BGH: Gefährdung des...
 
Benachrichtigungen
Alles löschen

BGH: Gefährdung des Kindeswohls – und das mildeste Mittel zu seiner Beseitigung

 
(@diskurso)
Registriert

Hallo,

Ich möchte auf die seltsame Argumentation des BGH zur Ablehnung der Übertragung des ABR auf den Vater selbst bei nachgewiesener eingeschränkter Erziehungseignung der Mutter hinweisen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26. Oktober 2011 – XII ZB 247/11
hier veröffentlicht:
http://www.rechtslupe.de/familienrecht/gefaehrdung-des-kindeswohls-und-das-mildeste-mittel-zu-seiner-beseitigung-336223

Vor einer – teilweisen – Entziehung des Sorgerechts hat das Familiengericht zu überprüfen, ob mildere Mittel zur Verfügung stehen, um der Gefährdung entgegenzuwirken.
(...)
Da die Umgangspflegschaft den Eingriff auf das zunächst erforderliche Maß begrenzt, ist sie gegenüber einem (vollständigen) Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach § 1666 BGB als milderes Mittel vorrangig.

Und besonders schön formuliert, warum das Sorgerecht nicht einfach dem Vater übertragen wird ("Maßnahme") genannt:

Selbst wenn demnach die Maßnahme als solche für die Belange, in denen das Kindeswohl gefährdet ist, die erwünschten Wirkungen entfaltet, ist sie dennoch ungeeignet, wenn sie in anderen Belangen des Kindeswohls wiederum eine Gefährdungslage schafft und deswegen in der Gesamtbetrachtung zu keiner Verbesserung der Situation des gefährdeten Kindes führt.

Es wurde vom AG und OLG sogar mit Heimunterbringung gedroht, anstatt dem Vater das Sorgerecht zu übertragen:

Vielmehr kann von einer Umgangspflegschaft jedenfalls gegenüber einer vollständigen Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts mit dem Ziel einer Heimunterbringung nur abgesehen werden, wenn die Umgangspflegschaft sich entweder als unwirksam erwiesen hat oder von vornherein offensichtlich aussichtslos ist.

Immerhin stellt der BGH dazu fest:

Ein dauerhafter Verbleib des Kindes im Heim ließe sich nur rechtfertigen, wenn beide Elternteile auf Dauer erziehungsungeeignet wären und eine Abwägung der Vor- und Nachteile die dauerhafte Heimunterbringung als die für das Kindeswohl bessere Alternative erscheinen ließe.

Selbstverständlich muss nun noch ein Gutachten angefertigt werden:

Für das weitere Verfahren weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass – neben der Prüfung der Einrichtung einer Umgangspflegschaft – ein ergänzendes SachverständigenGutachten einzuholen ist.

... um dann doch wieder - im Tenor des AG und OLG - mit Heimaufenthalt zu drohen:

Die auf der Grundlage der in diesem Sinne umfassenden Aufklärung zu treffende Entscheidung nach § 1666 BGB hängt schließlich davon ab, ob die Erziehungseignung der Mutter derart eingeschränkt ist, dass es für das Wohl des Kindes auf Dauer schädlicher ist, wenn es in der Obhut der Mutter verbleibt, als wenn es im Heim untergebracht wird.

Also nur wenn der Heimaufenthalt für das Wohl des Kindes schädlicher wäre als in der Obhut der Mutter zu verbleiben, käme ein Entzug des ABR in frage.
Der Vater stellt dabei offenbar überhaupt keine Alternative mehr dar:

Sollte dies nicht der Fall sein, ist eine Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht nur übermäßig, sondern im Sinne der oben aufgeführten Maßstäbe bereits ungeeignet, so dass es an der Erforderlichkeit der Maßnahme im Sinne von § 1666 Abs. 1 BGB fehlt.

Der BGH greift also dem von ihm selbst angeordnetem Gutachten vor und meint: was auch immer der Gutachter feststellen wird, muss der Mutter tatsächlich das ABR entzogen werden, kommt das Kind ins Heim.
Eine Prüfung, ob der Heimaufenthalt nicht vielleicht doch dem Aufenthalt beim Vater vorzuziehen sei, scheint vom BGH überhaupt nicht vorgesehen, selbst wenn das Gutachten den Vater als erziehungsgeeignet befinden würde. Stattdessen soll sogar der Großmutter mehr Priorität eingeräumt werden.

Zitat
Themenstarter Geschrieben : 23.12.2011 15:04