BGH: Nachteilsausgleich im Realsplitting ist Unterhaltssache

BGH: Nachteilsausgleich im Realsplitting ist Unterhaltssache

a) Der Begriff der Unterhaltssache in Art. 5 Nr. 2 EuGVVO ist autonom auszulegen.

b) Die Klage des Unterhaltsberechtigten gegen seinen geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten auf Erstattung der ihm durch das begrenzte Realsplitting entstandenen Nachteile ist eine Unterhaltssache im Sinne dieser Vorschrift.

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Oktober 2007 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Rich-ter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Fuchs für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats – Senat für Familiensachen I – des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 21. Juli 2005 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von ihrem geschiedenen Ehemann, der seinen Wohnsitz am 1. November 2001 von Deutschland nach Frankreich verlegt hat, Ausgleich der Nachteile, die ihr für das Steuerjahr 2001 durch das begrenzte Realsplitting entstanden sind, dem sie durch Unterzeichnung der Anlage U zur Einkommensteuererklärung zugestimmt hatte.

Das Amtsgericht – Familiengericht – gab ihrer Klage in Höhe eines auf die Zeit von Januar bis Oktober 2001 entfallenden Teilbetrages von 899,93 € nebst Zinsen statt. Auf die Berufung des Beklagten änderte das Oberlandesgericht die erstinstanzliche Entscheidung ab und wies die Klage insgesamt als unzulässig ab, da es sich bei dem geltend gemachten Ausgleichsanspruch nicht um einen Unterhaltsanspruch im Sinne von Art. 5 Nr. 2 der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates – (nachstehend: EuGVVO) handele und deshalb die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht gegeben sei.

Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, die in OLGR Saarbrücken 2006, 437 f. veröffentlicht ist, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte hier allein aus Art. 5 Nr. 2 EuGVVO ergeben kann. Nach Art. 66 Abs. 1 EuGVVO findet diese Verordnung auf solche Klagen Anwendung, die – wie hier – nach dem Inkrafttreten der Verordnung am 1. März 2002 (Art. 76 EuGVVO) erhoben worden sind.

Denn nach der Grundregel des Art. 2 Abs. 1 EuGVVO wäre der Beklagte in Frankreich zu verklagen, weil er dort seinen Wohnsitz hat. Etwas anderes gilt nur, wenn eine Vorschrift des Titels II der EuGVVO anwendbar ist, die die Zuständigkeit ausdrücklich anders regelt (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Juli 2000, Rs. C-412/98, Group Josi, Slg. 2000, I-5925 = NJW 2000, 3121 ff., Rdn. 34 ff.).

Eine von Art. 2 Abs. 1 EuGVVO abweichende Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich hier jedenfalls nicht schon aus Art. 24 Satz 1 EuGVVO. Der Beklagte hat sich zwar auf das Verfahren vor den deutschen Gerichten eingelassen, in seiner Klageerwiderung aber sogleich die örtliche Unzuständigkeit des Familiengerichts H. (in limine litis) gerügt. Darin ist, da er diese Rüge mit seinem Wohnsitz in Frankreich begründet hat, zugleich die Rüge der internationalen Unzuständigkeit im Sinne des Art. 24 Satz 2 EuGVVO zu sehen (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2005 – VIII ZR 256/04 – NJW-RR 2005, 1518 ff.). Somit hat er sich erkennbar nur hilfsweise zur Sache eingelassen, was keine Zuständigkeit nach Art. 24 Satz 1 EuGVVO begründet.

2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte jedoch aus Art. 5 Nr. 2 EuGVVO. Danach kann ein Unterhaltsberechtigter einen Unterhaltsschuldner, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats hat, vor dem Gericht seines eigenen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts verklagen.

Insoweit geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass der Begriff der Unterhaltssache im Sinne des Art. 5 Nr. 2 EuGVVO autonom auszulegen ist.

Aus dem Verständnis des deutschen Rechts hat der hier geltend gemachte Erstattungsanspruch (auch) unterhaltsrechtlichen Charakter. Denn er stellt eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Rahmen des zwischen geschiedenen Eheleuten bestehenden gesetzlichen Unterhaltsverhältnisses dar (Senatsurteile vom 29. Januar 1997 – XII ZR 221/95 – FamRZ 1997, 544, 545 f. und vom 23. März 1983 – IVb ZR 369/81 – FamRZ 1983, 576 – “unterhaltsrechtliche Nebenpflicht” -), dient der Sicherung des Unterhaltsanspruchs und genießt deshalb den gleichen Schutz wie dieser, ohne indessen selbst ein Unterhaltsanspruch zu sein (Senatsurteil vom 11. Mai 2005 – XII ZR 108/02 – FamRZ 2005, 1162, 1164).

Dies reicht für die Anwendbarkeit des Art. 5 Nr. 2 EuGVVO aber nicht aus. Vielmehr ist der Begriff der Unterhaltssache unter Berücksichtigung der Systematik und Zielsetzung der Verordnung sowie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auszulegen, um die einheitliche Anwendung der EuGVVO in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu gewährleisten (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Januar 1993, Rs. C89/91, Shearson Lehmann Hutton, Slg. 1993, I-139 Rdn. 13 m.w.N.). Dies schließt es aber nicht aus, die Natur des hier geltend gemachten Anspruchs anhand der Erkenntnisse der vorgenannten Senatsurteile zu qualifizieren. Daraus ergibt sich, dass die vorliegende Sache angesichts der Voraussetzungen, der Art und der durch die Rechtsprechung konkretisierten Ausgestaltung des geltend gemachten Anspruchs bei der gebotenen autonomen Auslegung des Art. 5 Nr. 2 EuGVVO als Unterhaltssache anzusehen ist.

3. Diese Auslegung kann der Senat selbst vornehmen; eine Vorlage zur Vorabentscheidung an den Europäischen Gerichtshof ist nicht erforderlich. Denn die richtige Auslegung des Begriffs der Unterhaltssache in Art. 5 Nr. 2 EuGVVO lässt sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs so klar ableiten, dass vernünftige Zweifel bei der Auslegung dieser Vorschrift nicht verbleiben. Im Einzelnen:

4. Bestimmungen wie Art. 5 Nr. 2 EuGVVO, die besondere Zuständigkeiten vorsehen, sind grundsätzlich eng auszulegen, weil sie dem Beklagten seinen natürlichen Gerichtsstand nehmen (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Tizzano vom 10. April 2003, Rs. C-433/01, Blijdenstein, Slg. 2004, I-981 Rdn. 25 und Fn. 11 mit Rechtsprechungsnachweisen).

a) Hauptziel des Art. 5 Nr. 2 EuGVVO ist es, der schwächeren Partei der unterhaltsrechtlichen Beziehung, nämlich dem Unterhaltsberechtigten, den Vorteil eines räumlich nahen Gerichtsstands anzubieten und ihm damit einen wirksamen Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Tizzano vom 10. April 2003, Rs. C-433/01, Blijdenstein, Slg. 2004, I-981 Rdn. 27; vgl. auch Senatsbeschluss vom 26. September 2001 – XII ZR 89/99 – FamRZ 2002, 21, 22 m.w.N.).

Insoweit entspricht es dieser Zielsetzung, auch dem Gläubiger eines Anspruchs auf Erstattung seiner aus dem begrenzten Realsplitting folgenden Nachteile die Möglichkeit einzuräumen, diesen Anspruch vor dem Gericht seines Wohnsitzes einzuklagen. Denn das begrenzte Realsplitting setzt nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG zwingend ein Unterhaltsverhältnis zwischen dauernd getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten voraus. Der Unterhaltspflichtige kann den geleisteten Unterhalt im Rahmen gesetzlich festgelegter Höchstbeträge steuerlich als Sonderausgaben geltend machen, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte zustimmt und sich damit verpflichtet, den gezahlten Unterhalt im Rahmen des Höchstbetrages seinerseits als Einkommen zu versteuern. Der Anspruch auf Erstattung der damit verbundenen Nachteile, insbesondere der auf diese Unterhaltszahlungen zu entrichtenden Einkommensteuer, kann folglich nur dem Unterhaltsberechtigten zustehen, der generell als die schwächere Partei anzusehen ist.

b) Daneben verfolgt Art. 5 Nr. 2 EuGVVO unter anderem auch den Zweck, eine Übereinstimmung zwischen anwendbarem Recht und zuständigem Gericht zu ermöglichen und den Rechtsstreit von dem Gericht entscheiden zu lassen, das am besten geeignet erscheint, die Voraussetzungen und die Höhe des geltend gemachten Anspruchs zu beurteilen. Diese Nebenzwecke reichen zwar für sich genommen nicht aus, eine besondere Zuständigkeit zu begründen, können aber ergänzend herangezogen werden, um eine bereits aus anderen Gründen naheliegende Entscheidung zugunsten eines besonderen Gerichtsstandes zusätzlich zu rechtfertigen (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Tizzano vom 10. April 2003, Rs. C-433/01, Blijdenstein, Slg. 2004, I-981 Rdn. 28, 29). Hier liegt auf der Hand, dass die deutschen Gerichte am besten in der Lage sein werden, die Nachteile zu beurteilen, die sich für den Unterhaltsberechtigten nach deutschem Steuerrecht aus der Durchführung des begrenzten Realsplittings nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG ergeben.

Hinzu kommt, dass die Abweichung von der allgemeinen Regel des Gerichtsstands des Beklagten für diesen um so eher zumutbar erscheint, als das begrenzte Realsplitting zum einen nur auf seinen eigenen Antrag erfolgt und zum zweiten nur für Veranlagungszeiträume in Betracht kommt, in denen beide Parteien im Inland unbeschränkt steuerpflichtig sind und mithin regelmäßig dort ihren Wohnsitz haben. Die Erstattung daraus entstandener Nachteile erweist sich daher als Nachwirkung eines Unterhaltsrechtsverhältnisses, für das im maßgeblichen Zeitraum die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben war. Für den Schuldner dieses Anspruchs ist es daher eher hinzunehmen, an seinem früheren Gerichtsstand verklagt werden zu können, als für den Gläubiger, den Ausgleich seiner nachträglich entstandenen Nachteile nach dem Wegzug seines (geschiedenen) Ehegatten ins Ausland vor den dortigen Gerichten geltend machen zu müssen.

c) Der Qualifizierung des vorliegenden Rechtsstreits als Unterhaltssache im Sinne des Art. 5 Nr. 2 EuGVVO steht auch nicht entgegen, dass der Europäische Gerichtshof unter dem Begriff des Unterhalts vor allem finanzielle Verpflichtungen versteht, bei deren Festsetzung die Bedürfnisse und die Mittel beider Ehegatten berücksichtigt werden, und die dazu bestimmt sind, den Unterhalt eines bedürftigen Ehegatten zu sichern (vgl. EuGH, Urteile vom 6. März 1980, Rs. 120/79, de Cavel II, Slg. 1980, 731 = IPrax 1981, 19 f. Rdn. 5, und vom 27. Februar 1997, Rs. C-220/95, van den Boogard, Slg. 1997, I-1147 = IPrax 1999, 35 ff., Rdn. 22).

Abgesehen davon, dass der Begriff des Unterhalts im Sinne des Art. 5 Nr. 2 EuGVVO weit auszulegen ist (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 28. Aufl. Art. 5 EuGVVO Rdn. 13; Musielak/Weth ZPO 5. Aufl. Art. 5 EuGVVO Rdn. 10 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 6. März 1980, Rs. 120/79, de Cavel II, Slg. 1980, 731 = IPrax 1981, 19 f.), keinen auf periodische Leistungen gerichteten Anspruch voraussetzt und von anderen Ansprüchen vor allem anhand des Kriteriums eines – hier gegebenen – familienrechtlichen Bandes abzugrenzen ist (vgl. Musielak/Weth aaO Art. 5 EuGVVO Rdn. 10 m.N.), entspricht der hier geltend gemachte Erstattungsanspruch zumindest mittelbar der vorstehenden Definition des Unterhaltsbegriffs.

Der Revisionserwiderung ist zwar einzuräumen, dass das Kriterium eines dem Anspruch zugrunde liegenden familienrechtlichen Bandes ungeeignet ist, Unterhaltssachen von Güterstandssachen abzugrenzen, die nach Art. 1 Nr. 2a EuGVVO nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen. Darum geht es hier aber nicht, weil der vorliegende Erstattungsanspruch eindeutig nicht dem ehelichen Güterrecht zuzuordnen ist. Vielmehr dient das Kriterium des familienrechtlichen Bandes der Abgrenzung zwischen Unterhaltsansprüchen und anderen zivilrechtlichen Ansprüchen außerhalb des Familienrechts. Nach diesem Kriterium kann die Anwendbarkeit des Art. 5 Nr. 2 EuGVVO jedenfalls nicht mit der Begründung verneint werden, der hier geltend gemachte Anspruch sei nicht dem Unterhaltsrecht zuzuordnen, sondern als sonstiger zivilrechtlicher oder gar steuerrechtlicher Ausgleichsanspruch anzusehen.

Richtig ist zwar, dass der Anspruch auf Erstattung durch begrenztes Realsplitting entstandener Nachteile nicht der Befriedigung des laufenden Lebensunterhalts des Berechtigten dient, da dieser ja bereits bezahlt wurde. Er dient vielmehr dazu, nach den Grundsätzen von Treu und Glauben einen konkret entstandenen Nachteil des Unterhaltsberechtigten im Hinblick auf den in aller Regel höheren Vorteil des Unterhaltspflichtigen auszugleichen (Senatsurteil vom 11. Mai 2005 – XII ZR 108/02 – FamRZ 2005, 1162, 1164) und auf diese Weise sicherzustellen, dass ihm der gezahlte Unterhalt nicht durch nachträgliche Steuerbelastung teilweise wieder genommen wird.

Dieser Entschädigungscharakter des hier geltend gemachten Anspruchs steht seiner autonomen Qualifizierung als Unterhaltsanspruch aber nicht entgegen, da der Europäische Gerichtshof auch die prestations compensatoires des französischen Rechts, für die der Entschädigungsgedanke ebenfalls zumindest eine mitentscheidende Rolle spielt (vgl. Zöller/Geimer ZPO 26. Aufl. Art. 1 EuGVVO Rdn. 29 m.N.; Ferrand in Hofer/Schwab/Henrich Scheidung und nachehelicher Unterhalt im europäischen Vergleich S. 83 ff., 102), ohne weiteres den Unterhaltssachen zuordnet (EuGH, Urteil vom 6. März 1980, Rs. 120/79, de Cavel II, Slg. 1980, 731 = IPrax 1981, 19 f., Rdn. 5).

Zwar ist der Revisionserwiderung ferner einzuräumen, dass sich die Höhe des Erstattungsanspruchs – isoliert betrachtet – allein aus den steuerlichen Verhältnissen der Ehegatten im jeweiligen Veranlagungszeitraum ergibt, also weder von ihren aktuellen Einkommensverhältnissen noch einer fortdauernden Leistungsfähigkeit des Verpflichteten abhängig ist.

Es darf aber nicht übersehen werden, dass dieser Erstattungsanspruch unmittelbare Folge des Unterhaltsrechtsverhältnisses ist und der Sicherung des für einen früheren Zeitraum gezahlten Unterhalts dient. Auch seine Höhe trägt letztlich von den Bedürfnissen des Unterhaltsberechtigten und den dem Unterhaltspflichtigen zur Verfügung stehenden Mitteln in diesem Zeitraum ab, weil die auszugleichenden Nachteile von der Höhe des gezahlten und zu versteuernden Unterhalts bestimmt werden.

Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Unterhaltspflichtige, im Interesse der Unterhaltsbelange des Berechtigten mögliche Steuervorteile aus dem begrenzten Realsplitting in Anspruch zu nehmen hat, wenn ihm die Zustimmung des Berechtigten vorliegt. Umgekehrt ist der Unterhaltsberechtigte gehalten, bei Maßnahmen mitzuwirken, die die finanzielle Belastung des Unterhaltsverpflichteten vermindern und damit seine Leistungsfähigkeit erhöhen, soweit dem Unterhaltsberechtigten keine Nachteile hieraus erwachsen. Daraus folgt, dass der Unterhaltsberechtigte dem begrenzten Realsplitting grundsätzlich zuzustimmen hat, während der Unterhaltspflichtige die dem Berechtigten daraus entstehenden Nachteile zu erstatten hat (vgl. Senatsurteil vom 23. März 1983 – IVb ZR 369/81 – FamRZ 1983, 576 f.).

Vor diesem Hintergrund erweisen sich das begrenzte Realsplitting und der Ausgleich der damit verbundenen Nachteile des Unterhaltsberechtigten wirtschaftlich als eine besondere Modalität der Unterhaltszahlung: Abweichend vom Regelfall der steuerneutralen Zahlung des Unterhalts wird der Unterhalt hier einverständlich der Besteuerung auf Seiten des Unterhaltsberechtigten unterworfen, weil sich dies durch die damit einhergehende steuerliche Entlastung des Unterhaltspflichtigen insgesamt positiv auf dessen Leistungsfähigkeit und damit wiederum auf die Höhe des Unterhalts auswirkt, den dieser erbringen kann. Deshalb ist ein vom Unterhaltspflichtigen durch das begrenzte Realsplitting erzielbarer Vorteil unter bestimmten Voraussetzungen (vgl. Senatsurteile vom 28. Februar 2007 – XII ZR 37/05FamRZ 2007, 793, 797 und vom 14. März 2007 – XII ZR 158/04FamRZ 2007, 882, 885) schon bei der Unterhaltsbemessung selbst unterhaltserhöhend zu berücksichtigen. Das damit verfolgte Ziel der Sicherung des angemessenen Unterhalts wird aber nur erreicht, wenn der Unterhaltspflichtige denjenigen Teil seines Steuervorteils, der der Höe des Nachteils auf Seiten des Unterhaltsberechtigten entspricht, an diesen auch auskehrt. Der Umstand, dass dies regelmäßig erst nachträglich erfolgt, ist allein darauf zurückzuführen, dass die Höhe des jeweiligen Erstattungsbetrages erst nach durchgeführter Veranlagung endgültig feststeht.

Somit beruht die Unterhaltsbemessung auf dem Grundsatz, dass der gezahlte Unterhalt dem Berechtigten zur Bestreitung seines Bedarfs “netto” zur Verfügung steht. Wird eine Modalität der Unterhaltszahlung gewählt, die dazu führt, dass diese vom Berechtigten als Einkommen zu versteuern ist oder für ihn zur Kürzung staatlicher Hilfen führt, hat der Verpflichtete im Ergebnis einen entsprechend erhöhten “Bruttobetrag” zu zahlen, dessen Höhe aber regelmäßig erst nachträglich feststeht. Dies macht die Zahlung des Erstattungsbetrages zwar nicht zu einer Unterhaltszahlung im Sinne des deutschen Rechts, was auch daraus zu ersehen ist, dass eine solche Erstattungszahlung nicht ihrerseits wiederum Gegenstand des begrenzten Realsplittings sein kann. Gleichwohl dient sie Unterhaltszwecken, weil der dem Berechtigten gezahlte Unterhalt diesem andernfalls nicht in voller Höhe für seinen Lebensbedarf zur Verfügung stünde; er sähe sich dann nämlich gezwungen, hiervon Rücklagen für die zu erwartende Steuerforderung zu bilden.

Die zeitliche Verschiebung zwischen dem Unterhaltszeitraum (= Veranlagungszeitraum) und dem Eintritt der aus dem begrenzten Realsplitting für diesen Zeitraum entstehenden Nachteile ist ebenfalls kein Grund, die Erstattungszahlung nicht unter den weiten Unterhaltsbegriff des Art. 5 Nr. 2 EuGVVO zu fassen. Als Unterhaltssache im Sinne dieser Vorschrift gelten auch Klagen auf rückständigen Unterhalt oder auf einen als Einmalbetrag zu zahlenden Unterhalt (vgl. EuGH, Urteil vom 27. Februar 1997, Rs. C-220/95, van den Boogard, Slg. 1997, I-1147 = IPrax 1999, 35 ff. Rdn. 23, 27). Der besondere Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 2 EuGVVO setzt mithin nicht voraus, dass Zahlungen geltend gemacht werden, die dazu dienen, einen im Zeitpunkt der Klageerhebung gegenwärtigen Lebensbedarf zu decken.

Soweit der Europäische Gerichtshof unter dem Begriff des Unterhalts – wie oben dargelegt – vor allem finanzielle Verpflichtungen versteht, bei deren Festsetzung die Bedürfnisse und die Mittel beider Ehegatten berücksichtigt werden, und die dazu bestimmt sind, den Unterhalt eines bedürftigen Ehegatten zu sichern, steht dies der Qualifikation des vorliegenden Rechtsstreits als Unterhaltssache im Sinne des Art. 5 Nr. 2 EuGVVO angesichts der Systematik und Zielsetzung dieser Vorschrift mithin nicht entgegen. Denn diese Definition des Unterhaltsbegriffs dient nach dem Verständnis des Senats in erster Linie der Abgrenzung zu güterrechtlichen Ansprüchen (vgl. EuGH, Urteil vom 27. Februar 1997, Rs. C-220/95, van den Boogard, Slg. 1997, I-1147 = IPrax 1999, 35 ff., Rdn. 22), schließt es aber nicht aus, Ansprüche, die – wie hier – eindeutig nicht aus dem Güterrecht herrühren, auch dann als Unterhaltsansprüche zu qualifizieren, wenn sie dieser Definition des Unterhaltsbegriffs nicht in jeder Hinsicht entsprechen.

5. Die angefochtene Entscheidung war daher aufzuheben und die Sache zur Nachholung der erforderlichen Sachentscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.

BGH, Urteil vom 17.10.2007
XII ZR 146/05

AG Homburg, Entscheidung vom 03.12.2004
9 F 345/04

OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 21.07.2005
6 UF 121/04

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