http://www.sovd-bv.de/sozialverband_deutschland.htm
Berlin, 25.01.2005
SoVD: Erste Musterklage zur 58er-Regelung bei Hartz IV anhängig
SoVD-Präsident Adolf Bauer erklärt:
Die erste Musterklage des Sozialverband Deutschland zur 58er-Regelung bei Hartz IV ist beim Sozialgericht Itzehoe anhängig (Az.: S 2 AL 195/04).
Unser Ziel ist, mit der Klage die ungerechte 58er-Regelung im SGB II zu Fall zu bringen. Wir unterstützen die Klage eines SoVD-Mitglieds, weil wir den Vertrauensschutz verletzt sehen.
Wie viele Arbeitslose, die das 58. Lebensjahr vollendet hatten, hatte auch der Betroffene mit der Arbeitsagentur eine Vereinbarung nach § 428 SGB III abgeschlossen. Damit wurde älteren Arbeitslosen der Bezug von Arbeitslosenhilfe bis zum Rentenbeginn zugesichert. Im Gegenzug mussten sie sich verpflichten, eine Altersrente zu beantragen, sobald sie ihnen in voller Höhe zustand.
Durch Hartz IV wird diese Vereinbarung in weiten Teilen außer Kraft gesetzt. Die 58er-Regelung des § 65 SGB II führt für die Betroffenen zu unerwarteten finanziellen Einbußen. Denn ihr Arbeitslosengeld II fällt meist niedriger aus als die bisherige Arbeitslosenhilfe.
Der Sozialverband Deutschland fordert die Bundesregierung auf, bei der 58er-Regelung nachzubessern. Bereits bestehende Vereinbarungen müssen ohne Abstriche erfüllt werden. Den Betroffenen dürfen keine finanziellen Nachteile entstehen. Auf Vereinbarungen mit Behörden muss Verlass sein.
V.i.S.d.P.: Dorothee Winden
Sozialgericht Düsseldorf, Az.: S 35 SO 28/05 ER
Amtlicher Leitsatz:
1. Das SGB II (Hartz VI Gesetzte) sieht im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft gegenseitige Unterhaltspflichten und damit verbundene Leistungseinschränkungen für die nichteheliche Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau vor. Für die gleichartige Lebensgemeinschaft zweier homosexueller sind entsprechende Leistungskürzungen nicht vorgesehen.
Dies stellt einen verfassungsrechtlich unzulässigen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz dar, denn heterosexuelle Paare werden durch die Regelungen des SGB II gegenüber homosexuellen Paaren benachteiligt.
2. Unabhängig davon reicht das Zusammenleben eines Mannes und einer Frau in einer gemeinsamen Wohnung - nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - zur Annahme einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II nicht aus und rechtfertigt daher noch keine gegenseitige Anrechnung von Einkommen.
---------------------------------------------------------------------------
Gründe:
I.
Die Antragsteller bezogen bis zum 31.12.2004 Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes. Einen Antrag auf Leistungen zur Grundsicherung für erwerbsfähige Leistungsberechtigte lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 06.01.2005 mit der Begründung ab, die Antragsteller lebten mit dem Vermieter der Antragsteller, Herrn J. H., in "häuslicher" und "wirtschaftlicher" Gemeinschaft. Das Einkommen von Herrn H. sei daher bei der Ermittlung des Anspruchs der Antragsteller zu berücksichtigen.
Gegen den Bescheid haben die Antragsteller am 18.01.2005 Widerspruch erhoben und das Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft bestritten. Über den Widerspruch ist bislang nicht entschieden worden.
Unter dem 10.02.2005 haben die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie haben ausgeführt, eine eheähnliche Lebensgemeinschaft der Antragstellerin zu 1) mit Herrn H. bestehe nicht. Die Antragstellerin zu 1) sei mittlerweile auch zu ihrer Schwester gezogen. Weil die Antragsteller derzeit keine Leistungen bezögen, seien sie auch nicht krankenversichert
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern Leistungen nach dem SGB II - nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften - zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hat vorgetragen, sie habe ihren Außendienst mit einer häuslichen Prüfung beauftragt. Der Mitarbeiter des Außendienstes habe Herrn H. am 08.12.2004, nur mit Unterwäsche bekleidet, in der Wohnung der Antragsteller angetroffen. Bei einer weiteren Besichtigung der Wohnung der Antragsteller am 06.01.2005 habe sich im Schlafzimmer ein für 2 Personen hergerichtetes Doppelbett gefunden. Außerdem habe man Kleidung von Herrn H. in der Wohnung der Antragsteller gefunden. Nach alledem sei man zu der Überzeugung gelangt, dass zwischen den Antragstellern und Herrn H. eine "häusliche" und "wirtschaftliche" Gemeinschaft bestehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Der insoweit zulässige Antrag hat in der Sache Erfolg.
Die Antragsteller haben zunächst einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, indem sie vorgetragen haben, dass sie derzeit keine Leistungen beziehen und auch nicht krankenversichert sind.
Im Übrigen ist auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden. Die Antragsteller haben nämlich offensichtlich - dem Grunde nach - Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.
1. Dem Leistungsanspruch steht - im Rahmen der hier gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage - nicht entgegen, dass die Antragstellerin zu 1) möglicherweise mit Herrn H. in einer - wie es die Antragsgegnerin ausdrücklich nennt - "häuslichen und wirtschaftlichen Gemeinschaft" lebt. Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass das Bestehen einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft nicht den Tatbestand der "eheähnlichen Lebensgemeinschaft", wie er in § 7 Abs. 3 Nr. 3 b SGB II genannt ist - erfüllt (vgl. z. B. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 2. September 2004, Az.: 1 BvR 1962/04, http://www.juris.de/ ; Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 17. November 1992, Az.: 1 BvL 8/87, http://www.juris.de/ ; Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 17. Juli 2002, Az.: 1 BvF 1/01, 1 BvF 2/01, http://www.juris.de/ , mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Vielmehr liegt eine eheähnliche Gemeinschaft - bei verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift - nur vor, wenn zwischen den Partnern so enge Bindungen bestehen, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Der von der Antragsgegnerin ermittelte und vorgetragene Sachverhalt erlaubt noch keine Beantwortung der Frage, ob vorliegend eine nichteheliche Lebensgemeinschaft besteht. Die Tatsache, dass die Antragstellerin zu 1) und Herr H. offenbar - mindestens zeitweise - in einer gemeinsamen Wohnung wohnen und in einem gemeinsamen Bett schlafen, rechtfertigt allein noch nicht die Annahme, dass ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens von den beiden Personen erwartet werden kann. Es gibt vielmehr auch Anhaltspunkte für die Annahme, dass eben keine entsprechende Not- und Einstandsgemeinschaft besteht. So besteht zwischen Herrn H. und der Antragstellerin zu 1) ein Mietvertrag und die Antragstellerin zu 1) hat im Übrigen angegeben, nunmehr bei ihrer Schwester zu wohnen.
2. Aber selbst wenn die Antragstellerin zu 1). und Herr H. eine nichteheliche Lebensgemeinschaft im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bilden sollten, besteht vorliegend kein Anlass, den Antragstellern Leistungen nach dem SGB II zu versagen. Das Gericht hat nämlich erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Heranziehung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften im Rahmen des SGB II.
Das Bundesverfassungsgericht hat in den zitierten Entscheidungen klargestellt, dass "nichteheliche Lebensgemeinschaft" immer nur die Gemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau sein kann (BVerfG a.a.O.). Diese Auslegung des Begriffs wird in der juristischen Literatur nicht bestritten und entspricht ausdrücklich auch den Arbeitsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 7 SGB II.
Da § 7 SGB II vorsieht, dass zur Bedarfsgemeinschaft neben Ehepartnern und Lebenspartnern nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartEDiskG) nur noch die "nichteheliche Lebensgemeinschaft" zählt, werden zum gegenseitigen Unterhalt - außerhalb von Ehe und "Homoehe" - nur Bedarfsgemeinschaften herangezogen, wenn sie aus einem (nicht miteinander verwandten) Mann und einer Frau bestehen.
Nicht herangezogen werden andere Personen, auch wenn sie ansonsten die Definition der Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II erfüllen. Hierzu zählen z.B. homosexuelle Paare, die nicht in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft ("Homoehe") leben. Ob also außerhalb von Ehe und "Homoehe" eine Bedarfsgemeinschaft besteht, wird damit nicht an die Frage geknüpft, ob von den Partnern ein gegenseitiges Einstehen gefordert werden kann, so wie es das Bundesverfassungsgericht fordert (BVerfG a.a.O.), sondern wird von einer bestimmten sexuellen Ausrichtung der Partner abhängig gemacht. Von allen erdenklichen Bedarfsgemeinschaften (Homosexuelle, Mutter/Tochter, Pastor/Haushälterin; Geschwister, Ordensangehörige e.t.c) wird lediglich die "nichteheliche Lebensgemeinschaft" zwischen einem Mann und einer Frau als Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II herangezogen.
Insbesondere im Verhältnis der nichtehelichen Lebensgemeinschaft (zwischen einem Mann und einer Frau) und dem gleichartigen Verhältnis zweier homosexueller Partner dürfte diese Regelung einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot (Art. 3 Grundgesetz) darstellen.
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 17.11.1992 (Az.: 1 BvL 8/87 - http://www.juris.de/ ) zu § 137 Abs. 2 a des Arbeitsförderungsgesetzes - in der seinerzeit geltenden Fassung - entschieden, dass ein Verstoß gegen Art. 3 GG nicht darin liegt, dass eheähnliche Lebensgemeinschaften nach dieser Vorschrift schlechter gestellt sind als die Gemeinschaften gleichgeschlechtlicher Partner. Das Bundesverfassungsgericht hat dies jedoch damals damit begründet, dass sich nur die nichteheliche Lebensgemeinschaft als "sozialer Typus deutlich herausgebildet" habe (BVerfG a.a.O.). Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung deutlich darauf abgestellt, dass das Zusammenleben von Homosexuellen nur deshalb nicht mit dem Zusammenleben von Heterosexuellen verglichen - und damit gleichgestellt - werden konnte, weil zum Zeitpunkt der Entscheidung (1992) das Zusammenleben von Homosexuellen noch keinen Zugang zur Rechtsordnung gefunden hatte, rechtlich also völlig belanglos und damit kein "sozialer Typus" war.
Gerade mit dieser - damals eine Verfassungswidrigkeit ablehnenden - Begründung des Bundesverfassungsgerichts muss jedoch heute geschlossen werden, dass eine Ungleichbehandlung zumindest im Verhältnis von heterosexuellen und homosexuellen (nicht "verheirateten") Paaren im Lichte des Art 3 GG unzulässig ist.
a) Zum Einen hat sich in der sozialen Wirklichkeit der BRD - seit der oben zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - vieles dahingehend geändert, dass sich nun auch homosexuelle Lebensgemeinschaften als "sozialer Typus" in o.g. Sinne herausgebildet haben. Dies erkennt man schon daran, dass sich Politiker, Künstler und andere hochrangige Personen des öffentlichen Lebens inzwischen in so großer Zahl zu einer homosexuellen Partnerschaft bekennen, dass diesbezüglich kaum noch von einer sozial völlig atypischen Lebensform gesprochen werden kann. Auch hat sich die gesellschaftliche Betrachtung der Bindung zwischen homosexuellen Partnern geändert. Nach einer Studie von Buba/Vaskovic unterscheiden sich gleichgeschlechtliche Paare in ihren Erwartungen an die Partnerschaft, deren Dauerhaftigkeit, ihre gegenseitige Unterstützungsbereitschaft und an das Einstehen füreinander nicht wesentlich von denen verschiedengeschlechtlicher Paare (Buba/Vaskovic, Benachteiligung gleichgeschlechtlich orientierter Personen und Paare, Studie im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz, 2000, S. 75 ff, 117 ; siehe hierzu auch BVerfG, Urteil vom 17.07, 2002, Az: 1/01, 1 BvF 2/01).
b) Zum Anderen - und in diesem Zusammenhang weitaus gewichtiger - hat aber - zeitlich nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - der Gesetzgeber in zahlreichen Gesetzen gerade zum Ausdruck gebracht, dass das Zusammenleben von Homosexuellen als (auch) "sozial typisch" zu verstehen ist. So können Homosexuelle auch Kinder adoptieren, sie dürfen nicht diskriminiert werden und sie können eingetragene Partnerschaften nach dem "Lebenspartnerschaftsgesetz" eingehen. Gerade mit diesem "Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften" hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass gleichgeschlechtliche Partner nicht anders zu behandeln sind, als verschiedengeschlechtliche Partner. Noch weiter will der Gesetzgeber schon in Kürze bei der Umsetzung bestehender europarechtlicher Regelungen in deutsches Recht gehen, wenn jegliche Diskriminierung wegen einer sexuellen Neigung untersagt werden soll und wenn - wie politisch angekündigt - die "Homoehe" der Ehe weitestgehend rechtlich angeglichen werden soll.
Der Gleichheitsgrundsatz des Art 3 GG verbietet es aber, dass eine Gruppe von Normadressaten (heterosexuelle nicht verheiratete Paare) im Vergleich zu anderen Normadressaten (homosexuelle nicht "verheiratete" Paare) anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können (BVerfG a.a.O. ; BverfGE 55, 72, 88). Dass die hier zu vergleichenden Normadressaten (heterosexuell/ homosexuell) gleich zu behandeln sind, hat das Bundesverfassungsgericht schon in seiner Entscheidung vom 17.07.2002 (BVerfG a.a.O.) deutlich zum Ausdruck gebracht. Das BVerfG hat in der vorgenannten Entscheidung nämlich ausdrücklich als verfassungswidrig und Verstoß gegen Art. 3 GG gerügt, dass das seinerzeit noch geltende Bundessozialhilfegesetz bei der Bedürftigkeitsprüfung die Anrechnung von Einkommen des (homosexuellen) Lebenspartners nicht vorsah. Mit der Rüge hat es den Gesetzgeber aufgefordert, "im Sozialhilferecht daraus (...) die entsprechenden rechtlichen Konsequenzen" zu ziehen (BVerfG a.a.O.). Dieser Aufforderung ist der Gesetzgeber aber nur insoweit nachgekommen, als er den (eingetragenen) Lebenspartner in § 7 SGB II nunmehr der Bedarfsgemeinschaft zurechnet. Das aber ist im Hinblick auf Art 3 GG nicht ausreichend, denn wenn das Bundesverfassungsgericht schon darauf hinweist, dass Ehe und "Homoehe" im Sozialhilferecht gleich zu behandeln sind, dann muss selbstverständlich auch die Gemeinschaft von nur zusammenlebenden Heterosexuellen genauso behandelt werden, wie die gleichartige Gemeinschaft von Homosexuellen.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsauffassung der 35. Kammer des SG Düsseldorf werden die Antragsteller in einem Hauptsacheverfahren wahrscheinlich obsiegen, mit der Folge, dass die begehrte Anordnung in ihrem Sinne zu ergehen hatte.
Zur Vermeidung einer Vorwegnahme der Hauptsache hat das Gericht die zu zahlenden Leistungen auf 80 % begrenzt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
ACHTUNG: CLEMENT BLEIBT STUR !
Arbeitslosengeld darf nicht wegen Lebensgemeinschaft verweigert werden
Düsseldorf/Berlin (dpa) - Die Hartz-IV-Regeln zur Anrechnung des Partnereinkommens sind nach Ansicht des Düsseldorfer Sozialgerichtes in Teilen verfassungswidrig.
Das Gericht entschied zu Gunsten einer Frau, der das Arbeitslosengeld II verweigert worden war, weil sie in einer Lebensgemeinschaft mit einem erwerbstätigen Mann wohnt.
Das bloße Zusammenleben in einer Wohnung reiche jedoch nicht zur Bestimmung einer Bedarfsgemeinschaft aus, hieß es in dem am Montag veröffentlichten Beschluss (S 35 SO 28/05 ER).
Im Bundeswirtschaftsministerium in Berlin erkannte man keinen Verstoß gegen das Grundgesetz. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) sagte dem Nachrichtensender N24, er gehe davon aus, dass das Urteil keinen Bestand haben werde: «Also es sollte sich niemand Hoffnungen machen wegen dieses Urteils, es bleibt alles so, wie es ist - und das ist auch gut so.»
Sein Ministerium erklärte, das Partnereinkommen werde nur angerechnet, wenn es sich um eine Lebensgemeinschaft handele. Sollte eine Zweckgemeinschaft bestehen, könne dies angegeben werden. «Dann wird das Partnereinkommen nicht angerechnet», sagte eine Sprecherin.
Das Mönchengladbacher Sozialamt hatte mit Hinweis auf die Hartz- IV-Gesetzgebung die Leistungen mit der Begründung verwehrt, in eheähnlichen Bedarfsgemeinschaften von Mann und Frau bestehe gegenseitige Unterhaltspflicht.
Die Frau bestreitet jedoch eine eheähnliche Gemeinschaft mit dem Mann. In dem Eilverfahren sprach ihr das Gericht daraufhin 80 Prozent des Regelsatzes zu. «In dem parallel laufenden Hauptverfahren muss nun die Art des Verhältnisses geklärt werden», sagte ein Gerichtssprecher. Bis zu einer Entscheidung könne es aber noch einige Monate dauern.
Aus Sicht der Düsseldorfer Richter begründet sich die Verfassungswidrigkeit darauf, dass sich die gesetzliche Regelung im Wortlaut lediglich auf heterosexuelle Lebensgemeinschaften bezieht. Das Zusammenleben gleichgeschlechtlicher Partner sei dagegen nicht erfasst. Um von einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne der Bestimmung ausgehen zu können, sind nach Ansicht des Gerichts längerfristige, enge Bindungen erforderlich. Die Justizbehörde wies das Sozialamt per einstweiliger Anordnung an, der Frau Leistungen zur Grundsicherung zu gewähren.
Ob dieser Beschluss Bestand haben wird, sei fraglich, hieß es in Kreisen der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Seit fast zehn Jahren sei es gängige Praxis, zusammenlebende Partner wie Ehepartner zu behandeln. Die derzeitige Gesetzeslage liefere aber keine Handhabe, dies auch auf homosexuelle Lebensgemeinschaften zu übertragen.
(21.02.2005 | 16:55 Uhr)
Erste Gerichtsentscheidungen zu Hartz IV
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Pressestelle
Celle, den 20. Januar 2005
Pressemitteilung Nr. 3/05
Erste Gerichtsentscheidungen zu Hartz IV
Seit 1. Januar 2005 ist die Sozialgerichtsbarkeit für die sog. Hartz IV-Gesetze zuständig (Grundsicherung für Arbeitssuchende – Sozialgesetzbuch 2. Buch [SGB II], Sozialhilfe [SGB XII] und Asylbewerberleistungsgesetz). Mittlerweile sind erste Entscheidungen ergangen:
Das Sozialgericht Oldenburg hat mit Beschluss vom 11. Januar 2005 (S 45 AS 2/05 ER) im Wege des Einstweiligen Rechtsschutzes einer alleinerziehenden Studentin für ihre zwei 8- und 10-jährigen Kinder Sozialgeld zugesprochen. Die Studentin hatte bis Ende 2004 außer BAföG-Leistungen auch noch sog. Mehrbedarfsleistungen nach dem bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bezogen; die Kinder hatten laufende Sozialhilfe nach dem BSHG erhalten. Für die Zeit ab 1. Januar 2005 wurde die Gewährung von Leistungen nach dem zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen SGB II für die Studentin und ihre Kinder mit der Begründung abgelehnt, dass nach § 7 Abs. 5 SGB II an Studenten generell keine SGB II-Leistungen erbracht werden könnten. Damit scheide eine Leistungswährung auch an die zwei Kinder aus, die zusammen mit der Mutter eine sog. "Bedarfsgemeinschaft" bilden.
Das Sozialgericht hat der Studentin für ihre Kinder für die Zeit bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens Sozialgeld nach dem SGB II zugesprochen (207,00 Euro mtl. je Kind zzgl. anteiliger Unterkunftskosten). Denn der Leistungsausschluss für Studenten (§ 7 Abs. 5 SGB II) gelte nur für die Studentin selbst, nicht dagegen für die weiteren Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft (hier: Kinder). Deshalb sei die Ablehnung von SGB II-Leistungen lediglich gegenüber der Studentin selbst rechtmäßig, nicht jedoch gegenüber den Kindern.
Die 2. Kammer des Sozialgerichts Oldenburg hat im Beschluss vom 10. Januar 2005 (S 2 O 3/05 ER die gleiche Rechtsauffassung vertreten): Das Gericht hat den gegen das Sozialamt der Stadt Oldenburg gerichteten Antrag einer 13-jährigen Tochter einer Studentin auf vorläufige Zahlung von Sozialhilfe abgelehnt, weil für die Tochter höchstens Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB II, nicht jedoch Ansprüche auf Sozialhilfe (SGB XII) in Betracht kämen. Damit hatte das Mädchen (vertreten durch ihre Mutter) das gerichtliche Verfahren gegen den falschen Sozialleistungsträger gerichtet. Denn für Leistungen nach dem SGB II ist in Oldenburg nicht das Sozialamt der Stadt Oldenburg, sondern die "Arbeitsgemeinschaft der Bundesagentur für Arbeit und der Stadt Oldenburg" (ARGE Oldenburg) zuständig.
Bei den Sozialgerichten gehen in den neuen Zuständigkeitsbereichen (SGB II, SGB XII und Asylbewerberleistungsgesetz) täglich neue Klagen und Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz ein. So sind in der Zeit vom 1. bis 19. Januar 2005 allein im Zusammenhang mit den Hartz-IV-Gesetzen z.B. beim Sozialgericht Hannover bereits 46, beim Sozialgericht Oldenburg sogar 55 neue Verfahren anhängig gemacht worden. Auch beim Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in Celle sind in den neuen Zuständigkeitsbereichen bereits Beschwerdeverfahren anhängig.
http://www.landessozialgericht.niedersac...0_I5210490.html
S 45 AS 1/05 ER BESCHLUSS [PDF]
S 2 SO 3/05 ER BESCHLUSS [PDF]
Ausschnitte aus dem Urteil mit dem Inhalt, der wohl auch für etliche von uns wichtig sein dürfte.. bei Bedarf kann das ganze Urteil gelierfert werden:
Kosten des Umgangsrecht sind notwendiger Bedarf
Sozialgericht Schleswig Az: S2 AS 52/05 ER Umgangskosten Alg 2
Sozialgericht Schleswig Az: S2 AS 52/05 ER
Im Gegensatz zur Auffassung der Antragsgegnerin, hält die erkennende Kammer § 20 SGB II als Rechtsgrundlage für die Übernahme der im Rahmen des Umgangsrechts anfallenden Kosten, für geeignet. Zwar umfasst die Übernahme nach § 20 Abs. 1 SGB II die Sicherung des Lebensunterhalts, insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausarzt, die Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfangs auch den Umgang mit den leiblichen Kindern, mag dahin stehen. Auf jeden Fall, ist die Aufzählung in § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht erschöpfend, wie das Wort ,,insbesondere“ zeigt. Mit der Regelleistung soll der im Normalhaushalt auftretende typische Bedarf abgedeckt werden. Getrennt lebende Familien –
Wie hier die Antragstellerin und ihr geschiedener Ehemann mit der gemeinsamen Tochter – sind zwar keine Seltenheit mehr, machen gleichwohl – glücklicherweise – nicht die Regel aus. Durch das Umgangsrecht mit XXX, besteht für die Antragstellerin ein untypischer Bedarf, der im Sozialhilferecht, als besondere Leistung nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG abgedeckt war. Entsprechend, hat die Antragstellerin im letzten Jahr als Sozialhilfeempfängerin, auch die Kosten für die Realisierung des Umgangsrechts gewehrt bekommen. Mit der Schaffung des SGB II ist für die erwerbsfähigen Bedürftigen eine neue gesetzliche Grundlage geschaffen worden. Der Rückgriff auf die Leistungen der Sozialhilfe ist grundsätzlich durch § 5 SGB II ausgeschlossen. Nach Auffassung der Kammer bedeutet dies jedoch nicht zwangsläufig eine Schlechterstellung der ALG II-Empfänger gegenüber den Sozialhilfeempfängern. Dies wäre schon wegen der höheren Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II, die etwa 16 % über dem Regelsatz der Sozialhilfe liegen soll, nicht gerechtfertigt. Wenn Hilfeempfänger, nach § 73 des zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XII) in sonstigen Lebenslagen, Leistungen erhalten können, muss dies durch eine grundgesetzkonforme Auslegung der §§ 20 ff SGB II ebenfalls gewährleistet sein. Anderen Falls, wäre das durch Artikel 20 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) garantierte Sozialstaatprinzip, verletzt.
Im vorliegenden Fall kann die Antragstellerin sich auch auf Artikel 6 Abs. 2 Satz 1 GG berufen.
Dieser Artikel schützt das Umgangsrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils, ebenso wie die elterliche Sorge des geschiedenen Mannes der Antragstellerin (so Kammerbeschluss des 1. Senates des Bundesverfassungsgerichtes – BVerfG – vom 25. Oktober 1994 – 1 B vR 1197/93 -).
Nach den Darlegungen des BVerfG bedeutet die Übertragung des Sorgerechts von einem Elternteil, nach der Scheidung, dass nur dieser Elternteil die notwendigen Entscheidungen über die Pflege und Erziehung des Kindes zu treffen hat und die entsprechenden Elternfunktionen tatsächlich wahrnimmt. Jedoch soll nach der gesetzlichen Regelung des Umgangsrechts die Bindung des Kindes zu dem anderen Elternteil fortbestehen und entsprechend berücksichtigt werden. Das Umgangsrecht ermöglicht so der geistigen Befindung ihrer Tochter und deren Entwicklung durch Augenschein und gegenseitige Absprache fortlaufend zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihr aufrecht zu erhalten und einer Entfremdung vorzubeugen. Dabei sind auch Seitens der Antragsgegnerin, die zwischen den Eltern getroffenen Besuchsregelungen, zu beachten, solange sie nicht missbräuchlich zur Überwälzung von Kosten auf die Antragsgegnerin ausgenutzt werden. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Ausgehend, von den in der familiengerichtlichen Praxis zu § 1634 Abs. 2 Satz 1 das Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entwickelten Grundsätzen, wonach als Mindeststandart der monatliche Wochenendbesuch des Kindes, beim Umgangsberechtigten als die im Regelfall den Zweck des Umgangsrechtes wahrende Regelung, angesehen wird, ist die Regelung mit den etwa alle 2 bis 3 Wochen stattfindenden Besuches XXX bei der Antragstellerin nicht unangemessen. Berücksichtigt man die Entfernung von Lauenburg nach Kiel, ist die Kostenbelastung für die Antragsgegnerin noch vertretbar. Dies gilt auch hinsichtlich des Mehrbedarfs von 7,00 Euro täglich, den XXX zum Essen und Trinken und Befriedigen der sonstigen lebensnotwendigen Bedürfnisse als 14Jährige mindestens braucht. Da hinsichtlich der Besuch XXX bei der Antragstellerin Anfangs und Ende Februar 2005 kein Eilbedürfnis mehr vorliegt, war die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zumindest zur Übernahme der beantragten Kosten anlässlich des nächsten anstehenden Besuches zu Ostern, zu verpflichten. Für ein etwaiges Hauptverfahren und die Erhebung einer Fortsetzungsfeststellungsklage, sei schon hier angedeutet, dass die Kammer die Antragsgegnerin auch zur Übernahme der anlässlich, der bei den beiden bereits stattgefundenen Besuchen im Jahre 2005 angefallenen Kosten für verpflichtet hält. Die Gesetze des SGB II sind grundrechtskonform so auszulegen und zu interpretieren, dass die Finanzierung der notwendigen Umgangsrechtrwahrnehmung sichergestellt wird. Es ist für die Kammer nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber einen Rückfall unter den Standard der bisherigen Sozialhilfe, mit dem SGB II beabsichtigte.
Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war insoweit stattzugeben.