hat mich wahnsinnig gemacht, dass mein Vater sich nicht mal gemerkt hat, auf welche Schule ich gehe, nur mal so als Beispiel. Das war ihm wurscht, das waren halt Mamas Angelegenheiten. Er selber war nie in der Lage ein Forumular auszufüllen, wo er mehr als seinen Namen angeben mußte. Und meine Oma hat mir und meiner Schwester nie verziehen, dass wir uns um den Papa nicht so gekümmert haben, wie es eine Mutter/Ehefrau zu tun hat. Das vergiftet unsere Beziehung bis heute.

Als er noch lebte, dachte ich immer, wenn er mal stirbt, wird mich das nicht sooooo sehr umhauen. Aber als er dann tot war, hatte ich Panikattacken, konnte nächtelang nicht schlafen, bekam Antidepressiva verschrieben (die ich aber nicht nahm...) und brauchte lange, lange Zeit, um nicht täglich Heulkrämpfe zu kriegen.

In der Zeit hatte ich auch meinen Mann motiviert, nach seinem leiblichen Vater zu suchen (das postete ich mal im Sommer 05). Mir ist durch den Tod meines Vaters erst bewußt geworden, dass einem selbst erwachsenen Kind ein Teil entrissen wird, wenn der eigene Vater stirbt, selbst wenn die Beziehung zu Lebzeiten sehr stressbeladen war.

Vielleicht daher mein heutiges Denken. Und daher die Frage, wie haben eure Väter euch in eurem Vatersein beeinflußt bzw bei den Frauen, wie beeinflussen sie eure Haltung gegenüber den Vätern eurer Kinder?

LG LBM

Nachtrag: Meine Eltern hatten 1998 eine saubere Scheidung, Mama hatte ASR für kleine Schwester (16) und die konnte zu Papa, wann immer sie wollte (den Umgang zu REGELN, auf die Idee kam gar keiner!) Mein Papa war manchmal sogar bei Mama und neuem Mann zum Abendbrot, Stiefpapa half bei Ämterschreiben (Steuern, ALG2) und alles war friedlich.

‎"Mut bedeutet nicht, keine Angst zu haben, sondern es ist die Entscheidung,
dass etwas anderes wichtiger ist als die Angst."

Zitat
Themenstarter Geschrieben : 01.06.2007 22:21
(@brille007)
(Fast) Eigentumsrecht Registriert

Moin LBM,

ein sehr interessantes Thema, das Du da aufgreifst. Und im Gegensatz zu hobbypsychologischen Betrachtungen über Scheidungsraten in der Familie sicher auch von einigem Gewicht...

Das Verhältnis zu meinem Vater war sicher nicht immer einfach - als eines von insgesamt sechs Kindern und ältester Sohn war mir irgendwie an der Wiege gesungen, dass ich den elterlichen Handwerksbetrieb einmal übernehmen sollte/müsste. Das wurde nicht direkt ausgesprochen, aber es lag in der Luft. Die Crux seines Lebens war, dass er - wenngleich hochintelligent und sehr zielstrebig - nicht studieren konnte, weil seine Eltern sich das kurz nach dem Krieg nicht leisten konnten. Also wurde er Optiker. Und dass ich das auch mal werden sollte, stand für ihn viele Jahre lang ausser Zweifel.

Unser Verhältnis war - nach einer sehr glücklichen und sorglosen Kindheit - etwa ab der Pubertät davon geprägt, dass er nach eigenem Bekunden alles besser konnte als ich. Seine Schulzeugnisse: Spitze. Sämtliche beruflichen Prüfungen: Erstklassig. Meine dagegen: Naja... Wichtig waren ihm gute Schulnoten und der allsonntägliche Kirchenbesuch der ganzen Familie. Bei sechs Kindern gab es nicht sehr viel individuelle Förderung - die kamen nach seiner Ansicht ja alle aus "dem gleichen Stall" und hatten aufgrund der identischen genetischen Ausstattung daher auch alle gleich gut zu funktionieren. Er wusste und konnte alles, hatte zu allem eine Meinung und konnte diese - zumindest scheinbar - mit bestechender Logik auch begründen. Das erste, was ich konnte und er nicht, war Lastwagen fahren: Da war ich 19 und beim Bund.

Die Optiker-Lehre, die ich danach absolvierte, machte ich nicht zuletzt, um ihn zu ärgern und ihm sagen zu können: "Deinen Laden will ich aber trotzdem nicht haben." Logisch, dass auch die folgenden Jahre wechselseitig nicht von grosser Zuneigung geprägt waren; nicht zuletzt, weil ich bald danach ein Studium begann, das ich ohne eine Mark aus seiner Tasche komplett selbst finanzierte. Das dürfte ihn ordentlich gewurmt haben - und gleichzeitig stolz. Aber wirklich zugegeben hat er das nie.

Leute, die ihn gut kannten, sagen heute, dass wir uns in vieler Hinsicht sehr ähnlich seien. Vermutlich war das ein Schlüssel für unsere jahrelangen Zerwürfnisse: Wir sahen gegenseitig immer den Splitter im Auge des anderen und den Balken im eigenen nicht. Es gab endlose Diskussionen und auch Kräche. Allerdings war mir selbst in den stressigsten Zeiten immer irgendwie klar: "Er meint es gut, er macht es nur falsch."

Besser wurde es, als ich mit 25 meine heutige Ex kennenlernte und mit nach hause brachte: Die war ihm deutlich sympathischer als die jungen Damen, die ich zuvor mitgebracht hatte. Mittelbar hat er in den folgenden fünf Jahren auch immer wieder darauf hingearbeitet, dass wir endlich heiraten (woran ich ihm keine Schuld gebe; unterschrieben habe ich schon selbst). Als dann mein Sohn geboren und er gleich zweifacher Grossvater wurde (zwei Tage zuvor kam der Sohn meines Bruders zur Welt), wurde er noch zugänglicher - mit Anfang 30 waren wir gute Kumpel, und ich hatte endlich das Gefühl, von ihm wirklich für voll genommen zu werden. Daran hat sich nie mehr etwas geändert. Und auch, als er vor ziemlich genau zehn Jahren starb, hatte ich - im Gegensatz zu mindestens zwei meiner Geschwister - wirklich das Gefühl, dass schon lange nichts Unausgesprochenes mehr zwischen uns steht; ich konnte ihn in Frieden gehen lassen. Auch wenn ich mir bis heute - er wäre vor kurzem 77 geworden - manchmal wünsche, ein gemütliches Bier mit ihm zu trinken und über Gott und die Welt zu diskutieren. Andererseits ist ihm so - wie meine Mutter einmal sagte - die Enttäuschung über die Entwicklung seiner ehemaligen Lieblings-Schwiegertochter erspart geblieben.

Was hatte er für einen Einfluss auf meine eigene Vaterrolle? Ich kann mich erinnern, dass ich mir schon mit 12 oder 13 Jahren vorgenommen habe "Wenn du mal selbst Kinder hast, machst du dieses und jenes garantiert nicht!" Das hat mich über die Jahre begleitet und sich verfestigt. Und deshalb habe ich mich bei meinen Kindern besonders bemüht, sie von klein auf als eigenständige Persönlichkeiten wahr- und ernstzunehmen - sie sollten nie das Gefühl ohnmächtiger Unterlegenheit gegenüber einem alles wissenden und könnenden Vater haben, das mich selbst so oft gelähmt hatte.

Unterm Strich kann ich trotzdem sagen: Er war ein toller Kerl und ein bemerkenswertes Vorbild. Gemessen daran sind seine "Fehler" - inklusive der Schläge, die es Anfang der 60er Jahre durchaus noch gab - nichts, was ich ihm nachtrage, auch wenn ich meine Kinder natürlich nie geschlagen habe. Und wenn ich bei meinen eigenen Kindern mal so in Erinnerung bleibe wie er bei mir, habe ich meine eigene Vateraufgabe wohl ganz brauchbar erfüllt.

Grüssles
Martin

When a mosquito lands on your testicles you realize that there is always a way to solve problems without using violence.

AntwortZitat
Geschrieben : 01.06.2007 23:17
(@milan)
(Fast) Eigentumsrecht Registriert

Moin zusammen!

Also mein Vater war ein sehr pazifistischer Vater, der mich stets für voll nahm und mich "mein Leben leben ließ". Zwar war er stets ansprechbar und half, aber er liess mich machen, was ich für richtig hielt. Er griff nur dann ein, wenn es wirklich brenzlig wurde.

Er ging -im Gegensatz zu meiner Ma- sehr ruhig und besonnen an meine Erziehung. Er setzte einige wenige Grenzen. Und solange ich innerhalb dieser Grenzen blieb hatte ich totale Freiheit. Gewalt oder Strafe gab es niemals. Wenn ich Mist gebaut hatte, dann strafte entweder meine Mutter (Hausarrest) oder mein Vater redete vernünftig mit mir.

Ich erwische mich oft dabei, dass ich mit meinem Kleinen heute ebenso umgehe, wie mein Vater mit mir umging. Ich glaube sein Erziehunsstil ging mir so ins Blut, dass ich ihn nahezu vollständig übernommen habe. Ich habe von ihm gelernt, dass Kinder eigenständige Persönlichkeiten sind, die respektiert und geachtet werden müssen. Und eben weil mir bewusst ist, wie viel ich von ihm übernommen habe, weiss ich, wie immens wichtig ich selber für meinen Kleinen bin.

Etwas gruselig finde ich, dass meine Exe mit meinem Kleinen ähnlich umgeht wie meine Ma es mit mir getan hat und ich automatisch als Gegenpol so agiere, wie mein Vater es damals getan hat. Meine Exe überwacht den Kurzen, lässt ihn nicht von der Leine, reglementiert ihn stark, erdrückt ihn teilweise. Das Ergebnis ist dabei auch wieder dasselbe, wie bei mir früher - mein Kleiner bindet sich mehr an den Vater, liebt seine Mutter zwar aber "erträgt" sie eher, als dass er ihre Gegenwart schätzt.

Leider hatte mein Vater es mit meiner Mutter fast ebenso schwer, wie ich es heute mit meiner Exe habe. Er geriet darüber an den Alkohol und starb 2001 mit 56 Jahren an den Folgen. Ich selbst bin nahezu allergisch gegen Alkohol, was sicher auch an ihm liegt.

Greetz,
Milan

AntwortZitat
Geschrieben : 02.06.2007 02:18
(@hamburger jung)

Hi LBM,

mein Vater war ein auf der einen Seite sehr fürsorglicher, liebevoller Vater, an den ich bis zu meinem 13. Lj. als meine Eltern sich scheiden ließen an sich nur positive Erinnerungen habe.

Er war Arzt und beruflich sehr eingespannt, insofern haben mein Bruder und ich quantitativ gesehen nicht viel von ihm gehabt. Die Qualität der Zeit, die wir mit ihm verbrachten war dafür umso besser.

Er verbrachte seine Freizeit sehr intensiv mit uns und gab uns das Gefühl, sehr an uns interessiert zu sein. Nach der Trennung meiner Eltern und dem fast gleichzeitigen Einsetzen meiner Pubertät gab es einen Bruch in unserer Beziehung, den ich mir bis heute nicht vollständig erklären kann. Zu einem Teil lag es sicher an seiner zweiten Frau, die 20 Jahre jünger ist und unsere Schwester hätte sein können. Sie hatte wohl schon immer einen Kinderwunsch, der sich- da wir zunächst bei meinem Vater bleiben wollten, da er unser Elternhaus behielt- ungewollt von uns und durch uns beiden dann prompt erfüllte. Sie führte sich als unsere neue Mutter auf, was zur Folge hatte, dass mein Bruder und ich den Zwergenaufstand probten.
Allabendliche "Gespräche" im Wohnzimmer mit ihr und unserem Vater, bei denen nur er redete und wenn er fertig war ins Bett ging führten dazu, dass wir nach einem dreivierteljahr zu unserer Mutter zogen, weil die Situation unerträglich wurde. Uns wurde die Schuld an der gespannten Situation gegeben, nichts konnten wir richtig machen.

Auch unser Vater war Alkoholiker- Spiegeltrinker- was in dieser Zeit auch uns nicht mehr verborgen blieb.
Dazu hatte er eine schwere Diabetes und war sehr schwerhörig also alles andere als gesund. Ich hatte schon als kleiner Junge unbewußt immer Angst davor, dass er viel zu früh sterben könnte.

Nach unserem Auszug zu unserer Mutter (auch keine bessere Alternative btw) war zwischen mir und meinem Vater auf meine Initiative und wie ich vermute das Wirken meiner Mutter und deren "Beraterinnen" zwei Jahre lang Funkstille.

Als dann meiner damaligen Freundin und mir unser "Unfall" passierte und sie schwanger wurde, hatte ich irgendwie das Gefühl, es ihm mitteilen zu müssen und bin zusammen mit meiner Freundin hingefahren. Reaktion- nach zwei Jahren keiner Reaktion meinerseits auf seine Briefe und Karten zu Weihnachten, Geburtstagen, etc.- : "Das ist doch toll."

Er hatte inzwischen mit seiner neuen Frau auch ein Kind bekommen, die erste meiner beiden kleinen Schwestern- heute 14 und 11. Im Nachhinein hätte ich mir eine andere Reaktion gewünscht, aber sie hatte auch etwas positives: Seitdem hatte ich immer das Gefühl- und dem war dann auch so- dass ich mit jedem Mist, den ich verzapft hatte zu ihm kommen konnte und er mir konstruktiv dabei half, wieder den Karren aus dem Dreck zu ziehen.

Unser Verhältnis besserte sich, wurde so gut wie schon lange nicht mehr nur steigerte sich immer mehr das dumpfe Gefühl, das er nicht alt werden würde. Er hatte zwar keinerlei Krankheiten, die zwangsläufig zum Tode führen, aber das Gefühl war da.

Sylvester 1999/2000 ist dann mein Elternhaus abgebrannt, es wurde niemand verletzt, aber speziell meinem Vater ging es an die Substanz. Er stampfte ein neues Haus aus dem Boden, und brach sich auf der Baustelle auch noch ein Bein. Somit konnte er ein halbes Jahr nicht arbeiten und als selbständiger Arzt kann das übel enden. Die zusätzlichen Sorgen darüber waren ihm dann auch anzusehen.

Beim Richtfest dann stand er irgendwann voll wie ein Amtmann in der zukünftigen Speisekammer und weil ich selbst zuviel getrunken hatte, konnte ich nicht mehr an mir halten und habe ihm gesagt, ich hätte Angst, dass er stirbt.

Er sagte, darüber können wir uns gerne unterhalten, aber nicht an diesem Abend. Das haben wir nicht mehr geschafft, einen Tag nach dem Umzug ins neue Haus kam er wegen eines Darmverschlusses ins Krankenhaus und zwei Wochen später- 6 Tage nach meiner Hochzeit- starb er mit 54 Jahren an Herzversagen.

Ich bin bis heute nicht drüber hinweg, es belastet mich sehr, aber ich merke, wie ähnlich ich ihm im Umgang mit meinen Kindern bin, selbst der Tonfall wenn ich ihnen etwas erkläre ist derselbe.
Ich bin genauso konsequent bei manchen Dingen, teile seine Ansichten bzgl. der Kinder, es ist manchmal schon fast unheimlich.

Jetzt ist es mehr meine Geschichte geworden, als die Art und Weise, wie er mich beeinflusst hat, aber ich hoffe, ich konnte Dir damit weiterhelfen.

AntwortZitat
Geschrieben : 02.06.2007 02:42
(@suuupergrobi)
Zeigt sich öfters Registriert

Moin moin!

Nach längerer Passivität mal wieder eine Beteiligung, da dieses Thema eine große Bedeutung für mich hat.

Meine Eltern liessen sich scheiden bevor ich 6 wurde. Meinen Vater kenne ich als den klassischen Wochenend-Vater. Wir verbrachten unsere Wochenenden rückblickend überwiegend mit Kino-Hansaland-McDonalds-usw.-Events.
Letztlich habe ich ihn nie wirklich kennengelernt - also eben seine anderen Seiten.
Ich denke er war immer gerne mit uns zusammen. Es waren aber eben nur Event-Wochenenden.

Bis zur Geburt meines Sohnes vor 22 Monaten habe ich mich mit ihm bzw. unserem Verhältnis nie näher auseinandergesetzt. Seit mein Großer da ist, passiert in dieser Hinsicht Einiges.

Ich mag es ihm nicht zum Vorwurf machen. Aber es erzeugt etwas wie Wut in mir, wenn man seine Söhne als junge Freunde betrachtet. Klingt nach weniger Verantwortung  - schön bequem irgendwie. Vielleicht ging nicht mehr - ich weiss es nicht. Aber das was hängengeblieben ist reicht mir - nun als Vater - nicht. 

Außerdem haben meine Erfahrungen als Scheidungskind mit den dazugehörigen Differenzen zwischen meinen Eltern sehr dazu beigetragen, wie ich mit meiner Situation (Umgangsboykott durch die KM, fortschreitende Eltern-Kind-Entfremdung, etc. - http://www.vatersein.de/Forum-topic-7468.html ) umgehe.

Was ich eigentlich sagen will: Kinder wollen sich mit ihren Eltern auch auseinandersetzen, um ihre Identität zu positionieren. Bestätigung und Grenzen finden.
Hm. Schwieriges Thema. Aber meine Erfahrungen helfen mir zu reflektieren. Bin aber erst am Anfang, glaube ich.

Gruß,
supergrobi

AntwortZitat
Geschrieben : 02.06.2007 11:24
(@lesemaus)
Registriert

Puh LBM,

das ist ja ein Thema.
Und zweifellos ein wichtiges.
Also der Frage bin ich der Tage auch nachgegangen, wieso denken manche Frauen so extrem an den Kindern vorbei, warum habe ich so was wie eine „gesunde Einstellung“ dazu, wie ich mir das Verhältnis zwischen meinem Ex und unseren Kindern vorstelle, wie ich es unterstütze und fördere, ohne die ganzen Nickeligkeiten, die einem bei den meisten Exen hier (oder den Frauen auf diesem anderen Forum) so entgegenwehen.

Desweiteren, davon ganz weg, hatte ich vor vier Wochen auf dem Weg zur Arbeit den Post eines Menschen hier im Forum im Kopf, ein Mensch, der anfing, Müll zu räumen.
Er kam mir ohne Anlass plötzlich in den Kopf, der Gedanke: Andrea, wann räumst du mal Müll weg. Den richtigen Müll?
Ich dachte: Himmel, wie mutig, wie stark.
Und dann dachte ich, ja, der Müll, der noch übrig ist in meinem Inneren, der hat mit meinem Vater zu tun.

Dieses Forum hier heißt „Vatersein“, warum also nicht mal anfangen wie dieser Mensch, und schreiben, einfach mal los schreiben, und gucken, was raus kommt. Ob was raus kommt. Wo, wenn nicht hier?
Ich habe es verworfen.
Aus Feigheit, wie ich gestehen muss.

Ja, sicher ist das Verhalten, dass wir unseren Kindern gegenüber haben geprägt von den Erlebnissen der eigenen Kindheit. Ebenso wie das Verhalten zum Partner oder Expartner.
Entweder hatte man selbst eine wunderschöne Kindheit, und lebt diese ganz selbstverständlich im Erwachsenenleben mit seinen eigenen Kindern (und dem Partner, wenn es gut läuft) fort.
Oder man hatte eine schreckliche Kindheit.
Dann gibt es allerdings zwei Möglichkeiten. Man zerbricht ein Stückweit daran, und ist selbst auch nie in der Lage, seinen Kindern das zu geben, was man selbst schmerzlich vermisst hat.
Oder man schafft es, genau gegenteilig zu handeln, sich zu befreien, alles aufzuarbeiten, was wohl nur mit psychologischer Hilfe möglich ist.
Eskima war es glaube ich, die das formuliert hat vor wenigen Tagen. An ihrem Satz habe ich auch eine Weile rumgekaut.

Ganz ehrlich: Ich hänge voll dazwischen.
Und ich habe mir fest vorgenommen, gerade in der jetzigen Phase meines Lebens, den Müll und die Stücke aus meiner Kindheit, das Verhältnis zu meinem Vater im Speziellen, zu sortieren, zu betrachten, einzusortieren.

Ich könnte Fakten aufzählen, aber die ergeben kein Bild als Gesamtes.
Weshalb ich es hier und jetzt und an dieser Stelle lasse.
Aber ich weiß inzwischen, dass ich es tun muss.
Und tun will, sehr bald.
Für mich, für meine Kinder, für meinen Partner.
Aber in erster Linie für mich.

Lesemaus

PS: Mein Vater war auch Alkoholiker. Gestorben ist er 1997, im selben Jahr, als meine Tochter geboren wurde. Geweint habe ich darüber noch keine einzige Träne. Und irgendwo da liegt der Hund wohl begraben...

Getretener Quark wird breit, nicht stark

AntwortZitat
Geschrieben : 02.06.2007 11:35
Lausebackesmama
(@lausebackesmama)
(Fast) Eigentumsrecht Moderator

Nur kleine Zwischenbemerkung: ich habe alle Antworten bisher gelesen, muss aber noch sacken lassen.
Mich beeindrucken die Parallelen, auch dass viele selbst Scheidungskinder waren und das Ausmaß der Prägung sehr.

LG LBM *noch am Nachdenken*

‎"Mut bedeutet nicht, keine Angst zu haben, sondern es ist die Entscheidung,
dass etwas anderes wichtiger ist als die Angst."

AntwortZitat
Themenstarter Geschrieben : 02.06.2007 13:15
(@hamburger jung)

Mich beeindrucken die Parallelen,

Ich habe mich auch erschrocken, dass sich vieles wie mein eigenes Leben liest...

AntwortZitat
Geschrieben : 02.06.2007 13:31
(@lonesomewolf)
Nicht wegzudenken Registriert

es muss dich nicht erschrecken, HHjung,

ich bin mir mittlerweile sicher,
dass es für all die parallelen eine (psycho-)logische begründung gibt

der apfel fällt nicht weit vom stamm ...

resp. die frühen jahre, das vorblid der eltern, das soziale umfeld, ist es, was uns alle prägte

sicher gibt es verschiedene verhaltensmuster, die wir an den tag legen,
die sich wiederum in der verschiedenheit der verhaltensweisen der eltern begründen

aber, so viele sind es nicht

eine überschaubare handvoll von komibinationen,
je nach nachdem welcher typus eltern sich "gepaart" hat und
je nachdem, ob wir es ihnen gleich tun oder versuchen, es genau umgekehrt zu tun

somit parallelen, wohin man schaut

sich mit seinem ursprung auseinander zu setzen,
zu wissen warum man wie tickt, kann einfach nur gut sein

das geht allein wie auch mit fachlicher unterstützung

mit letzterem geht es schneller und effizienter

denn für die damen und herren vom fach ist es tagesgeschäft,
weil -wie gesagt- gar so viele variationen hat es gar nicht,
die grundmuster sind wiederkehrend, tagesgeschäft halt  😉

und ganz besonders interessant ist es, sich die eigenen kinder zu beschauen,
je nach alter, kleinere oder größere spiegel in die man schaut,
in denen man sich und/oder die KM/den KV erkennt ...

lg

wolf,

der´s im weiten teilen genau anders, als sein vater macht,
in manchen genau gleich und nahezu alles davon mittlerweile hinterfragt ...

den das verhalten der mutter
(weil die ist´s, die in den ersten jahren (zumeist) den größten einfluss hat),
am meisten prägte ...

wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun,
sondern auch für das, was wir nicht tun

(j.b.molière)

AntwortZitat
Geschrieben : 02.06.2007 15:46
(@nixena)
Rege dabei Registriert

Ich finde diesen Thread hier irgendwie wichtig und deshalb mag ich auch mal meinen Senf dazu abgeben...

Ich denke, mein Vater hat mir das Negativ- Beispiel geliefert für das, was ich mir für mein eigenes Kind wünschen würde...
Meine Eltern haben sich erst getrennt, nachdem wir alle flügge waren und das Nest verlassen hatten.

Mein Vater ist ein sehr introvertierter Mensch und kann sehr schwer seine Gefühle zeigen. Andersherum aber protzt er unglaublich gerne nach außen hin.
Bedeutet, daß wir Kinder (3 an der Zahl) nur gemerkt haben, daß er doch über uns nachdenkt, wenn wir dann von anderen gehört haben,
daß wir ja das und das grade gemacht haben. Er selbst hat eigentlich nie seinen Stolz über unser Verhalten uns gezeigt.
Aktuelles Beispiel: Meine Schwester ist vor kurzem Mama geworden. Die ganze Schwangerschaft über hat er so getan, als ob sie gar nicht schwanger wäre. Zu Beginn der Schwangerschaft wollte sie sich grade beruflich umorientieren und da hat er sie ganz im Ernst gefragt, ob sie denn nicht lieber mit dem Kinder kriegen warten wolle, bis sie beruflich weiter ist. Die Tatsache, daß sie schwanger war, hat er völlig ignoriert.
Jetzt, wo die Kleene da ist, erzählt er überall rum, daß er Opa geworden ist, kennt den Geburtstag, die Größe und das Gewicht und wollte sofort ins Krankenhaus.
Etwas, womit keiner von uns gerechnet hat.
Noch ein älteres Beispiel: In der Zeit vor den Abiklausuren, wo man zuhause bleibt, um zu lernen, da hat er mich jeden Tag gefragt, warum ich denn nun nicht in der Schule sei... und ich habe es ihm jeden Tag aufs neue erklären müssen. Ich kam mir total beschissen vor und hab mir zu der Zeit gesagt, wenn ihn nichts wirklich interessiert, dann interessiert er mich auch nicht.  Aber als ich das Abi hatte, wußte es das ganze Dorf mit Notendurchschnitt und mit Noten im jeweiligen Fach.
Jetzt wo ich wirklich Abstand zu ihm habe, kann ich mir sagen, er ist wie er ist und er konnte und kann seine Liebe einfach nicht so zeigen, wie es andere Väter tun. Aber er hat uns alle drei damit sehr, sehr verletzt.

Meine Schwester hat sich dahingehend entwickelt, daß sie versucht, bei einem Mann einfach nur zu funktionieren, damit sie geliebt wird. Sie tut alles dafür - weil man bei meinem Vater immer nur dann ein Lob ergatterte, wenn man sich ganz in eine Sache reingehängt hat und funktionierte, egal, wie schlecht es einem ging.

Mein Bruder ist zum "Vorzeigepapa" geworden, er bleibt zwei Tage unter der Woche zu hause, um seine Kleine (1) zu versorgen und tut auch so alles, was man tun kann für die Kleine, weil er sich geschworen hat, daß er seinem Kind nicht das Gefühl geben möchte, daß andere Papas besser sind als der eigene.

Ich für meinen Teil habe mir in den Kopf gesetzt, einen Vater haben zu wollen, der sich um unser Kind kümmert, zu dem es immer kommen kann, dem es nichs beweisen muß, um geliebt zu werden. Damit es sich niemals so einsam und ungeliebt fühlen muss, wie ich es getan habe.

Aber, wie auch HamburgerJung schon schrieb, hab ich meine wirkliche Denkweise von klein auf von meiner Mutter mitbekommen, die immer versucht hat, uns den Papa zu erklären, die immer gesagt hat, daß er uns liebt, auch wenn er es nicht immer zeigen kann. Die ihn niemals deswegen schlecht geredet hat und die uns Kinder immer zum Papa hingeschubst hat und ihn zu uns. Damit wir uns nicht aus den Augen verlieren... Denn da er kein offenkundiges Interesse an uns zeigte, lebten wir zwar in einem Haus, aber wirklich erlebt haben wir unseren Vater nie. Es war als sei er nur ein Untermieter, aber niemand, der an unserem Leben teilnahm.

Ist schon komisch, ich hab ihn trotzdem lieb. Weil ich glaube, daß ich weiß, wieso er so uns gegenüber gehandelt hat und ihm deshalb im Nachhinein verzeihen kann. Er hat nämlich noch einen Sohn mit einer anderen Frau, aus der Zeit vor der Ehe mit meiner Mutter,  wo ihn damals seine Mutter dazu gezwungen hat, der Frau eine Abfindung zu zahlen, da sie nicht ehrenwert erschien und der Sohn Produkt einer nächtlichen Entgleisung war. Er hatte nie Kontakt zu dem Kind. Ein einziges Mal hat er versucht, einen herzustellen, aber die Frau hat ihn an der Tür abgewiesen. Danach hat er es nicht mehr versucht. Und wenn ich hier die ganzen Geschichten lese, denke ich mir, daß mein Vater wahrscheinlich ein immenses Schuldgefühl diesem Kind gegenüber hat und sich deshalb vielleicht unterbewußt verboten hat, uns seine Liebe zu zeigen, weil sein erster Sohn diese ja auch nie spüren durfte....

Das so durchzudenken, tut schon irgendwie weh und auch beim Lesen Eurer Vater- Kind-Beziehungen kamen mir stellenweise die Tränen.
Muß man denn wirklich erst richtig tief emotional fallen als Kind, um zu begreifen : Das was ich nicht will, was man mir antut, das füg ich auch keinem andern zu! ?
Und wieso sind manche Menschen so stark und verinnerlichen diesen Satz , wobei andere hingehen und sich sagen: Die Welt ist böse und ich das Böse!
ohne Motivation was dran ändern zu wollen...

Versteh ich nicht?!?
Aber wie bei so vielen Dingen im Leben kann man das wahrscheinlich endlos diskutieren und philosphieren, ohne zu einem Konsens zu kommen und sich sagen zu müssen: Et is wie et is... (leider kann ich jetzt nicht dahinter schreiben: und et es immer noch jod jejange...) und ich muß es akzeptieren.
Dabei könnte es so leicht sein...

Nachdenkliche Grüsse
Nixena

"Das Leben eines Menschen ist das, was seine Gedanken daraus machen" Marc Aurel

AntwortZitat
Geschrieben : 02.06.2007 18:58




Lausebackesmama
(@lausebackesmama)
(Fast) Eigentumsrecht Moderator

Ich hatte gestern mit einem Freund gesprochen, wo wir genau das Thema hatten, was Nixena erwähnte: Ich werde geliebt, weil...
Und ich habe gesagt, das was mein Sohn zu allererst in seinem Kopf speichern soll ist: Er wird geliebt, egal was er anstellt. Zu lernen, "ich bin grad sauer auf dich, aber es ändert niemals etwas daran, dass ich dich liebe!"

Liebe ist bedingungslos. Oder wie ich meiner besten Freundin und deren Mann als Trauzeugin sagte:

"Ich liebe Dich!
Nicht weil,
sondern trotzdem!"

LG LBM

‎"Mut bedeutet nicht, keine Angst zu haben, sondern es ist die Entscheidung,
dass etwas anderes wichtiger ist als die Angst."

AntwortZitat
Themenstarter Geschrieben : 02.06.2007 19:06
(@nixena)
Rege dabei Registriert

Vielleicht ein bißchen Off-Topic, aber...

Zum einen finde ich diesen Satz mehr als wichtig und richtig:

"Ich liebe Dich!
Nicht weil,
sondern trotzdem!"

und zudem erinnert er mich grade an diverse Situationen, wo mein Liebster mir in heftigeren Dikussionen sagte:
"Du, ich bin zwar grad sauer, aber ich lieb Dich trotzdem!"
Ich für mich war da total perplex, weil für mich ist das selbstverständlich und er erklärte mir dann, daß seine Exe das nie verstanden hat und er ihr das in solchen Situationen hundertmal beteuern mußte... Naja, so kann man einen dann auch dazu bringen, einem zu verzeihen bzw. nicht mehr den Mund aufzumachen, wenn einen irgendetwas stört :heu:

Es ist so wichtig, daß man das für sich verinnerlicht, daß man dafür geliebt werden sollte, wer man ist und nicht für das, was man tut!

Liebe Grüsse
Nixena

"Das Leben eines Menschen ist das, was seine Gedanken daraus machen" Marc Aurel

AntwortZitat
Geschrieben : 02.06.2007 19:22
(@weisnich)
(Fast) Eigentumsrecht Registriert

Ist doch alles 'Schnee von gestern':
1960 entwickelte der Psychologe Eric Berne die Transaktionsanalyse (Er gilt als der Begründer derselben), fand die sogenannten 'Ich-Zustände'...

Später schrieb er das Buch: "Was sagen sie, nachdem sie guten Tag gesagt haben?" Lasst euch nicht vom Titel täuschen; es geht nicht um den Smalltalk, sondern z.B. um das, was hier diskutiert wurde.

Das Buch wendet sich übrigens nicht nur an Psychologen, sondern ist sehr allgemeinverständlich geschrieben. Für mich war es ein Meilenstein. Die interessierten sollten die 14,90€ investieren!

Gruß,
Michael

AntwortZitat
Geschrieben : 02.06.2007 20:02
(@lesemaus)
Registriert

(jetzt muss ich schon wieder tief durchatmen)

Das Thema hier ist wirklich komplex und geht sehr tief. Wahrscheinlich ist es überhaupt das tiefgehendste Thema, dass Mensch haben kann, diese Eltern-Kind-Beziehung.

Früher war ich immer fassungslos, wenn irgendwo ein Fall von Kindesmissbrauch oder Kindesmisshandlung publik wurde und dann im Laufe der Berichterstattungen eigentlich immer heraus kam, das der Täter in der Kindheit selbst Opfer des selben Verbrechens war...
Ich dachte, das gibt es doch nicht, wie kann sowas sein?? Gerade diese Menschen müssen doch wissen, wie es sich anfühlt, sie haben die Schmerzen am eigenen Leib erfahren, wie können die das dann dem eigenen Kind antun??
Ich habe es nicht begriffen.

Auf der anderen Seite, ich geh mal weg vom Missbrauch/der Misshandlung, in deutlich "harmloseren" Bereichen habe ich mich selbst ertappt, genau diese Muster weiterzustricken, die meine Eltern benutzten.

Beispiel:
Ich habe einen zwei Jahre jüngeren Bruder, und seit ich denken kann hatte ich das Gefühl, dass mit meinem Bruder mehr geschmust wurde als mit mir. Er war als Sohn irgendwie der König, ich fühlte mich immer zurückgesetzt, hatte das Gefühl, für die gleichen Zuwendungen die doppelte Leistung erbringen zu müssen.
Kein schönes Gefühl, wie man sich denken kann.
So, heute habe ich eine Tochter und einen Sohn, genau zwei Jahre jünger als die Tochter, gleiche Konstellation also.
Was soll ich sagen.
Ich habe auch die ersten Jahre mit zweierlei Maß gemessen.
Und mir eigentlich nie Gedanken darüber gemacht habe.

Mit dem Sohn schmuste ich zu jeder Tageszeit, mit der Tochter selten.
Die Tochter wies ich wegen einem Missgeschick scharf zurecht, den Sohn zwei Stunden später für das gleiche nicht zur Hälfte.

Ich dachte, das ist so, weil Sohni immer gerne geschmust hat, Tochter nie.
Ich dachte, das ist so, weil Sohni charakterlich immer einfacher und gradliniger war als Tochter, die ihre Emotionen 82 mal am Tag dreht, und das, seit sie auf der Welt ist, und mich damit mehrfach täglich auf die Palme bringt.

Vor zwei Jahren etwa, da hatte Tochter einen hysterischen Anfall vom Allerfeinsten und schrie mich an, aber herbe, dass ich Sohni viel lieber hätte als sie, dass ich immer nur mit ihm schmusen würde, dass er alles dürfte, dass sie schlecht und kein gutes Kind sei.

Erst schrie ich zurück, als gewohnte Reaktion auf ihre permanente Hysterie.
Doch mehr mehr sie raus ließ, desto stummer wurde ich.

Es war verdammt hart, mir eingestehen zu müssen, dass es stimmte.
Nein, ich liebte meinen Sohn natürlich mehr als meine Tochter, oder umgekehrt sie nicht weniger als meinen Sohn. Nur zeigen tat ich es nicht.
Und mir ist nicht mal aufgefallen, dass es das gleiche ist, was ich als Kind gefühlt habe.
Das war wirklich hart.
Das hat echt weh getan.

Ich bin immer noch nicht Mutter Theresa.
Aber da habe ich mich wirklich gegen mich selbst aufgelehnt und diesen Teufelskreis durchbrochen.
Und ich schmuse immer noch mehr mit meinem Sohn, eben weil er die absolute Knutschkugel ist.
Aber wenn meine Tochter kommt, dann kann ich sie heute mit Genuss in den Arm nehmen und spüre, wie sie sich fallen lässt und es genießt.

Lesemaus

PS: Wunderbarer Satz:

"Ich liebe Dich!
Nicht weil,
sondern trotzdem!"

Getretener Quark wird breit, nicht stark

AntwortZitat
Geschrieben : 02.06.2007 20:35