Unentgeltliche Zuwendungen unter Ehegatten unterfallen auch dann dem § 1374 Abs. 2 BGB, wenn sie mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erfolgt sind.
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 2010 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin Dr. Vézina sowie die Richter Dose und Dr. Klinkhammer
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 15. Zivilsenats – Familiensenat – des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. März 2009 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
I.
Die Parteien streiten um Zugewinnausgleich.
Die am 27. Februar 1998 geschlossene Ehe der Parteien ist aufgrund des am 26. Mai 2004 zugestellten Antrags seit dem 25. April 2005 rechtskräftig geschieden. Mit “Übergabevertrag” vom 14. Oktober 1998 übertrug der 1922 geborene und verwitwete Kläger der 1954 geborenen und inzwischen wiederverheirateten Beklagten “im Wege der vorweggenommenen Erbfolge” sein Hausgrundstück in R. nebst einem hälftigen Miteigentumsanteil an einem benachbarten Flurgrundstück. Die Beklagte räumte dem Kläger ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht an der Wohnung im Obergeschoss des Hauses ein.
Außerdem verpflichtete sie sich, den Kläger “in alten und kranken Tagen” zu pflegen, bei dessen Tod an den Sohn (aus erster Ehe) und die beiden Enkelkinder des Klägers insgesamt 250.000 DM zu zahlen sowie die Kosten für die Bestattung des Klägers und die Grabpflege zu tragen.
Der Kläger hat in der Ehe keinen Zugewinn erzielt. Die Beklagte, die über kein Anfangsvermögen verfügte, hat nach den Berechnungen des Oberlandesgerichts ein Endvermögen und einen Zugewinn von (Aktiva 376.654,44 € – Passiva 287.629,83 € =) 89.024,61 € erzielt. Bei der Ermittlung des Endvermögens der Beklagten hat das Oberlandesgericht in Übereinstimmung mit dem vom Familiengericht eingeholten Sachverständigengutachten den Wert des ihr vom Kläger übertragenen Hausgrundstücks unter Abzug des Wertes des Wohnrechts des Klägers mit (395.000 € – 56.000 € =) 339.000 € in Ansatz gebracht. Als Passiva hat es u.a. die Pflegekosten, die an den Sohn und die Enkelkinder des Klägers zu erbringenden Ausgleichszahlungen, die Kosten für dessen Bestattung sowie die Aufwendungen für die Grabpflege berücksichtigt. Diese Kosten hat es – als betagte Verbindlichkeiten – auf den Zeitpunkt des Übergabevertrags (14. Oktober 1998) abgezinst.
Das Amtsgericht hat der – in der Leistungsstufe auf Zahlung von 60.991 € gerichteten – Klage in Höhe von 35.991,22 € entsprochen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihr erstinstanzliches Klagabweisungsbegehren weiterverfolgt.
II.
Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist der Wert des der Beklagten übertragenen Grundstücks bei der Bemessung ihres Anfangsvermögens nicht zu berücksichtigen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung seien Schenkungen unter Ehegatten nicht nach § 1374 Abs. 2 BGB dem Anfangsvermögen des beschenkten Ehegatten zuzurechnen. Dies müsse auch für die Übertragung von Vermögensgegenständen gelten, die Ehegatten im Wege vorweggenommener Erbfolge vornähmen. Denn auch in diesem Fall finde nur eine Vermögensverschiebung, nicht eine echte Vermögensvermehrung statt.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Wie der Senat wiederholt entschieden hat, werden Zuwendungen, die ein Ehegatte dem anderen erbringt, nicht von § 1374 Abs. 2 BGB erfasst, und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um Schenkungen oder unbenannte Zuwendungen handelt (vgl. auch Senatsurteile BGHZ 101, 65, 69 ff. = FamRZ 1987, 791 mit ausführlicher Würdigung des Streitstandes und vom 10. Juli 1991 – XII ZR 114/89 – FamRZ 1991, 1169, 1171). Die in § 1374 Abs. 2 BGB normierten Ausnahmen vom schematischen Prinzip des Ausgleichs aller in der Ehe erzielten Vermögenszuwächse sind dadurch gekennzeichnet, dass der Ehegatte des Erwerbers eines Vermögensgegenstandes zu dessen “privilegiertem” (weil – auch – seinem Anfangsvermögen zuzurechnenden) Erwerb nichts beigetragen hat und er deshalb an diesem Erwerb auch nicht über den Zugewinnausgleich partizipieren soll. Dieser Gedanke trifft auf Zuwendungen, die ein Ehegatte dem anderen erbringt, jedoch nicht zu. Der Gegenstand solcher Zuwendungen stammt – im Gegenteil – gerade aus dem Vermögen des anderen Ehegatten (Johannsen/Henrich/Jaeger*, Familienrecht, 5. Aufl. § 1374 BGB Rn. 31). Hinzu kommt, dass solche Zuwendungen, würden sie nicht zumindest teilweise über den Zugewinnausgleich ausgeglichen, im Scheidungsfall vielfach als unbenannte Zuwendungen nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) oder gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB rückausgeglichen werden müssten (Wagenitz in: Schwab/Hahne (Hrsg.), Familienrecht im Brennpunkt, 161, 177). Ein solcher gesonderter – sich auch im Zugewinnausgleich niederschlagender – Rückausgleich wird vermieden, wenn die Zuwendungen nicht über § 1374 Abs. 2 BGB zugewinnausgleichsrechtlich “neutralisiert”, sondern dem allgemeinen zugewinnausgleichsrechtlichen Ausgleichsmechanismus unterworfen werden. Die Revision zeigt keine neuen Gesichtspunkte auf, die Veranlassung geben könnten, von diesen die bisherige Rechtsprechung tragenden Grundsätzen abzuweichen.
b) Die vorstehenden Überlegungen gelten indes nicht nur für Schenkungen oder unbenannte Zuwendungen der Ehegatten untereinander; sie können auch für solche Zuwendungen der Ehegatten untereinander Geltung beanspruchen, die mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erfolgen. Auch bei solchen, einen künftigen erbrechtlichen Erwerb antizipierenden Verfügungen stammt der dem (begünstigten) Ehegatten zugewandte Vermögensgegenstand aus dem Vermögen des anderen Ehegatten; dieser (zuwendende) Ehegatte hat also zu dessen Erwerb nicht nur beigetragen, sondern ihn überhaupt erst bewirkt. Zudem wären auch solche Zuwendungen vielfach nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) oder gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB rückabzuwickeln, würde nicht bereits über den Zugewinnausgleich eine teilweise Rückabwicklung erreicht. Denn der mit der Zuwendung verfolgte Zweck – die Antizipierung eines erbrechtlichen Erwerbs – ist nicht mehr zu erreichen, wenn die Ehe geschieden wird mit der Folge, dass ein gesetzliches Erbrecht des Erwerbers nicht mehr besteht und auch eine gewillkürte Erbfolge nach Trennung und Scheidung vom zuwendenden Ehegatten regelmäßig nicht mehr in Betracht kommen dürfte. Soweit dem Senatsurteil BGHZ 101, 65, 69 ff. = FamRZ 1987, 791, 792 (sub 2b) 2. Absatz entnommen werden könnte, dass ein Vermögenserwerb mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht – anders als eine Schenkung – auch dann dem § 1374 Abs. 2 BGB unterfällt, wenn dieser Vermögenserwerb auf einer Zuwendung unter Ehegatten beruht, hält der Senat daran nicht fest. Das Oberlandesgericht hat daher im Grundsatz zu Recht den – um den Wert des Wohnrechts verminderten – Wert des der Beklagten vom Kläger zugewandten Hausgrundstücks nur in deren Endvermögen, nicht auch in deren Anfangsvermögen eingestellt.
c) Keiner Entscheidung bedarf, ob das Oberlandesgericht die im Übergabevertrag übernommenen Verpflichtungen der Beklagten zur Versorgung und Pflege des Klägers, zu Ausgleichszahlungen an dessen Sohn und Enkelkinder sowie zur Übernahme der Bestattungs- und Grabpflegekosten mit Recht im Endvermögen der Beklagten als Passiva in Abzug gebracht hat. Ein entsprechender Abzug wäre jedenfalls nur dann gerechtfertigt, wenn diese Verpflichtungen auch nach der Scheidung der Parteien unverändert fortbestünden. Ebenso kann offen bleiben, ob das Oberlandesgericht diese Verpflichtungen – als betagte Forderungen des Klägers – zutreffend auf den Zeitpunkt des Übergabevertrags – und nicht auf den Zeitpunkt der Beendigung des Güterstandes – abgezinst hat. Auch wenn man beide Fragen verneinte, führte dies – über eine Verminderung der Passiva – zu einer Erhöhung des Endvermögens der Beklagten und damit des dem Kläger “an sich” zustehenden Anspruchs auf Zugewinnausgleich. Eine Besserstellung der Beklagten und Revisionsklägerin ergibt sich daraus nicht. Das Oberlandesgericht hat deshalb – im Ergebnis zu Recht – ausgeführt, dass dem Kläger ein Anspruch auf Zugewinnausgleich “mindestens in der vom Familiengericht ermittelten Höhe von 35.991,22 €” zusteht.
BGH, Urteil vom 22.09.2010
XII ZR 69/09
AG Heilbronn, Entscheidung vom 08.09.2008
3 F 1800/05
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 18.03.2009
15 UF 241/08