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Skandalurteil: Keine Anrechnung EU + KU bei Bedarfsgemeinschaft

 
DeepThought
(@deepthought)
(Fast) Eigentumsrecht Moderator

Das Skandalurteil ist >hier< zu lesen.

Bemerkenswert ist: Der Unterhaltsverpflichtete darf nicht durch Unterhaltszahlungen selbst zum Sozialfall werden. Soweit ja noch nachvollziehbar, letztlich aber das typische Prinzip "linke Tasche - rechte Tasche" des Staates, denn erfolgt eine Umverteilung der staatlichen Unterstützung.

Ferner wurde mal so eben die Rangfolge der Unterhaltsberechtigten geändert und beißt sich derbe mit dem Familienrecht. Dem Tenor zur Folge ist der Unterhaltsverpflichtete nun gezwungen, Abänderungsklage einzureichen. Diese wiederum wird bei exakter Auslegung des BGB nicht angenommen werden, in der gesetzlich definierten Rangfolge begründet.

Was passiert? Richtig: Es wird bei bestehenden Titel die Zwangsvollstreckung betrieben werden. Diese wiederum kann nicht bedient werden, es beginnt sich die Schuldenspirale zu drehen.

Das Urteil ist rechtskräftig, eine Beschwerde nicht möglich! Das LSG hat die Tür nicht nur zugemacht sondern verschlossen, verriegelt und zugemauert. Bleibt nur der Weg zum BVerfG so denn Grundrechte eingeschränkt wurden. Spannend dürfte jetzt auch werden, wie in Sachen Abänderungsklage entschieden werden wird, so sie denn eingereicht wird.

DeepThought

Der 15. Senat des OLG Celle befindet vatersein.de
in den Verfahren 15 UF 234/06 und 15 UF 235/06
als "professionell anmutend".
Meinen aufrichtigen Dank!

Zitat
Themenstarter Geschrieben : 20.01.2006 09:33
(@eskima)
(Fast) Eigentumsrecht Registriert

Moin DT,

meine persönliche Meinung: ein absoutes Hammerurteil. Ich hab hier noch mails aus 2004 gespeichert, wo genau diese Situation abgestritten wird, Absender unter anderem bmwa. Titulierte Ansprüche werden gepfändeten Ansprüchen gleichgestellt heißt es dort sinngemäß.

Was passiert? Richtig: Es wird bei bestehenden Titel die Zwangsvollstreckung betrieben werden. Diese wiederum kann nicht bedient werden, es beginnt sich die Schuldenspirale zu drehen.

Nicht ganz. Zuerst wird bei einer Pfändung ja der pfändungsfreie Bedarf (willkürlich?) festgesetzt. Wenn nun kein Antrag auf Erhöhung gestellt wird, dann wird der EU und KU gepfändet werden können. Mit dieser Pfändung gehen nun KV und Next zur Arge und bekommen ALG II. Aber der KV ist in einer Daumenschraube aus der er kaum wieder rauskommt. Denn zusätzlich zum Unterhalt entstehen Pfändungskosten, oft zusätzlich Anwaltskosten.

Der Unterhaltspflichtige darf nicht selbst zum Sozialfall werden, das ist ja nachvollziehbar. Aber er hat nunmal gegenüber seiner Ehefrau lt. Familienrecht einen höheren Selbstbehalt als gegenüber den Kindern. Ich gehe fest davon aus, dass im Familienrecht keine entscheidende Rücksicht auf diesen Umstand arbeitslose Next genommen wird, das gibt die Düsseldorfer Tabelle nämlich gar nicht her.

Im Gegenzug wird gerade verhandelt, dass Kinder immer vorrangig unterhaltsberechtigt sein sollen, aktuelle und geschiedene Ehegatten nachrangig werden. Für mich weiß die linke Hand nicht, was die rechte tut.

Und der Oberhammer war für mich, dass PKH versagt wurde, weil es keine Aussicht auf Erfolg in dieser Verhandlung gab. :thumbdown: :thumbdown: :thumbdown:

LG

eskima

Urteile nie über einen Menschen, bevor du nicht sieben Meilen in seinen Schuhen gegangen bist - Indianische Lebensweisheit

AntwortZitat
Geschrieben : 20.01.2006 11:56
(@kasper)
(Fast) Eigentumsrecht Registriert

Deutschland entwickelt sich zurück!

Mit nachvollziehbaren, beweisbaren Unwahrheiten wird Politik gemacht. Mir drängt sich manchmal die Überzeugung auf, das die Rechtssprechung sich nicht an Gesetze hält bzw. sie selber neu interpretiert. Viele Entscheidungen sind nicht nachvollziehbar und schlichtweg unverständlich, wo bleibt da die Verpflichtung der Rechtssprechung "Im Namen des Volkes" und auch verständlich für das Volk zu sprechen, wenn es dies nicht tut?

Gesetze müssen in einander greifen. Allerdings bekommt man (schon seit längerem) den Eindruck, das unsere Gesetzgeber sich einen dreck darum scheren, ob Verodnungen und Gesetze zusammenpassen und auch fair gestaltet werden.
Frei nach dem Motto: "Was schert mich mein geschwätz von gestern"!

Ach ja, da fragt sich ja doch mancher, warum diese Menschen für Ihre shclampige Arbeit auch noch bezahlt werden.

Gruß
Kasper

Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge zu ertragen, die ich nicht Ändern kann, den Mut, Dinge zu Ändern, die ich Ändern kann und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

AntwortZitat
Geschrieben : 20.01.2006 13:18
(@kobold5800)
Schon was gesagt Registriert

Ich bin schon lange sprachlos.. :gunman:

Seit einem Jahr bin ich jetzt ein "Hartz IV Fall.
Seit drei Jahren lebe ich mit meinem Grobi zusammen, nicht verheiratet.
Er hat Schulden und zahlt für seine drei Mädels Unterhalt.
Sein Selbstbehalt ist durch unser Zusammenleben geringer.

Auskunft vom Job Center vor einem Jahr: Ich habe keinen Anspruch auf ALG II. Ihr Lebensgefährte muss Sie unterstützen. Kindesunterhalt wird nicht berücksichtigt, Unterhaltsschulden und andere Schulden werden nicht berücksichtigt.
Zugrundegelegt wurde sein Nettogehalt von 1.400 Euronen.

Auf mein Argument, dass Kindesunterhalt doch vorgeht und wir ja auch nicht verheiratet sind, ausserdem mit Geld gerechnet wird, dass ja eigentlich nicht mehr vorhanden ist, hiess es nur,
da kann ich Ihnen nicht helfen...und KM hätte ja die Möglichkeit zum Sozialamt zu gehen, um Ansprüche für die Kinder zu stellen...
:knockout:

Ich kann nur sagen, es ist entwürdigend!
Die Geschichte ist eigentlich noch viel verworrener und länger, mit dem was wir schon erlebt haben..

Armes Deutschland

LG
Andrea
_______________________________________
"Glück kommt durch einander"

AntwortZitat
Geschrieben : 20.01.2006 13:49
(@eskima)
(Fast) Eigentumsrecht Registriert

Hallo kobold,

mir stellt sich grad die Frage: wovon lebt ihr eigentlich?

Ich bekam bis jetzt immer die Auskunft, dass titulierte Forderungen berücksichtigt werden, weil sie gepfändet werden können.

@ all: lasst uns auf dieses Urteil aufmerksam machen und verteilt es, ich bin schon fleißig dabei 🙂

LG

eskima

Urteile nie über einen Menschen, bevor du nicht sieben Meilen in seinen Schuhen gegangen bist - Indianische Lebensweisheit

AntwortZitat
Geschrieben : 20.01.2006 14:16
 Xe
(@_xe_)
Registriert

Moin,

ich beschäftige mich seit gestern mit dem Urteil, und meiner Meinung nach ist das Urteil bewußt rechtswidrig. Der Antragssteller sollte sofort weitere Maßnahmen ergreifen, bevor das Teil rechtskräftig wird.

Hier ist das Problem nur nebensächlicherweise die Kollision des BGB und des SGB, denn das Urteil interpretiert das SGB, und jede Interpretation hat mehrere Möglichkeiten, wie sie aussieht und welche Richtung sie nimmt. Die verwehrten Rechtsmittel sprechen ihre eigene Sprache.

In Folge haben wir, wie auch oben beschrieben, den Zustand, daß der Unterhaltszahler durch die Auslegung des SGB gezwungen wird, den Unterhalt zu reduzieren, um nicht selber bedürftig zu werden und damit dann wiederum gegen das BGB zu verstoßen und plattgepfändet zu werden. Das ist bar jeglicher Logik und Rechtssicherheit.

Gruß, Xe

AntwortZitat
Geschrieben : 20.01.2006 14:21
(@lilli)
Rege dabei Registriert

Hi,

beim Kinderzuschlag (da gehts ja auch um die "Bedarfsgemeinschaft") wird der Kindesunterhalt abgezogen. Ich hatte extra beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend angerufen, die erteilten mir die Auskunft, das Kindesunterhalt, sofern er tituliert ist, vom Einkommen abzuziehen ist. Für den Fall, das die Familienkasse die nicht berücksichtigt, sollte ich Widerspruch einlegen.
Auch in den Arbeits-Richtlinien der ARGE zu Hartz4 (nachzulesen bei Tacheles) steht, das titulierter KU vom Einkommen abzuziehen sei, sofern nachgewiesen wird, das er tatsächlich bezahlt wird.

Hm ... dann bin ich mal gespannt, welche Wellen dieses Urteil schlägt und ob uns daraufhin die Leistungen gestrichen werden ...

Grüße
lilli

Leben ist das, was passiert,
während Du eifrig dabei bist,
andere Pläne zu machen.
(John Lennon)

AntwortZitat
Geschrieben : 20.01.2006 14:32
 Uli
(@Uli)

Es wundert mich garnichts mehr! 😡

Das Recht wird nur noch so ausgelegt, dass es möglichst viel Geld in die Staatskasse spült bzw. der Staat größt möglichst entlastet wird.
Im zitierten Beispiel könnte die Ex des Unterhaltsverpflichteten ja selbst wieder in einer Bedarfsgemeinschaft leben, die selbst bei aussbleibenden Untrehaltszahlungen nicht unter den Bedarfssatz rutscht. Dann bleibt das Gesamtsystem für den Staat kostenneutral. Auf der anderen Seite heißt es, dass das Einkommen eines Dritten oder Vierten in eigene Lebensentscheidungen einbezogen werden kann. Vielleicht kann man Personen jetzt bald dazu nötigen sich wieder zu trennen, um die finanzielle Situation stimmig zu machen !! :heu:

LG Uli

AntwortZitat
Geschrieben : 20.01.2006 15:05
(@kobold5800)
Schon was gesagt Registriert

Jawoll! Denn genau DIESE Antwort habe ich postwendend bekommen!

"Dann ziehen Sie doch einfach aus und suchen sich eine eigene Wohnung. Oder suchen Sie sich besser einen, der keine Kinder hat und nicht in Schulden lebt."

Ich war soo geschockt, ich dachte ich fall auf der stelle um.
Nächste Amtshandlung von mir war, zum Amtsstellenleiter zu gehen. Schriftliche und mündliche Beschwerde abgegeben. Wenigstens das.

Übrigens habe ich mich damals auch an das Ministerium wie o.g. gewandt, bekam auch da die Mitteilung, ..geht nich.

Bin von Pontius nach Pilatus gerannt. Oder einfach zu blöd..

Unterm Strich betrachtet geht es doch nur noch darum, Probleme zu verlagern. Jeder Betroffene muss sich irgendwie selber helfen. Nur manche schaffen es nicht und gehen unter. Oder man muss nach Wegen suchen, die nicht legal sind und in beschei... des Staates und der Gesellschaft enden.
Wer ein bisschen Gerechtigkeitssinn besitzt und nicht abgezockt genug ist, wrd an der Hilflosigkeit kaputt gehen...

LG
Andrea
_______________________________________
"Glück kommt durch einander"

AntwortZitat
Geschrieben : 20.01.2006 15:27
(@pueppi)
Nicht wegzudenken Registriert

Danke, Deep, für dieses erneute Beispiel unseres auch so tollen Rechtsstaates,

hier ist offenbar wieder einmal (nicht nur) ein Bürger sprichwörtlich in die Mühlen der Justiz geraten und droht, zermalmt zu werden.

Dieses Urteil sollte (ggf. zusammen mit einer auch für die Volksvertreter einfach zu verstehenden Beispielrechnung über tatsächlich bestehende und verfügbare Einkünfte, tatsächlich bestehende (titulierte) und nachweislich tatsächlich geleistete Unterhaltsverpflichtungen) an alle Bundestagsabgeordneten, Justiz-, Familien- und sonstige Minister gesandt werden mit der Bitte um Stellungnahme und Vorschläge, wie sich die beiden und alle anderen betroffenen Bürgen in diesem Fall verhalten sollen.

Eine erste Idee zu so einem Brief kann gern von Euch weiterentwickelt, vor allem mit den exakten Zahlen und Rechtsgrundlagen untersetzt werden. Hier also ein erstes, von mir zusammengezimmertes Arbeitsexemplar:

Nettoeinkommen Lebensgefährte: 1.400,00 €
Abzüglich titulierter und nachweislich gezahlter Kindesunterhalt: -200,00 €
Abzüglich titulierter und nachweislich gezahlter Kindesunterhalt: -200,00 €
Abzüglich titulierter und nachweislich gezahlter Ehegattenunterhalt: -110,00 €
Tatsächlich verfügbares Einkommen pro Monat (Selbstbehalt nach § ) = 890,00 €

Da die ARGE diese Berechnung unter Verweis auf §§ SGB ... nicht anerkennt und somit keine Leistungen an die Lebensgefährtin zahlt, sind die beiden betroffenen Bürgen gezwungen, von 890,00 € im Monat zu leben; also 445,00 € pro Person.

Das SGB und das vorliegende Urteil unterstellen eine vorrangige Unterhaltspflicht des Lebensgefährten gegenüber seiner Lebensgefährtin.

Das BGB sieht dagegen eine vorrangige Unterhaltspflicht gegenüber den leiblichen Kindern und dem geschiedenen Ehegatten vor.

Da sich im vorliegenden Fall die jeweils Betroffenen auf unterschiedliche, offenbar in ihrem Inhalt widersprüchliche Gesetze berufen können (Kinder und geschiedene Ehefrau auf BGB, ARGE auf SGB), gerät hier ein Mensch zwischen alle Fronten und wird aufgerieben. Aber nicht nur der von allen Seiten zur Unterstützung Herangezogene wird zu Unterhalts- und Unterstützungszahlungen genötigt, die er objektiv nicht zu leisten im Stande ist; auch der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft Zusammenlebenden werden faktisch alle Unterstützungsleistungen verwehrt.

Sofern sich dafür keine rechtliche Lösung ergibt, bleibt als einzige Alternative die Trennung der beiden.

Dieses Defizit im Rechtsgefüge ist eindeutig auf die nachlässige Arbeit des Gesetzgebers zurückzuführen, da eine Harmonisierung verschiedener Gesetze unterbleibt.

Es handelt sich dabei um keinen Einzelfall. Ist diese Regelungslücke erkannt? Wie und wann wird sie behoben? Was wird den Betroffenen geraten, in der Zwischenzeit zu unternehmen?

Viel Spaß beim Weiterbasteln und liebe Grüße an alle streitbaren, couragierten Mitmenschen!

Liebe Grüße Püppi

Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen ? Kurt Marti

AntwortZitat
Geschrieben : 20.01.2006 15:49




 Xe
(@_xe_)
Registriert

Moin,

es ist an sich noch derber. §170 StGB (Verletzung der Unterhaltspflicht) greift bei willentlichem Entzug von Unterhaltsleistung. Da nach dem BGB eine Leistungsfähigkeit vorliegt, würde die Straffähigkeit vorliegen. Daß nach dem SGB keine Leistungsfähigkeit vorliegt, liegt in der Würdigung des zuständigen Strafrichters.

Ganz super.

Gruß, Xe

AntwortZitat
Geschrieben : 20.01.2006 16:05
(@eskima)
(Fast) Eigentumsrecht Registriert

Es gibt bereits eine Petition zu dem Thema, allerdings in einem anderen Fall. Wer mag, kann gern zeichnen: http://itc.napier.ac.uk/e-Petition/bundestag/view_petition.asp?PetitionID=46

Dieser Fall kommt aus Schleswig-Holstein.

LG

eskima

Urteile nie über einen Menschen, bevor du nicht sieben Meilen in seinen Schuhen gegangen bist - Indianische Lebensweisheit

AntwortZitat
Geschrieben : 20.01.2006 17:37