AG Westerstede: Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Vater

AG Westerstede: Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Vater

  1. Das Aufenthaltbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind B., geb. am xx.xx.2006, wird dem Kindesvater übertragen
  2. B. verbringt jedes zweite Wochenende in der Zeit von Freitag 15:00 Uhr bis Sonntag 18:00 Uhr bei der Kindesmutter.Die Kindesmutter hat B. pünktlich freitags um 15:00 bei dem Kindesvater abzuholen; Der Kindesvater hat B. pünktlich zur Abholung bereitzuhalten.Die Kindesmutter hat B. sonntags pünktlich um 18:00 Uhr dem Kindesvater wieder zu übergeben.Des weiteren verbringt B. die unterrichts- und seminarfreie Zeit während des Referendariats der Kindesmutter bei dieser mit Ausnahme der jeweils letzten Woche. Für den Fall, dass die Kindesmutter eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, verbringt B. die gesamte Urlaubszeit bei dieser.
  3. Die Kosten des Verfahrens einschließlich des einstweiligen Anordnungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
  4. Der Verfahrenswert für das einstweilige Anordnungsverfahren wird endgültig festgesetzt auf 6.000,00 €.

Gründe:

Hinsichtlich des Tatbestandes wird zunächst auf die dargestellten Gründe aus der einstweiligen Anordnung vom 02.08.2007 Bezug genommen.
Diese einstweilige Anordnung, mit der das Aufenthaltsbestimmungsrecht vorläufig auf die Kindesmutter übertragen worden war, war erforderlich geworden. Die Parteien konnten sich schon nicht auf eine vorläufige Regelung hinsichtlich des Aufenthaltes von B. verständigen.
Beide Parteien drängten auf die Einholung eines Gutachtens um mit Hilfe einer Sachverständigen eine letztlich vom Gericht fortgesetzte Regelung hinsichtlich des Verbleibs von B. zu erhalten.

Das Gericht hat die Dipl.-Psychologin A. W. von der Gutachtergemeinschaft Rechtspsychologie in Bremen als Sachverständige bestellt. Diese hat mit Datum 04.02.2008 ein umfassendes familienpsychologisches Gutachten zur Frage der Regelung des Lebensmittelpunktes von B. erstattet. Hinsichtlich der Einzelheiten des Inhalts wird auch das Gutachten vom 04.02.2008 verwiesen.

B. hat in der Zwischenzeit in Ausführung der einstweiligen Anordnung bei der Kindesmutter in Hannover gelebt. Diese kann ab Mai das Referendariat als Berufsschullehrerin in Hannover beginnen. Inzwischen ist B. auch seit Ende Februar bei einer von der Kindesmutter ausgesuchten Tagesmutter.

Die Kindesmutter ist weiterhin der Auffassung, dass sie trotz ihres Referendariats sich besser um B. kann. Sie beantragt daher, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für B. endgültig auf sie zu übertragen.

Nach Eingang des Gutachtens der Sachverständigen, die sich für einen vorübergehenden Aufenthalt von B. beim Kindesvater ausgesprochen hat, erklärt die Kindesmutter, dass sie auch bereit sei, von der Ableistung des Referendariats abzusehen und eine Erwerbstätigkeit in ihrem erlernten Beruf als Krankenschwester oder als Krankenpflegelehrerin aufzunehmen.

Die Kindesvater ist hier anderer Auffassung.

Er stellt insbesondere darauf ab, dass B. bei ihm ein familiäres Umfeld vorfindet. Er habe trotz seiner Beschäftigung in der Firma seines Vaters ab Nachmittag genügend Zeit, sich um B. zu kümmern. Vormittags sei B. bei der Mutter des Kindesvaters in Obhut.

Das Gericht hat das Aufenthaltsbestimmungsrecht in der Hauptsache auf den Kindesvater übertragen.

Die Entscheidung über die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts war leider auch in der Hauptsache erforderlich, da die Parteien sich auch nach Ablauf von jetzt weiteren 9 Monaten nach der einstweiligen Anordnung nicht über den Aufenthalt von B. einigen konnten.

Weiter muss unbedingt angemerkt werden, dass es sich zwar hier formal um eine Entscheidung in der Hauptsache handelt, jedoch das Gericht auch hier mit der Sachverständigen von einer nicht endgültigen Entscheidung ausgeht. Nach Absolvierung des Referendariats der Kindesmutter, hierzu rät das Gericht, muss die Situation neu beleuchtet werden.

Bis dahin (ca. 1 1/2 Jahre) ist das Gericht jedoch mit der Sachverständen der Auffassung, dass B. besser beim Kindesvater aufgehoben ist.

Das Gericht schließt sich insoweit den ausführlichen und überzeugenden Erwägungen der Sachverständigen an.

Das Gericht hatte ja bereits in der einstweiligen Anordnung die Problematik angesprochen und die erforderlichen Fragen aufgeworfen. Insbesondere hat das Gericht versucht, die sehr unterschiedlichen Charaktere der Parteien darzustellen. Im Rahmen der einstweiligen Anordnung war das Gericht – noch mit erheblichen Bedenken – davon ausgegangen, dass B. bis zu Aufnahme des Referendariats und bis zur Entscheidung in der Hauptsache wenigstens genau so gut bei der Mutter leben kann.

Die Sachverständige hat nun in ihrem Gutachten die Problematik und die Charaktere der Parteien gründlicher untersucht und auf ihre Auswirkungen auf die weitere Entwicklung B’s nachvollziehbarer begründet.

Aber auch aus den Ausführungen des Gutachtens wird deutlich, dass die Entscheidung für den Aufenthalt B’s beim Kindesvater nicht klar und eindeutig ist: “Eine grundlegend günstige Alternative lässt sich schwer begründen” (Seite 33 des Gutachtens).

Ausschlaggebend für die Sachverständige war zum einen, dass die Versorgung B.’s beim Kindesvater durch die Großmutter unter Kontinuitätsaspekten belastbarer und dauerhafter erscheint als das Tagesmutter-Modell der Kindesmutter.

Weiter bemängelt die Sachverständige die Kooperationsfähigkeit auf Seiten der Kindesmutter, so dass mit zunehmenden Alter von B. die zwischen den Eltern sichtbaren Probleme sich auf die Entwicklung B.’s belastend auswirken können.

Genau so hat es das Gericht im einstweiligen Anordnungsverfahren feststellen können.

Das Gericht sieht in den unterschiedlichen Betreuungsmodellen der Kindeseltern nicht den entscheidenden Faktor. Auch das Großmutter-Modell des Kindesvaters muss sich erst auf Dauer erweisen. Auch hier können Umbrüche stattfinden. Das Tagesmutter-Modell sieht das Gericht nicht als grundsätzlich minderqualitativ an.

Die Sachverständige bemerkt weiter sicherlich zu recht an, dass die Kindesmutter während des Referendariats anderen kurzfristigen psychischen Belastungen ausgesetzt ist, als der Kindesvater, der im elterlichen Betrieb arbeitet und sicherlich auch mit Rücksichtnahme durch seine Eltern rechnen kann. Diese Belastungssituation auf Seiten der Kindesmutter würde sich auch noch durch die üblichen Kinderkrankheiten, die sich bei B. auch einstellen werden, erhöhen.

Aber auch dieses Argument ist nicht das entscheidende für das Gericht. Schließlich hat die Kindesmutter die Prüfung für das erste Staatsexamen auch erfolgreich abschließen können, obwohl sie mit B. schwanger war und die Geburt ca. 3 Monate vor Beendigung des Studiums stattfand. Allerdings ist in so weit zu berücksichtigen, dass zu diesem Zeitpunkt sie Hilfe und Unterstützung durch den Kindesvater und dessen Familie hatte.

Entscheidend für das Gericht war viel mehr, dass in Einklang mit der Sachverständigen der Kindesmutter eine gute Kooperationsfähigkeit abgesprochen werden muss.

Die Sachverständige hat es auf den Punkt gebracht:
Die Kindesmutter hat Schwierigkeiten damit, “ihr Kind” anderen Personen (auch dem Kindesvater) anzuvertrauen.

Genauso sieht es das Gericht.

Der Kindesvater dagegen – so hat es sich für das Gericht in der letzten mündlichen Verhandlung noch deutlicher gezeigt – zeigt diese Kooperationsbereitschaft. Sein grundsätzlich zurückhaltender und phlegmatischer Charakter hat sich bezogen auf B. zum Positiven geändert.

Das Gericht nimmt an, dass er sich sehr ernsthaft mit der weiteren Betreuung und den damit zusammenhängenden Problemen beschäftigt hat. Er hat genauso wie die Kindesmutter an seinem Betreuungsmodell gearbeitet und es auf tragfähige Füße gestellt. Das Gericht ist nicht – wie die Kindesmutter – der Auffassung, dass der Kindesvater bereits nach kürzester Zeit das Interesse an B. verlieren und die Betreuung lediglich noch seiner Mutter überlassen würde. Denn dann wäre der Umgang in den letzten 9 Monaten vom Kindesvater nicht so stringent durchgeführt worden.

Für das Gericht bietet der Kindesvater mehr Gewähr dafür, dass B. gleichwertig von beiden Elternteilen umsorgt, betreut und erzogen wird.

Diese Gleichwertigkeit der beiden Elternteile in der Erziehung will die Kindesmutter auch heute noch nicht gelten lassen; Sie sieht ihre Beiträge für das Wohl B.’s für wichtiger an, als die Erziehungsbeiträge des Vaters.

Dies wird zukünftig zwangsläufig immer wieder zu Konfliktsituationen bei den Parteien führen. Insbesondere was den Umgang des Kindesvaters mit B. betreffen würde.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kindesvater weitaus kompromissfähiger ist. Er sieht die Kindesmutter als in der Erziehung B.’s gleichberechtigt an und und wird auch im weitaus größeren den Umgang B.’s mit seiner Mutter fordern.

Daher spielt es für das Gericht auch keine Rolle, wenn die Kindesmutter statt der Ausübung ihres Referendariats nunmehr gewillt sein sollte, eine Erwerbstätigkeit in ihrem erlernten Beruf aufzunehmen.

Konkrete Stresssituationen durch Prüfungen mögen zwar so vermieden werden, die innere Einstellung der Kindesmutter, was die Rechte des Kindesvaters am Leben B.’s betrifft, würde ishc jedoch nicht ändern. Das Gericht befürchtet sogar eher das Gegenteil. Die Kindesmutter würde eher noch ein Recht auf mehr Entscheidungsbefugnis für B. annehmen, weil sie selbst beruflich zurückgetreten ist.

Auch die Argumentation der Kindesmutter, sie habe sich in der Vergangenheit hauptsächlich um B. gekümmert und daher müsse B. quasi aus Kontinuitätsgründen bei ihr bleiben, greift hier nicht durch.

Die Sachverständige hat eindeutig festgestellt, dass B., ohne das sein Wohl beeinträchtigt wird, zum Kindesvater wechseln kann. Eine Entfremdung hat keinesfalls stattgefunden. Der Kindesvater hat in der Vergangenheit genau so seinen Beitrag für das Wohl B.’s geleistet.

Allerdings ist der Umgang der Kindesmutter mit B. zu intensivieren. Über den normalen Umgang hinaus sollte B. auch in der unterrichts- bzw. seminarfreien Zeit bei der Kindesmutterverbringen.

Die Sachverständige hat ebenfalls zu einer außerordentlichen Erweiterung des Umgangs der Kindesmutter dringend geraten.

Da das Gericht hier eine Einigung der Parteien in der mündlichen Verhandlung angesprochen, jedoch ein Ergebnis nicht erzielt werden konnte, wurde der Umgang ebenfalls im Beschluss konkret festgelegt.

Selbstverständlich ist es den Parteien nachträglich erlaubt, einvernehmlich diese Umgangsregelung zu konkretisieren oder zu ändern.

Das Gericht greift auch weiter den Vorschlag der Sachverständigen auf, dass die finanziellen Belastungen durch den Umgang der Kindesmutter mit B. von beiden Parteien je zur Hälfte getragen werden.

Das Gericht weist abschließend noch einmal darauf hin, dass diese Entscheidung zunächst für die Zeit des Referendariats als richtig angesehen wird.

Nach Abschluss des Referendariats sollten sich die Parteien – ggfls. mit Hilfe des Jugendamts – noch einmal zusammensetzen, um über den weiteren konkreten Aufenthalt B.’s eine Regelung zu finden.

Das Gericht hat die Kosten gegeneinander aufgehoben.

Der Verfahrenswert wurde auf 6.000,00 € *), da hier neben dem Aufenthaltsbestimmungsrecht auch der Umgang gerichtlich festgesetzt wurde.

Gertje
Richter am Amtsgericht

AG Westerstede, Beschluss vom 08.05.2008
82 F 5111/07 SO


 

*) Ein Wort fehlt tatsächlich im Text.

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